Am kommenden Freitag endet meine Geschichte "Der Tierflüsterer" und am Montag darauf startet die indirekte Fortsetzung in Form einer "Kurzgeschichte" von 6 Kapiteln, in der Justin den Protagonisten verkörpert. In den nächsten zwei Wochen lade ich demnach "Der Tierflüsterer - Reloaded" hoch. Hier die Kapitel im Überblick:
Der Tierflüsterer - Reloaded 1. Alles ist anders... (1+2) 2. Ein Plan zum Erhalt der Eisbären (1+2) 3. Das "Date" im Zoo (1+2) 4. Spiel mit dem Feuer (1-3) 5. Die Entscheidung (1-3) 6. Neun Monate später... (1)
"Die geheimen Akten" sollten ursprünglich mehrere Geschichten zum "Mystic Love"-Universum beinhalten. Bislang existiert aber nur diese eine Geschichte, aufgrund von mangelndem Interesse. Das bedeutet aber nicht, dass es jemals eine Fortsetzung geben könnte.
1. Alles ist anders – Teil 1 Ich stand am Straßenrand gegenüber der Schule und blickte auf all die Schüler und Schülerinnen, die das Gebäude ein letztes Mal verließen. Heute war ihr letzter Schultag vor den Sommerferien und für die Schüler aus dem Abschlussjahrgang war es sozusagen das Ende ihrer „Kindheit“. Die Zeit war gekommen, wo sie mit beiden Füßen in die weite Welt hinausgingen, um sich weiter zu entwickeln und ihr eigenes Leben – fernab ihrer fürsorglichen Eltern – lebten. Einige von ihnen wussten vermutlich was sie erwartete, doch andere rannten blindlings in ihr Verderben. Ich will das Ganze nicht zu negativ betrachten, aber die meisten dieser Jungs und Mädchen hatten nicht den leisesten Hauch davon, wie hart und anstrengend das Leben – fernab ihrer heilen Welt – sein konnte. Nur wenige wussten es wirklich und dazu gehörte auch mein ehemaliger Freund Bobby Forster, der zusammen mit seinen Freunden sein Abitur erfolgreich bestanden hatte. Für ihn brach eine neue Zeit an, ein neues Leben, außerhalb dieser Stadt… und weit weg von den Erlebnissen, die ihm die letzten Monate widerfahren sind. Es kam mir wie gestern vor, als ich ihn das erste Mal im Wald begegnet bin und mich auf den ersten Blick in ihn verliebt hatte. Doch damals hatte ich große Angst und bin weggelaufen. Warum ich so große Angst hatte? Weil ich mehrere Geheimnisse in mir trug, die sein Leben für immer verändern hätten können, wenn er von ihnen wüsste. Doch das Schicksal wollte es wohl auch so, denn schon bald traf ich Bobby wieder und er konnte sich mit eigenen Augen davon überzeugen, wie ich mich mit Tieren unterhalten konnte. Diese Begabung war ein Geschenk, welches ich bereits seit meiner Geburt besaß, was mich aber auch zum Außenseiter machte. Ich lebte zusammen mit meinem Dad in einem Apartment, ganz in der Nähe eines Zoos, das mein Vater leitete. Meine Mutter starb bei einem tragischen Unfall, als sie das Opfer einer Löwin wurde, was zu einem hohen Alkoholkonsum bei meinem Dad führte, der mich zum Teil wie den letzten Dreck behandelte. Er gab mir die Schuld an ihrem Tod und setzte sogar Gewalt gegen mich an. Dies war eine sehr schwere Zeit für mich, aber zum Glück hatte ich Menschen wie Bobby und meine beste Freundin Anja an meiner Seite, die immer für mich da waren. Anja war eine Angestellte des Zoos meines Vaters, in dem auch ich arbeitete, da mein Dad mich nicht zur Schule gehen ließ. Ich konnte also nicht Lesen und Schreiben, doch Anja brachte es mir bei und als mein Dad sich endlich zu einem Alkoholentzug durchrang und in eine Klinik musste, nahmen mich Anja und ihr Ehemann Paul bei sich auf, als wäre ich ihr kleiner Bruder. In der Zwischenzeit wurde Anthony, ein Angestellter des Zoos, zum neuen Zoodirektor. Anthony saß im Rollstuhl, weil Ben, ebenfalls ein Angestellter des Zoos, ihm ins rechte Bein schoss. Ben war ein Mitglied der Organisation „Animal Welfare“, die es auf mich und meine besondere Begabung mit Tieren zu sprechen abgesehen hatten. Doch da hatte sich die Organisation mit dem Falschen angelegt. Ich brachte eine Herde von Elefanten dazu, Ben niederzutrampeln. Ich hatte keine Wahl, denn Ben bedrohte mich und das Leben meiner Freunde. Auch Bobby und sein bester Freund Tobias wurden immer weiter in die Sache hineingezogen und am Ende konnten wir alle nur ganz knapp einem Feuer entgehen, bei dem der Anführer der Organisation „Animal Welfare“ und dessen Adoptivsohn Vince ums Leben kamen. Es war eine furchtbare Tragödie, die bei uns allen tiefe Wunden hinterließ, doch das Leben ging für uns weiter. Dem Tode waren wir zwar knapp entronnen, aber auch die Liebe zu Bobby verlor ich, der sich irgendwann in Tobias verliebte. Er wollte es zunächst nicht zugeben, aber irgendwann sah er es doch ein und entschied sich für Tobias. Diese Entscheidung fiel ihm bestimmt nicht leicht, denn er mochte mich nach wie vor sehr gern, wollte mir nicht wehtun und das Erlebte verband uns. Doch in seinem Herzen war nur für einen Jungen Platz und das sollte nun mal nicht ich sein. Nun konnte ich sehen, wie die Zwei Hand in Hand aus der Schule rausmarschierten, mit strahlenden Gesichtern und ihren Freunden um sich herum. Natürlich war ich sehr traurig, die Beiden so eng miteinander zu sehen, doch stimmte es mich glücklich, Bobby in guten Händen zu wissen. Er hatte es sich verdient. Doch was würde nun aus mir werden? Während Bobby und seine Freunde schon bald wegzogen, um ihr Studium in anderen Städten anzufangen, würde ich weiter hier bleiben und im Zoo arbeiten. Doch wollte ich das wirklich, oder wollte ich vielleicht auch ein völlig neues Leben woanders anfangen? Ich wandte mich von der Schule ab, ehe Bobby und seine Freunde mich entdecken konnten und schlenderte zwischen einer Baumallee an der Straße entlang, Richtung Zoo. Es war ein sonniger Julitag und die Temperatur war angenehm warm. Für nächste Woche hatte der Wetterbericht jedoch eine Hitzewelle angekündigt, die sich über Deutschland breit machen würde und das bereitete mir jetzt schon große Sorgen, denn die Pinguine und die Eisbären in unserem Zoo waren das warme Klima natürlich nicht gewohnt und in den letzten Jahren, mussten wir uns von vielen von ihnen verabschieden, weil ihnen die Hitze zu sehr zusetzte. Das schmerzte mich immer sehr und am liebsten hätte ich dafür gesorgt, dass sie in sichere und größere Reservate verlegt werden, aber der Aufsichtsrat sah das natürlich ein wenig anders. Meine Meinung war ihnen egal und Anthony war zwar auf meiner Seite, konnte gegen den Aufsichtsrat aber selber nur wenig ausrichten. Dabei wären vier von fünf Aufsichtsräten zu einem Kompromiss bereit, wenn Herr Kamp nicht wäre. Herr Kamp war das Oberhaupt der Aufsichtsbehörde und hatte die Befehlsgewalt. Ihm lagen alle Rechte vorbehalten und er hatte am Ende die Entscheidungsgewalt. Anthony meinte zu mir einmal, dass Herr Kamp eigentlich ein ganz umgänglicher Typ sei, doch sobald er von mir oder meinem Vater hörte, war er wie ausgewechselt. Zwischen ihm und meinem Vater musste in der Vergangenheit also mal etwas vorgefallen sein, aber was, dass wussten leider weder ich noch Anthony. Plötzlich vibrierte mein Handy in meiner Hosentasche. Mich hatte eine Nachricht von Anja erreicht, die gerade im Zoo beschäftigt war. Ihre Nachricht bescherte mir die nächste Sorgenfalte. Ich begann meine Füße schneller zu bewegen und rannte schließlich schnell zum Zoo.
2. Alles ist anders – Teil 2 Im Zoo gab es eine Tierarztpraxis, wo ich auf der Stelle hineilte. Es lag in der Nähe des Haupteingangs, gleich nach dem Gehege der Bisons und der Biber. Ich besaß eine Chipkarte, mit der alle Gebäude für ihn frei zugänglich waren. Endlich an meinem Ziel angekommen, blickte ich durch eine große Fensterscheibe in einen hell beleuchteten Raum. In der Mitte des Raums stand ein großer Tisch, auf dem ein Orang-Utan-Weibchen gerade von dem Zoologischen Tierarzt Dr. Feldmann untersucht wurde. Anja war ebenfalls bei ihm, doch als sie mich im Gang erblickte, gab sie dem Tierarzt Bescheid und verließ den Untersuchungsraum. „Was ist mit Sheila? Geht es ihr gut?“, fragte ich sie ohne Umschweife und ohne Luft zu holen. Ohne eine Antwort abzuwarten, wollte ich an Anja vorbei stürmen, doch die versperrte mir den Weg. „Jetzt hol erst einmal tief Luft, Justin. Sheila geht es gut.“, antwortete Anja mir. „Sorry, dass ich dir mit meiner Nachricht Sorge bereitet habe, aber ich weiß doch, wie sehr du an Sheila hängst und du hättest mich verteufelt, wenn ich dir nicht Bescheid gegeben hätte. „Ja okay, aber was ist denn jetzt mit ihr? Was macht Dr. Feldmann da?“, fragte ich nicht weniger besorgt, während ich unentwegt durch die Glasscheibe zu dem Orang-Utan-Weibchen blickte. „Wie ich bereits sagte, es geht ihr gut. Ehrlich gesagt sogar mehr als gut!“, meinte Anja. Ich verzog verwirrt das Gesicht. „Wie, was? Ich verstehe nicht.“ „Natürlich nicht. Deshalb bist du ja auch ein Mann und Sheila eine Frau… und zudem im dritten Monat schwanger.“ Anjas Gesicht zeigte plötzlich ein breites Lächeln auf, wohingegen ich noch immer verwirrt guckte, bis auch ich zu verstehen schien. „Justin, Sheila bekommt ein Baby!“ Endlich fiel auch bei mir der Groschen und ich brach in Jubelrufen aus. Ich umarmte Anja und drückte anschließend meine Hände gegen die Fensterscheibe, um Sheila möglichst nahe zu sein. „Das ist toll, das ist…, wieso hat sie mir davon nichts gesagt?“ „Vermutlich weil sie es selber noch nicht wusste. Erst heute Morgen als…, Moment, was hast du gerade eben gesagt?“ Anja blickte mich an und mein Lächeln verschwand mit einem Mal. Ich musste einmal kräftig schlucken, denn im Rausch der Freude, hatte ich etwas gesagt, was in Anjas Ohren einfach seltsam klingen musste. Es war eine unbedachte Aussage mit schwerwiegenden Nachwirkungen. Ich mochte Anja sehr, sie war mir so einiges zum Dank verschuldet, weshalb ich sie nicht mehr länger über meine verborgenen Kräfte anlügen konnte.
Zum Glück reagierte Anja völlig gelassen. Ihre Reaktion war wirklich einzigartig, denn sie blickte mich nicht wie jemanden an, der völlig den Verstand verloren zu haben schien, oder plötzlich mit Superkräften ausgestattet war und damit prahlte, sondern wie den Jungen, den sie ihr Leben lang kannte. „Das ist wirklich unglaublich Justin.“, sagte sie, nachdem ich ihr alles von meinen Fähigkeiten, aber auch von der Organisation „Animal Welfare“ erzählt hatte. Während meiner Erzählung waren wir Zwei durch den Zoo spaziert und kamen bei dem Eisbärengehege an. „Dass du mit Tieren kommunizieren kannst…, das ermöglicht dir eine völlig neue Sichtweise auf die Dinge. Du kannst nicht nur ahnen und spüren, was die Tiere empfinden, du weißt es, weil sie es dir sagen!“ „Naja meistens jedenfalls. Bei Erdmännchen Timon bin ich mir nicht sicher, ob er mich nicht nur aufs Korn nimmt. Er sagt immer „Hakuna Matata“ zu mir…, was immer das auch bedeuten mag.“, erzählte ich und regte mich noch immer über dieses freche Erdmännchen auf. „Es gibt keine Sorgen.“ „Was?“ Anja lächelte. „Hakuna Matata – Das bedeutet „Keine Sorgen haben“. Das ist ein weltbekanntes Zitat aus dem Disney-Film „Der König der Löwen“.“ „Aha… das erklärt so manches. Ich gucke keine Filme!“, erklärte ich mir, drehte mich um und sah Anthony auf das Eisbärengehege zurollen. Er war jedoch nicht alleine, sondern in Begleitung des Zoo-Obervorstands Herr Kamp und dessen Sohn Kevin Kamp. Ein schwarzhaariger, schlaksiger Junge mit einem etwas zu großen Mundwerk. „Anja, Justin, was macht ihr denn hier?“, fragte Anthony die Beiden freundlich, während Herr Kamp gewohnt finster dreinschaute und Kevin sich nicht anmerken ließ, was er gerade dachte. „Ist das nicht offensichtlich?“, fragte Herr Kamp kühl. „Ihre Pfleger scheinen ihren Job nicht ernst zu nehmen, wenn sie hier gerade ein kleines Päuschen während der Hauptsaison einlegen.“ „Pardon?“ Anja blickte Herr Kamp herabschätzend an, doch der ignorierte sie. „Anthony, ich weiß, sie sind noch nicht lange Zoodirektor, aber sie täten gut daran, sich fähigere und pflichtbewusstere Pfleger zuzulegen. Wie alt ist dieser Knabe? Dreizehn?“ „Achtzehn!“, antwortete ich und meine Abneigung für Herr Kamp wuchs von Minute zu Minute weiter an. Was wollte er hier überhaupt? Herr Kamp sah nicht danach aus, als wäre dies ein privater Hausbesuch. Er trug Anzug und Krawatte und das konnte nur bedeuten, er war geschäftlich hier. „Ist dies das Gehege der Eisbären?“, fragte Herr Kamp. „Es mangelt an Größe…“ Nun war ich überrascht. Sah Herr Kamp etwa endlich ein, dass das Gehege der Eisbären zu klein war? „Also ich rede natürlich von den Eisbären. Sind kleiner als ich dachte. Richtige Magneten für Besucher sind sie auch nicht mehr wirklich. Da bräuchte es schon einen Art Knut-Nachfolger.“ „Oh Anthony, da fällt mir ein dir zu sagen, dass Sheila ein Junges erwartet.“, erzählte Anja stolz. „Sheila? Ist das ein Eisbär?“, fragte Herr Kamp unwissend. „Unser Orang-Utan-Weibchen.“, erklärte Anthony Herr Kamp. Anthony freute sich über diese Nachricht sehr, doch wurde diese Freude von Herr Kamp sofort im Keim erstickt. „Na bitte. Da haben wir es doch schon. Ein Baby bei den Orang-Utans. Affen mochten die Menschen schon immer, vor allem die Kinder.“ Ich konnte der Aussage von Herr Kamp nicht beipflichten. Ich mochte IHN nämlich ganz und gar nicht. „Jetzt wissen wir, was als Nächstes zu tun ist.“, sagte Herr Kamp fortführend und wir alle starrten ihn erwartungslos an. „Das Affengehege wird vergrößert und das Gehege der Eisbären kommt weg. Am besten wir verfrachten die Eisbären zurück zum Südpol!“ „Nordpol! Es gibt am Südpol keine Eisbären, sie unwissender, einfältiger, ignoranter…“ Ich war fuchsteufelswild und beleidigte Herr Kamp so gut ich konnte. Herr Kamp starrte mich böse an, doch Anthony warf sich gerade noch rechtzeitig dazwischen, um Schlimmeres zu verhindern. „Kommen sie Herr Kamp und hören sie nicht auf ihn. Er meint es nicht so. Folgen sie mir und ich bringe sie zu den Pinguinen. Kinder lieben Pinguine, das können sie mir ruhig glauben und vielleicht überdenken sie ihre Entscheidung ja dann noch einmal.“ Ich blieb mit Anja am Eisbärengehege zurück. Die Wut kochte in mir. Doch wir waren nicht allein – Kevin war noch bei uns geblieben. „Mein Vater ist wirklich ein Idiot, aber du hast ein ganz schön freches Mundwerk Kleiner.“, sagte er und rückte mir unerwartet auf die Pelle. Kevin kam wirklich sehr nah und auf einmal spürte ich ein eigenartiges Gefühl.
3. Ein Plan zum Erhalt der Eisbären – Teil 1 Das Gefühl, das ich bei Kevin verspürte, war weder gut noch schlecht. Es war ein seltsames Gefühl – das Gefühl, sich selbst gegenüber zu stehen, aber das war natürlich völlig absurd. „Wenn du meine Meinung dazu hören willst, dann solltest du dich von dem Knaben fernhalten. Er tut dir keinesfalls gut und das sag ich nicht nur, weil ich seinen Vater am liebsten auffressen möchte.“, hörte ich die Stimme des Eisbären Hans in meinem Kopf. „Nur zu, iss ihn auf, dann sind wir ihn endlich los…, aber dich dann leider auch. Ich fürchte, man wird dich dann anschließend einschläfern lassen.“, erklärte ich dem Eisbären, während ich dessen Kot beseitigte. „Weißt du was ein richtig großer Gefallen von dir wäre? Wenn du hier weniger Kot fabrizieren würdest. Immer darf ich ihn wegmachen. Könnt ihr Tiere, nicht einfach Klopapier wie wir Menschen benutzen? Das wäre sehr viel hygienischer.“ „Bin ich ein Waschbär? Als ob ich mit meinen Tatzen an meinen Hintern komme. Das müsstest dann schon du übernehmen.“, erwiderte Eisbär Hans daraufhin lachend, was für Zoo-Besucher, aber wie ein bäriges Brüllen klang. „Oh die zwei kleinen Mädchen da drüben sehen aber lecker aus…“ „Hans!“ Ich blickte den Eisbären warnend an, doch war mir klar, dass er nur einen Scherz gemacht hatte. Er mochte kleine Kinder… meistens. „Ich muss dann mal weiter. Soll ich schöne Grüße von dir an deine Verwandten, die Braunbären ausrichten?“ „Ja, sag ihnen, dass ich viel cooler bin als sie, haha.“, antwortete Hans lachend. Ich schüttelte lächelnd den Kopf und verließ das Eisbärengehege. Kaum hatte ich das Gatter hinter mir zugezogen, traf ich auch schon Kevin wieder. „Du bist ja immer noch hier.“, gab ich überrascht, aber auch leicht genervt von mir. „Was willst du?“ „Dich fragen, ob du irgendwie nicht ganz richtig im Kopf bist.“, antwortete Kevin mir und starrte mich dabei musternd an. „Das sah gerade aus, als würdest du Selbstgespräche führen, oder glaubst du, der Eisbär redet mit dir?“ „Bitte lass mich doch einfach in Ruhe.“, bat ich sehr freundlich, mogelte mich an Kevin vorbei und stellte den Eimer mit Hans` Kot auf einem Schubkarren ab. „Mein Vater hat mir ein paar interessante Dinge über dich erzählt.“, sagte Kevin, der meiner Bitte nicht nachkam. „Dein Vater ist Alkoholiker und gerade in einer Entzugsklinik. Du kannst weder lesen noch schreiben, weil du nie eine Schule besucht hast. Deine Mutter ist bei einem Angriff einer Löwin ums Leben gekommen, was du mitansehen musstest und auch als die Elefanten vor ein paar Monaten den Tierpfleger zu Tode getrampelt haben, der Anthony ins Bein schoss, warst du zugeben. Und dann war da noch dieser Brand, in dieser einen Villa, in der du fast dein Leben verloren hast. Du scheinst immer genau dort zu sein, wo was los ist.“ „Ja und, willst du etwa mit mir tauschen? Nur zu. Ich reiß mich nicht darum, ständig dem Tod ins Auge zu blicken.“, entgegnete ich nun wirklich mehr als genervt. Was wollte der Kerl eigentlich von mir? Sollte ich ihm den Schwanz lutschen, oder warum ging er mir jetzt auf die Nerven?“ „Nein, tauschen möchte ich nicht wirklich mit dir…, obwohl…, nein besser nicht, aber du scheinst ein aufregendes Leben zu führen und darum beneide ich dich.“ Tatsache…, er will das ich ihm den Schwanz lutsche. Kevin rückte mir wieder auf die Pelle, als ob er einen Narren an mir gefressen hatte. Er kam sogar so nah, dass sich unsere Oberkörper ganz leicht berührten und ich sein Herz schlagen hören konnte. Diese unfreiwillige Nähe zu dem mir doch völlig fremden Jungen, empfand ich als unangenehm. Also stoß ich Kevin dezent von mir weg. „Hey, hey, immer mit der Ruhe. Tut mir Leid, wenn ich dir zu Nahe getreten bin.“, entschuldigte sich Kevin augenblicklich. Ich wusste nicht, wie ich mich nun ihm gegenüber verhalten sollte. Sollte ich deswegen böse auf ihn sein? Er hat sich aber auch zugleich für sein forsches Herangehen entschuldigt. Doch war Kevin wirklich schwul? Mir war das eigentlich egal, was er war. Ich mochte ihn nicht und das würde sich gewiss nicht ändern. Zumal ich auf eine engere Bindung mit einem Jungen zunächst einmal verzichten konnte. Meine Trennung von Bobby war schließlich noch nicht so lange her. „Ich geh dann mal wieder, aber wir sehen uns bestimmt wieder. Jetzt wo mein Vater das Eisbärengehege abreißen will.“ Kevin verschwand und ich musste diese Begegnung erst einmal verarbeiten. Irgendwie war das alles schon sehr eigenartig. Ich wusste nicht, wo ich Kevin zuordnen sollte. Zu einem Jungen, der tief in sich drin, ein herzensguter Mensch war, oder zu einem Jungen, der psychisch labil war?
„Anthony sagte, Herr Kamp wäre von seiner Entscheidung, dass Gehege der Eisbären zu schließen, nicht mehr abzubringen.“, erzählte Anja ihm und ihrem Ehemann Paul beim gemeinsamen Abendessen in ihrer Wohnung. „Wenigstens die Pinguine dürfen bleiben.“ „Jeder liebt Pinguine, selbst so ein Mann wie Herr Kamp scheint das begriffen zu haben.“, meinte Paul dazu, der sich gerade Tomatensoße über seine Nudeln kippte. „An sich hab ich ja auch nichts dagegen, wenn Herr Kamp das Affengehege vergrößern lässt, aber muss denn dafür ein anderes Gehege dran glauben? Eisbären sind eine lange Tradition in unserem Zoo und die Besucher würden sie sicherlich schmerzlich vermissen, wenn sie nicht mehr da wären.“, sagte Anja, die Herr Kamp´s Entscheidung nicht nachvollziehen konnte. „Was würde denn mit euren Eisbären geschehen, wenn Herr Kamp sein geplantes Vorhaben im Vorstand durchsetzen kann?“, fragte Paul neugierig. „Wir müssten sie an andere Zoos verkaufen. Das wäre eine sehr große Belastung für die Eisbären, die unser warmes Klima ohnehin nicht gewohnt sind.“, antwortete Anja ihrem Gatten. „Das lasse ich nicht zu.“, sagte ich. Bisher hatte ich noch keinen Bissen zu mir genommen. Ich hatte zwar Hunger, aber meine Gedanken kreisten ständig um die Eisbären, um Herr Kamp… und um Kevin. „Justin, dieses eine Mal solltest du dich wirklich raushalten.“, sagte Anja. „Herr Kamp hat dich ohnehin schon auf den Kicker. Wenn du dich jetzt einmischt, dann könnte dich das den Job kosten.“ „Nein Anja. Ich lasse nicht zu, dass Herr Kamp im Zoo die Macht an sich reißt. Niemals! Das werde ich zu verhindern wissen.“, sagte ich nun entschieden. „Und was willst du dagegen tun?“, fragte Anja ihn und musterte mich dabei argwöhnisch. Jetzt wo sie mein Geheimnis kannte, war sie leider auch ein wenig misstrauisch. Dennoch lächelte ich leicht in mich hinein, als mir eine rettende Idee kam.
4. Ein Plan zum Erhalt der Eisbären – Teil 2 Ich hatte eine Idee, wie ich die Eisbären unseres Zoo vor ihrer Abschiebung retten konnte. Die Idee barg zwar gewisse Risiken, aber wenn sie von Erfolg gekrönt war, dann hatte ich die Zügel in der Hand und nicht mehr Herr Kamp, der meinte, alles und jeden bestimmen zu können. „Ich finde deinen Plan ja schon ein wenig grotesk, wenn ich ehrlich bin.“, meinte Anja nachdenklich, nachdem ich ihr und Paul von meiner Idee erzählt hatte. „Sehr nett ist das jedenfalls nicht. Paul, was meinst du dazu?“ Paul hob überfordert die Hände in die Höhe. „Ich enthalte mich besser, denn wenn es um euren Zoo geht, bin ich raus, aber Justins Plan könnte auf jeden Fall funktionieren. Nach seinen bisherigen Schilderungen zufolge scheint dieser Kevin ja wirklich ein wenig…“ Paul konnte seinen Satz nicht zu Ende sagen, denn Anja unterbrach ihn. Ihr schien mein Plan ganz und gar nicht zu gefallen. „Und was ist wenn dein Plan fehlschlägt? Das könnte dich nicht nur deinen Job kosten, du hättest auch noch eine Anklage am Hals.“ „Dieses Risiko ist es wert einzugehen.“, entgegnete ich entschlossen. Für mich kam nur dieser einzige Plan infrage, denn die Zeit drängte. Herr Kamp will den Aufsichtsrat bei ihrer nächsten Sitzung in drei Tagen von seinen Plänen bezüglich des Eisbären- und des Affengeheges in Kenntnis setzen. Anja blickte mich noch immer unsicher an. Mein Plan barg sicherlich ein Risiko, aber es war die einzige Chance, um Hans und die anderen Eisbären bei uns behalten zu können.
Der nächste Tag brach an. Mein Plan stand zwar fest, doch ihn zu schmieden war sehr viel einfacher als ihn auch in die Tat umzusetzen. Frustration breitete sich in mir aus, denn ich hatte keinen blassen Schimmer, wie ich anfangen sollte. Es schien ein Wink des Schicksals zu sein, dass mir auch heute wieder Kevin über den Weg lief – oder war es in Wirklichkeit so, dass er mir nachspionierte?! „Wieder an Mist ausrechen?“, fragte er mich mit leicht hochnäsiger Stimme, als er mich im Bisongehege mit einem Rechen arbeiten sah. „Hast wohl die Drecksarbeiten abbekommen, was?“ „Hey Kevin, du hier, schon wieder?“, gab ich leicht überrascht von mir, aber insgeheim war ich froh, dass er hier auftauchte. So konnte mein Plan schneller beginnen als erwartet. „Es sind Sommerferien, mein Dad hat noch einige Inspektionen hier zu erledigen und da er mich nicht allein zu Hause vergammeln lassen möchte, schleppt er mich ständig mit hierher. Früher oder später büxe ich ihm aber doch aus. Keiner mag es eingesperrt zu sein, dass solltest du doch eigentlich am besten wissen, wo du doch jeden Tag umgeben von Tieren bist, die eingesperrt sind.“ „Es ist richtig was du sagst.“, sagte ich, als ich meine Arbeit beendet hatte und das Gehege der Bisons verließ. „Die Tiere sind hier eingesperrt, aber einigen von ihnen, hat das womöglich auch das Leben gerettet. Jarvis, unser Nashorn, wäre sonst womöglich von Wilderern getötet worden, die es auf sein Horn abgesehen hätten, oder Emil, unser Fasan, wir haben ihn schwer verwundet im Wald gefunden. Dr. Feldmann konnte ihm in letzter Sekunde das Leben retten.“ „Man, gebt ihr all euren Tieren einen Namen?“, fragte Kevin mit genervten Gesichtsausdruck. „Ja klar, sie gehören schließlich zu unserer Familie.“, antwortete ich lächelnd, als ich Kevin nun schweißgebadet gegenüber stand. Die Sonne schien heute wie ein glühend heißer Vulkan hinunter. Ich nutzte diese Gelegenheit und startete meinen Plan. „Die Tiere und Menschen in diesem Zoo, sind die einzig wahre Familie die ich besitze… und wenn du willst, kannst du gerne dazugehören.“ Kevin starrte mich verwundert an, als ob ich den Verstand verloren hätte. Ich erklärte es ihm also genauer: „Du scheinst im Gegensatz zu deinem Vater doch ein ordentlicher Kerl zu sein, ich mag dich sogar ein wenig…, ich könnte mir also vorstellen, dass wir Freunde werden könnten…“ Kevin gluckste, was ich schlecht zuordnen konnte. Fand er meinen Vorschlag bescheuert? Machte er sich über meinen Vorschlag lustig? „Ich mag dich auch… irgendwie.“ Na bitte, wer sagt´s denn! „Aber bilde dir bloß nichts darauf ein. Ich finde du bist ein cooler Typ, aber ich gehör nicht zu deiner Familie!“ Kevin lächelte, als er mir gestand, dass er mich cool fand. Sein Kompliment erfüllte mein kleines Herz mit Stolz und ein kleinwenig Mitgefühl, dass ich Kevin für meinen Plan ausnutzte. Kurz überlegte ich, meinen Plan zu vergessen, aber dann musste ich wieder an Hans und die anderen armen Eisbären denken. Hinzu kam, dass Kevin mir sogar direkt in die Karten spielte: „Weißt du was, wieso stellst du mir deine Familie nicht mal aus nächster Nähe vor? Ich träume schon so lange mal davon, einen Tiger zu streicheln.“ Ich verzog leicht meine Mundwinkel. „Tiger sind zwar zumeist völlig missverstandene Geschöpfe, aber dennoch nicht handzahm. Sie essen Fleisch, das sollte man nie vergessen! Aber ich bringe dich so nah an sie heran wie möglich. Meine Favoriten sind ja die Elefanten. Vor denen musst du wirklich keine Angst haben. Mit ihrem Rüssel können sie wirklich geniale Dinge anstellen…“ Kevin und ich schlenderten den Weg entlang, während ich ihm von den Tieren im Zoo erzählte. Ich kam aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Ich liebte die Tiere wirklich über alles und würde deswegen auch alles für sie tun. Sogar so zu tun, als würde ich auf Kevin stehen. Kevin suchte sichtlich körperlichen Kontakt zu mir, weshalb ich davon ausgehen konnte, dass er mehr als nur auf Freundschaft mit mir aus war. Natürlich war Kevin absolut nicht mein Typ, aber das musste ich ihm schließlich nicht auf die Nase binden… zumindest solange nicht, bis mein Plan vollendet war. Mein Plan war es schließlich, Kevin soweit zu bringen, bis er mich küsst und am Ende wollte ihm vor seinen Vater bloßstellen, der bestimmt nichts von Kevins queeren Neigungen wusste. Das konnte ich mir bei bestem Willen nicht vorstellen, denn Herr Kamp schien nicht nur starrsinnig und steif wie ein Brett zu sein, sondern auch sehr konservativ zu leben. Wenn er herausfand, dass sein Sohn vom anderen Ufer war, es aber mit allen Mitteln unter Verschluss halten wollte, um seinen eigenen Ruf nicht zu schädigen – was natürlich völliger Schwachsinn war, davon mal abgesehen – dann war bestimmt mit ihm zu reden. Diese Gelegenheit musste ich dann beim Schopfe packen und Herr Kamp dazu zwingen, dass Gehege der Eisbären so zu lassen, wie es ist, wenn nicht bekannt werden soll, dass er einen schwulen Sohn hat. Sicherlich war dieser Plan alles andere als fein, aber in meinen Augen hatte ich gar keine andere Wahl. Anderen Menschen war schließlich auch jedes Mittel Recht, um an ihr Ziel zu gelangen, wieso es ihnen also nicht mit gleicher Münze heimzahlen? Zwar tat es mir leid, den scheinbar sorglosen Kevin für meinen Plan auszunutzen, aber Kevin war bestimmt nicht auch immer ein Kind der Freundlichkeit gewesen. Also: Der Plan zum Erhalt der Eisbären beginnt!
5. Das „Date“ im Zoo – Teil 1 „Und du willst deinen Plan wirklich durchziehen?“ Anja stand hinter mir, während ich mein Aussehen im Spiegel in Augenschein nahm. Ich war frischgeduscht, hatte mir das schönste Shirt übergeworfen und mir sogar die Haare gekämmt, die sonst eher in mehrere Himmelsrichtungen standen. „Ich will nicht, ich muss!“, antwortete ich meiner Freundin, während ich mich noch mit Deo einsprühte. „Du willst doch auch, dass die Eisbären in unserem Zoo bleiben, oder?“ „Ja schon, aber…“ „Na dann hör doch bitte endlich auf, so zu tun, als würde ich ein Verbrechen begehen. Ich weiß, dass das nicht besonders nett ist was ich tue.“, entgegnete ich, da ich Anjas Bedenken bezüglich meines Plans einfach nicht mehr hören konnte. „Es ist aber nun einmal die einzige Möglichkeit.“ Anja schien noch immer nicht ganz davon überzeugt zu sein, nickte aber. „Du siehst wirklich gut aus. Fast genauso gut, wie an Valentinstag, als du Bobby zu einem Rendezvous ausgeführt hast.“ Meine Laune, die ohnehin schon sehr angespannt war, sank nun vollends in den Keller. Warum musste Anja ausgerechnet jetzt von Bobby anfangen? Es versetzte mir noch immer einen Stich im Herzen, wenn ich an ihn dachte und an die schöne Zeit, die ich mit ihm verbringen konnte. An Valentinstag hatte ich Bobby mit einer Pferdekutsche von Zuhause abgeholt und ihn in einen Stall in der Nähe des Waldes entführt, wo ich ein romantisches Picknick für uns Beide vorbereitet hatte. Der Höhepunkt unseres Abends war dann, als wir uns im Heu zurücklehnten und unser erstes Mal miteinander hatten. Das „Date“ mit Kevin würde aber ganz anders ablaufen!
Kevin wartete bereits am Zooeingang, als ich mit dem Fahrrad dort ankam. Er schien dunkle Farben zu bevorzugen, denn wie so oft, trug er schwarze und graue Kleidung, was im starken Kontrast zu seiner blassen Hautfarbe stand. „Tut mir Leid. Hast du lange gewartet?“, fragte ich ihn, nachdem ich mich bei ihm für mein Zuspätkommen entschuldigt hatte. Kevin schüttelte den Kopf. „Bin auch erst vor fünf Minuten gekommen. Musste den ganzen Weg herlaufen, weil mein Vater das Auto für sich in Anspruch nahm und ein eigenes Auto besitze ich leider noch nicht. Mein Vater will mir keins kaufen und meint, ich müsse es mir verdienen. Das ist auch ein Grund, warum ich ihn so oft auf seine Geschäftstermine begleite, aber heute muss er ohne mich auskommen, denn schließlich bin ich bereits Feuer und Flamme auf den heutigen Tag.“ Ichstellte mein Fahrrad ab und hielt kurz inne. Kevin hatte etwas gesagt, was in mir schreckliche Erinnerungen hervorrief. Es benötigte ein paar Sekunden, bis ich wieder Herr meiner Gedanken war und wechselte schnell das Thema. „Ich hoffe du hast Geld dabei. Der Eintritt kostet fünfzehn Euro für Erwachsene.“ Kevin sah mich schief an und ich lächelte. „Nur Spaß, du bist selbstverständlich mein Gast. Du kannst dich später aber gerne dafür revanchieren, indem du mich auf ein Eis einlädst.“ Ich versuchte möglichst freundlich zu Kevin zu sein und obwohl mir heute nicht nach Lächeln zumute war, hatte ich während der ganzen Zeit in seiner Nähe ein aufgesetztes Lächeln. Kevin folgte mir in den Zoo und schien sich wahrhaftig auf den heutigen Tag zu freuen. „Gehen wir als erstes zu den Tigern?“, fragte er mich gleich zu Beginn. Ich schüttelte lächelnd den Kopf. „Die sind ganz am anderen Ende des Zoos. Wir fangen hier vorne an und arbeiten uns nach hinten durch. Also kommen als erstes die Kamele und die Zebras, danach die Braunbären, die Bisons und die Affen.“ „Och ne, nicht die ollen Kamele.“, gab Kevin gelangweilt von sich, aber ich ließ ihm keine andere Wahl, denn um meinen Plan in die Tat umzusetzen, benötigte ich so viel Zeit wie nur möglich. So marschierten wir also als erstes zu den Kamelen und dann zu den Zebras. Nebenbei erzählte ich Kevin ein paar interessante Infos über sie, baute aber gelegentlich ein paar lustige Gags ein, um ihn zum Lachen zu bringen. „Treffen sich ein Elefant und ein Kamel, sagt der Elefant zum Kamel: Warum hast du deine Titten auf dem Rücken? Darauf das Kamel: Wenn ich meinen Pimmel mitten im Gesicht hätte, würde ich die Klappe halten.“ Der Witz saß und Kevin lachte ausgelassen. Sein Lachen war ein wenig außergewöhnlich und ansteckend, so dass ich schon sehr bald mitlachen musste. Die harmonische Stimmung war die Gelegenheit, mich Kevin ein wenig anzunähern. Unsere Arme berührten sich und Kevin schien das nicht zu stören. Er ging zwar nicht darauf ein, wich aber auch nicht zurück. Also näherte ich mich ihm noch ein wenig mehr, so dass meine rechte Hand seine Fingerspitzen berührten. Dieses Mal folgte eine Reaktion seitens Kevins. Doch überraschenderweise wich er nun doch ein wenig seitlich aus. Stand er etwa doch nicht auf mich? „Ehm… welches Gehege kommt als nächstes?“, fragte er mich, vermutlich um von der unerwarteten Berührung abzulenken, die ihm gerade zuteilwurde. Ich blickte nach rechts und nach links, da ich aufgrund meines Plans ein wenig den Überblick verloren hatte, doch hatte ich mich wieder schnell orientiert. „Als Nächstes kommen die Giraffen.“ „Ah das ist gut. Gleich daneben ist doch diese Eisdiele.“. sagte Kevin, dem bereits das Wasser im Munde zusammenlief. „Bei so einem heißen Wetter, ist ein Eis genau die richtige Abkühlung.“ Ich grinste. „Du könntest dir ja auch dein Shirt ausziehen. Schwarze Kleidung ist im Sommer nicht vom Vorteil. Es sei denn du möchtest schwitzen wie ein Schwein!“ Kevin schüttelte den Kopf. „Vergiss es! Schwarz ist meine Lieblingsfarbe und abgesehen davon, werde ich hier in der Öffentlichkeit bestimmt keinen Striptease hinlegen!“ „Nicht mal mir zuliebe?“, fragte ich frech und zog dabei eine Schnute, um ihm umzustimmen. Zwar war ich gewiss nicht darauf versessen, Kevins Hühnerbrust zu bestaunen, aber es würde meinem Ziel näher bringen. Allerdings hatte ich mit seiner Abwehrhaltung bereits gerechnet. Nachdem Kevin nicht umzustimmen war, rückte ich ihm auf die Pelle und griff mit beiden Händen unter sein Shirt. Kevin wich ruckartig zurück. „Hey, was soll denn das?“, fragte er mich. „Sorry, geht dir das zu schnell?“, gab ich trotz alledem zurück. „Wovon redest du? Was sollte das gerade eben?“, fragte er mich und schien eindeutig verwirrt zu sein. Hatte ich seine Signale vor ein paar Tagen missverstanden? Egal, jetzt oder nie. Ich wusste, ich hatte nur diese eine Chance und ich musste sie beim Schopf packen. Ich trat erneut näher an Kevin heran und drückte ihm einen Kuss auf den Mund. Kevins Augen waren vor Schreck weit geöffnet. Das hatte er nicht kommen sehen. Er fühlte sich so überrumpelt, dass er ein paar Sekunden benötigte, um klar denken zu können und mich wegzustoßen. Entweder war ich nicht sein Typ, oder der Kerl war einfach nicht schwul. Kevin war definitiv nicht der Einzige, der nun verwirrt war.
6. Das „Date“ im Zoo – Teil 2 Als ich anfing Kevin zu küssen…, da wusste ich, dass dies ein großer Fehler war. Nicht nur, weil es falsch war, ihn gar nicht liebte und er nur Mittel zum Zweck war, sondern auch, weil unterdrückte Gefühle sich nun ihren Weg in mir nach oben bahnten. Ich konnte Kevins Gesichtsausdruck genau verfolgen. Zuerst Verwirrung, dann Entsetzen, dann Abscheu… und dann Verwunderung. Warum sah er mich nur so an? Weil er nicht wusste, dass ich auf Jungs stand? Nein, es musste einen anderen Grund dafür geben. Ich blickte auf meine Hände, die zu Zittern angefangen hatten und spürte Nässe auf meiner Haut. Ich legte meine rechte Hand behutsam auf meine rechte Wange und stellte zu meiner eigenen Überraschung fest, dass diese ganz feucht war. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass ich zu Weinen angefangen hatte. Doch wann und vor allem wieso? Was wohl gerade in Kevin vorging, wenn er mich so sah? Er schien besorgt zu sein, aber auch verärgert – vermutlich über den Kuss, den ich ihm einfach so auf den Mund drückte. Ich wollte etwas sagen, doch brachte kein Wort aus mir heraus. Immerhin konnte ich noch meine Beine bewegen, also fing ich an zu rennen. Ich rannte in die Richtung, aus der wir gekommen waren. Weg, einfach nur weg. Was war nur los mit mir? Ich wischte mir mit beiden Händen die Tränen aus dem Gesicht. Reiß dich zusammen Justin, dachte ich mir, als ich beinahe in zwei Zoobesucher hineinrannte, die diesem Tag die Krone aufsetzten. „Justin!“ Voller Euphorie, stürzte sich die kleine Schwester meines ehemaligen Freundes auf mich. Annie freute sich mich zu sehen und umarmte mich vor lauter Wiedersehensfreude. Ich wusste nicht, wie ich auf diese unerwartete Begegnung reagieren sollte. Meine Wangen waren noch immer leicht feucht von meinen Tränen und ich befürchtete, dass meine Gefühle nun völlig verrücktspielten. „Jetzt lass den armen Jungen schon los Annie. Der ist so hager, du zerdrückst ihn ja noch.“, sagte die Person, in der Begleitung Annie hier war. „Oma Forster und Annie, was macht ihr denn hier?“, fragte ich überrascht, als ich endlich meine Stimme wieder fand. Doch warum mussten mir ausgerechnet heute und jetzt Bobbys Schwester und seine Oma über den Weg laufen? Spielte mir mein Schicksal einen üblen Streich? „Na es sind doch Sommerferien, du Dummerchen.“, sagte Annie, während sie mich frech anlächelte. „Annie wollte unbedingt in den Zoo und da ihre Eltern heute mit Bobby sich seine zukünftige Universität ansehen, habe ich mich dazu bereit erklärt, sie hierher zu begleiten.“, erklärte Oma Forster mir, blickte mich dabei aber auch besorgt an. Ob ihr aufgefallen war, dass ich bis gerade eben noch geweint hatte? „Ist alles in Ordnung bei dir Justin? Wie geht es dir?“ Die Frage musste ja kommen und ich hasste sie! „Mir geht es gut. Alles Bestens.“, antwortete ich schnell, doch wenig glaubwürdig. Nicht einmal ich selber, schenkte meinen Worten Glauben. „Verzeih wenn ich das sage, aber du siehst nicht so aus, als würde es dir gut gehen.“, sagte Oma Forster, die mich wie erwartet sofort durchschaute. „Seit du und Bobby sich voneinander getrennt habt, haben wir uns leider nicht mehr gesehen. Du solltest aber wissen, dass du ein gern gesehener Gast bei uns Zuhause bist – immer. Bobby sieht das sicherlich genauso.“ Annie umarmte mich zwar nicht mehr, aber hielt stetig meine Hand. Das war süß und fühlte sich erstaunlicherweise gut an. „Bist du traurig wegen Bobby?“, fragte sie mich im bittersüßen Ton. „Ich mag Tobi zwar sehr, aber dich mag ich genauso und ich finde es schade, dass ihr nicht mehr zusammen seid.“ „So spielt das Leben.“, kam es aus mir, was sich aber wie ein dummer Spruch anhörte. „Bobby hat sich von mir getrennt. Nicht ich mich von ihm. Wenn ihr mich jetzt bitte entschuldigen würdet…“ Ich löste mich von Annie und marschierte an den Beiden vorbei. Zehn Schritte später blieb ich aber bereits wieder stehen und drehte mich nochmals zu ihnen um. „Verzeiht, wenn meine Worte etwas harsch klingen. Ich meine es nicht böse. Ich… ich bin nur noch nicht soweit.“ Annie schien darüber traurig zu sein, nickte mir aber verständnisvoll zu und Oma Forster war sowieso in allen Belangen sehr verständnisvoll. Sie warf mir ein aufmunterndes Lächeln entgegen, was meine Traurigkeit zwar nicht komplett besiegte, aber Balsam für meine Seele war. Danach drehte ich mich wieder um und ging weiter. Nur wohin? Der Plan, Kevin zu verführen, war deutlich fehlgeschlagen und im Nachhinein war es der dümmste Plan, den ich jemals umgesetzt habe. Ich wollte den Zoo einfach nur noch verlassen und mich irgendwohin verkriechen, um über alles nachzudenken. Der Ausgang vom Zoo war bereits in Sichtweite, als mich plötzlich eine Hand am linken Arm festhielt. Erschrocken drehte ich mich um und stellte zu meinem Bedauern fest, dass Kevin mich eingeholt hatte. Er wollte jetzt sicher ein paar Antworten von mir. „Ich weiß warum du das getan hast.“ Das zweifelte ich doch sehr an. „Nein, ich glaube nicht…“ „Dann hast du dich also nicht mit mir verabredet, um dich von deinem Liebeskummer abzulenken?“, fragte Kevin mich und nun war ich verwundert. Das konnte er doch eigentlich gar nicht wissen. „Mein Dad hat mir erzählt, dass du bis vor kurzem mit einem Jungen zusammen warst und meinte, ich solle mich von dir fernhalten. Deshalb bin ich heute zu Fuß gekommen. Das ich kein Auto habe war gelogen. Ich wollte nur nicht, dass mein Dad mir Fragen stellt, wohin ich will.“ „Woher weiß dein Dad eigentlich, dass ich auf Jungs stehe?“, fragte ich nun interessiert. „Na dein Dad war schließlich der Zoodirektor und mein Dad weiß gerne möglichst alles über diesen und sein Leben. Das schließt seine Familie natürlich mit ein. Glaub mir, mein Dad findet Mittel und Wege, an die wichtigen Informationen ranzukommen. Unter anderem, indem er das Personal solange durchlöchert, bis diese nachgeben, aus Angst, sie könnten ihren Job verlieren.“ Ich schüttelte verärgert den Kopf und wollte gehen, doch Kevin hielt mich erneut am Arm fest. „Hör zu Justin. Ich bin dir nicht böse, dass du mich geküsst hast, aber tu das nie wieder! Ich bin nicht schwul. Ja ich weiß, eine Schande für die Homo-Welt, aber das könnte ich den Mädels im Leben nicht antun.“ Wovon schwafelt der gerade? Bezeichnete er sich gerade selber als der größte Hengst auf Erden? „Aber was ich eigentlich sagen will ist, dass mir nicht klar war, dass du unser Treffen hier als „Date“ angesehen hast. Vermutlich wolltest du dich nur über deinen Ex-Freund hinwegtrösten, aber dafür bin ich der Falsche.“ Ich wusste nicht was ich darauf sagen sollte. „Naja…, hab wohl deine Zeichen falsch gedeutet.“ Kevin machte auf einmal große Augen, als wäre bei ihm nun der Groschen gefallen. „Weil ich dir bei unserem Kennenlernen so auf die Pelle gerückt bin? Tja das… nun ja, das hatte weniger mit dir zu tun, sondern eher damit, dass uns Beiden dasselbe Schicksal ereilt hat. Ich wollte testen, ob ich mich irgendwie mit dir verbunden fühle.“ Bitte was? Ich blickte Kevin verständnislos an.
7. Spiel mit dem Feuer – Teil 1 Mit sehr langsamen Schritten schlenderte ich über die Wiese am Waldrand entlang. Mein Ziel war die Pferdekoppel, in der ich einmal die Wochen Reitstunden gab. Der Weg dorthin war nicht weit, doch da ich mir reichlich Zeit ließ, konnten sich allerlei Gedanken in mein Gehirn ansammeln. Mein Leben war ein einziges Durcheinander – von Geburt an. Meine Mutter verstarb, mein Vater wurde zu einem Alkoholiker und ich… ich besaß die einzigartige Gabe mich mit Tieren zu verständigen, was zwar gewisse Vorteile mit sich brachte, leider aber auch Nachteile. Ich habe Menschen getötet. Carlos Perrez und Ben waren zwar böse Menschen, aber das gab mir nicht das Recht, Richter und Henker zugleich zu verkörpern und auf einmal hallten Bobbys Worte von damals in meinem Kopf wieder: „Du sprichst mit Tieren Justin – das ist eine besondere Gabe, aber ich fürchte, dass dir diese Gabe langsam zu Kopfe steigt und sie dir aus den Händen gleitet. Du verlierst die Kontrolle darüber und jetzt ist sogar ein Mensch dadurch umgekommen.“ Bobby starrte mich mit Tränen in den Augen an. Doch ich rührte mich nicht und schwieg. „Leb wohl.“, sagte Bobby unter Tränen, ging ein oder zwei Schritte rückwärts, ehe er sich von mir abwandte und sich immer weiter von mir entfernte. Bereits damals hatten Bobby und ich uns getrennt, wenngleich die Gefühle füreinander noch immer da waren. Liebe verschwindet nicht einfach von heute auf morgen und ich liebte Bobby wirklich – ich tu es immer noch. Er war meine erste große Liebe und für ihn hätte ich alles getan. An Valentinstag hab ich uns eine Pferdekutsche organisiert und bin mit ihm hierher gefahren, wo ein romantisches Dinner auf uns wartete. Ich betrat die Pferdekoppel und musste an unsere erste gemeinsame Nacht denken. „Bobby, das alles hier – hab ich nur für dich getan! Dafür habe ich auch gar kein Geschenk von dir als Gegenleistung erwartet und weißt du warum? Weil du mir jeden Tag aufs Neue ein Geschenk machst. Als ich dich noch nicht kannte, war ich nur ein Schatten meiner selbst. Erst als ich dich kennen lernte, wurde mein Körper mit neuem Leben erfüllt. Erst durch dich erfuhr ich, wie es ist, einen Menschen über alles zu lieben und ihn beschützen zu wollen. Deine Anwesenheit, deine Nähe zu mir, deine Liebe – das sind deine Geschenke an mich, die du mir jeden Tag aus Neue machst, wenn wir uns sehen. Du bist der einzige Junge den ich liebe und immer lieben werde!“ Ich war damals wirklich ein Schatten meiner selbst und als Bobby mit mir Schluss machte, da dachte ich, es würde wieder so wie früher werden. Früher… war alles scheiße. Ich musste nur an meinen Vater denken und was er mir an Anjas und Pauls Hochzeitstag alles an den Kopf geworfen hat, was mein Selbstwertgefühl verringerte: „Mein Sohn Justin.“ Mein Vater packte mich unter seine Arme, so dass ich kaum Luft bekam. „Er ist so ein lieber Junge, wissen sie das? Ein wenig eigenartig vielleicht, aber wer wäre das nicht… wenn er für den Tod seiner Mutter verantwortlich wäre?!“ „Lass mich los Dad und hör mit dem Unsinn auf!“, schrie ich nun verzweifelt. Doch mein Vater hatte noch nicht genug: „Sie haben ja keine Ahnung, wie schwer das ist, einen Sohn als Mörder zu haben und zu versuchen ihn groß zu ziehen. Aber ich liebe ihn dennoch. Er ist mein Fleisch und Blut. Ich liebe ihn, so wie ich meine Frau geliebt habe – bis er sie umbrachte!“ Diese Worte und so viele andere, die seinen Mund verließen und mir entgegen flogen, verletzten mich und brachten mich an den Rand der Verzweiflung. Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie die Risse meiner eisenharten Rüstung irgendwann zu groß waren und die Rüstung zerberste. Vor Bobby brach alles aus mir heraus, was mein Herz und meine Seele belastete: „Sieh dich doch um, dass ist das Werk meines Vaters! Jeden Abend, wenn er von der Arbeit heim kommt, dann kippt er sich mehrere Flaschen Bier ein. Er weigert sich die Couch zu verlassen, außer wenn er aufs Klo muss. Das Kochen, das Waschen, das Einkaufen, den Hausputz, das übernehme alles ich! Ich zahle im Namen meines Vaters jede Rechnung, nehme die Post entgegen, oder kümmere mich um anstehende Termine, weil er nicht dazu in der Lage ist! Ich hab gar keine Zeit irgendetwas von irgendwem zu lernen, weil ich hier für mich und meinen Vater sorgen muss!“ Bobby war der erste Mensch in meinem Leben, dem ich all meine Sorgen anvertrauen konnte. Klar, war es nicht immer leicht und es dauerte eine ganze Weile, bis ich mich ihm gegenüber öffnete und ihm all meine Geheimnisse anvertraute. Das sorgte nicht nur für einen Streit in unserer Beziehung: „Ich bin dein Freund!“, schrie Bobby mir zu. „Wie viele Geheimnisse willst du noch vor mir haben? Wie viele Lügen willst du mir noch erzählen?“ Dabei wollte ich ihn immer nur beschützen – und zwar vor mir selber! Meine Mutter wurde zwar von einer Löwin getötet, aber das war einzig und allein die Schuld von Carlos Perrez, der die Löwin absichtlich nicht richtig betäubt hatte. Er war ein Mitglied der Tierschutzorganisation „Animal Welfare“, denen jedes Mittel recht war. Die Löwin wurde eingeschläfert, doch die Tochter der Löwin erzählte mir später die bittere Wahrheit, weshalb ich dafür sorgte, dass Carlos Perrez dasselbe Schicksal erlitt, wie meine Mutter. Bereits damals war mir klar, dass ich ein gefährliches Spiel mit dem Feuer begann und ich behielt Recht, denn es war der Beginn einer tragischen Geschichte. Vincent Gold, der leibliche Sohn von Carlos Perrez wollte sich für den Tod seines Vaters an mir rächen und verbündete sich mit den Mitgliedern von „Animal Welfare“. Sie nahmen mich gefangen, um sich meiner Fähigkeit mit Tieren zu sprechen zu bemächtigen. Zusätzlich wurden Bobby und sein Freund Tobias in die Sache mit hinein gezogen und das Drama nahm seinen Lauf. Bobby, Tobias und ich kamen beinahe ums Leben, als wir uns gegen die „Animal Welfare“-Organisation zur Wehr setzten. Eigentlich waren wir ja noch Kinder und dennoch musste jeder von uns schreckliches erleben und über sich hinauswachsen. Wir zerschlugen die Tierschutzorganisation und Vince kam in einem Feuer ums Leben, dass er selbst verursacht hatte. Bobby und Tobias konnten mich mit letzter Kraft aus den Flammen retten und mein Leben, welches sich langsam normalisiert hatte, geriet dadurch wieder völlig aus den Fugen. Ich ging über die Pferdekoppel und hielt vor dem Gatter eines schönen weißen Rosses an. Das stattliche Pferd war mein guter alter Freund Whisper, den ich fast so sehr liebte, wie ich Bobby noch immer liebte. „Na mein alter Freund.“, sagte ich und streichelte ihm sanft durchs Fell. Ich schmiegte meinen Kopf sanft an dem des Pferdes und konnte genau hören und fühlen, was Whisper empfand. Die angenehme Ruhe war jedoch nur von kurzer Dauer, als mich eine Nachricht von Anja erreichte: „Plan hat funktioniert, aber wieso bist du so plötzlich abgehauen?“ Sie schickte mir auch ein Bild, das den Kuss zwischen mir und Kevin bewies. Damit hatte ich ihn, oder besser gesagt seinen Vater in der Hand…, doch… wollte ich das wirklich? Sollte ich wirklich erneut ein Spiel mit dem Feuer beginnen?
8. Spiel mit dem Feuer – Teil 2 Ich stieg auf mein weißes Pferd Whisper und unternahm einen kleinen Ritt mit ihm, um ein wenig auf andere Gedanken zu kommen. Zuerst galoppierte ich über die grüne Wiese, auf der viele gelbe und blaue Blumen wuchsen. Die Sonne wärmte meine Haut und eine sanfte warme Brise wehte mir ins Gesicht. Ich fühlte mich frei und geborgen, wenn ich mit Whisper durch die Natur ritt. Doch egal wie sehr ich mich auch anzustrengen versuchte, meine Gedanken kehrten immer wieder zu Bobby, meinem Vater, Kevin und allen anderen zurück und das Glücksgefühl, dass mich eben noch beflügelte, verschwand so schnell wie die Sonne hinter einer Wolke. Erneut erinnerte ich mich an etwas, was Bobby einmal zu mir gesagt hatte. Dies war noch gar nicht so lange her, richtete er diese Worte doch an jenem Tag zu mir, als er mir gestand, er würde gerne mit Tobias zusammen sein: „Tja… du weißt sicherlich, was mir zu meinem Glück noch fehlen würde.“, sagte ich damals und sah Bobby mit meinen blauen Augen an, die er immerzu als wunderschön bezeichnete. „Ich denke nicht, dass ein Mensch jemals zu hundert Prozent glücklich sein wird.“, erwiderte Bobby. Seine Antwort stimmte mich einerseits traurig, andererseits aber auch nachdenklich, denn im Grunde genommen hatte er Recht. Der Mensch konnte nie genug vom Glück kriegen. Es gab immer etwas, wovon er glaubte, dass es zu seinem Glück beitragen würde. Dabei sollte man sich eigentlich mit dem zufrieden geben, was einem gegeben war. Ich zum Beispiel. Meine Fähigkeit, mit Tieren zu sprechen, mag mir so allerlei Probleme und Kummer bereitet haben, aber Bobby hatte Recht. Es ist eine Gabe, denn es gab sicherlich viele Menschen, die sich gerne einmal mit Tieren unterhalten wollen würden. Wobei sie dann auch schnell merken würden, dass nicht jeder Papagei einen Cracker haben möchte, oder der Hund sich hin und wieder denkt, ihr Herrchen soll das blöde Stöckchen doch selber holen. Bobby mag sich für Tobias entschieden haben, aber egal was die Zukunft uns auch brachte, wir würden dennoch weiterhin Freunde bleiben, die sich aufeinander verlassen konnten. Vielleicht werde ich ihn nie wiedersehen…, aber das glaubte ich nicht. Das Schicksal würde uns eines Tages wieder zusammenführen und uns in ein neues aufregendes Abenteuer hineinziehen. Und dann war da ja auch noch mein Vater. Die letzten Jahre mit ihm waren wirklich die Hölle, aber er schien seine Fehler eingesehen zu haben und hat sich bei mir entschuldigt: „Ich habe deine Mutter verloren, ich habe den Zoo verloren, ich habe meine Ehre und meinen Stolz verloren und ich habe dich verloren. Viel davon kann ich nicht mehr retten, aber ich kann zumindest versuchen, dich zu retten. Du bist mein Sohn Justin, ich liebe dich und ich bereue meine Taten!“ Ob es jemals wieder so werden wird wie früher, zwischen mir und meinem Vater? Die Zukunft wird es zeigen, doch momentan musste ich mich auf die Gegenwart konzentrieren. Ich zügelte mein Pferd und galoppierte langsam in den Wald hinein, bis zu der Stelle, wo Bobby und ich uns kennenlernten. Mit einem Lächeln erinnerte ich mich an unsere erste Begegnung zurück. Danach begab ich mich wieder auf den Rückweg zur Pferdekoppel, wo ich Whisper in den Stall brachte und er Heu zum Fressen bekam. „Das hast du dir jetzt verdient.“, sagte ich zu ihm. Anschließend legte ich mich auf einer freien Fläche selber ins Heu, um endlich eine Entscheidung bezüglich der Kamps zu treffen. Ich hatte das Foto. Das Foto, welches einen Kuss von mir und Kevin zeigte. Damit könnte ich zu Kevin´s Vater gehen und ihn erpressen. Sollte er sein Vorhaben, dass Eisbärengehege abzureißen, wirklich in die Tat umsetzen, würde jedermann erfahren, was sein Sohn in seiner Freizeit trieb. Eigentlich war dies ja eine Lüge und ein Verbrechen schon dreimal nicht, aber Herr Kamp war Stolz und Ehre wichtiger als alles andere, weshalb er bestimmt darauf einging. Ich klatschte mir die Hände ins Gesicht. Nein, das konnte ich nicht machen. Wenn ich Herr Kamp damit erpresse, würde er sich früher oder später an mich rächen. Dabei könnten unschuldige Personen zu Schaden kommen… so wie früher. Erneut dachte ich an Bobby und Tobias, die in Gefahr gerieten, weil ich Vince´s Vater auf dem Gewissen habe. Die Entführung, die vorgezogene Waffe, das Feuer…, wir hätten beinahe unser Leben verloren! Dies durfte sich auf keinen Fall wiederholen. Ich hatte meine Entscheidung getroffen. Ich würde Anja darum beten, das Foto wieder zu löschen. Mein Entschluss stand fest. Es musste einen anderen Weg geben, um Herrn Kamp aufzuhalten. Dies war nicht der richtige Weg und ich wollte ihn keinesfalls bestreiten. Mit dieser Entscheidung im Kopf, beruhigten sich meine Gedanken im Kopf endlich und ich schloss zufrieden meine Äuglein, bis ich irgendwann im Heu einschlief. Irgendwann wachte ich jedoch mit dem Geruch von Verbranntem in der Nase wieder auf. Langsam öffnete ich meine Augen. Ich hatte keine Ahnung wie spät es war, oder wie lange ich gepennt habe, aber draußen schien es bereits dunkel geworden zu sein. Im Pferdestall hingegen war es hell – zu hell! Im Pferdestall war ein Feuer ausgebrochen! Panik durchströmte meinen Körper, während sich das Feuer immer weiter ausbreitete und der Qualm mir um die Ohren flog. Da der Pferdestall überwiegend aus Holz bestand und es hier auch viel Heu und Stroh gab, breitete sich das Feuer natürlich immens aus. Es knisterte überall und auch die Pferde gerieten in Panik. Whisper! Ich musste an meinen Freund denken und rannte augenblicklich zu ihm. Er war noch immer in seinem Gatter eingesperrt, streifte wild umher, während das Feuer ihn immer weiter einschloss. Es gab für ihn kein Entkommen, wäre ich nicht zu seiner Rettung herbeigeeilt und hätte ihn befreit. Er schlug mit seinen Vorderbeinen wild um sich, doch konnte ich ihn zu meinem und seinem Glück beruhigen. „Schnell, bring dich in Sicherheit mein Freund!“, rief ich ihm zu, während ich mit meiner rechten Hand beruhigend über seinen Kopf streichelte. „Mach dir keine Sorgen um mich. Ich rette deine Kameraden und komme dann gleich nach!“ Whisper galoppierte davon. Besorgt blickte ihm nach, wie er sich durch das Feuer kämpfte und betete, dass er es unversehrt ins Freie schaffte. Schleunigst machte ich mich auf den Weg zu den anderen Pferden, doch je mehr sich das Feuer im Stall ausbreitete, desto unerträglicher wurde es. Die Hitze brachte meinen ganzen Körper zum Glühen und der Qualm schoss mir in die Augen, was dazu führte, dass diese in Tränen ausbrachen. Meine Sicht wurde immer schlechter und je länger ich mich dem Feuer aussetzte, desto größer wurde meine Angst. Dennoch gelang es mir, alle Pferde in letzter Sekunde zu befreien. Ob sie es ins Freie schafften, wusste ich jedoch nicht. Ich wollte ihnen hinterher eilen, doch da brach ein brennender Balken von der Decke hinunter. Er verfehlte mich zum Glück nur um Haaresbreite, doch nun lag ich wie gelähmt auf dem Boden. Erinnerungen an das Feuer in Vince` Villa kamen in mir hoch. Damals trug mich Tobias hinaus und Bobby musste eine Mund-zu-Mund-Beatmung bei mir einsetzen. Beide konnten mich dieses Mal nicht retten. Ich war allein – umgeben von Feuer, der inzwischen den ganzen Stall in Brand gesetzt hatte. Die Decke knarzte und es konnte sich nur noch um Sekunden handeln, bis sie einstürzte und mich unter sich begrub.
9. Spiel mit dem Feuer – Teil 3 Die Flammen um mich herum wurden immer größer und gewaltiger. Das Feuer war außer Kontrolle geraten und ich befand mich mittendrin. Der gesamte Pferdestall brannte lichterloh und die Decke drohte jeden Augenblick in sich zusammenzubrechen. In der Ferne glaubte ich die Sirenen der Feuerwehr zu hören. Rettung schien in greifbarer Nähe zu sein, wenn es für mich nicht schon zu spät war. Ich war von den Flammen umringt. Einen Fluchtweg schien es für mich also nicht mehr zu geben. Zumal ich wie gelähmt am Boden kauerte und auf mein Ende wartete. Die enorme Hitze war unerträglich und es fühlte sich bereits so an, als würde meine Haut brennen. Mein ganzer Körper glühte, meine Augen tränten durch den stickigen Rauch und das Einzige an das ich überhaupt noch denken konnte, war die Person, die ich am meisten liebte: Bobby! Ich habe ihn verloren und das war meine Schuld. Ich hab ihn die ganze Zeit nur angelogen und ihn damit in tödliche Gefahr gebracht. Klar, dass er irgendwann genug von mir hatte und sich in Tobias verliebt, der immer für ihn da war und auch stets ehrlich zu ihm war. Ich war nicht gut genug für Bobby und habe die Quittung dafür bezahlt. Nun würde ich in den Flammen umkommen. Vielleicht auch besser so. Meine Gabe hat mir nichts als Scherereien gebracht. Es ist besser, wenn sie mit mir stirbt. Es tat mir nur für die Eisbären leid, denen ich nun nicht mehr helfen kann. Und Anja…, gerne hätte ich mich von ihr verabschiedet und ihr gesagt, wie leid es mir tut. Es knackste. Gleich brach die Decke in sich zusammen und ich würde unter dem Schutt begraben. Doch mit ein wenig Glück würde ich dies nicht mehr spüren, denn alles um mich herum drehte sich. Ich konnte meine Augen nicht mehr länger offen halten. Gerade als ich dabei war, mein Bewusstsein zu verlieren, glaubte ich eine Stimme zu hören: „Gib nicht auf! Bitte gib jetzt nicht auf Justin! Es gibt noch so viel was du erreichen kannst und so viele Menschen, die um dich trauern würde. Bitte lass diese Menschen nicht im Stich! Und auch die Tiere nicht, die fest an dich glauben. Bitte gib nicht auf!“ Diese Worte, wo sie auch herkamen und von wem sie stammten, flößten mir neuen Lebenswillen ein. Mein ganzer Körper zitterte, aber mit letzter Kraft stützte ich mich vom Boden ab und stellte mich auf die Beine. Ich durfte keine Zeit mehr verlieren. Wenn ich hier lebend herauskommen möchte, dann gab es nur einen einzigen Ausweg: Mitten durchs Feuer hindurch! Vielleicht bedeutete dies meinen Tod, aber wenigstens hatte ich dann bis zum bitteren Ende gekämpft und nicht aufgegeben. Ich wollte gerade zum Sprung ansetzen, als das Schicksal mir ein Zeichen sendete. Ein großer Wasserstrahl löschte die Flammen am Eingang zum Stall, so dass mir ein Weg geebnet wurde. Ich verlor keine Zeit mehr und rannte los, sprang über Flammen hinweg und kämpfte mich durch Rauch und Dampf gleichermaßen. Das Feuer berührte meine Haut. Ich schrie, setzte zu einem großen Sprung an und beförderte mich ins Freie hinaus. Um mich herum, konnte ich einen entsetzen Schrei wahrnehmen. Mehrere Feuerwehrmänner kamen zugleich auf mich zugestürmt, brachten mich in Sicherheit und wickelten mich in einer Art Kühldecke ein, die meine Schmerzen linderte. Ich lächelte, denn ich hatte es aus eigener Kraft und ohne Hilfe aus den Flammen geschafft. Erschöpft und zufrieden mit mir selbst, schloss ich meine Augen.
Als ich meine Augen wieder öffnete, war es still und dunkel um mich herum. Ich lag in einem Bett. Mit aller Wahrscheinlichkeit hatte man mich schnellstmöglich ins Krankenhaus gebracht. Man hatte mir ein Beatmungsgerät aufgesetzt. Mein Hals kratzte ganz fürchterlich. Vermutlich hatte ich viele giftige Dämpfe eingeatmet und eine Rauchvergiftung, was mich aber nicht weiter störte. Meine Arme fühlten sich schwer wie Blei an, denn ich konnte sie nicht bewegen. „Keine Sorge, das wird schon wieder. Du hattest enorm viel Glück, denn die Verbrennungen sind nicht so schlimm ausgefallen, wie anfangs angenommen.“, sagte eine Stimme zu mir und erst jetzt bemerkte ich, dass ich nicht alleine im Zimmer war. Eine Person saß auf einem Stuhl neben meinem Bett und hielt mich schützend an meiner rechten Schulter fest. Ich wollte lächeln, doch spürte ich sofort einen stechenden Schmerz auf meinen Lippen. Egal. Ich war einfach nur froh, dass er hier war. Ich war glücklich, dass mein Dad hier bei mir war! „Anja hat mich angerufen und mir erzählt, was passiert ist. Das war ein ziemlich großer Schock für mich. Das war nun schon der zweite Brand, bei dem ich fast meinen Sohn verloren hätte. Ich hatte schrecklich große Angst um dich…“ Meinem Dad kamen langsam die Tränen. Er versuchte sie zu unterdrücken und mir zu beweisen, wie stark er sei, doch kam er nicht umhin, die Tränen zuzulassen. „Was hätte ich denn gemacht, wenn ich dich nun auch noch verloren hätte. Ich glaube, dass hätte ich nicht verwunden.“ Mein Dad wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Es schien, als wollte er für mich auf tapfer machen, dabei zeugte es von keiner Schwäche, wenn man weinte. „Ich hab meinen Entzug sofort abgebrochen und bin wie der Teufel hierher gerast. Doch keine Sorge, ich nehme meinen Entzug sofort wieder auf, sobald es dir wieder besser geht.“, fügte er noch schnell hinzu. „Anja und Paul waren auch schon hier und Anthony hat angerufen und sich nach dir erkundigt. Wir haben uns alle sehr große Sorgen um dich gemacht. Ach ja und der Sohn von Herrn Kamp hat sich nach dir erkundigt. Anja hat ihn jedoch wieder weggeschickt. Seid ihr etwa seit neustem miteinander befreundet?“ Ich wollte mit dem Kopf schütteln, fühlte mich aber nicht einmal dazu im Stande. Kevin – Er war der Letzte, an den ich jetzt denken wollte. Meine Gedanken kreisten um die Stimme, die mir das Leben gerettet hat. Mir war klar, dass sie nicht wirklich real war, aber ohne sie, hätte ich nicht die nötige Kraft gefunden, mich aus den Flammen zu retten. Die Feuerwehr wäre zu meiner Rettung zu spät gekommen und hätte mich nicht mehr aus dem Feuer befreien können. „Es wird alles wieder gut Justin.“, sagte mein Dad, der mich wieder aus meinen Gedanken riss. „Jetzt wird alles wieder gut – ich verspreche es!“
„Herr Kamp hat den Aufsichtsrat dazu überredet, dass Eisbärengehege zu entfernen und das Affengehege zu erweitern. Letzteres stimmt einen zwar positiv, aber zu welchem Preis…“ Eine Woche war seit dem Brand in der Pferdekoppel vergangen. Meine Genesung schritt sehr gut voran, aber ich lag immer noch im Krankenhaus und musste mich schonen. Immerhin konnte ich inzwischen meine Arme wieder bewegen und auch das Sprechen fiel mir wieder leicht, jetzt wo ich das Beatmungsgerät losgeworden bin. Anja besuchte mich täglich und hielt mich über die Entwicklungen im Zoo auf dem Laufenden. Ich war frustriert. Herr Kamp hatte meine Abwesenheit schamlos ausgenutzt. Mir waren die Hände gebunden und jede Rettung auf den Erhalt des Eisbärengeheges schien verloren, doch…: „Ach und eines wollte ich dir noch sagen. Ich hab nur darauf gewartet, bis es dir wieder etwas besser geht.“, sagte Anja, die seltsam angespannt wirkte. „Die Feuerwehr hat den Brand in der Pferdekoppel natürlich untersucht und überprüft, wie er zustande gekommen ist.“ Ich blickte Anja bettelnd nach der Antwort auf diese Frage an. Die Antwort schockierte mich: „Es scheint alles darauf hinzudeuten, dass es Brandstiftung war. Du weißt was das bedeutet Justin? Irgendjemand hat absichtlich das Feuer gelegt, im Bewusstsein, dass du in den Flammen umkommen könntest!“
10. Die Entscheidung – Teil 1 Vor drei Tagen wurde ich aus dem Krankenhaus entlassen. Ich hatte das Feuer überlebt – gar dagegen angekämpft und trotzdem fühlte ich mich niedergeschlagen. Trübsal blasend lag ich im Eisbärengehege neben Hans, als wäre es das Normalste auf der Welt. In der Ferne hörte ich eine Kinderstimme, die zu ihrer Mutter sagte: „Mami guck mal, da liegt ein Junge neben dem Eisbären!“ Das ich einfach so neben einem wilden Tier lag, war für die Zoobesucher natürlich ungewöhnlich, wenn nicht sogar phänomenal und schon bald bildete sich ein Grüppchen von Schaulustigen vor dem Eisbärengehege. Mich kümmerte das nicht, aber ein wenig Schadenfreude verspürte ich schon. „Hey Justin.“, sprach mich mein Eisbärenkumpel Hans von der Seite her an. „Ich finde es zwar nett von dir, dass du mir in der restlichen Zeit, die mir hier noch verbleibt, Gesellschaft leisten möchtest, aber deinetwegen bekomme ich noch Probleme. Ich hab keine Lust eingeschläfert zu werden, nur weil jedermann glaubt, ich würde gleich über dich herfallen und dich aufessen.“ „Wer soll das schon denken? Schließlich rieche ich nicht nach vergammelten Fisch.“, entgegnete ich gelangweilt, da ich nicht gewillt war aufzustehen. „Aha! Wusste ich doch, dass der Fisch vergammelt ist, den ihr mir immer anbietet!“, rief Hans mir augenblicklich zu und gab dabei einen lauten Brüller von sich, der die Zoobesucher dazu veranlasste, aufzuschrecken. Vermutlich dachten sie, dass mich Hans jetzt verspeisen würde, dabei verabscheute er Menschenfleisch – besonders wenn es so zart ist wie das meinige. „Verdammt nochmal, Justin!“ Zu den Schaulustigen mischte sich nun auch Anja dazu, in deren Gesicht ich ablesen konnte, dass sie wütend zu sein schien. Sie quetschte sich durch die Menschen hindurch und betrat das Eisbärengehege. „Steh auf, oder willst du dem Zoo Scherereien bereiten?!“ „Wenn Herr Kamp dafür büßen muss, wieso nicht?“, gab ich als Antwort zurück. „Idiot! Idiot, Idiot, Idiot!“, schimpfte Anja und beleidigte mich vor allen Leuten. „Willst du, dass der Zoo deinetwegen geschlossen wird? Das ist bestimmt nicht das, was du willst. Also steh auf und scher dich hier raus, oder ich verpass dir einen Arschtritt, der dich zum Mond katapultiert.“ Anja hatte Recht! Ich stand also auf und verließ mit ihr das Eisbärengehege. Bereits nach kurzer Zeit, legte sich der Tumult wieder und Anja konnte weiterhin ungestört über mich herfallen. „Was hast du dir nur dabei gedacht? Wann begreifst du endlich, dass du mit deinen Aktionen alles nur schlimmer machst?“ Anja blickte mich wütend an, aber als sie mein reumütiges Gesicht erblickte, wurde sie ein wenig ruhiger und freundlicher. „Ich weiß ja wie traurig du darüber bist, dass Herr Kamp sich bezüglich des Eisbärengeheges durchsetzen konnte, aber mit Aktionen wie der von geradeeben, schadest du am Ende nur Anthony und dem guten Ruf unseres Zoos. Das willst du sicher nicht!“ „Nein, natürlich nicht.“, sagte ich. „Mich kotzt es nur einfach an, dass mir quasi die Hände gebunden sind. Ich kann einfach nichts tun, um Hans und seinen Freunden zu helfen.“ „Die Polizei und die Feuerwehr haben also noch immer nicht herausgefunden, wer den Brand auf der Pferdekoppel gelegt hat?“, fragte Anja. „Ich würde meinen letzten Cent darauf verwetten, dass es Kevin war. Nachdem er begriffen hat, dass du ihn nur ausgenutzt hast, wollte er sich an dir rächen.“ „Hm.“ Anjas Überlegung war mir nicht neu und ich dachte fieberhaft darüber nach. „Ich kann nicht glauben, dass Kevin zu so etwas im Stande wäre. Ich meine…, wir sprechen hier schließlich von einem Mordversuch! Ich wäre in dem Feuer beinahe ums Leben gekommen!“ „Bitte sag das nicht. Bei dem Gedanken wird mir noch immer ganz flau im Magen.“, sagte Anja, der bei dieser Vorstellung noch immer ganz bang ums Herz wurde. „Was ist mit dem Foto?“ „Das mich und Kevin beim Küssen zeigt? Hab ich zerschnitten und weggeworfen.“, erklärte ich Anja und bereute es keine Sekunde. „Auf dem Foto war ohnehin nicht viel zu erkennen. Dein Versteck im Gebüsch war ein wenig zu gut.“ „Entschuldige mal. Das war dein bescheuerter Plan, nicht meiner!“, entgegnete Anja eingeschnappt. „Jedenfalls stehen wir jetzt wieder bei null da, aber es ist eh zu spät. Ich kann nichts mehr tun.“, sagte ich betrübt. „Der Aufsichtsrat hat seine Entscheidung längst getroffen. Im Herbst rollen die Bagger an und Hans und seine Freunde werden in einen anderen Zoo verfrachtet…, sofern sie den Transport überleben. Nicht, dass ich es gutheiße was sie getan haben, aber genau in diesem Moment wünschte ich mir, die „Animal Welfare“-Organisation würde hier eines ihrer krummen Dinger abziehen, um den Eisbären zu helfen.“ „Todessehnsucht? Als hätten wir nicht schon genug Probleme…“, entgegnete Anja, die meinem Wunsch nichts abgewinnen konnte. „Soll ich Paul vielleicht nicht doch darum bitten, dass er sich der Sache annimmt, um den Brandstifter ausfindig zu machen?“ „Nein. Die Polizei und die Feuerwehr haben nichts herausgefunden, also wird Paul auch nichts finden, was uns weiterhilft. Es gibt keinen Grund ihn damit zu belasten.“, argumentierte ich, auch wenn ich Anjas Vorschlag gegenüber dankbar war. Doch wollte ich ihr und Paul nicht noch mehr Ärger und Stress bereiten, als sie meinetwegen ohnehin schon hatten. „Können wir es dann nicht einfach Kevin anlasten?“, fragte Anja, deren Vorschlag natürlich nicht ernst gemeint war. „Das würde ich an eurer Stelle lieber sein lassen!“ Anja und ich drehten uns erschrocken um. Wie aus dem Nichts stand plötzlich Kevin hinter uns. Wann hat der sich an uns herangeschlichen und wieviel hat er von unserer Unterhaltung mitangehört? „Wie lange stehst du da schon?“, fragte Anja ihn, die meinen Gedanken aussprach. „Lange genug um zu wissen, dass ihr mir was ankreiden wollt, was ich nicht begangen habe.“, antwortete Kevin ihr, doch sein Blick haftete unentwegt auf mich. War es Wut, Hass oder Abscheu was er mir entgegenbrachte? Ich konnte seine Blicke mir gegenüber nicht genau zuordnen. „Wenn ihr schon jemanden für das Feuer verantwortlich machen wollt, dann doch bitte demjenigen, der auch wirklich dafür verantwortlich ist.“ „Und wer soll das deiner Meinung nach bitte schön sein?“, fragte Anja argwöhnisch. Ich glaubte kurz ein Lächeln in Kevins Gesicht zu erblicken. Was hatte er nur vor?
11. Die Entscheidung – Teil 2 Ich klopfte dreimal. „Ich bin beschäftigt!“, rief Anthony aus seinem Büro heraus, doch schenkte ich dieser Aussage keinerlei Beachtung, denn egal was er gerade zu tun gedachte, das was ich ihm zu sagen hatte, war hundertmal wichtiger. Also betrat ich ohne seine Erlaubnis dessen Büro, woraufhin ich mir einen bösen Blick einhandelte. „Was?! Ich sagte doch…, was wollt ihr?!“, fragte Anthony uns leicht sauer, als Anja und ich sein Büro betraten, um ihm eine wichtige Neuigkeit zu übermitteln. „Tut uns Leid Anthony, aber wir müssen mit dir reden.“, entschuldigte sich Anja bei ihm, während Anthony seinen Stift ablegte, mit dem er gerade noch ein paar Dokumente ausgefüllt hatte. „Ich hoffe es ist wichtig.“, sagte Anthony desinteressiert. „Herr Kamp verlangt von mir, dass ich…“ „Herr Kamp wird zukünftig gar nichts mehr von dir verlangen.“, warf ich schnell dazwischen.“ Anja grinste und auch ich konnte nicht anders, als ein schadenfrohes Grinsen aufzusetzen. Anthony fand dies unheimlich und beäugelte uns misstrauisch. „Was habt ihr jetzt schon wieder angestellt?“
Einige Stunden zuvor: Die Fahrstuhltür öffnete sich und Kevin, Anja und ich betraten einen ockergelben Gang, der trostlos und leer erschien. Wir bogen nach links ab und blieben erst wieder vor einem Raum stehen, an dessen Tür ein Schild angebracht war, wo „Konferenzraum“ geschrieben stand. Bevor ich klopfte, wandte ich mich noch einmal an Kevin, der außergewöhnlich ruhig geworden war. „Und du bist dir ganz sicher?“, fragte ich bei ihm nach. „Wenn wir erst einmal drin sind, dann gibt es kein Zurück mehr. Wenn du willst, dann kannst du auch hier draußen warten. Du musst nicht dabei sein, wenn…“ „Jetzt halt schon den Mund und klopf endlich!“, befahl Kevin, der zwar innerlich mit sich zu hadern schien, aber eine Entscheidung getroffen hatte. Justin lächelte dezent und klopfte schließlich an der Tür. Ohne zu warten, öffnete er die Tür und betrat einen großen Raum mit großen Fenstern, von wo aus für gewöhnlich die Sonne hereinschien. Nur heute war der Himmel bewölkt und so herrschte bereits im Vorfeld eine unangenehme Düsternis. Vier Männer und eine Frau saßen auf ihren bequemen Stühlen um einen runden Tisch herum und alle drehten sich zu ihnen um, als sie unerlaubterweise den Konferenzraum betraten. „Habt ihr schon einmal was von Anklopfen gehört?!“, schimpfte Herr Kamp, Kevins Vater, mit ihnen. „Ich hab angeklopft. Nur hab ich nicht gewartet.“, erklärte ich ihm frech. „Also da hört sich doch alles auf. Kevin!“ Herr Kamp wandte sich nun direkt an seinen Sohn. Offenbar war er es leid, sich mit mir zu unterhalten. „Was soll dieser Aufruhr? Ihr könnt doch nicht einfach so hier herein platzen, während wir mitten in einer Besprechung sind.“ „Sorry Dad, aber ich denke du solltest dir anhören, was Justin zu sagen hat.“, erklärte Kevin seinem Vater. „Und auch die anderen verehrten Vorstandsmitglieder sollten gut zuhören.“ „Jetzt reicht es mir aber wirklich!“, schrie Herr Kamp, der sich erbost von seinem Stuhl erhob. „Ihr verlasst augenblicklich diesen Raum, sonst werde ich…“ „Sonst werden Sie WAS?!“, entgegnete ich sofort. „Uns feuern? Mit Feuer kennen sie sich ja wie mir scheint gut aus, nicht wahr Herr Kamp?“ Volltreffer! Herr Kamp wurde kreidebleich im Gesicht, also hatte Kevin uns die Wahrheit erzählt. Jetzt durfte ich nur keinen Fehler begehen. „Wer ein Spiel mit dem Feuer beginnt, muss immer mit den Konsequenzen rechnen!“ Ein anderes Vorstandsmitglied, der etwas beleibter war, stand nun ebenfalls von seinem Stuhl auf und verlangte nach einer Erklärung: „Dürften wir bitte erfahren, was das hier werden soll? Herr Kamp, wer sind die Frau und der Junge?“ „Verzeihung. Mein Name ist Anja und ich bin Tierpflegerin in dem Zoo, über dessen Zukunft sie hier gerade reden.“, stellte sich Anja bei den Vorstandsmitgliedern vor. „Das hier ist Justin, ebenfalls Tierpfleger und der Sohn von Herrn Taler, dem ehemaligen Zoo-Chefs, Kevin dürften Sie alle ja bereits kennen. Wir sind gekommen, um dafür Sorge zu tragen, dass das Eisbärengehege in unserem Zoo erhalten bleibt und die Eisbären auch weiterhin bei uns leben dürfen.“ „Wie bitte? Aber diese Entscheidung wurde doch schon längst getroffen.“, sagte die Frau aus dem Vorstand. „Außerdem denke ich nicht, dass ihr Drei in dieser Angelegenheit ein Mitspracherecht habt. Es ist schon sehr unhöflich, hier ohne Ankündigung hereinzuschneien.“ „Verzeihen Sie… nochmals.“, entschuldigte ich mich abermals. „Aber Sie alle werden gleich verstehen, warum wird diese Konferenz gesprengt haben. Doch vorher möchte ich Herrn Kamp die Gelegenheit geben, sich selber zu dem Thema zu äußern.“ „Ich wüsste nicht, wozu ich mich äußern sollte. Von meiner Seite aus ist alles geklärt.“, sagte Herr Kamp, der sich inzwischen wieder gefangen hatte und versuchte, uns aus dem Raum zu werfen. „Ihr geht jetzt besser, oder ich werde das Wachpersonal rufen, dass euch hinausführt.“ „Das könnten Sie tun, wir könnten aber auch gleich die Polizei rufen.“, meinte ich und freute mich innerlich, endlich mal am längeren Hebel zu sitzen. „Dann können Sie ihnen auch erklären, was sie am 3.August am späten Abend auf der Pferdekuppel zu suchen hatten. Ich bin mir sicher, dass interessiert die Polizei BRENNEND!“ Ein Lob an meine Wortspiele heute. Herr Kamp´s Gesichtsfarbe verschwand wieder und seine Augen wurden groß, während sein ganzer Körper sich verkrampfte. Ich konnte spüren, wie es in seinem Innersten vor Wut loderte, doch dieses eine Mal konnte er nichts dagegen tun. Ihm waren die Hände gebunden. Nichtsdestotrotz versuchte er sich natürlich aus der Sache herauszumogeln, indem er auf Unschuldsengel spielte. „Ich hab nicht den blassesten Schimmer wovon du redest Junge. Willst du etwa behaupten, ich hätte etwas mit dem unglücklichen Brand zu tun, der in der Pferdekoppel ausgebrochen ist? Das ist doch lächerlich. Welchen Grund hätte ich dazu?“ „Oh da würden mir tausend Gründe einfallen, unter anderem einfach weil Sie ein Arsch sind.“, entgegnete ich nun wütend. Glaubte Herr Kamp wirklich, dass ihm jemand die Unschuldsnummer abkaufte? „Doch der wahre und einzige Grund dürfte wohl derer sein, dass Sie Angst hatten, ich würde ihnen ihren schönen ausgeklügelten Plan ruinieren – wieder einmal!“ „Junge… ich weiß noch immer nicht, wovon du redest und ich denke wirklich, du solltest nicht länger unsere Zeit verschwenden.“, sagte Herr Kamp, der erneut versuchte, uns rauszuwerfen, aber ich entzog mich seiner, lief ein wenig im Raum umher und versuchte möglichst ruhig zu bleiben. „Wenn Sie mir nicht glauben wollen, dann vielleicht ihrem eigenen Sohn?!“ Der Zorn, den Herr Kamp mir signalisierte, schlug schlagartig um. Seine Augen richteten sich nun auf Kevin, der sich bisher bedeckt hielt. Ich warf Kevin einen mutigen Blick zu und hoffte, dass dieser jetzt keinen Rückzieher machte. Kevin kannte die Geheimnisse seines Vaters und es war an der Zeit, diese aufzudecken!
12. Die Entscheidung – Teil 3 Die Lage war äußerst angespannt. Die Augen der Vorstandsmitglieder waren auf uns gerichtet, doch als ich Kevin ins Spiel brachte, stand plötzlich er im Mittelpunkt. Sein Vater starrte ihn mit böse funkelnden Augen an, als ob der Teufel persönlich in ihm stecken würde. Ich hoffte sehr, dass Kevin sich auf meine Seite schlug, denn wenn nicht, dann hatte ich keinerlei Beweise gegen Herr Kamp. „Kevin, warum lässt du dich von diesem verwirrten Knaben so einlullen?“, fragte Herr Kamp seinen Sohn wütend. „Siehst du denn nicht, dass das Feuer sein Hirn verbrannt hat?“ „Oh, hier hat nur einer mein Hirn verbrannt und das waren SIE!“, schrie ich Herrn Kamp an, da ich mich einfach nicht zurückhalten konnte. Ich war so wütend! „Sie haben nämlich das Feuer in der Pferdekoppel gelegt, um mich aus dem Weg zu räumen. Sie wollten mich beseitigen, weil ich Ihnen mehrmals in die Quere gekommen bin.“ Herr Kamps Wut verflog, stattdessen legte er ein unschuldiges Gesicht auf. „Was erzählst du denn da Junge? Ich soll das Feuer gelegt haben? So ein Unsinn!“ „Das ist kein Unsinn, sondern die Wahrheit!“, rief Anja nun laut und nicht minder wütend. Ich blickte zu Kevin, der bislang noch kein Wort zu dem Thema gesagt hatte. Bitte Kevin, flehte ich in Gedanken, lass mich jetzt nicht im Stich. Hatte Herr Kamp seinen Sohn bereits so sehr eingeschüchtert, dass dieser nun einen Rückzieher machte und nicht mehr für mich aussagen wollte? „Ich rufe jetzt das Sicherheitspersonal. Das geht jetzt wirklich zu weit!“, meinte Herr Kamp. Kevin machte ihm jedoch einen Strich durch die Rechnung. „Lass das sein, Vater. Sieh es ein, du bist in die Enge getrieben worden. Du hättest eben nicht so viele Fehler machen dürfen.“ Gott sei Dank! Kevin hatte endlich gesprochen und würde nun die ganze Wahrheit vor dem Vorstand auf den Tisch ausbreiten. „Dein erster Fehler war zu glauben, alle für dumm zu verkaufen und zu glauben, du kämst damit durch. Steuerhinterziehung und körperliche Hausgewalt waren zwei weitere Fehler, die du begangen hast. Dein größter Fehler jedoch war es, dich als Handlanger einer Organisation anzuschließen, nur um doppelt so viel Kohle zu kassieren.“ Ich sah den Blick in Herr Kamps Gesicht. Es war ein Mix aus Angst und Verzweiflung, während er kreidebleich wurde. „Sehr geehrte Vorstandsmitglieder…“, Kevin schien seinen Mut gefunden zu haben und wandte sich nun alle in diesem Raum, „Mein Vater, war indirekt ein Mitglied der Verbrecherorganisation Animal Welfare, von denen Sie sicherlich alle in den letzten Wochen in der Zeitung gelesen haben. Er war zwar nicht maßgeblich an deren Aktionen beteiligt, aber hat dafür gesorgt, dass sich diverse zwielichtige Organisationsmitglieder in den Zoo als Pfleger einschleusen konnten. Als Belohnung hat er dafür eine ordentliche Geldsumme kassiert, die er dann als Schwarzgeld in den Zoo geschmuggelt hat, wo er für sich weiteren Gewinn erwirtschaftet hat. Er hat also nicht nur Sie alle hier im Raum und das Finanzamt hinters Licht geführt, sondern ist auch noch heil davongekommen, als die Organisation von Justin und seinen Freunden zerschlagen wurde.“ Herr Kamp musste kräftig schlucken, während ich ihn nicht aus den Augen ließ und nichts als Abscheu für diesen Mann empfand. Das sich noch immer ein Mitglied von Animal Welfare auf freien Fuß befand, war für mich ein echter Schock. „Zwar versuchte mein Vater sich nichts anmerken zu lassen…“, fuhr Kevin indessen fort, „…aber sein Hass auf Justin war grenzenlos. Ich muss zu meinem Bedauern gestehen, dass ich davon wusste. Da ich aber auf den Respekt, den Stolz und die Zuneigung meines Vaters aus war, war ich blind der Wahrheit gegenüber – nämlich das mein Vater in allen Belangen keine Skrupel kannte und selbst vor einem Mord nicht zurückschreckte. Dabei hätte ich es eigentlich besser wissen müssen…“ Kevin umgriff seinen Körper mit seinen Händen und zitterte leicht. Meine Wut verrauchte und ich empfand Mitleid für Kevin, der wie ich unter seinem Vater leiden musste. „Wie dem auch sei…“, sagte Kevin, ohne auf seine eigenen Schmerzen näher einzugehen. „Als ich meinem Vater aus Treue ihm gegenüber erzählte, dass Justin versuchte, seine Pläne bezüglich des Eisbärengeheges zu stoppen, da hatte er den Entschluss gefasst, das Hindernis „Justin“ ein für alle Mal loszuwerden. Mein Vater hat in jener Nacht, am 3.August das Feuer in der Pferdekoppel gelegt, mit dem Wissen, dass sich Justin Taler darin befand. Er wollte ihn umbringen, auch aus Sorge, Justin würde irgendwann hinter seine Beteiligung bei Animal Welfare kommen.“ Kevin hatte zu Ende erzählt und in den Gesichtern der Vorstandsmitglieder konnte ich blankes Entsetzen erkennen. Sie waren nicht minder erschüttert, wie ich, als Kevin mir vor wenigen Stunden die ganze Wahrheit erzählte. „Ich weiß, dass ist alles schwer zu begreifen, aber wenn Sie Beweise wollen, dann lade ich Sie alle herzlich zu uns nach Hause ein. Dort liegen genug Beweise herum, über das Schwarzgeld und seine Beteiligung an der Organisation.“ Herr Kamp war ganz still geworden. Zwar konnte ich noch immer die Wut in seinen Augen sehen, die inzwischen nicht nur mir, sondern auch seinem Sohn galt, aber auch Angst und die Erkenntnis, alles verloren zu haben, was er sich in den letzten Jahren aufgebaut hatte.
Einige Stunden später: „Danach haben die übrigen Vorstandsmitglieder Herr Kamp mit sofortiger Wirkung aus dem Vorstand geworfen. Der trifft hier keine Entscheidungen mehr!“, erklärte ich Anthony zufrieden. „Ich hatte bereits zuvor die Polizei verständigt.“, erklärte Anja weiter. „Kevin gab seine Geschichte auch ihnen noch einmal zu Protokoll. Daraufhin folgte eine Hausdurchsuchung und alle Beweise die gegen Herr Kamp sprachen, wurden sichergestellt. Damit sind wir diesen Mann endlich los!“ „Unfassbar…UNFASSBAR!“ Anthony war sprachlos, aber auch er schien froh zu sein. Über das Ausscheiden von Herr Kamp aus dem Vorstand war sicherlich keiner unglücklich. „Und wie geht es nun weiter? Ich meine bezüglich des Eisbärengeheges.“ „Nun die Entscheidung steht zwar noch aus, dürfte aber zu Gunsten der Eisbären ausfallen.“, antwortete ich Anthony glücklich. „Bis auf Herr Kamp hatten sich nämlich alle Vorstandsmitglieder gegen den Abriss des Eisbärengeheges ausgesprochen. Unglaublich was dieser Mann für eine Macht im Vorstand hatte, wenn er vier andere Vorstandsmitglieder überstimmen konnte.“ „Na wenn das mal kein Grund zum Feiern ist. Ich lade das gesamte Zoopersonal heute Abend zum Barbecue ein!“, rief Anthony freudig. „Eine Frage hätte ich allerdings noch: Was ist mit Kevin?“ Anja und ich tauschten kurze Blicke miteinander aus, aber schwiegen beide zu dem Thema. Anthony schien das egal zu sein. Wir waren Herr Kamp los und das wollte er feiern. Doch wenn ich an Kevin dachte, wurde ich doch ein wenig wehmütig. Der Sieg hatte doch seinen Preis.
13. Neun Monate später… „Also wirklich Hans…, können du und deine Freunde nicht auch eine Toilette wie wir Menschen benutzen?“, fragte ich meinen Eisbärenfreund mit genervten, aber auch lächelndem Gesichtsausdruck, während ich deren Kot mit einem Rechen zusammenglaubte. „Klar doch, stell einfach eine dieser hässlichen Kloschüsseln in meinen Vorgarten und bring mir Toilettenpapier.“, scherzte Hans, während er auf seiner Spielwiese faulenzte. „Dann haben die Leute wenigstens was zum Gucken…, aber wenn sie lachen, fresse ich sie auf!“ Ich schüttelte grinsend den Kopf. Eine Unterhaltung mit Hans war immer lustig, wenngleich ich auch immer den Kürzeren zog. Zum Glück war der Winter jetzt vorbei, wobei Hans diese Jahreszeit natürlich bevorzugte. Auch ich erinnere mich gerne an die Wintermonate zurück, wenn Schnee vom Himmel herab fiel und das Thermometer Minusgrade anzeigte. Dann ging ich am liebsten zu Hans, um mich in sein weiches, weißes Fell einzukuscheln. Nur gut, dass an mir nicht so viel dran war. Laut Hans, eignete ich mich gerade mal als Zahnstocher. Unverschämtheit! Nun war es Ende April und die Natur blühte wieder auf und die Vögel kehrten aus dem Süden zurück. Auch die ersten Familien und Schulgruppen besuchten den Zoo. Doch ein Rückkehrer zog ganz besonders seine Aufmerksamkeit auf mich. „Hallo Justin.“ Es war Kevin! „Hey Kevin, wow, wir haben uns ja eine Ewigkeit nicht mehr gesehen…“, stellte ich fest, während ich das Gehege der Eisbären verließ, meinen Rechen zur Seite legte und die Arbeiterhandschuhe auszog. „Naja, acht Monate oder so. Wohne jetzt in Berlin, in einer WG mit zwei anderen Jungs. Sind ganz okay, auch wenn es nicht immer einfach ist.“, erzählte Kevin mir. „Und wie ist es dir so ergangen?“ „Hm…, bei mir ist eigentlich alles beim Alten, wie du siehst. Naja fast…, mein Vater hat seinen Entzug erfolgreich beendet und ist wieder nach Hause zurückgekehrt. In die alte Wohnung konnte er zwar nicht mehr, aber er hat eine neue Wohnung am Stadtrand gefunden. Ihm wurde sogar ein Platz im Vorstand angeboten, den er aber dankend abgelehnt hat. Sobald die Wohnung fertig eingerichtet ist, werde ich wohl zu ihm ziehen. Wir verstehen uns jetzt viel besser als früher…!“ „Hm, das ist schön…“, sagte Kevin, der zugleich melancholisch wurde. „Hast du mal was von deinem Vater gehört?“, fragte ich, obwohl ich nicht das geringste Interesse daran verspürte, zu wissen, wie es Herr Kamp ging. Aber ich konnte es in Kevins Gesicht ablesen, dass er über die Ereignisse von damals noch nicht hinweg war und vermutlich würde es auch noch viel Zeit benötigen, bis er ein normales und sorgenfreies Leben führen konnte. Der erste Schritt war jedoch schon getan. „Mein Vater versauert im Gefängnis, aber ehrlich gesagt, verspür ich kein Mitleid.“, gab Kevin ehrlich zu. „Was er sich alles geleistet hat…, er hat es verdient, dass man ihn eingebuchtet hat. Ich hab ihn einmal besucht. Ein paar Tage nachdem er ins Gefängnis gekommen ist, aber er war nur darauf aus mich mit verschiedenen Schimpfwörtern zu beleidigen und hat mir die Pest an den Hals gewünscht. Daraufhin hab ich zu ihm gesagt, dass er mich mal kann und mich für immer von ihm verabschiedet.“ Kevin hielt einen kurzen Moment inne, während ich tröstend meine rechte Hand auf dessen linken Arm legte. „All die Jahre hab ich gehofft, mein Vater würde sich ändern. Doch diese Hoffnung war trügerisch, denn mein Vater ist ganz anders als deiner. Dein Vater war krank, als er dich geschlagen hat. Meiner hingegen war einfach nur boshaft und gemein, wenn er mir Prügel verabreichte.“ „Das tut mir ehrlich Leid für dich.“, erwiderte ich mitfühlend. Kevin lächelte traurig und winkte ab. „Ach, schon in Ordnung. Die Zeit heilt alle Wunden, oder nicht? Ich komm schon darüber hinweg. Ich lass mir von dem Mann doch nicht mein ganzes Leben ruinieren. Jetzt lass uns mal nicht zu viel über unsere alten Herren reden. Der eigentliche Grund warum ich hier bin ist, weil ich mich noch gar nicht richtig bei dir für damals bedankt habe.“ „Bedankt?“ Ich war verwirrt. „Ich hab dich skrupellos ausgenutzt, um deinen Vater zu erpressen. Jetzt sag mir bitte nicht, dass du dich für den Kuss von damals bedanken möchtest…!“ „Doch… irgendwie schon…, durch dich hab ich herausgefunden, wer ich wirklich bin.“, antwortete Kevin mir mit großen Augen. Ich konnte es nicht fassen. War Kevin jetzt tatsächlich schwul geworden?! Plötzlich breitete sich ein Grinsen in Kevins Gesicht aus. „Ha angeschmiert! Nein, ich bevorzuge auch weiterhin das weibliche Geschlecht. Sorry Kumpel!“ „Haha…, du Scherzkeks…“, entgegnete ich leicht derangiert. „Ich wollte mich bei dir bedanken, weil ich ohne deine Hilfe niemals den Mut gehabt hätte, mich gegen meinen Vater zu stellen. Ohne dich, würde ich noch heute mit ihm zusammenwohnen und unter seiner Herrschaft leiden. Ich weiß, das klingt jetzt etwas theatralisch, aber es entspricht leider der Wahrheit. Nur dank dir, geht es mir heute tausendmal besser, also danke!“ Kevins Worte machten mich verlegen und ich kam nicht umhin, leicht rot zu werden. Zum Glück tauchte just in diesem Augenblick Anja auf, die Kevins Dankesrede unterbrach und uns eine freudige Mitteilung machte: „Justin, es ist soweit! Sheila. Sie, bekommt gerade ihr Baby!“ „Was?!“ Die Freude war mir ins Gesicht geschrieben. Anja rannte los und ich folgte ihr auf direktem Wege. Kevin blieb jedoch zurück, also blieb ich auch noch einmal kurz stehen. „Was ist? Wartest du auf eine Extraeinladung? Du darfst erstmalig bei der Geburt eines Affenbabys dabei sein.“ Kevin lächelte, rannte los und gemeinsam folgten wir Anja zur Tierarztpraxis von Dr. Feldmann.
Es waren ein paar aufregende, aber auch wundersame und schöne Minuten, in denen wir Zeuge dieser Geburt wurden. Auch Anthony war gekommen, um dem freudigen Ereignis beizuwohnen. Das kleine Affenbaby sah wirklich zuckersüß aus und zauberte uns allen ein Lächeln ins Gesicht. Dr. Feldmann kümmerte sich liebevoll um die Mutter und deren Neugeborenes. „Das Kind und die Mutter sind wohlauf. Jetzt heißt es abwarten, aber ich bin da recht zuversichtlich.“ „Kümmern Sie sich bitte gut um die Beiden.“, meinte Anthony. „Das sind wirklich fabelhafte Neuigkeiten! Das muss ich gleich Paul mitteilen.“, sagte Anja, die zu ihrem Handy griff und ihren Mann anrief, nachdem sie den Kreißsaal verließ. „Schön, nicht wahr?“, fragte ich Kevin, der seinen Blick von dem Affenbaby gar nicht mehr abwenden konnte. In seinen Augen konnte ich ein Leuchten erkennen. „Wunderschön.“, antwortete Kevin lediglich, aber sanft lächelnd. „Anthony, darf Kevin dem Kleinen einen Namen geben?“, fragte ich den Zoo-Chef. Anthony blickte kurz zu Kevin, dann zu Dr. Feldmann, der damit einverstanden war, und nickte anschließend selber. „Ich? Aber woher soll ich denn einen passenden Namen finden?“, fragte Kevin überrascht. „Lass dir Zeit und denk in Ruhe nach. Es hat keine Eile.“, gab ich ihm den Tipp, während ich dem Affenbaby über die winzige Brust streichelte. „Hm…“ Kevin dachte tatsächlich fieberhaft nach. In der Zwischenzeit kehrte auch Anja wieder zurück, die Paul von der Geburt Bericht erstattet hatte. Nach etwa fünf Minuten glaubte Kevin einen passenden Namen für den Kleinen gefunden zu haben. „Ich werde ihn Tayo nennen.“ „Tayo? Klingt schön, was bedeutet er?“, fragte Anja ihn interessiert.“ Kevin lächelte. „Tayo bedeutet übersetzt „geboren zum glücklich sein“.“ „Ja…, das ist der richtige Name.“, sagte ich und lächelte nun ebenfalls. „Der glückliche Tayo!“
Die Sonne ging im Westen langsam unter und der Zoo schloss für diesen Tag seine Pforten. Es war ein sehr schöner Frühlingstag, doch um ihn noch schöner zu machen, musste ich einen Anruf machen. Ich hatte schon lange mit dem Gedanken gespielt, jene Person anzurufen. Sicherlich war es ein wenig komisch, mich nun bei ihm zu melden, aber ich wollte ihm einfach sagen, was ich in der letzten Zeit alles erlebt hatte und wie ich mich inzwischen fühlte. Denn ich musste nicht lange darüber grübeln, um herauszufinden, welche Stimme ich in meinem Kopf gehörte hatte, als mich das Feuer in der Pferdekoppel eingeschlossen hatte. Da es nicht mein Vater war, konnte es sich nur um eine einzige Person dabei handeln. Zwar hatten wir uns getrennt, aber im Herzen waren wir noch immer vereint. Sollte ich ihm das genau so sagen? Hm… überleg ich mir noch. Jedenfalls wollte ich ihm sagen, dass ich glücklich bin und dass er sich um mich keine Sorgen zu machen braucht. Ich suchte also den Kontakt in mein Handy und stellte die Verbindung her. Es dauerte nur wenige Sekunden und die gewünschte Person nahm ab. „Hallo? Justin bist du das? Ist alles in Ordnung bei dir?“ „Hey Bobby…“, sagte ich glücklich und blickte dem Sonnenuntergang entgegen. „Ja, bei mir ist alles in Ordnung. In bester Ordnung sogar! Es gibt da ein paar Dinge, die wollte ich dir unbedingt sagen…“
Am kommenden Sonntag, den 3.Februar, ist es endlich soweit: Nach fast zwei Jahren kann ich euch endlich die zweite geheime Akte präsentieren. Ab dem 3.Februar erscheint jeden Sonntag ein neuer Teil. Freut euch auf die Rückkehr der CODA!
Herzlich Willkommen zur zweiten geheimen Akte aus dem "Mytsic Love"-Universum! In der zweiten Geschichte geht es allen voran um die CODA. Wie bereits beim "Der Tierflüsterer - Reloaded" wird es auch hier wieder sechs Kapitel geben. Doch jedes Kapitel wird aus der Sicht einer anderen Person erzählt! Alle Personen erleben ihr eigenes kleines Abenteuer, aber am Schluss wird alles ein Ganzes ergeben. Dabei kommt es zum Wiedersehen mit vielen alten Bekannten aus der "Mystic Love"Tetralogie. Den Anfang macht übrigens Caroline "Caro" Beck. Auf den ersten Blick vielleicht eine ungewöhnliche Wahl, aber ich hoffe euch gefällt ihre Geschichte. Und wer nicht mehr weiß, was die CODA oder wer Caro sind, denen hab ich die Links zum Wiki-Eintrag beigefügt.
Viel Spaß mit meiner neuen Geschichte Skystar
Die geheimen Akten
#02 CODA - Alte und neue Mitglieder
1. Das perfekte Team - Teil 1 „Caro? Carooo?!“ Ich hörte eine Stimme nach mir rufen, reagierte aber nicht darauf. Ich wollte keinesfalls unfreundlich wirken, aber ich war mit meinen Gedanken einfach ganz woanders war.“ Ich befand mich gerade in einer Kostümanprobe und merkte gar nicht, wie das Kleid mir die Luft um die Hüfte zuschnürte. „Hey, wo bist du denn mit deinen Gedanken?“, fragte mich Kat, eine gute Freundin von mir, die Modedesign studierte und dieses Kleid entworfen hatte. „Es tut mir Leid. Ich bin jetzt gedanklich voll und ganz da.“, sagte ich, was aber gelogen war. „Was hattest du mich gefragt?“ Kat blickte mich irritiert und skeptisch an. „Ob dir das Kleid passt?“ „Um die Hüfte rum ist es ein wenig zu eng.“, antwortete ich wahrheitsgetreu. „Gut, dass lässt sich schnell korrigieren. Und ansonsten? Wie gefällt dir die Farbe des Kleides?“, fragte Kat weiter, während sie mich von unten bis oben im Kleid musterte. „Ich finde sie sehr schön. Violett ist meine Lieblingsfarbe!“, antwortete ich ihr. Kat verzog das Gesicht. „Das Kleid ist doch aber rot.“ Ich blickte auf mich herab und musste feststellen, dass das Kleid, welches ich gerade trug, tatsächlich rot war. Ich schloss meine Augen. Ich war heute wirklich nicht ich selbst. „Okay Schätzchen, was ist los mit dir?“, fragte Kat mich nun richtig besorgt. „Du bist gerade in einer völlig anderen Welt. Du bist doch sonst nicht so träumerisch veranlagt.“ „Das ist es nicht.“, sagte ich, während ich mich daran machte, dass Kleid wieder auszuziehen. „Oh mein Gott. Jetzt erzähl mir nicht, dass du auch plötzlich auf Frauen stehst.“, mutmaßte Kat geschwind. „Erst Fiona und Maria und jetzt auch noch du? Bitte tu mir das nicht an!“ Ich lächelte vor mich hin. „Nein, das ist es nicht. Es …“ Ich überlegte wie ich es sagen sollte, denn schließlich wusste ich es selber erst seit gestern Abend. „Es ist so, dass ich gestern einen Anruf von meinem Dad bekommen habe. Er kommt mich dieses Wochenende besuchen.“ Kat sah mich natürlich irritiert an, da sie darin bislang kein Problem sah, also fuhr ich fort: „Und er hat mich gefragt, ob er bei dieser Gelegenheit meinen Bruder mitbringen kann, damit wir uns endlich mal besser kennenlernen.“ „Du hast einen Bruder?“, fragte Kat mich überrascht. „Halbbruder.“, korrigierte ich sie. „Ist er süß? Wie alt ist er?“, fragte Kat mich nun ganz schnell und voller Neugier. Es war mir klar, worauf sie abzielte, aber da musste ich ihr leider einen Dämpfer erteilen. „Er ist zwanzig und er ist schwul!“ Kats Freude schlug in leichte Trauer um. Doch setzte sie zugleich wieder ein Lächeln auf. „Natürlich ist er das. Dann muss er ja süß sein. Alle süßen Männer sind schwul: Leon, Max, Zack, Roy, …“ „Hast du da nicht Derek vergessen?“, fragte ich, nachdem von Kat nichts mehr kam. „Oh nein! Derek ist nicht süß. Derek ist bittersüß mit einem Hauch Zitronengeschmack!“, meinte Kat, woraufhin wir beide in Gelächter ausbrachen. „Aber mal im Ernst. Wieso sind wir hier nur noch von Jungs umgeben, die allesamt schwul oder mindestens bi sind? Gibt es keine richtigen Kerle mehr auf dieser Erde?!“ „Also ich muss dich sehr bitten. Wir sind echte Kerle!“, rief Derek plötzlich, der zusammen mit einem anderen Schauspielkollegen unsere Unterhaltung mitangehört hatte und nun vergeblich versuchte, mit seinen Muskeln zu protzen. „Derek lass das. Du blamierst uns Männer vor den Frauen!“, rief ihm der andere Schauspielkollege zu, kurz bevor er mir ein smartes Lächeln zuwarf und Derek dann mit aus der Garderobe zog. „Hach ja …“, schmachtete Kat vor sich hin. „Ich nimm meine Aussage von gerade eben zurück. Ryan, ist ein echter Mann! Dieses Lachen, die strahlend weiße Zähne und dieser ästhetische Körper … hach ein Traum.“ „Na, wer hängt jetzt seinen Träumen nach?“, fragte ich schmunzelnd meine beste Freundin. „Jaja, schon gut. Ich glaube wir geben uns einfach mit den falschen Männern ab.“, schlussfolgerte Kat schließlich. „Aber wir sind vom Thema abgekommen: Was hast du für ein Problem mit deinem Halbbruder?“ „Naja gar keins eigentlich.“, antwortete ich und Kat verstand nicht. Ich verstand mich ja selber nicht einmal. „Meine Mutter ist schon sehr früh gestorben und seit ich denken kann, waren da immer nur mein Vater und ich. Wir hatten die schönste Vater-Tochter-Beziehung die man sich nur vorstellen kann.“ „Ach ja? Hat er, als du noch vier Jahre alt warst, mit dir und deinen Barbiepuppen gespielt? Und als du volljährig wurdest, durftest du dann auf seiner Harley mitfahren und dich mit ihm in seiner Stammkneipe volllaufen lassen?“, fragte Kat mich kritisch. Ich kicherte. „Oh Kat, deine Fantasie in allen Ehren, aber das haben wir natürlich nicht getan!“ Mit einem Lächeln erinnerte ich mich zurück an meine Kindheit – so wunderschön, rein und zuckersüß. „Mein Dad hat mir als kleines Kind vor dem Schlafengehen immer eine Gute-Nacht-Geschichte vorgelesen. Zu Weihnachten haben wir immer Plätzchen gebacken und uns eine Mehlschlacht geliefert. Die Küche sah hinterher wie ein Schlachtfeld aus. Und wenn ich traurig war …, dann hat mein Dad immer Grimassen gezogen, bis ich zu lachen anfing. Er wusste genau, welche Knöpfe er bei mir drücken musste, um mich glücklich zu sehen. Natürlich bin ich schon lange nicht mehr sein kleines Mädchen und in meiner Pubertät konnte er sich auf den Kopf stellen, aber eine wirkliche Hilfe war er mir in jener Zeit absolut nicht. Ich werde nie den Tag vergessen, als er mich im Supermarkt in aller Öffentlichkeit gefragt hat, ob ich noch Tampons brauche. Ich habe mich so geschämt!“ „Klingt ja herzzerreißend.“, sagte Kat lediglich. „Du verstehst das nicht.“, sagte ich, ohne es böse zu meinen. „Mein Dad und ich haben so viel miteinander erlebt. Wir waren immer das perfekte Team – ein Duo!“ „Und jetzt seid ihr ein Trio …“, sagte Kat langsam, die mein Dilemma nun endlich zu verstehen schien. „Ja …, das wird alles ändern.“ „Wie heißt denn dein Halbbruder?“ Ich überlegte kurz, denn seinen richtigen Namen hatte mein Dad mir gar nicht genannt, nur seinen Spitznamen: „Bobby.“
Es ist wieder Sonntag! Heute kann ich euch schon etwas früher mit einem neuen Teil beglücken und ich hoffe ihr habt beim Lesen genauso viel Spaß wie ich beim Schreiben dieses Teils. Schließlich gibt es hier immer wieder Andeutungen auf "Der Tierflüsterer" und "Die Kunst der Magie".
Wie findet ihr es eigentlich, diese Geschichte aus der Sicht von Caro zu lesen? Ich weiß, ihr seid Jungs gewöhnt, die andere Jungs anschmachten, aber ich will mich schließlich nicht nur auf dieses eine Thema reduzieren lassen.
Schönen Sonntag noch wünscht euch Skystar
2. Das perfekte Team - Teil 2 Es war am späten Vormittag, als das Auto meines Vaters in die Einfahrt einbog und vor dem Eingang der CODA parkte. Ich hatte mich heute besonders hübsch gemacht und hoffte so meine Nervosität zu verbergen. Es war ein warmer Frühlingstag und ich trug ein gelbes Kleid, das mich wie eine Butterblume aussehen ließ. Dann war es endlich soweit: Zuerst stieg mein Vater aus und gleich darauf auch mein Halbbruder, den ich heute das erste Mal traf. Ich rief mir Kats Worte in Erinnerung, dass wohl alle süßen Männer schwul seien. Sie hatte sowas von Recht! Bobby hatte zwar Haar so schwarz wie die Nacht, aber ein Lächeln, als wäre er der Mond am Nachthimmel. „Carobienchen!“, rief mein Dad mir überglücklich zu. „Daaad.“, ermahnte ich ihn, denn diesen Spitznamen hatte ich ihm verboten, in der Öffentlichkeit zu benutzen. Als kleines Mädchen war ich sein kleines Sumsebienchen, nur weil ich Honig vergötterte. „Schön, dass du da bist.“, sagte ich dennoch und umarmte ihn voller Freude. Danach widmete ich mich meinem Halbbruder, der genauso nervös zu sein schien, wie ich. „Caro, dass ist Bobby. Bobby das ist Caro.“, stellte mein Dad uns vor. Oder sollte ich jetzt „unser Dad“ sagen? Es war einfach nur seltsam. Von der ersten Sekunde an. Wir standen uns beide gegenüber und brachen beide kein Wort heraus. Schließlich war es Bobby der das Eis brach, indem er mir seine rechte Hand entgegen streckte und sagte: „Freut mich dich kennenzulernen.“ Diese charmante Art und Ausdrucksweise …, ich kam nicht umhin zu lächeln. „Freut mich ebenso.“ „Sehr schön!“, rief unser Vater, der in die Hände klatschte. „Carobie …, ich meine Caro, würdest du uns jetzt die CODA zeigen, von der du mir tagein tagaus vorschwärmst?“ „Sehr gerne.“, sagte ich und schritt voran in das Innere des Gebäudes. Unser Clubhaus war heute sehr belebt. Das lag daran, dass Wochenende war und viele Studenten ihre Freizeit hier verbrachten. Man sollte meinen wir müssten rund um die Uhr lernen …, taten wir auch …, gelegentlich. Hinzu kam, dass es heute Abend eine besondere Veranstaltung in der CODA gab, zu der ich ebenfalls eingeladen war. „Und hier ist unser Gemeinschaftsraum.“, präsentierte ich meinem Vater und meinem Halbbruder, als ich die Tür zum Gemeinschaftsraum öffnete. „Hier können wir so ziemlich alles tun, worauf wir gerade Lust haben: Fernsehen, Videospiele zocken, kochen, tanzen oder aber auch einfach nur gemütlich beisammen sitzen und miteinander plaudern.“ „Sieht ja wirklich toll aus!“, lobte mein Dad die Einrichtung. „Du hast nicht untertrieben, als du mir hiervon erzählt hast. Und das habt alles ihr eingerichtet?“ „Naja nicht ganz. Ich kam ja erst viel später dazu, da standen hier schon die ersten Möbel. Ein Teil haben wir Zack, einem unserer ehemaligen Studenten, zu verdanken. Das Meiste aber stammt von Herrn West, der das Grundstück aufgekauft hat und uns hier wohnen lässt.“, erklärte ich ihnen. „Das ist also die CODA …“, murmelte Bobby vor sich hin und ich nahm an, dass unser Dad ihm hiervon berichtet hat. Was er ihm wohl über mich erzählt hat? „Okay, wer hat Lust auf Kaffee und Kuchen?“, fragte ich in die Runde. „Habt ihr auch eine Cola hier?“, fragte Bobby mich freundlich. „Ich brauch jetzt erst was, um meinen Durst zu löschen.“ „Natürlich.“, antwortete ich und holte Bobby zunächst eine Cola aus dem Kühlschrank, ehe ich die Kaffeemaschine einschaltete und den Kuchen anschnitt, denn ich heute Morgen gebacken habe.“ „Aaaah, Bienenstich … wieso wundert mich das nicht?!“, rief mein Dad laut lachend durchs Clubhaus, als ich ihm ein Stück Bienenstich auf einem Teller servierte. Kurz nachdem wir angefangen hatten den Bienenstich zu essen und uns dabei ein wenig zu unterhalten, kamen auch schon die ersten anderen Clubmitglieder und wollten ein Stück vom Bienenstich abhaben. „Boah Jungs, ihr seid so unmöglich.“, entgegnete ich ihnen. Auch Derek und sein Schauspielkollege Ryan waren unter ihnen. „Hallo Caro …“, begrüßte Ryan mich mit einem smarten Lächeln. Seit wann war Ryan denn Mitglied in unserem Club? Die beiden Jungs verzogen sich in den hinteren Teil des Raumes ans große Fenster, doch befanden sie sich nach wie vor in meinem Blickfeld. Ich unterhielt mich zwar angeregt mit meinem Dad und auch mit Bobby, über den ich nun so allerhand erfuhr, aber mein Blick wanderte immer wieder zu Ryan rüber. Dies schien auch Bobby nicht zu entgehen, der irgendwann ein Grinsen nicht verbergen konnte. Ich schämte mich ein wenig, während mein Dad wie immer ahnungslos war. Nach einer Stunde kam ein rothaariger Junge zu uns. Ich kannte ihn natürlich, denn es war Roy Kirchner, der Ehemann von Derek und unser Clubleiter. „Guten Tag zusammen!“, begrüßte er uns, allen voran aber meinen Dad und meinen Halbbruder. „Bobby stimmt´s?“, fragte Roy und starrte Bobby mit einem durchtriebenen Blick an. „Ja, woher weißt du …?“, fragte Bobby irritiert. „Das du du bist? Naja ein Vögelchen hat mir das ins Ohr gezwitschert.“, antwortete Roy ihm mit einem breiten Lächeln und warf dabei einen Blick über die Schulter. Erst jetzt konnte ich sehen, dass mit Roy noch eine weitere Person das Clubhaus betreten hatte. Es war Maria Glas, die wie Kat Modedesign studierte. Maria hielt sich bedeckt im Hintergrund und warf Bobby eigenartige Blicke zu. „Hattet ihr mal was miteinander?“, wollte Roy von Bobby wissen. „Äh nein, das ist etwas komplizierter …“, antwortete Bobby ihm. Diese Antwort reichte Roy offenbar völlig aus, denn er harkte nicht weiter nach. „Gut, weswegen ich euch eigentlich störe: Herr Beck könnten Sie ihr Auto vielleicht anderswo parken? Hier findet heute Abend noch eine Feier statt und wir haben noch so einige Vorkehrungen zu treffen, die uns zwingen, ständig ein- und auszugehen. Ihr Wagen steht leider direkt vor dem Eingang …“ Ich konnte Roy ansehen, dass ihm das wirklich unangenehm war, meinen Dad so etwas zu bitten, aber mein Dad nahm das ganz locker und kramte seine Autoschlüssel hervor. „Gar kein Problem. Ich hab ein Parkhaus hier ganz in der Nähe gesehen. Ich bin gleich wieder da!“ Da waren wir nun. Bobby und ich ganz allein, denn auch Roy hatte sich wieder aus dem Staub gemacht. Sollte ich was zu ihm sagen, aber was? „Du bist süß.“ Herr im Himmel, was zum Geier rede ich denn da?! Bin ich verrückt geworden? Zum Glück zauberte sich ein Lächeln in Bobbys Gesicht. „Danke, du aber auch.“ Nun war es geschehen. Ich wurde ganz rot im Gesicht. „Sicher, dass du schwul bist?“
Heute etwas später, aber es ist noch Sonntag! Ich bin jetzt auch hundemüde (war ein langer Tag), aber ich wollte euch trotzdem noch mit neuem Lesestoff versorgen, ehe ich mich meinen Träumen widme.
Gute Nacht Skystar
3. Das perfekte Team – Teil 3 Am Abend gab es eine Feier von und für angehende Theaterschauspieler. Ich war natürlich auch eingeladen. Nach einem kurzen Abstecher in meiner kleinen, aber feinen Drei-Zimmer-Wohnung in der Innenstadt, kehrten mein Vater, Bobby und ich wieder zur CODA zurück. „Und du bist dir sicher, dass wir da erwünscht sind?“, fragte Bobby mich unsicher. „Ach, da sind so viele Leute. Auf zwei mehr kommt es nun wirklich nicht an.“, sagte ich locker. „Ich hätte meinen Smoking von Zuhause mitnehmen sollen.“, meinte mein Dad, der in einer einfachen Jeans und einem Holzfällerhemd daherkam. Ich lächelte und versicherte den beiden, dass das nicht so schlimm sei. Ich hingegen hatte mein butterblumengelbes Kleid gegen ein nachtblaues Abendkleid ausgetauscht und mir die Haare noch ein wenig schöner gestylt. Man weiß ja nie, wen man auf so einer Party alles trifft … „Caro! Da bist du ja endlich!“, rief Derek frischvergnügt und mit einem Glas Sekt in der Hand. „Komm schnell. Ich will dir jemanden vorstellen: Moritz Bürkner! Ich liebe diesen Mann!“ „Das hab ich gehört!“, rief Dereks Ehemann Roy aus nicht allzu weiter Entfernung. „Moritz Bürkner? Echt?“ Mit einem Mal strahlte ich über das ganze Gesicht. Die Freude stand mir regelrecht ins Gesicht geschrieben. Dies schien auch mein Vater bemerkt zu haben. „Na geh schon. Bobby und ich kommen schon klar.“ „Oh danke, danke, danke!“, rief ich quietschfidel und folgte Derek durch die Masse an Partygästen hindurch bis zu den Fenstern. Dort standen drei Stehtische und an einem von ihnen Moritz Bürkner – dem Mann meiner Träume! Derek stellte uns aneinander vor und Moritz überreicht mir ebenfalls ein Glas Sekt, so dass wir miteinander anstoßen konnten. Ich war einfach hin und weg. Diese tiefgründigen Augen, diese besinnlichen Lippen, diese umwerfende Ausstrahlung – einfach göttlich dieser Mann! „Ich finde Sie sind ein erstklassiger Schauspieler.“, lobte ich ihn irgendwann. „Naja höchstens zweitklassig.“, sagte eine Stimme aus dem Hintergrund. Ich drehte mich um und sah, dass Ryan am Fenster lehnte und unsere Unterhaltung mitangehört hatte. „Ryan, du bist unhöflich!“, schrie ich ihm etwas lauter und mehr als empört zu. „Tut mir Leid. War nicht meine Absicht.“, entschuldigte sich Ryan etwas halbherzig bei Moritz Bürkner. Dann wandte er sich an mich: „Dürfte ich kurz unter vier Augen mit dir sprechen?“ „Auf gar keinen Fall.“, antwortete ich ihm. Nicht nach dieser Nummer … „Bitte Carooo …“, bat er mich nun flehend, was ziemlich überraschend kam. Ich rollte mit den Augen. Dieser Grobian hatte null Anstand. Kat hatte Unrecht: Ryan war nicht besser als alle anderen Männer auf dieser Erde. „Also schön.“, gab ich schlussendlich nach und folgte Ryan durch die Partygäste hindurch aus dem Wohnraum, in den weitestgehend leeren Flur. „Hast du gesehen?“, fragte ich Ryan ganz aufgekratzt. „Mario Adorf ist auch hier.“ „Ja, das ist schön …“, gab Ryan emotionslos von sich. „Wow. Die Begeisterung ist dir ja regelrecht ins Gesicht geschrieben.“, sagte ich ganz trocken. „Also leg los. Worüber wolltest du mit mir unter vier Augen reden?“ „Also ich … ich wollte dir etwas sagen … und das ist wichtig …“ „Na dann sag es, damit ich wieder zu Moritz Bürkner kann. Der Mann ist einfach himmlisch!“, schwärmte ich Ryan vor. Ausgerechnet Ryan … „Äh ja …, also wie soll ich es sagen …“, stammelte Ryan vor sich her und allmählich wurde ich neugierig, aber auch ungeduldig. Schließlich schien er sich doch noch die passenden Worte gefunden zu haben: „Caro … ich … ich …“ „Ich hasse dich!“, schrie plötzlich eine mir nicht unbekannte Stimme. Ich wandte mich von Ryan ab, der in meinen Augen meine Zeit lange genug vergeudet hatte und sah zum anderen Ende des Flurs. Dort standen Maria und Bobby. Maria drückte Bobby ihre spitzen Fingernägel in die Brust und wirkte überaus zornig. „Sprich mich nie wieder an. Du bist ein Idiot, Robert Forster, und wirst es für mich immer bleiben!“ Mehr bekam ich von deren Gespräch nicht mehr mit, denn Maria begab sich daraufhin wieder auf die Party. Bobby blieb alleine zurück und wirkte sehr niedergeschlagen. „Sorry Ryan, aber ich glaube ich muss mich kurz um meinen Halbbruder …“ Ich drehte mich wieder um, doch Ryan war verschwunden „ … kümmern.“ Wo ist er hin? Ryan benahm sich heute Abend sehr merkwürdig. Doch jetzt musste ich mich erst einmal um Bobby kümmern. „Heeey, was ist passiert?“, fragte ich ihn besorgt, als ich sein trauriges Gesicht erblickte. „Warum war Maria denn so wütend?“ „Ich bin so ein Idiot …“, antwortete Bobby mir lediglich. „Lass dir das von ihr nicht einreden.“, sagte ich gleich, ohne die genauen Umstände zu kennen. „Möchtest du mir erzählen, was zwischen euch vorgefallen ist?“ Bobby schien kurz zu überlegen, erzählte mir dann aber dennoch die ganze Geschichte. „Ich wollte mich bei ihr dafür entschuldigen, wie blöd das alles damals abgelaufen ist.“ Bobby sprach von sich und seiner Beziehung zu Tobias, der einmal Marias Freund war, ehe er sich bei ihr outete und sich von ihr trennte. „Das Tobi und ich uns ineinander verlieben, konnte doch keiner ahnen. Es war nie unsere Absicht sie zu verletzen.“ „Die Wunde sitzt wohl noch sehr tief in ihr.“, meinte ich zu Bobby. „Aber das gibt ihr nicht das Recht, dich so schlecht zu behandeln. Du wolltest schließlich nur mit ihr ins Reine kommen.“ „Wahrscheinlich denkt sie auch noch, dass ich es war, der Leon ‚umgepolt‘ hat.“, gab sich Bobby nun selbstkritisch. „Sie hatte mit beiden eine Beziehung und beide sind nun schwul oder bi und beide waren schon vorher mit mir befreundet.“ „Also das ist doch jetzt wirklich ausgemachter Blödsinn.“, sagte ich. „Maria ist eine Drama-Queen und übertreibt maßlos!“ „Ich bin so ein Idiot …“, wiederholte Bobby nochmals und stampfte zugleich mit einem Bein auf. Da ging die Tür zum Wohnraum auf und unser Dad trat in den Flur. Er hatte ein Glas bei sich, dessen Inhalt ich nur anhand seiner Haltung und seines Auftreten erraten konnte. „Da sind ja meine zwei Lieblingskinder.“ Auch wenn Bobby ein toller Typ war, hoffte ich in diesem Moment, dass mein Dad mir nicht noch mehr Halbgeschwister verschwiegen hat. „Na, habt ihr auch so viel Spaß?“, fragte er und kippte sich den Inhalt des Glases auf Ex in den Rachen.
4. Das perfekte Team – Teil 4 Am nächsten Morgen war ich als Erste wach. Ich nutzte die Gelegenheit und holte uns beim Bäcker frische Brötchen, deckte den Frühstückstisch und bereitete frischen Kaffee vor. Nach einer Weile kam Bobby müde in die Küche meiner Wohnung stolziert. „Morgähn!“, gähnte er noch immer müde und rieb sich dabei die Augen. Ich musterte ihn von Kopf bis Fuß. Seine Haare sahen aus, als hätte er in eine Steckdose gegriffen. Dennoch wirkte er sehr süß. Es fehlte nur noch ein himmelblauer Pyjama mit Teddybären bespickt und ich würde ihn auf der Stelle knuddeln. Oh Gott, was denk ich da? Er ist mein Halbbruder und schwul! Kat hatte vollkommen Recht: Alle süßen Männer waren schwul! „Kaffee?“, fragte ich ihn mit einem Lächeln im Gesicht. „Ja bitte, eine ganze Badewanne voll damit!“, antwortete Bobby mir, während er sich an den Küchentisch setzte und seinen Kopf mit einer Hand abstützte. Kurz darauf kam auch schon unser Dad in die Küche und das überraschend fit: „Guten Morgen ihr Beiden! Die Sonne lacht und füllt unsere Herzen mit Wärme und Geborgenheit. Aaaah, frischer Kaffee! Hab ich dir schon gesagt, wie sehr ich dich liebe, Carobienchen?“ „Daaad.“, mahnte ich ihn, während ich ihm eine Tasse Kaffee einschenkte. „Hilfe. Warum bist du nur so gut gelaunt?“, fragte Bobby ihn mit halbgeschlossenen Augen. „Ich bin einfach nur glücklich.“, antwortete unser Dad ihm freudestrahlend. „Glücklich hier zu sein, zusammen mit meinem zwei Kindern.“ Dem war nichts mehr hinzuzufügen. Ich lächelte nun ebenfalls und sogar Bobby konnte sich zu einem Lächeln durchringen. Da klingelte mein Handy. Auf dem Display war zu sehen, dass Kat mich gerade anrief. So früh schon? „Guten Morgen Kat …“, begrüßte ich sie so gerade noch. „Verdammt Caro, wieso gehst du an dein gottverdammtes Handy?!“, schrie mir Kat durch unsere beider Handys hindurch ins Ohr. „Hör auf so zu schreien und natürlich geh ich an mein Handy, wenn du mich anrufst. Was für eine Frage.“, antwortete ich verständnislos. „Dann beweg deinen Hintern auf der Stelle zum Flughafen!“, sagte Kat nun nicht mehr ganz so laut. „Aha und warum sollte ich das tun?“, fragte ich weiter, weil ich nun gar nichts mehr verstand. „War mir klar, dass er keine Eier in der Hose hat, es dir zu sagen.“, gab Kat spöttisch von sich. „Kat, hör auf in Rätseln mit mir zu sprechen. Wer hat mir was nicht gesagt?“, fragte ich ungeduldig, während die Augen von Bobby und meinem Dad interessiert auf mich gerichtet waren. „Ryan.“, sagte Kate schließlich. „Er wollte es dir gestern Abend auf der Party sagen. Offenbar hatte er aber keinen Mumm dazu.“ „Mir was sagen? Jetzt spuck es schon aus Kat!“, sagte ich nun etwas lauter. „Ryan hat ein Angebot für ein Theaterstück in London bekommen und fliegt noch heute dorthin. Sein Studium will er dort fortsetzen. Verstehst du Caro? Ryan kommt nicht wieder, dabei ist er total in dich verschossen! Das hat mir Derek verraten, aber das hast du natürlich nicht von mir. Jedenfalls …, wenn jemand Ryan daran hindern kann, nach London zu fliegen, dann bist du das! Caro? Caro, hörst du mir noch zu?“
„Kannst du nicht ein wenig schneller fahren?“, fragte ich ungeduldig auf dem Beifahrersitz. „Willst du fahren?“, fragte Bobby mich leicht genervt. „Besser nicht. Ich bau womöglich einen Unfall.“, antwortete ich ihm wahrheitsgetreu. „Gut und ich würde meinen Führerschein gerne behalten.“, sagte Bobby, die nicht mehr ganz so müden Augen nach vorne auf die Straße gerichtet. Mein Dad beugte sich von der Rückbank zu uns nach vorne. „Tut mir Leid. Ich wäre ja wirklich gerne gefahren, aber ich glaube ich habe noch zu viel Alkohol intus.“ „Vollidiot!“, schrie ich laut. „Hey, wie sprichst du denn mit deinem alten Herrn?“, fragte mein Dad mich empört. „Doch nicht du Dad. Ryan!“, erklärte ich ihm schnell. „Wieso hat er gestern nicht den Mund aufgebracht. Stattdessen macht er sich unbeliebt und stammelt mir etwas vor.“ „Was erwartest du? Er ist ein Kerl. So sind wir Männer nun mal.“, meinte Bobby schulterzuckend. „Sind wir bald da?“, fragte ich weiterhin ungeduldig. „Wenn ich Nein sage, verprügelst du mich dann?“, fragte Bobby mich ängstlich.
„Letzter Aufruf für den Flug U28982 nach London. Abflug in nur wenigen Minuten“, sprach eine Frau durch die Lautsprecheranlage im Flughafen. Mir war natürlich klar, dass ich viel zu spät war. Ryan war sicherlich längst durch die Kontrollsperre hindurch und damit für mich unerreichbar. Also versuchte ich es auf seinem Handy. Ich musste Derek regelrecht anbetteln, mir Ryans Handynummer zu geben. Mein Handy baute eine Verbindung auf, aber … „Der gewünschte Gesprächspartner ist zurzeit nicht erreichbar …“ „Mist!“, schimpfte ich, während ich alleine durch die Flughalle rannte. An der Sicherheitskontrolle war für mich Schluss. Den Flughafen-Angestellten brauchte ich bestimmt nicht mit einer sentimentalen Lovestory kommen, die ohne ihre Mithilfe kein Happy End bekäme. So etwas funktioniert nur in Filmen, nicht aber in der Realität. „Verreist du?“ Diese Stimme. Ich drehte mich um. Da stand er. Ryan, mit Handgepäck und Koffer. Er war also noch nicht durch die Sicherheitskontrolle hindurch. „Du bist noch hier. Zum Glück.“, sagte ich, schnaufte dabei aber noch ein wenig, da ich vom Rennen außer Atem war. „Bitte, du darfst nicht fliegen.“ Ryan blickte mich überrascht an. „Werde ich auch nicht. Ich hab gerade in London angerufen, dass ich ihnen sehr dankbar für das Angebot bin, aber ablehnen muss.“ Nun war ich es, die ein überraschtes Gesicht machte. „Was? Aber warum?“ Ryan wandte seinen Blick von mir ab. Sein Gesicht nahm ein leichtes Rosa an. „Naja, also ich …, ich kann doch nicht so einfach abhauen, wo hier doch alles ist, was ich zu meinem Glück brauche und …“ Ich brachte Ryan abrupt zum Schweigen, indem ich auf ihn zuschritt und ihm einen langen Kuss aufdrückte. Ryan erwiderte den Kuss und so verharrten wir mehrere Minuten. „Oh, ich finde ein Happy End immer so rührend.“, schluchzte mein Dad, als er und Bobby mich endlich eingeholt hatten. „Oje Dad, manchmal bist du echt peinlich.“, sagte Bobby, doch auch er musste eine Träne verdrücken. Nachdem ich und Ryan uns voneinander gelöst hatten, bot ich ihm unser „Taxi“ nach Hause an. „Doch ich muss dich warnen. Mein Bruder fährt.“, grinste ich über beide Ohren. „Haha, sehr witzig.“, meinte Bobby gekränkt. „Ich kann ja auch gehen …“ Ich griff mir Bobbys rechten Arm und harkte mich bei ihm ein. „Auf gar keinen Fall. Du bist der süßeste Bruder, den ich mir nur vorstellen kann und außerdem … sind wir das perfekte Team!“
Hier bin ich wieder - am Faschingssonntag - und bringe euch gleich einen neuen Teil meiner Geschichte mit. Das Kapitel mit Caro ist zu Ende, doch die Geschichte noch lange nicht. Heute geht es mit Maria Glas weiter! Ja, schon wieder eine Frau, aber keine Sorge, auch die Jungs werden noch eine wichtige Rolle spielen. Wie schon gesagt, stehen die einzelnen Kapitel gewisserweise in Verbindung zueinander. Bereits bei Caro´s Kapitel hatte Maria einen Auftritt - und der hatte es in sich. Bei Caro ging es in erster Linie um das Kennenlernen zwischen ihr und Bobby, das bei den bisherigen Geschichten eher im off behandelt wurde. Bei Maria könnt ihr nun etwas über ihre Beziehung zu Fiona erfahren UND wie es damals zu der Trennung kam! Ob ihr sie mögt oder nicht ist mir egal, hier ist sie:
5. Scherben bringen Glück …, oder sieben Jahre Pech – Teil 1 „Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land? Oh du wundersamste aller Frauen, ihr seid die Schönste im ganzen Land.“, sagte Fiona so laut im Wohnzimmer, dass ich sie im Badezimmer noch hören konnte. Mir war klar, dass sie mich damit aufzog, weil ich immerzu so lange vor dem Spiegel stand, um mich eben einfach nur hübsch zu machen. Ihre bissigen Kommentare waren mir aber gleichgültig, denn für mich war es eben wichtig, gut auszusehen. Nachdem ich Wimperntusche aufgetragen hatte, war ich endlich fertig und gesellte mich zu ihr ins Wohnzimmer. „Na, endlich fertig?“, fragte Fiona mich mit einem Lächeln im Gesicht. Ich lächelte ebenfalls, trotz ihrer sarkastischen Bemerkung. „Dir mag es vielleicht nicht recht sein, dass ich so lange im Bad benötige, aber wenn du ehrlich zu dir selbst bist, dann magst du gerade das an mir so sehr. Schließlich bist du es immer, die dann schnell nach Hause will und mir regelrecht um den Hals fällt.“ „Du glaubst das liegt an deinem Aussehen?“, fragte mich Fiona überrascht. „Ich glaube du hast ein falsches Bild von mir. Ich freu mich deshalb so sehr mit dir allein zu sein, weil du mich mit deiner eitlen und zickigen Art immer so zur Weißglut treibst, dass es mich schon wieder geil macht.“ „Na vielen Dank für die Blumen … glaube ich.“, sagte ich und schmunzelte. „Was ist? Gehen wir nun, oder warten wir, bis die Party rum ist? Dann wäre ich allerdings ganz umsonst solange vor dem Spiegel gestanden.“ „Ich bin schon seit einer halben Stunde startbereit.“, meinte Fiona zu mir. „Wer fährt?“, fragte ich und nahm den Autoschlüssel aus einer Schale neben der Tür. Fiona entriss mir den Schlüssel zugleich wieder. „Ich natürlich. Mit deinen hohen Absätzen lass ich dich bestimmt nicht hinters Steuer und riskiere, dass wir nie auf der Party ankommen.“ Ich funkelte Fiona böse an, die sich aber gleich wieder bei mir einzuschmeicheln versuchte: „Damit unterstütze ich deine Arbeit vor dem Spiegel. So wird gewährleistet, dass dich auch jeder zu Gesicht bekommt und deine Schönheit bestaunen kann. Alle Jungs werden dich angaffen wie eine Horde hirnloser Affen und einige Mädchen werden dir sicherlich auch eifersüchtige Blicke zuwerfen … oder mir, weil ich es bin, die dich am Ende des Tages ganz für mich alleine haben werde.“ Fiona konnte manchmal wirklich fies sein, aber dann waren es wieder Worte wie gerade eben, die mein Herz wie wild zum Klopfen brachten. „Also los, sonst geben die noch eine Vermisstenanzeige nach uns auf.“, sagte Fiona schlussendlich und ich folgte ihr zur Tür hinaus.
„Tut uns Leid, dass wir so spät kommen.“, entschuldigte sich Fiona bei unseren Freunden, als wir eine viertel Stunde später im Haus der Familie Kirchner ankamen. „Kein Problem. Ich kann mir schon vorstellen, woran es gelegen haben könnte.“, entgegnete Roy und grinste mich dabei ein. „Ich hab einen Ehemann, der ist da nicht viel anders.“ „Pff … werd bloß nicht unverschämt, sonst kannst du den Therme-Gutschein alleine einlösen, den ich dir zum Geburtstag geschenkt habe.“, meinte Derek leicht eingeschnappt, woraufhin Roy sich zu ihm rüber beugte und ihm einen Kuss auf die Wange schenkte. „Jaja, erst schlecht reden und dann wieder einschleimen. Ist Fiona auch manchmal so zu dir, Maria?“ „Manchmal? Das ist ein Dauerzustand bei uns.“. antwortete ich Derek und gratulierte Roy hinterher ebenfalls zum Geburtstag. „Ah, jetzt bin ich die Böse. Annabelle, gibt es hier auch Alkohol?“, fragte Fiona Roys Schwester. „Ich glaub ich brauch was Hochprozentiges, um diesen Abend zu überleben.“ Ich runzelte die Stirn, aber nur kurz, um keine bleibenden Falten zu bekommen. „Damit steht wohl fest, wer später nach Hause fährt. Für mich bitte nur eine Johannisbeerschorle.“ „Guten Abend allerseits.“, sagte Frau Kirchner, die zusammen mit ihrem Ehemann auf ein paar höher gelegenen Treppenstufen, die ins Obergeschoss des Hauses führten, stand, um von allen richtig gesehen werden zu können. In ihrer Hand hielt sie ein Mikrofon. Die ganze Familie war musikalisch veranlagt, da hatten sie sicherlich mehrere Mikrofone in ihren Schränken. Jeden zweiten Samstag im Monat veranstaltete die Familie einen Karaoke-Abend, bei dem Fiona und ich aber immerzu etwas „Besseres“ vorhatten. Das war natürlich gelogen. Wir konnten einfach überhaupt nicht singen! „Mein Mann und ich wollten nur ganz kurz etwas sagen.“, sagte Frau Kirchner und alle – insbesondere aber natürlich ihr Sohn Roy – schenkten ihnen Aufmerksamkeit. „Wir sind überaus glücklich, einen so großartigen und talentierten Sohn zu haben. Eine Mutter könnte nichts stolzer auf ihren Sohn sein …“ „… und ein Vater ebenso wenig.“, drängte sich Herr Kirchner kurz dazwischen. „Roy, du warst schon als Kind etwas ganz Besonderes. Du wolltest immer anders sein, als alle anderen und hast dich sogar mir widersetzt und deine Haare rot gefärbt. Du bist deinen eigenen Weg gegangen, ohne zu hinterfragen, was andere von dir denken. Dann hast du Derek kennengelernt und dein Leben wurde noch verrückter, als es ohnehin schon war.“ Im Haus brach Gelächter aus und Roy und Derek warfen sich kurz verliebte Blicke zu. „Ihr harmoniert einfach wunderbar zusammen und für Annabelle bist du ein fürsorglicher großer Bruder.“ Annabelle nickte und lächelte ihrem Bruder zu. „Deine Talente hast du uns allen hier mehrmals unter Beweis gestellt. Du bist ein ausgezeichneter Pianist und für deine Freunde hast du immer ein offenes Ohr. Ich glaube mein Mann und ich können für alle sprechen – Roy, wir lieben dich!“ Dann ging das Licht im Haus aus, ein paar Scheinwerfer wurden eingeschaltet und zusammen mit einer Discokugel, die von der Decke hing, wurde für das nötige Partyfeeling gesorgt. „Happy Birthday to you! Happy Birthday to yo! Happy Birthday!“
Die Party war im vollen Gange, als ich die Gelegenheit bekam, mich ein wenig mit Roy alleine zu unterhalten. „Kaum zu glauben. Jetzt sind du und Derek schon fast zwei Jahre miteinander verheiratet.“, sagte ich zu ihm. „Die Zeit verrinnt …“ „Ja …, hast du mal was von Leon gehört?“ Ich nickte. „Es geht ihm gut, aber ich glaube nicht, dass er uns in absehbarer Zeit mal besuchen kommt. Er … er redet nicht gern über den Vorfall von vor drei Jahren oder über Zack und Max.“ „Naja, würde ich an seiner Stelle auch nicht gerne, aber trotzdem schade, dass er uns nie besuchen kommt. Wir hatten eine schöne Zeit mit der CODA …“ „Hatten?“, Ich sah Roy irritiert an.“ „Jetzt guck nicht so.“, sagte Roy und lachte. „Fiona, Kat, Caro und Wallace werden diesen Sommer mit ihrem Studium fertig und nächstes Jahr dann auch Derek, Annabelle, du und ich. Dann ist von den CODA-Urgesteinen niemand mehr übrig.“ „Du hast doch aber nicht etwa vor, die CODA zu schließen?“, fragte ich ihn besorgt, denn die CODA war – im Gegensatz zu all meinen Erwartungen von damals – ein toller Ort zum Entspannen, Freunde kennenlernen und Spaß zu haben. Roy schüttelte den Kopf und ich atmete erleichtert aus. „Aber es wird Zeit einen Nachfolger für mich zu finden, der den Job als Clubleiter fortführt. Derek und ich werden nächstes Jahr von hier wegziehen.“ Das irgendwann jemand anderes als Roy die CODA leiten würde, war für mich nur schwer vorstellbar und stimmte mich etwas traurig. Eine Ära ging damit zu Ende …
6. Scherben bringen Glück …, oder sieben Jahre Pech – Teil 2 „Sind sie nicht ein schönes Paar?!“, fragte Kat mich auf Roys Geburtstagsfeier. „Hm … ja.“, sagte ich gedankenverloren und ohne überhaupt hinzuschauen, wen Kat meinte. „Oh mein Gott, Wallace und Belle knutschen miteinander rum!“, rief Kat auf einmal entsetzt, doch reagierte ich noch immer nicht. „Okaaay … was ist denn mit dir jetzt los?“ „Was? Wieso?“, fragte ich nun und kehrte in die Realität zurück. „Hallo? Als ob Belle jemals mit Wallace rummachen würde!“, entgegnete Kat, während ich ins Wohnzimmer sah, wo Belle sich gerade mit Roy und Derek unterhielt, während Wallace nur daneben stand und gelegentlich an seiner Bowle nippte. Indessen tanzten Caro und Ryan zusammen und schwebten Hand in Hand durchs Wohnzimmer. Vermutlich bezog sich Kats Aussage auf die beiden, die nun schon mehr als ein Jahr zusammen waren und nach anfänglichen Schwierigkeiten ein rundum schönes Paar abgaben. „Tut mir Leid, aber ich hab mir Gedanken um die CODA gemacht.“, entschuldigte ich mich bei Kat für meine Unaufmerksamkeit. „DU hast dir Gedanken um die CODA gemacht?“, fragte Kat überrascht. „Wer bist du und was hast du mit unserer Maria angestellt?“ Auf diese Bemerkung reagierte ich nun sauer. „Schon klar. Maria, die naive und dumme Blondine, als ob die sich jemals Gedanken zu irgendwas und irgendwem machen würde ...“ „Hey Maria, das war doch überhaupt nicht so gemeint …“, sagte Kat nun ganz verdattert, da sie mit solch einer Reaktion meinerseits keineswegs gerechnet hatte. „Schon gut. Mit mir kann man es ja machen. Ich weiß ohnehin, was ihr alle von mir denkt. Das ich gefühllos und egoistisch bin und ständig nur auf mein Äußeres bedacht bin.“ Nun redete ich mich richtig in Rage, auch wenn es mit Kat leider die falsche Person traf. Wütend war ich auf jemand ganz anderen … „Maria, tut mir Leid, wenn ich was Falsches gesagt habe, aber das was du sagst, denkt keiner von uns. Das musst du mir glauben!“, entschuldigte sich Kat aufrichtig bei mir. Ich wollte ihr glauben und mich ebenso bei ihr für meinen jetzigen Ausraster entschuldigen, aber Fiona machte mir einen Strich durch die Rechnung. „Heeey, was macht ihr denn hier?“, fragte sie uns, dabei wankte sie leicht und verschüttet den Inhalt ihres Glases. „Fiona, magst du dich vielleicht ein wenig hinlegen?“, fragte Kat sie stirnrunzelnd. „Hinlegen? Aber der Boden ist schmutzig …“, sagte Fiona sternhagelvoll. Dabei beugte sie sich nach vorne und kippte ihr Glas Bowle über mein Kleid. „Bist du jetzt komplett bescheuert!“, schrie ich nun so laut, dass es auch wirklich jeder der Anwesenden mitbekam. Ryan und Caro stellten ihren Tanz ein und alle anderen verstummten abrupt. Alle Augen waren nun auf uns gerichtet. Mir war die Situation auf der Stelle peinlich, doch noch viel schlimmer war, dass ich nicht mehr in der Lage war, meine Emotionen zu steuern. Also wandte ich mich schnell von allen ab, rannte die Treppe hoch und verbarrikadierte mich im Badezimmer. Ich sah mich im Spiegel an. Von meiner Schönheit war nichts mehr übrig. Meine Augentusche war total verlaufen und dank Fiona war mein Kleid ruiniert. Ich bemerkte einen Sprung im Spiegel und fühlte mich selber, als wäre ich innerlich zerbrochen. Es verging keine Minute, da klopfte es an der Tür. „Maria? Ich bin es.“, hörte ich Kat durch die Tür sagen. „Zusammen mit Caro und Belle. Dürfen wir reinkommen?“ Ich antwortete Ihnen nicht, also verschafften sie sich einfach Zutritt ins Badezimmer. Ich hatte mich auf den Boden, an die Badewanne angelehnt, gesetzt. Kat setzte sich rechts neben mich, Caro links und Annabelle vor mich. „Was ist los, hm?“, fragte Annabelle mich und streichelte mir dabei tröstend übers Knie. Ich antwortete ihr nicht gleich. „Ist es wegen Fiona?“, fragte Caro. „Ryan kümmert sich um sie. Ich glaube es tut ihr Leid, dass sie dir die Bowle übers Kleid gekippt hat. „Wobei das ja eigentlich keine Absicht war.“, merkte Kat an. „Das nicht, aber in letzter Zeit übertreibt sie es ein wenig mit dem Alkohol.“, meinte Caro. „Willst du uns nicht erzählen, was mit dir los ist?“, fragte Annabelle mich erneut, ohne groß auf die Kommentare von Kat und Caro einzugehen. „Du weißt, du kannst mit uns über alles reden.“ Ich wischte mir mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht. Caro reichte mir ein Taschentuch und ich versuchte mir das Gesicht trocken zu tupfen. Die Schminke war natürlich total verlaufen. Ein Blick in den Spiegel und ich würde wahrscheinlich in Ohnmacht fallen, aber das war jetzt auch schon egal. „Habt ihr auch manchmal das Gefühl, dass in eurem Leben nichts wirklich rund läuft?“ „Ständig.“, antwortete Annabelle mir sofort. „Hin und wieder.“, stimmte auch Kat mit ein. „Keine Ahnung wann das bei mir angefangen hat.“, sagte ich und schniefte dabei gelegentlich, weil mir die Nase lief. „Ich glaube, mein Leben entgleitet mir immer dann, wenn ich mich verliebe. Zuerst mit Leon, dann mit Tobias und jetzt auch mit Fiona.“ „Ich weiß du liebst Fiona, aber kann es sein, dass du auch immer noch Tobias nachtrauerst?“, fragte Caro mich nun. „Ich kann mich erinnern, dass du vor etwa einem Jahr, auf der Feier der Theater AG, einen sehr intensiven Streit mit Bobby hattest.“ Ich rollte mit den Augen. Den Namen wollte ich eigentlich nie wieder hören, aber auch das schien mir leider nicht vergönnt zu sein. „Ich weiß, dass ich damals überreagiert habe. Er wollte sich nur bei mir für alles entschuldigen, aber ich wollte das damals einfach nicht hören – nicht von ihm!“ „Du hättest das gerne aus Tobias` Mund gehört, richtig?“, schlussfolgerte Caro verständnisvoll. Ich nickte. „Wir haben am Abend des Schulabschlussballs miteinander Schluss gemacht. Jedes kleine Mädchen träumt davon, den Schulabschluss mit dem Jungen zu verbringen, den man liebt.“ „Ich kenne Tobias nicht, aber ich kenne Leon und er hat mir erzählt, dass er an jenem Abend dann mit dir getanzt hat.“, erzählte Annabelle. „Wirklich? Oh ist das süß.“, sagte Kat entzückt. „Natürlich war er süß. Leon steht auf Jungs. Hetero-Kerle würden so etwas niemals machen.“, meinte Caro sofort. „Nicht hilfreich Caro.“, sagte Annabelle zu ihr. „Okay, mit Jungs lief es bei dir nicht so rund.“, sagte sie nun wieder an mich gewandt. „Aber mit Fiona bist du doch jetzt schon lange zusammen und das obwohl ich kein Paar kenne, welches so unterschiedlich veranlagt ist. Ihr seid doch glücklich, oder?“ „Waren, trifft es wohl eher.“, sagte ich nun. Inzwischen hatte ich ausgiebig darüber nachgedacht und kam eigentlich nur noch zu einer Erkenntnis: „Ich glaube ich mache Schluss mit ihr.“