48. Eine Hochzeit und viele Probleme – Teil 1
„Und wann wirst du es mir erzählen?“, fragte mich Vince grinsend, als wir vom Fahrschule-Unterricht nach Hause schlenderten. „Seit fast zwei Wochen willst du mir nicht sagen, was du und Justin an Valentinstag gemacht habt.“
„Das geht dich nichts an.“, sagte ich stur.
„Ach komm schon Bobby. Mir ist langweilig.“, sagte Vince zu mir. „Die Privatschule auf die ich gehe ist doof, Freunde außer dir hab ich keine, weil mich jeder für einen reichen Schnösel hält, meine Dad ist andauernd in der Arbeit, meine Mum auf Reisen. Ich will was Spannendes erleben!“
„Was Spannendes?“ Ich überlegte kurz, dann kam mir eine Idee. „Komm morgen gegen fünfzehn Uhr zur Einkaufspassage im Stadtzentrum. Warte bei dem großen Brunnen auf mich, ich hol dich dann dort ab, okay?!“
„Okay.“, antwortete Vince, der allerdings nicht wusste, was ich mit ihm vorhatte.
„Ich muss jetzt nach rechts. Wir sehen uns dann morgen!“ Ich verabschiedete mich von Vince und marschierte nach Hause. Währenddessen musste ich an Justin denken, wie sehr ich ihn vermisste, wenn er nicht bei mir ist. Doch morgen um fünfzehn Uhr würde ich ihn wieder sehen.

„Was macht der hier?“, fragte mich Justin am nächsten Tag von rechts, als ich Vince zum vereinbarten Treffen mitbrachte.
„Hast du mir nicht gesagt, wir würden was Spannendes unternehmen?“, fragte mich Vince von links, der gelangweilt neben mir hockte.
Ich rollte die Augen. „Zu dir.“, sagte ich an Justin gewandt. „Vince war langweilig, er ist momentan ganz alleine und da er mein Freund ist, dachte ich eben ich lad ihn ein mitzukommen. Und nun zu dir.“ Ich wandte mich nun Vince zu. „Ich hab nie gesagt, dass das hier überaus spannend ist. Wenn du das angenommen hast tut es mir Leid. Ich dachte nur, dann wärst du wenigstens nicht so alleine und unter Menschen.“
„Da wären meine Pflanzen ja noch spannender gewesen.“, erwiderte Vince.
„In dem Punkt gebe ich dir Recht.“, stimmte Justin ihm zu. „Ich wär jetzt auch lieber im Zoo und würde mich um die Tiere kümmern.“
„Hey!“, rief eine weibliche Stimme aus der Umkleidekabine direkt vor uns. „Jetzt hört schon auf zu meckern, dafür hab ich euch schließlich nicht mitgenommen.“
„Anja, wie lange dauert das denn noch?“, fragte Justin sie genervt.
„So etwas dauert.“, antworte Anja ihm. „Meine besten Freundinnen müssen heute leider arbeiten, da müsst eben ihr nun herhalten.“
„Als beste Freundinnen oder was?“, fragte ich und lachte.
„Wer wenn nicht ihr.“, hörte man Anja aus der Umkleidekabine lachen.
„Wenn das so lange dauert, was machst du dann, wenn du während der Trauung mal schnell auf die Toilette musst?“, fragte Justin und grinste dabei, was Anja allerdings nicht sehen konnte.
„Erstens, während einer Trauung geht und muss man nicht auf die Toilette und zweitens, dann helfen mir meine Freundinnen sicherlich aus dem Kleid heraus.“
„Das hoffe ich.“, sagte Justin zu ihr. „Ich werde das nämlich nicht tun.“, sagte Justin und ich und Vince fingen an zu lachen, bei der bloßen Vorstellung, wie Justin Anja auf der Frauentoilette aus dem Kleid half.“
„Sehr lustig.“, grummelte Justin vor sich und ich tätschelte sein Wange um ihn milde zu stimmen.
„Ich bin fertig!“, rief Anja uns aus der Umkleidekabine zu. „Ich komme raus!“ Als Anja den Vorhang der Kabine zurückzog und sich vor uns präsentierte, fiel jedem von uns die Kinnlade runter. „Jungs ehrlich, wenn ihr sehen könntet wie doof ihr gerade aus der Wäsche guckt. Und wie sehe ich aus?“
„Einfach bezaubernd.“, antwortete Justin ihr und ich und Vince pflichteten ihm bei.
„Das Kleid ist wunderschön und steht dir.“, gab ich als Meinung ab.
„Du brauchst keine Freundinnen die dir aus dem Kleid helfen. Wenn dein Zukünftiger dich in dem Kleid sieht, wird er es dir bestimmt auf der Stelle vom Laibe reißen.“, sagte Vince.
„Er wäre doof, wenn er es nicht täte.“, fügte ich hinzu.
„Hört auf mit den Witzen.“, sagte Justin zu mir und Vince. „Du wirst die hübscheste Braut sein, die es jemals gab.“, sagte er zu Anja.
„Danke Justin.“, sagte Anja und strahlte über beide Ohren. „Und weil ihr mir beigestanden habt, in dieser schweren Stunde, schenke ich jedem von euch morgen einen Tanz.“
„Haha. Ich tanze nicht.“, sagte ich ganz schnell *lacht*.
„Aber Anja, Vince kommt morgen nicht mit zur Hochzeit.“, sagte Justin zu ihr.
„Wenn du magst darfst du aber gerne kommen, Vince. Hiermit lade ich dich ganz herzlich ein.“, sagte Anja an Vince gewandt und ich konnte Justins Missmut darüber spüren.
„Wie könnte ich die Einladung einer so schönen Braut ausschlagen?!“; gab Vince zu verstehen.
„Schleimer.“, hörte ich Justin leise sagen, doch sagte ich keinen Ton. Ich wollte keineswegs zwischen die Fronten geraten.

Nachdem Justin Anja dabei half das Hochzeitskleid vorsichtig in den Kofferraum ihres Autos zu legen, sagte er zu mir: „Ich werde mit Anja mitfahren und dabei Acht geben, dass Paul das Kleid nicht bereits vor der Hochzeit sieht. Sehen wir uns heute Abend noch?“
„Geht nicht. Ich muss lernen. Wir schreiben morgen eine Klausur in Geschichte bei Frau Schneider.“, antwortete ich ihm und entschuldigte mich.
„Schon gut. Dann sehen wir uns morgen bei der Hochzeit.“, sagte Justin lächelnd und verabschiedete sich bei mir mit einem Kuss auf die Wange. Von Vince verabschiedete er sich nur kurz und knapp. Dann stieg er ins Auto ein und fuhr mit Anja los.
„Justin kann mich nicht leiden oder?“, fragte Vince mich, als wir durch die Einkaufspassage schlenderten.
„Nein, so ist das denk ich nicht.“, sagte ich zu ihm, obwohl ich mir da selbst gar nicht so sicher war.
„Wirst du mit Justin tanzen?“, fragte mich Vince schließlich.
Die Frage kam unerwartet und ich musste zunächst überlegen, bis ich ihm antwortete: „Es wäre sicher einmal schön mit ihm zu tanzen, aber die halbe Belegschaft aus dem Zoo ist da und außer Anja und Paul weiß niemand, dass Justin und ich zusammen sind.“
„Hm… ok.“, sagte Vince nur und er schien über etwas nachzudenken.
„Oje nicht der.“, sagte ich und Vince verstand nicht was ich meinte. „Da vorne ist ein Angestellter aus dem Zoo. Sein Name ist Anthony und er ist nicht gerade beliebt.“
Ich sah wie Anthony gerade aus einer Tierhandlung kam und auf uns zukam. Ich packte Vince schnell am Ärmel und zog ihn hinter den Brunnen, an dem wir uns vorhin getroffen haben.
„Er ist weg.“, sagte Vince schließlich zu mir, als Anthony nicht mehr zu sehen war. „Findest du nicht, dass das gerade ein klein wenig kindisch war?“
„Ich kann dir nicht erklären wieso, aber irgendwie bekomme ich bei dem Typen Gänsehaut. Ich hoffe er ist morgen nicht auch auf der Hochzeit“, sagte ich zu Vince und anschließend setzten wir unseren Weg fort.


49. Eine Hochzeit und viele Probleme – Teil 2
„Du siehst gut aus.“, sagte ich überrascht zu Vince, als ich und meine Mutter, die uns zur Hochzeit fuhr, ihn von zu Hause abholten.
„Danke, du siehst aber auch nicht schlecht aus.“, sagte Vince und lächelte dabei. Vince trug wie ich einen schwarzen Smoking, doch im Gegensatz zu mir, verzichtete er auf die Krawatte und trug stattdessen eine Fliege.
„Los steigt ein Jungs. Sonst kommt ihr noch zu spät zur Hochzeit!“, rief meine Mutter uns aus dem Autofenster zu. Vince und ich stiegen rasch ein und los ging es zur Hochzeit von Paul und Anja.

Zwar war die Hochzeit von den Beiden sehr kurzfristig gelegt, dennoch ließ es sich Anja nicht nehmen, eine große Feier daraus zu machen. Familie, Freunde, Bekannte und Arbeitskollegen wurden zu der Hochzeit eingeladen. Zwar konnten einige eingeladene Gäste nicht kommen, dennoch füllte sich die Kirche sehr schnell und da die Sitzbänke bald vollgestopft waren, mussten einige der Gäste hinten stehen.
Die Kirchturmglocken läuteten, die Orgel fing an zu spielen und ein Chor aus Männern und Frauen begannen zu singen, während Paul und Anja langsam hinter dem Pfarrer zum Traualtar marschierten.
Paul trug einen grauen, sehr edlen Smoking mit einer schwarzen Krawatte und Anja trug selbstverständlich das wunderschöne Hochzeitskleid, das sie erst am Tag zuvor kaufte. Ihre Haare hatte sie zu einem lockigen Zopf hoch gebunden, über dem momentan auch noch ein weißer Schleier hing. Ich konnte ihr glückliches Gesicht unter dem Schleier erkennen und blickte zu Justin, der drei Sitzbänke vor mir stand. Justin trug einen Smoking in Beige, was sich sehr gut mit seinen blonden Haaren kombinierte. Er trug weder eine Krawatte, noch eine Fliege. Überraschenderweise stand sein Vater neben ihm. Er ist also doch gekommen, ging mir durch den Kopf. Justin schien meine Blicke zu spüren, den er sah zu mir hinter und schenkte mir ein Lächeln. Allerdings merkte ich, dass es etwas gezwungen rüber kam, denn das sein Vater hier ist behagte ihn so gar nicht.
Neben seinen Vater konnte ich auch Ben und zu meinem Bedauern auch Anthony erkennen. Mir lief wieder ein kalter Schauer über den Rücken.
„Ist dir kalt?“, fragte mich Vince flüsternd, der neben mir stand und mein Schütteln und Zittern bemerkte.
„Geht schon. Danke.“, sagte ich zu ihm, gerade als die Musik und der Gesang verstummte und der Pfarrer alle bat, Platz zu nehmen.

Eineinhalb Stunden später fanden sich das Brautpaar und ihre eingeladenen Gäste in einer Wirtschaft wieder ein. Paul hat Ja gesagt, Anja hat Ja gesagt – Die Beiden sind Mann und Frau Schmied!
Schmied war der Familienname von Paul, den Anja nun annahm.
Zunächst gab es einen Sektempfang. Jeder nahm sich ein Glas mit Sekt oder Orangensaft und stieß mit dem Brautpaar zusammen und wünschte ihnen alles Gute für die Zukunft. Justin, ich und Vince gingen zusammen zu Paul und Anja. Ich umarmte Anja innig, da sie auch für mich inzwischen eine gute Freundin geworden ist und Vince bedankte sich bei ihr noch einmal für die Einladung.
Gleich danach stieß ich mein Glas mit dem von Paul zusammen, der meinte: „Wenn das so weiter geht und ich mit jedem Gast anstoßen und trinken muss, dann bin ich betrunken, ehe die Feier überhaupt richtig losgeht.“
Wir lachten ausgelassen, dann machten wir Platz für die nächsten Gäste. „Alles Gute euch Beiden!“, rief Ben dem Brautpaar zu, als er an der Reihe war, während Anthony nur stumm daneben stand und Paul und Anja nur die Hand reichte und mit dem Kopf nickte. Gerade so, dass ein leichtes Lächeln über seine Lippen fuhr, dachte ich mir.
Nachdem alle Gäste dem Brautpaar ihre Glückwünsche aussprachen, durften Paul und Anja zu ihrer Überraschung weiße Tauben in dem Himmel freilassen, die ein Zeichen von Liebe, Treue und Frieden sind.
Als die Tauben hoch in den Himmel flogen, drehte sich Justin zu mir und flüsterte mir ins Ohr: „Eine der Tauben hat mir gerade gesagt, dass sie dem Brautpaar alles Gute wünscht. Ist das nicht süß?“
„Süß, solange sie nicht runterkacken.“, erwiderte ich ihm grinsend.
Anschließend gab es Kuchenbuffet in der Wirtschaft: Viele der Gäste haben für den großen Tag Kuchen und Torten gebacken. Die dreistöckige Hochzeitstorte wurde allerdings vom bekanntesten Bäcker der Ortschaft gebacken. Paul und Anja schnitten gemeinsam die unterste Schicht an, während die Gäste sie anfeuerten und applaudierten, als die gute Tat vollbracht war.
„Endlich was zu essen. Mir knurrt schon der Magen.“, sagte Vince zu mir.
„Du hättest ja zu Hause bleiben können, wenn dir was nicht passt.“, sagte Justin boshaft zu ihm.
„Eine Einladung auszuschlagen ist aber unhöflich.“, wehrte sich Vince. „Mag sein, dass du so ein unhöflicher Mensch bist, ich bin es jedenfalls nicht!“
„Wenn ihr jetzt anfangt zu streiten, schreie ich.“, sagte ich zu den Beiden und verhinderte damit Schlimmeres. „Das ist ein freudiges Ereignis und Anja und Paul wünschen sich einen schönen Tag an dem die Leute lachen und Spaß haben.“
Justin und Vince sagten keinen Ton mehr, stattdessen fingen wir an uns an dem Kuchenbuffet zu bedienen. „Ich liebe Erdbeeren.“, sagte Justin und bediente sich am Erdbeerkuchen.
„Ich liebe Kaffee.“, sagte Vince und bediente sich an der Kaffee-Sahne-Torte.
„Ich liebe Ruhe und Frieden.“, sagte ich als Letzter und die Beiden verstanden endlich und hörten auf sich zu zanken und gegeneinander zu konkurrieren.


50. Eine Hochzeit und viele Probleme – Teil 3
Der Hochzeitswalzer trällerte durch die Wirtschaft, während das Brautpaar ihren gemeinsamen Tanz auf dem Holzbodenparkett hinlegte. Paul bemühte sich dabei stets, dass er nicht auf Anjas Hochzeitskleid trat. Nach einer Weile schlossen sich die Eltern des Brautpaares und die Trauzeugen dem Tanz an. So füllte sich die Tanzfläche schon sehr bald und keiner bemerkte wie das Übel seinen Lauf nahm, als Mr. Taler sein erstes Glas Schnaps trank…

Ein paar Stunden später war die Feier immer noch sehr ausgelassen und fröhlich. Sowohl das Brautpaar als auch ihre Gäste feierten, lachten, tanzten und hatten sehr viel Spaß.
Ich saß mit Vince und Justin an einem Tisch und wir unterhielten uns darüber wie alt Schildkröten werden konnten, als plötzlich eine laute Stimme durch das Mikrofon sprach. Justin und ich drehten uns ruckartig zu dieser Stimme hin und entdeckten wie Justins Vater, Mr. Taler, vorne stand und das Mikrofon in der Hand hielt.
„Meine sehr geehrten Damen und Herren, liebe Kinder, liebes Brautpaar.“, sagte Mr. Taler durchs Mikrofon und Jeder richtete seine Blicke nun auf Mr. Taler.
„Justin dein Vater…“, sagte ich, doch sprach ich den Satz nicht zu Ende, den es war offensichtlich, dass Mr. Taler schon sehr angetrunken war und das wusste auch Justin, dem Angst, Panik und ein kleines Fremdschämen im Gesicht stand.
„Ich hoffe es ist gestattet und ich will auch gar nicht lange stören.“, trällerte Mr. Taler rasch herunter, so dass nur wenige ihn verstehen konnten. Justin fluchte leise vor sich hin. „Ich würde nur sehr gerne eine Rede für das Brautpaar abhalten, insbesondere für Anja, die eine so liebevolle und wunderbare Frau ist. Man muss sie einfach gerne haben. Sie – und mit Sie meine ich sie liebe Gäste – müssen nämlich wissen, dass Anja schon sehr lange für mich arbeitet. Bereits als meine Frau noch lebte, kümmerte sie sich immer rührend um unseren Sohn Justin. Als dann meine Frau verstarb, kümmerte sich Anja auch weiterhin um Justin. Ich stellte sie sogar in meinem Zoo ein!“ Mr. Taler hielt kurz inne. „Wissen sie eigentlich, dass meine Frau ermordet wurde? Jaja sie hören schon richtig. Meine Frau starb nicht bei einem tragischen Unfall so wie es jeder behauptet – nein, sie wurde ermordet!“
„Ich beende das jetzt lieber.“, sagte Justin und stand auf.
„Ah da ist er ja!“, rief Mr. Taler durchs Mikrofon, als er seinen Justin erblickte. „Darf ich vorstellen: Mein Sohn Justin! Sag Hallo Justin.“
„Dad das reicht jetzt denke ich. Du hast getrunken.“, sagte Justin zu ihm und versuchte ihn wegzuzerren, doch Mr. Taler ließ nicht mit sich reden und fuhr stattdessen fort.
„Mein Sohn Justin.“ Mr. Taler packte Justin unter seinen Arm, so dass er kaum Luft bekam. „Er ist so ein lieber Junge, wissen sie das? Ein wenig eigenartig vielleicht, aber wer wäre das nicht… wenn er für den Tod seiner Mutter verantwortlich wäre?!“
Die Leute fingen an miteinander zu tuscheln und flüsterten sich gegenseitig Dinge ins Ohr. Anja und Paul sahen schockiert zu Mr. Taler, der auf dem Parkett schwankte. Mein Gesicht sah bestimmt auch nicht besser aus, denn schließlich hat Mr. Taler gerade seinen Sohn für den Tod seiner Frau verantwortlich gemacht.
„Lass mich los Dad und hör mit dem Unsinn auf!“, schrie Justin nun.
Doch sein Vater hatte noch nicht genug: „Sie haben ja keine Ahnung, wie schwer das ist, einen Sohn als Mörder zu haben und zu versuchen ihn groß zu ziehen. Aber ich liebe ihn dennoch. Er ist mein Fleisch und Blut. Ich liebe ihn, so wie ich meine Frau geliebt habe – bis er sie umbrachte!“
„Ich sagte, lass mich los!“, schrie Justin, befreite sich aus dem Griff seines Vaters und schubste diesen von sich. Mr. Taler verlor das Gleichgewicht und krachte zu Boden, wo er regungslos liegen blieb.
Die Leute standen nun von ihren Plätzen auf und fingen alle an wie wild durcheinander zu reden. Ein paar Männer, einschließlich Paul, stürmte zu Mr. Taler.
„Er ist nur bewusstlos geworden und schläft jetzt seinen Rausch aus.“, sagte Paul schnell an Justin gewandt, der wie geschockt daneben stand und nicht wusste, was er tun sollte. Ich stürmte zu Justin und wollte seine Hand festhalten, doch er zog sie weg und schüttelte nur den Kopf.
Ein Angestellter aus dem Zoo bot sich an, Mr. Taler nach Hause zu fahren. „Ich komme mit.“, sagte Justin schnell und wandte mir den Rücken zu. „Es tut mir Leid Anja.“
„Das ist nicht deine Schuld. Mach dir bitte keine Vorwürfe.“, besänftige Anja ihn.
Keine fünf Minuten später, fuhr das Auto mit dem betrunkenen Mr. Taler und Justin weg und ich blickte ihnen hinterher, als eine Hand sich auf meine Schulter legte. Es war Vince.
„Lass uns ein wenig Spazieren gehen, komm!“, sagte Vince zu mir und wir gingen ein paar Schritte um die Wirtschaft. „Ein ganz schöner Schock was? Tut mir Leid.“, sagte Vince zu mir.
„Was genau meinst du?“, fragte ich Vince ein wenig aufgelöst.
„Na das dein Freund seine eigene Mutter umgebracht hat.“, erklärte Vince mir.
„Justin hat seine Mutter nicht umgebracht.“, wehrte ich den Vorwurf aufgebracht ab. Ich wurde wütend auf Vince, dass er so was überhaupt von Justin dachte.
„Aber du hast seinen Vater doch gehört, er…“, sagte Vince, doch ich unterbrach ihn.
„Sein Vater ist ein Trinker!“
„Wenn die Menschen betrunken sind, sagen sie oftmals die Wahrheit.“, sagte Vince zu mir.
„Das ist totaler Unsinn!“, schrie ich. „Justin hat mir die Geschichte über den Tod seiner Mutter erzählt und es war ein Unfall!“
„Und wenn er dich angelogen hat?“, fragte Vince mich im ruhigen Ton. „Oder gehört Justin zu den Menschen die immer die Wahrheit sagen?“ In Vince Stimme lag Sarkasmus.
Nun konnte ich nicht mehr gegen argumentieren, denn Justin hat mir bereits öfters Dinge verschwiegen oder mich das ein oder andere Mal angelogen. Das er aber seine Mutter umgebracht haben soll, hielt ich für den totalen Quatsch.
„Zumindest war Justin vorhin recht kühl zu dir, dass musst du zugeben.“, sagte Vince.
„Er stand unter Schock, wie wir alle.“, erklärte ich ihm, doch tat ich mich etwas schwer, meinen eigenen Worten zu glauben.
„Ich warne dich.“, sagte auf einmal eine Stimme. Vince wies mich mit einer Hand an, stehen zu bleiben. Vor uns standen im Dunkeln zwei Männer. Man konnte die Gesichter nicht erkennen und auch die Stimme die soeben sprach, konnte ich keiner mir bekannten Person zuordnen. Allerdings fuhr mir wieder einmal ein kalter Schauer über den Rücken.
„Ich warne dich.“, wiederholte der Mann. „Ich mach dich fertig!“ Dann kam der Mann auf uns zu und im Licht, das aus der Wirtschaft drang, konnte man endlich sein Gesicht erkennen. Es war Anthony!
Anthony entdeckte uns, starrte uns mit ausdrucksloser Miene an, ging dann allerdings geradewegs an uns vorbei. Dann kam der zweite Mann auf uns zu und ich konnte erkennen dass es Ben ist.
„Er redet ja nicht viel, aber wenn, dann ist er sehr direkt und nett.“, sagte Ben zu uns nur und ging ebenfalls an uns vorbei. Ich sah Vince an und er mich.
Damit endete der Hochzeitstag von Paul und Anja, der sehr schön begann und sehr bitter endete.

Fortsetzung folgt...!

Fünf Freunde müsst ihr sein! Bobby, Tobias, Maria, Vince und Hund Timo erleben heute eine aufregende Nacht im Zoo, in der so manches Geheimnis ans Tageslicht kommt. Doch das ist längst nicht alles, was diese Woche geschieht. Allgemein hat es Bobby diese Woche wieder sehr schwer, muss er doch eine schwere Entscheidung bezüglich Justin treffen. Auch Tobias steht wieder im Zentrum des Geschehens..., doch lest am besten selbst!


51. Nachts im Zoo – Teil 1
„Jetzt sieh sich einer doch mal diese Sauerei an.“, sagte mein Vater aufgebracht, als wir Dienstagmorgen alle zusammen am Frühstückstisch saßen und er Zeitung las.
„Was ist denn los Schatz?“, fragte meine Mutter ihn beunruhigt.
„Irgend so ein Schwein, schläfert ohne Einwilligung des Inhabers die Tiere im Zoo ein.“, antwortete mein Vater ihr.
„Was?!“, schrie ich schockiert auf, ließ mein Marmeladenbrot auf den Teller fallen und schnappte meinem Vater kurzerhand die Zeitung aus der Hand. Ich las laut vor: „Tiere im Zoo bedroht? Ein ominöser Unbekannter schläfert ohne Einwilligung des Zooinhabers Tiere ein. In den letzten zwei Nächten wurden gleich fünf Tiere eingeschläfert. Die Polizei ist bisher ratlos und hat keinerlei Hinweise auf den Täter. Mr. Taler, der Inhaber des Zoos, stand weder der Polizei zur Befragung, noch uns zu einem Interview zur Verfügung. Es ist aber bekannt, dass Mr. Taler ein Alkoholproblem hat und man nicht mit Gewissheit sagen kann, ob er noch zurechnungsfähig und verantwortungsbewusst ist. Wir bleiben an dem Thema dran und halten sie auf dem Laufenden!“ Mit jedem Wort das ich sprach wurde meine Stimme zunehmend lauter und empörter. „Das ist eine bodenlose Unverschämtheit.“, sagte ich aufgebracht.
„Die armen Tiere.“, jammerte Annie und bückte sich zu Boden und streichelte Timo, der gerade sein Hundefutter im Napf leer aß.
„Wie können die Mr. Taler als unzurechnungsfähig darstellen?! Nur weil er trinkt?“, fragte ich meine Eltern.
„Journalisten, die schreiben was sie in die Finger bekommen.“, antwortete mein Vater mir.
„Und hast du uns nicht erzählt, dass Mr. Taler auf der Hochzeit vorgestern ziemlich betrunken war?“, gab mir meine Mutter zu verstehen.
„Ja schon…“, gab ich zu und sagte daraufhin nichts mehr.
„Da fällt mir gerade ein. Habt ihr heute nicht sogar einen Schulausflug in den Zoo?“, fragte mein Vater mich, während ich ihm die Zeitung wieder überreichte.
„Ja mit dem Geschichtskurs von Frau Schneider. Die Entwicklung des Menschen – Vom Primaten zum Menschen. Ich hoffe ich treffe Justin und kann mit ihm reden. Seit der Hochzeit geht er mir aus dem Weg und redet nicht mit mir.“, sagte ich.

„Primaten sind höhere Säugetiere. Wer denkt, dass Affen dasselbe wären, der irrt sich, da Affen nur eine Untergruppe von Primaten darstellen.“, erklärte uns Ben, der die Klasse unter der Aufsicht von Frau Schneider durch den Zoo führte. „Primaten werden in Feuchtnasenaffen und Trockennasenaffen eingeteilt. Letztere schließen auch Menschenaffen inklusive des Menschen mit ein. „Weiß jemand, wie man den Primaten nennt, der mit bis zu 275 Kilo am schwersten ist?“, fragte Ben in die Gruppe.
Matthias hob seine Hand und antwortete: „Der Gorilla!“
In der Zwischenzeit erzählte ich Tobias von den Geschehnissen auf der Hochzeit und wir redeten über den Zeitungsartikel, den Tobias ebenfalls heute Morgen las. „Glaubst du es war ein Angestellter des Zoos? Vielleicht Mr. Taler sogar selber?“, fragte Tobias mich.
„Mr. Taler mag ein Trinker sein, aber er liebt Tiere, das hat mir auch Justin mehrmals gesagt und ich kenne jeden einzelnen Zooangestellten und keinen von ihnen würde ich so etwas zutrauen.“, antwortete ich Tobis sachlich.
„Aber theoretisch gesehen, müsste es schon jemand sein, der Zugang zum Zoo hat.“, sagte Tobias.
„Naja, einen gäbe es da sogar vielleicht.“, sagte ich schließlich etwas unsicher.
„Du meinst den Mann, der dir immer einen kalten Schauer über Rücken jagen lässt, oder?!“, sagte eine Stimme hinter uns, ehe Tobias mich fragen konnte, wen ich meinte.
„Vince, was machst du denn hier?“, fragte ich Vince überrascht, als er zu uns trat.
„Leise.“, mahnte Vince mich an. „Eure Lehrerin soll schließlich nichts davon mitbekommen.“
„Du hast Recht. Ich meine Anthony.“, sagte ich.
„Ist das der Kerl, der immer so unfreundlich ist und keinen Ton sagt?“, fragte Tobias mich und ich nickte.
„Nichts sagt, außer auf der Hochzeit zu diesem Ben da vorne.“, antwortete Vince ihm. „Ich zitiere: Ich warne dich! Ich mach dich fertig!“
„Ben liebt die Tiere im Zoo und er ist zu jedem von uns nett und hilfsbereit.“, erklärte ich Tobias.
„Was ist, wenn Anthony aus irgendeinem Grund Ben nicht mag und nun die Tiere einschläfert um sich an Ben zu rächen?“, setzte Vince das Puzzle zusammen.
„Vielleicht hat er auch was gegen Mr. Taler, wer weiß das schon.“, fügte Tobias hinzu.
„Und was soll ich nun tun?“, fragte ich die Beiden. „Soll ich zur Polizei gehen und ihnen von meinem Verdacht erzählen?“
„Die würden dir nicht glauben.“, antwortete Vince mir. „Ich hab eine bessere Idee. Wir kommen heute Nacht in den Zoo und überraschen den Täter.“
„Bist du wahnsinnig?!“, fragte Tobias ihn schockiert. „Das ist eine bescheuerte Idee.“
„Wieso? Bobby kann den Zoo betreten wann er will und wenn wir Beide ihn begleiten, was kann da schon schiefgehen. Drei gegen Einen, müsste doch machbar sein, oder? Außerdem nehmen wir eine Kamera mit und machen Fotos um Beweise zu sammeln.“, erklärte Vince uns.
„Das ist eine gute Idee.“, pflichtete ich Vince bei. „Ich muss mit Justin darüber reden.“
„Warte.“, hielt Vince mich auf. „Das halte ich für keine gute Idee. Er ist zu sehr in die Sache verstrickt, schließlich ist sein Vater der Inhaber des Zoos.“
„Er ist mein Freund.“, sagte ich verständnislos zu Vince.
„Ein Freund der kein Wort mit dir redet und dir aus dem Weg geht?“, erwiderte Vince und ich blickte zu Tobias, was er davon hielt. Tobias zuckte jedoch nur mit den Schultern, da er in dem Punkt Justin glich und auch schon öfters vor Bobby weg rannte und nicht mit ihm redete.
„Also gut.“, sagte ich schließlich und wandte mich an Vince. „Wir machen es so wie du es sagst.“
„Ruhe dahinten!“, ermahnte Frau Schneider mich und Tobias, während Vince sich schnell hinter das nächste Gebüsch versteckte.
„Kommen wir nun zu den Gibbons, die die längsten Armen aller Primaten haben!“, rief Ben der Klasse zu und wir folgten ihm.


52. Nachts im Zoo – Teil 2
Die Idee von Vince sich nachts in den Zoo zu schleichen und Beweise zu sammeln, wie Anthony die Tiere einschläfert, behagte Tobias so gar nicht. Auf dem Heimweg von der Schule versuchte er intensiv mir die ganze Sache auszureden. Ich wusste zwar, dass er Recht hatte, allerdings war ich mit meinen Gedanken so weit weg, dass ich ihm nur mit halbem Ohr zuhörte.
Meine Gedanken kreisten um Justin, den ich heute nicht im Zoo antraf. Zum Ende unserer Zooführung hin, befragte ich Ben nach Justins Verbleib, doch meinte dieser, dass er heute frei hätte und wahrscheinlich Reitstunden gäbe. Vermutlich würde es demnach auch keinen Sinn haben, zuhause bei ihm anzurufen, da sowieso keiner da war.
„Sag mal hörst du mir überhaupt zu?“, fragte Tobias mich nach einer Weile, nachdem er mir ohne Pause ein Ohr abkaute um mir den nächtlichen Zoobesuch auszureden.
Ich war genervt und ein wenig sauer, zwar nicht auf Tobias, aber er war es nun, den ich das deutlich spüren lies: „Kannst du mal deine Klappe halten?! Ich hab dir gesagt, dass ich mich dazu entschlossen habe, es zu tun. Du kannst mir das nicht mehr ausreden. Also geh mir nicht weiter auf die Nerven! Entweder du kommst mit, oder du lässt es sein!“
Meine Härte brachte Tobias zum Schweigen. Sein überraschter Gesichtsausdruck wandelte sich schnell in Enttäuschung um. Bevor wir uns trennten, sagte er mir nur noch, dass er heute Nacht mitkommen würde. Danach ging er ohne ein Wort des Abschieds.

Natürlich erzählte ich meinen Eltern nichts von meinem nächtlichen Vorhaben. Es war mehr als klar, dass sie wenig davon begeistert gewesen wären und es mir auszureden versuchen hätten wollen, ebenso wie es Tobias versuchte – erfolglos. Ich schlich mich also eine halbe Stunde vor Mitternacht aus meinem Bett und ging langsam die Treppe runter. Zu meinem Pech stolperte ich bei den letzten drei Stufen ein wenig *Tollpatschmodus aus* und machte mich so bei Timo aufmerksam, der es sich im Gang gemütlich machte.
„Wehe du bellst jetzt.“, warnte ich ihn. Statt zu bellen fing Timo aber zu jaulen an, was nun nicht wirklich besser war. „Hör auf Timo! Bitte!“, flehte ich den Hund an.
Was sollte ich tun? Wenn Timo weiter so jaulte, würden meine Eltern sicherlich davon wach werden und bemerken, dass ich nicht im Bett lag. Ich tat also das einzige vernünftige, holte Timos Hundeleine und nahm ihn mit zum Zoo. Wer weiß, vielleicht eignet sich ja Timo als eine Art Polizeihund.

„Wieso hast du deinen Hund mitgenommen?“, fragte mich Vince am vereinbarten Treffpunkt vorm Zoo und ich konnte den Missmut in seiner Stimmer heraushören.
„Ich hatte keine andere Wahl.“, erklärte ich ihm. „Ist Tobias schon hier?“
„Nein.“, antwortete Vince mir. „Vielleicht kommt er auch gar nicht, schließlich war er ja gegen diese Aktion. Wir sollten also keine Zeit verlieren und am besten ohne ihn reingehen. Eine Kamera hab ich dabei.“ Vince zeigte mir die Kamera, die er mitgebracht hatte, während ich Timo fest an der Leine hielt.
„Warten wir noch. Vielleicht kommt Tobias ja noch.“, sagte ich.
„Wir verlieren Zeit Bobby.“, sagte Vince ungeduldig. Danach schwiegen wir Beide und warteten.
Nach etwa fünf Minuten, die mir wie eine halbe Stunde vorkamen, kam Tobias schließlich – doch nicht alleine!
„Bobby ich muss schon sagen. Ich bin sehr enttäuscht von dir.“, sagte Maria an mich gewandt, während sie mich zornig ansah. „Wie seid ihr nur auf diese bescheuerte Idee gekommen?“
„Du hast es deiner Freundin erzählt?!“, fragte Vince Tobias verständnislos.
„Nein habe ich nicht.“, sagte Tobias genervt. „Es war Leon, ein Mitschüler von uns. Er hat uns im Zoo reden hören und hat es Maria gepetzt.“
„Ja weil er dachte, dass ich mich dann mit dir streiten würde und wir uns dann vielleicht trennen.“, erklärte Maria Tobias.
„Wir haben ja auch gestritten.“, erwiderte Tobias. „Den ganzen Abend hast du mir ins Ohr geschrien.“
„Bitte kein Aufstand jetzt Maria.“, bat ich sie freundlich. „Wir wissen was wir tun und…“
Doch Maria lies mich nicht zu Wort kommen, denn sie sagte: „Ich glaube ihr habt null Ahnung was ihr hier tut. Ihr könnt hier doch nicht Sherlock Holmes, Hercule Poirot und Philip Marlowe spielen, ohne Miss Marple mitzunehmen.“
„Was?!“, fragte ich verwirrt in die Runde.
„Gehen wir nun rein oder nicht?!“, fragte Maria uns.
„Ich mag das Mädchen.“, sagte Vince und grinste dabei, während Tobias die Augen rollte.

Als wir den Zoo betraten, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken und ich wusste sofort, dass Anthony hier irgendwo in der Nähe sein muss. Es war dunkel, still und irgendwie auch unheimlich.
„Nachts im Zoo herumzulaufen und nach einem Verbrecher zu suchen, ist… gruselig.“, sagte Tobias.
„Hihi.“, kicherte Maria leise vor sich hin. „Vielleicht sind wir ja auch die fünf Freunde. Kennt ihr die? Die vier Kinder und der Hund, die Detektive spielen. Das würde haargenau passen.“
„Ich lach mich kaputt.“, sagte Vince ironisch. „Ich muss mal aufs Klo.“
„Jetzt?!“, fragte ich ihn schockiert.
„Diese Warterei draußen hat eben ein wenig auf meine Blase gedrückt.“, erklärte mir Vince gereizt.
Ich gab nach, den einen weiteren Streit wollte ich vermeiden. „Da vorne ist eine Toilette.“
Vince rannte zur Toilette und wir warteten draußen, während wir weiterhin Ausschau hielten.
„Ich glaub ich geh auch noch kurz.“, sagte ich schließlich und drückte Tobias Timos Leine in die Hand.
Als ich die Toilette betrat, hörte ich Vince seltsamerweise mit jemanden reden. „Ich muss jetzt auflegen.“, sagte er schnell, dann kam er aus der Klokabine und sah mich überrascht an.
„Mit wem hast du telefoniert?“, fragte ich ihn.
„Mein Dad.“, antwortete Vince mir locker. „Er hat gemerkt dass ich nicht in meinem Bett liege, aber keine Angst, ich hab ihm nicht erzählt wo ich bin und was wir machen. Hab ihn abgewürgt.“
„Gut.“, sagte ich. Nachdem Vince und ich wieder rauskamen, stand nur noch Tobias mit Timo da. „Wo ist Maria?“, fragte ich ihn.
„Für kleine Mädchen.“, antwortete Tobias mir weiterhin genervt. Ich sagte nichts, nur dachte ich mir, dass er ja nicht hätte mitkommen müssen, wenn er diese Aktion für unklug hielt.
„So da bin ich wieder.“, sagte Maria fröhlich und heiter, als wären wir auf einem Schulausflug.
„Bobby.“, sagte Vince schließlich ernst. Ich, Tobias und Maria blickten zu der Stelle, zu der Vince sah. Das Mondlicht strahlte auf den Zoo und im Schatten einen hochgewachsenen Baumes, stand ein Mann und schien uns zu beobachten. Allerdings konnten wir nicht erkennen, wer es war.
„Er hat uns entdeckt.“, sagte ich erschrocken.
„Er? Ich würde sagen, alle beide!“, sagte Tobias und zeigte nach rechts in die Richtung aus der wir vorher kamen, denn da stand eine zweite Person, deren Gesicht ebenfalls nicht zu erkennen war.


53. Nachts im Zoo – Teil 3
Dass es auf einmal zwei statt nur einer Person waren, hätte uns zugegebenermaßen nicht groß kümmern dürfen, denn schließlich waren wir in der Überzahl und hatten sogar noch einen Hund dabei, allerdings bekam ich schlagartig weiche Knie und ein ungutes Gefühl im Bauch, als wir die zwei Personen entdeckten. Der Mann der von rechts kam ging langsam auf uns zu und mit nur einem Wort das ich an die Anderen sprach, begann das Chaos: „Lauft!“
Ich, Vince, Maria und Tobias liefen alle auf einmal los – ohne einen Plan zu haben wohin wir rannten. Beweise sammeln konnten wir vergessen, nun wo wir entdeckt wurden. Das Schlimmste von allem war allerdings, dass wir in getrennte Richtung rannten, als sich der Weg gabelte. Tobias und Ich rannten nach links und Vince und Maria nach rechts.
Fünf Minuten später befand ich mich mit Tobias, der die ganze Zeit Timo an der Leine hielt, hinter der großen Hecke beim Flamingo-Gehege und schnappte nach Luft.
„Wo sind Vince und Maria?“, fragte ich meinen besten Freund schwer atmend.
„Sie sind in die Richtung des Amphibienhauses gerannt.“, antwortete Tobias mir, der sich sichtlich Sorgen um Maria machte.
„Was?!“, sagte ich schockiert. „Das ist eine Sackgasse! Das Amphibienhaus ist nachts nämlich immer abgesperrt. Wenn man sie nun dorthin verfolgt hat, dann…“
Tobias legte seine große Hand auf meinen Mund und gab mir ein Zeichen ruhig zu sein. Ich hörte wie sich uns Schritte näherten und merkte wie sich wieder einmal ein kalter Schauer über meinen Rücken legte. Es wurde still. Anthony schien nicht allzu weit weg von uns stehen geblieben zu sein.
„Ich werde dem Ganzen nun ein Ende bereiten.“, flüsterte Tobias zu mir. Doch gerade als er aufstehen wollte um den Täter zu stellen, hielt ich ihn am Arm fest. Ich bewegte meinen Mund, doch ein Ton kam nicht raus. Meine Lippen bildeten aber eindeutig die Wörter „Bitte bleib!“ und Tobias schien sie auch zu verstehen, denn er blieb bei mir und hielt mich schützend im Arm fest.
Wie bescheuert war das Ganze eigentlich, fragte ich mich. Nachts in den Zoo zu Gehen um Beweise zu sammeln und jetzt verstecke ich mich hier mit meinem besten Freund hinter einer Ecke und höre mein Herz wie wild klopfen. War das die Angst vor dem Verfolger oder war das wegen Tobias?
Unser Verfolger ging schließlich weiter und Tobias und ich atmeten erleichtert auf. „Das war ganz schön knapp.“, sagte Tobias zu mir.
„Ja.“, sagte ich leise, nicht im Stande mehr zu sagen.
Auf einmal hörten wir einen weiblichen Schrei, der aus der Ferne zu uns drang. „Das war Maria!“, rief Tobias erschrocken, stand auf und wollte losrennen, doch wieder hielt ich ihn am Arm fest. „Was soll das Bobby? Maria ist in Gefahr. Lass mich los!“, befahl Tobias mir sauer.
„Willst du mich hier etwas alleine lassen?“, fragte ich ihn ängstlich.
„Komm doch mit, schließlich ist es auch deine Schuld, dass Maria nun in Gefahr ist.“, antwortete Tobias mir vorwurfsvoll.
„Du weißt doch gar nicht wo sie steckt. Außerdem könnten die Täter bewaffnet sein, schon einmal daran gedacht?“, erwiderte ich.
„Das ist mir egal. Maria ist in Gefahr! Was würdest du tun, wenn der Schrei soeben von Justin gekommen wäre?“ Auf diese Aussage hin, konnte ich nun nichts mehr erwidern. Er hatte ja Recht.
„Gut gehen wir.“, sagte ich schließlich.
Wir gingen zurück zu der Abbiegung, an der wir Vince und Maria vorhin verloren und dann in Richtung des Amphibienhauses. Wie von mir vermutet, war es abgesperrt.
„Was ist da hinten?“, fragte Tobias mich und zeigte auf das große Gehege am Ende des Weges.
„Das Gehege der Elefanten.“, antwortete ich ihm. Man kann um das Gehege herum gehen, aber wenn man zu den anderen Tieren möchte, muss man unweigerlich wieder zurückgehen, da dies eine Sackgasse ist.“
„Los gehen wir und suchen sie da.“, sagte Tobias auffordernd und ich folgte ihm widerwillig.
Wir gingen einmal um das komplette Gehege herum, doch keine Spur von Maria, Vince oder den zwei Personen die wir vorhin im Schatten gesehen haben. „Können wir in das Elefantenhaus hinein?“
„Ich hab nur den Schlüssel zum Zooeingang.“, antwortete ich ihm.
Tobias ging zur Hintertür des Elefantenhauses, den die Angestellten immer benutzten und drückte die Klinke nach unten. „Ist offen.“, sagte er und war genauso wie ich überrascht.
Leise und vorsichtig betraten wir das Elefantenhaus. Es roch sehr stark und man konnte die Elefanten schnaufen hören. Doch noch ein weiteres Geräusch war zu vernehmen und es stammte eindeutig nicht von den Elefanten. Wir gingen in leisen Schritten weiter. Ich mit Timo hinten und Tobias vorne weg. Er wäre echt ein guter Bodyguard, dachte ich mir.
„Da ist jemand.“, flüsterte Tobias zu mir nach hinten, als er um eine Ecke blickte.
Vorsichtig stellte ich mich direkt hinter Tobias um ebenfalls um die Ecke zu sehen, dabei berührten sich unsere beiden Oberkörper und wieder begann mein Herz zu schlagen *innerlich flucht*. Ich hoffte dass Tobias davon nichts bemerkte und von dem abgelenkt war, was sich vor unserer Nase abspielte.
Anthony, der den Zoooverall samt Gummistiefel und Gummihandschuhe trug, lud mit einer Schaufel den Mist der Elefanten in eine Schubkarre.
„Was zum Teufel treibt der da?“, fragte ich verwirrt zu Tobias.
„Sieht für mich nach einer Drecksarbeit aus.“, antwortete Tobias leicht belustigend.
„Ist es auch.“, sagte ich. „Aber das versteh ich nicht. Wieso tut er das? Ich dachte er schläfert die Tiere ein.“
„Vielleicht macht er das auch noch. Wer weiß schon, was in so kranken Menschen vor sich geht.“, flüsterte Tobias mir zu, während wir Anthony weiterhin bei der Arbeit beobachteten.
„Tobias.“, sagte ich und zog am Ärmel meines besten Freundes, während mein Gesicht kreidebleich wurde.
„Was ist?“, fragte er mich erschrocken, als er mich ansah.
„Irgendetwas stimmt hier nicht.“, antwortete ich ihm. „Mir läuft kein kalter Schauer über den Rücken, trotz Anthonys Anwesenheit.“
„Und das bedeutet nun was…?“, fragte Tobias mich und sah mich verwirrt an.
Auf einmal hörten wir hinter uns ein Klacken. Während wir hier standen und Anthony beim Mist wegschaufeln zusahen, hat sich hinter uns ein Mann angeschlichen, der uns nun mit einer Waffe bedrohte.
Ich glaubte meinen Augen nicht trauen zu können. „Ben?!“
„Überraschung!“, rief Ben und grinste uns boshaft an. Ich glaubte jegliches Gleichgewicht zu verlieren und vor Schock umzufallen, doch Tobias hielt mich beschützend am Arm fest. Auch Anthony schien uns nun endlich bemerkt zu haben und als er sah was vor sich ging, ließ er vor Schreck seine Schaufel fallen. Da war er nun wieder, der kalte Schauer der mir über den Rücken lief, doch nicht Anthony war es, der ihn auslöste, sondern Ben. „Du?!“, rief ich überrascht und entsetzt.
„Ich glaube wir müssen reden Bobby.“, sagte Ben, weiterhin mit einem boshaften Grinsen im Gesicht und mit einer Waffe in der Hand, die er auf mich und Tobias richtete.


54. Nachts im Zoo – Teil 4
Wenn mir jemand vor vierundzwanzig Stunden gesagt hätte, dass Ben mit einer Waffe auf mich zielen würde – ich hätte ihn ohne zu zögern ausgelacht. Ich war wie gelähmt, nicht im Stande mich zu bewegen, nicht im Stande einen Ton von mir zu geben, lediglich meine Gedanken waren in Bewegung und zwar ziemlich rasant und vor allem durcheinander.
Timo kläffte laut und fing an Ben anzuknurren. Er wollte sich von der Leine losreisen und beinahe hätte ich ihn auch losgelassen, wenn Tobias mir nicht rechtzeitig die Leine aus der Hand nahm und Timo anwies, ruhig zu sein.
„Nimm die Waffe runter Ben.“, sagte Anthony auf einmal hinter uns.
„Ach halt doch die Klappe!“, befahl Ben ihm und richtete die Waffe auf Anthony. „Schließlich ist es doch deine Schuld, dass es erst soweit kommen musste.“
„Ich verstehe nicht…“, sagte ich völlig geschockt. In den letzten Wochen arbeitete ich viel mit Ben zusammen und lernte ihn ein wenig kennen. Er wirkte auf mich immer sehr sympathisch.
„Falls du einen Tipp von mir willst Bobby.“, sagte Ben gelassen. „Du musst zuerst in das Innerste eines Menschen sehen, um wirklich sagen zu können, wer dieser Mensch in Wahrheit ist.“
„Du hast über Anthony hergezogen, um mich bewusst glauben zu lassen, er wäre er ein unfreundlicher Mensch.“, sagte ich, als ich mich an den Tag zurückerinnerte, an dem ich Ben und Anthony das erste Mal begegnet bin und sie kennen lernte:

"Hallo Anthony. Wünsch dir auch einen schönen Tag.", sagte Ben sarkastisch zu ihm. Dann sagte er an mich gewandt: "Anthony redet so gut wie mit niemanden hier auch nur ein Wort. Der Einzige mit dem er immer redet ist Mr. Taler, also wundere dich nicht über seine Unfreundlichkeit."
"Okay.", sagte ich etwas schüchtern.

„Ist man ein unfreundlicher Mensch, wenn man nicht mit Jedem reden möchte?“, fragte Anthony mich. „Es ist so, dass ich seit einem Autounfall nur noch sehr schlecht höre und es manchmal nicht mitbekomme, wenn mich andere Menschen ansprechen.“
„Ja aber reden konntest du sehr gut!“, schrie Ben ihn an. „Du hast Mr. Taler erzählt ich hätte ein Drogenproblem. Kurz darauf wollte er mich feuern.“

Wir kamen schließlich am Vogelhaus an und gerade als wir reingehen wollten, kam Mr. Taler auf uns zu: "Gut das ich sie gefunden habe Ben. Könnte ich nur ganz kurz unter vier Augen mit ihnen reden? Dauert auch nicht lange."
"Aber sicher doch.", antwortete Ben ihm. "Geh doch schon mal rein Bobby. Im Lager findest du das Vogelfutter. Ist alles beschriftet. Richte doch bitte schon mal alles her. Ich komme gleich nach.", gab er mir als Auftrag und ich tat wie mir geheißen.
„Ich fürchte ich habe keine guten Nachrichten für sie.“, sagte Mr. Taler zu Ben, als ich im Vogelhaus verschwunden war. „Ich denke, dass mir keine andere Wahl bleibt, als sie zu feuern.“
„Was?!“, fragte Ben Mr. Taler schockiert. „Wieso?!“
„Mir kam zu Ohren, dass sie ein Drogenproblem haben.“, antwortete Mr. Taler ihm. „Ist das wahr?“
„Nein!“, wehrte Ben die Vorwürfe ab. Das ist eine dreiste Lüge!“
„Wahrheit oder Lüge. Ich kann die Gefahr nicht eingehen, dass den Tieren Schlimmes widerfährt und deshalb….“, sagte Mr. Taler, doch Ben unterbrach ihn.
„Sie werden mich nicht feuern!“, sagte Ben zornig zu Mr. Taler.
„Doch das werde ich.“, erwiderte Mr. Taler.
„Nein, denn wenn sie das tun, werde ich mich an die Presse und an die Polizei wenden. Ich werde denen erzählen, dass sie ein Alkoholproblem und ihren eigenen Sohn geschlagen haben.“
„Das wagen sie nicht!“, rief Mr. Taler entsetzt, während seine Augen größer wurden.
„Was glauben sie, wie lange sie dann noch diesen Zoo leiten dürfen?“, fragte Ben Mr. Taler boshaft. „Vielleicht machen sie den Zoo ja dann auch dicht.“
Mr. Taler sagte kein Wort, bis er sich zu einer Entscheidung durch rang. „Sie sind nicht gefeuert. Gehen sie zu ihrer Arbeit und wir vergessen das Ganze.“ Dann trabte Mr. Taler davon.
"Was wollte Mr. Taler mit dir bereden?", fragte ich Ben als er ins Vogelhaus kam.
"Ach wir haben nur über meinen weiteren Werdegang im Zoo gesprochen.", erklärte Ben mir.
"Ist denn damit etwas nicht in Ordnung?", fragte ich ihn.
"Nein alles in Ordnung.", antwortete Ben mir und grinste mich an.

Als Ben die Geschichte erzählte, erinnerte ich mich an die einzelnen Tage zurück und in meinem Kopf spielte es sich wie bei einem Puzzle ab, dass sich langsam zusammenfügte. „Es war nicht Anthony, der mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen ließ, sondern das warst du.“, sagte ich zu Ben und erinnerte mich zurück an den Tag in der Einkaufspassage:

„Oje nicht der.“, sagte ich und Vince verstand nicht was ich meinte. „Da vorne ist ein Angestellter aus dem Zoo. Sein Name ist Anthony und er ist nicht gerade beliebt.“
Ich sah wie Anthony gerade aus einer Tierhandlung kam und auf uns zukam. Ich packte Vince schnell am Ärmel und zog ihn hinter den Brunnen, an dem wir uns vorhin getroffen haben.
Anthony ging die Einkaufspassage entlang und merkte nicht, wie Ben ihn auf Schritt und Tritt beobachtete und ihm eiskalte Blicke zuwarf. Auch ich merkte nichts von Bens Anwesenheit.
„Er ist weg.“, sagte Vince schließlich zu mir, als Anthony nicht mehr zu sehen war. „Findest du nicht, dass das gerade ein klein wenig kindisch war?“
„Ich kann dir nicht erklären wieso, aber irgendwie bekomme ich bei dem Typen Gänsehaut. Ich hoffe er ist morgen nicht auch auf der Hochzeit“, sagte ich zu Vince und anschließend setzten wir unseren Weg fort.

Ben erzählte uns vom Gespräch mit Anthony am Hochzeitstag von Anja und Paul:

„Deinetwegen wollte Mr. Taler mich feuern.“, sagte Ben zu Anthony, als sie hinter der Wirtschaft im Dunkeln standen und sich unterhielten.
„Ich hab gesehen, wie du Drogen genommen hast.“, erklärte Anthony sich. „Ich lasse nicht zu, dass ein Mensch wie du, den Tieren im Zoo vielleicht Schaden zufügt.“
„Drohst du mir?“, fragte Ben ihn boshaft. „Dann werde ich jetzt dir drohen. Du wirst es nämlich bereuen, dich mit mir angelegt zu haben. Du, Mr. Taler und eure so geliebten Tiere im Zoo werden es bereuen.“
„Tu den Tieren nichts zur Leide.“, warnte Anthony Ben. „Ich warne dich.“ Um zu zeigen wie ernst es ihm war, wiederholte Anthony sich: „Ich warne dich. Ich mach dich fertig!“ Dann ging Anthony und entdeckte mich und Vince, er starrte uns mit ausdrucksloser Miene an und ging dann geradewegs an uns vorbei.
„Er redet ja nicht viel, aber wenn, dann ist er sehr direkt und nett.“, sagte Ben zu uns, als er mich und Vince ebenfalls bemerkte, ehe er an uns vorbeimarschierte und nach Hause fuhr.

„Und hast du Drogen genommen?“, fragte ich Ben schließlich, als ich auf einmal meinen Mut wiederfand. „Sag schon, jetzt brauchst du auch nicht mehr lügen.“
„Ja habe ich.“, antwortete Ben mir. „Bobby, Bobby, Bobby.“, wiederholte er langsam, als täte ich ihm leid. „Du hast ja keine Ahnung worauf du dich da eingelassen hast.“
„Auf was genau meinst du?“, fragte ich ihn stutzig.
„Sorry, aber der Kodex verbietet es mir, dir Auskunft darüber zu geben.“, entschuldigte sich Ben leichtfällig und zielte mit der Waffe auf mich, Tobias und Anthony.
Auf einmal krachte es laut, die Erde bebte und ich hörte überraschenderweise Justins Stimme, die zu uns rief: „Schnell lauft und bringt euch in Sicherheit!“ Dann löste sich ein Schuss…


55. Nachts im Zoo – Teil 5
Ben zielte mit der Waffe auf mich, Tobias und Anthony, als es auf einmal laut krachte. Die Eisengitter zu den Elefanten flogen auf und mindestens sechs ausgewachsene Elefanten stürmten auf uns zu. Bei jedem Schritt den sie machten, bebte die Erde und wir kamen ins Wanken.
Überraschenderweise hörte ich auf einmal Justins Stimme: „Schnell lauft und bringt euch in Sicherheit!“
Ohne zu zögern nahmen wir unsere Beine in die Hand und rannten raus ins Freie. Doch Ben entkamen wir nicht so schnell. Er zielte mit seiner Waffe auf uns, schoss und traf Anthony am rechten Bein. Anthony krümmte sich vor Schmerzen am Boden, während Ben boshaft grinste, dabei bemerkte er allerdings nicht, dass die Elefanten auf ihn zustürmten. Mit Entsetzen in seinem Gesicht wurde er von den Elefanten überrannt und zertrampelt.
Tobias drückte mir Timos Leine in die Hand und rettete Anthony, der noch immer am Boden lag. Dann versteckten wir uns im Gehege der Elefanten hinter einem der großen Felsen, als die Elefanten ins Freie rannten und laut tröteten.
Draußen vor dem Gehege konnte ich Justin entdecken, in dessen Gesicht sich sowohl Erschütterung als auch Erleichterung wiederspiegelten.

Zwanzig Minuten später trafen Mr. Taler, die Polizei und ein Notarztteam im Zoo ein. Die Leiche von Ben wurde geborgen und sichergestellt. Mr. Taler führte die Polizei zu Bens Spind, in dem sich tatsächlich Drogen befanden. Zudem fand man darin Spritzen und Einschläferungsmittel, die für die Tiere gedacht waren. Anthony wurde im Krankenwagen abtransportiert. Der Sanitäter meinte, dass es zwar schlimm aussehe, er aber trotzdem durchkommen werde. Maria und Vince fand man schlafend im Amphibienhaus vor. Ben hatte sie wohl mit Chloroform betäubt und sie dort hingebracht. Zwei Polizisten befragten mich und Tobias getrennt voneinander, meinten aber danach, dass sie uns noch alle aufs Revier bestellen würden um unsere Aussage genau festzunehmen.
Bald darauf trafen auch meine, Tobias und Marias Eltern, sowie Vince Vater, Dr. Gold, im Zoo ein. Meine Mutter stürmte unter Tränen auf mich zu und drückte mich ganz fest an ihre Brust, so froh war sie, dass mir nichts zugestoßen sei. Allerdings meinte mein Vater, dass auf mich noch eine Standpauke und Hausarrest wartete.
Maria, die noch immer schlief, wurde von ihren Eltern nach Hause gebracht. Tobias der sich Sorgen um sie machte, begleitete sie nach Hause, nachdem er sich von mir verabschiedete.
„Da hattet ihr ja noch einmal richtig Glück gehabt.“, meinte Vince zu mir, der im Gegensatz zu Maria wieder aufwachte und sich nach den Geschehnissen bei mir erkundigte.
„Allerdings.“, sagte ich nur, da ich an Bens letzten Worte denken musste. Was hat er gemeint, als er sagte, worauf ich mich da eingelassen habe. Und von welchem Kodex war die Rede?
Ich sehnte mich nach meinem Freund und sah mich nach Justin um, der bisher noch kein Wort mit mir sprach. „Deinem Freund scheinst du wohl egal zu sein.“, sagte Vince und ich warf ihm einen traurigen Blick zu. Wo ist Justin? Wieso ist er nicht bei mir?
„Das war ziemlich dumm von euch.“, hörte ich Justins Stimme auf einmal hinter uns sagen. Ich drehte mich um und entdeckte meinen Freund, dessen Gesicht keinerlei Freude zeigte.
„Na hör mal.“, sagte Vince sauer. „Dein Freund halt geholfen, den Täter zu fangen, der eure Tiere eingeschläfert hat.“
„Niemand hat euch darum gebeten. Ihr seid hier eingebrochen und wärt beinahe erschossen worden.“, erwiderte Justin. „Wäre ich nicht gekommen dann…“
„Würdest du uns einen Augenblick alleine lassen?“, bat ich Vince, der nur widerwillig ging. „Du hast die Elefanten angetrieben, nicht wahr?“, fragte ich Justin schließlich.
„Ich konnte nicht schlafen. Ich schlafe überhaupt nur noch ganz wenig. Plötzlich klopfte ein Specht an meinem Fenster und erzählte mir, was im Zoo vor sich ging.“, erklärte Justin mir. „Ich bin also so schnell wie nur möglich hier hergekommen und als ich gesehen habe, was im Elefantenhaus vor sich ging, hab ich die Elefanten angetrieben, ehe Ben euch erschießt.“
„Die Elefanten hätten uns aber auch beinahe zertrampelt.“, sagte ich wütend.
„Das war nicht meine Absicht.“, sagte Justin zu mir, dass wie eine Entschuldigung klingen sollte.
„Natürlich war es das nicht.“, sagte ich verständnislos. „Genauso wenig war es deine Absicht mich zu ignorieren, mir aus dem Weg zu gehen und kein Wort mit mir zu wechseln.“
„Ich hatte zu tun und falls du es noch nicht weißt, nicht die ganze Welt dreht sich nur um dich!“, schrie mich Justin an.
„Seit dem Vorfall bei der Hochzeit bist du wie ausgewechselt. Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte ich Justin aufgebracht. „Dein Vater war betrunken, dass mit deiner Mutter war ein Unfall und mehr nicht, oder?!“ Justin schwieg mich an. „Oder?“, fragte ich nochmals.
„Ich kann mit dir darüber nicht reden.“, antwortete Justin mir schließlich.
„Ich bin dein Freund!“, schrie ich Justin zu. „Wie viele Geheimnisse willst du noch vor mir haben? Wie viele Lügen willst du mir noch erzählen?“
„Du solltest jetzt gehen.“, sagte Justin nur. „Deine Eltern warten sicher schon.“
„Du willst dass ich gehe? Jetzt?“, fragte ich ihn verständnislos.
„Verschwinde einfach.“, sagte Justin und drehte mir den Rücken zu.
„Wenn ich jetzt gehe, dann komm ich aber nicht wieder.“, sagte ich entschlossen, während meine Hände und Beine anfingen zu zittern. „Wenn ich jetzt gehe, ist es Aus zwischen uns.“ Justin drehte sich weder zu mir um, noch sagte er ein Wort. „Dann gehe ich eben.“, sagte ich schließlich und Tränen bildeten sich in meinen Augen. „Ich hatte immer Verständnis für dich und deine Probleme. Ich hab dir Zeit gegeben. Heute Nacht wären wir beinahe gestorben und dich scheint das völlig kalt zu lassen. Du sprichst mit Tieren Justin – das ist eine besondere Gabe, aber ich fürchte, dass dir diese Gabe langsam zu Kopfe steigt und sie dir aus den Händen gleitet. Du verlierst die Kontrolle darüber und jetzt ist sogar ein Mensch dadurch umgekommen.“ Ich starrte Justin mit Tränen in den Augen an. Doch Justin rührte sich noch immer nicht und schwieg. „Leb wohl.“, sagte ich unter Tränen, ging ein oder zwei Schritte rückwärts, ehe ich mich umdrehte und mich immer weiter von Justin entfernte. Es ist aus, dachte ich mir. Es ist wirklich aus. Wie konnte es nur dazu kommen? Ich weinte unaufhörlich und unerbittlich und ich wusste es zwar nicht, aber Justin ging es nicht anders, denn auch ihm flossen die Tränen nur so die Wangen hinab, doch hatte er nicht die Kraft dazu, mir zu folgen und mich aufzuhalten.

Fortsetzung folgt...!

56. Der reinste Albtraum – Teil 1
Nach den nächtlichen Ereignissen im Zoo wurde ich aus dem siebten Himmel in die Hölle geworfen. Die Trennung von Justin setzte mir übel zu und eigentlich hätte das doch schon als Strafe gereicht, aber nein meine Eltern - allen voran mein Vater - mussten mir zusätzlich noch eine Standpauke über Verantwortung halten und mir Hausarrest von über einer Woche verpassen. Dazu kam auch noch, dass ich meinen Nebenjob als Aushilfe im Zoo hinschmiss und somit kein Geld mehr für den Führerschein dazu verdiente. Meine Eltern zahlten mir die restlichen Kosten für den Führerschein, dafür musste ich aber noch mehr häusliche Arbeiten als sonst schon verrichten und noch öfters auf meine kleine Schwester Annie aufpassen. Der Hausaarrest bezieht sich übrigens nur auf die freien Nachmittage und das Wochenende – zur Schule musste ich nämlich dennoch gehen.
Dass ich miese Laune hatte, wusste jeder sofort, der mir nur ins Gesicht starrte. Tobias versuchte mich die ganze Woche über ein wenig aufzubauen und aufzuheitern, nachdem er sich an meinen miesen Gesichtsausdruck satt gesehen hat „Lach doch mal kleiner Bobby.“, sagte er und grinste mich an. „Heute ist Freitag und am Sonntag endet dein Hausarrest. Du bist bald ein freier Mann!“
Ich murmelte vor mich hin: „Ein freier Mann ohne Freund, ohne Job, häuslichen Arbeiten, von mir enttäuschten Eltern und bevorstehenden Prüfungen, von denen ich weiß, dass ich sie in den Sand setzen werde?!“
„Optimismus steht dir nicht.“, sagte Tobias ironisch, während wir uns in der Umkleidekabine für den Sportunterricht umzogen. Tobias zog sein Shirt aus um sich sein Sportshirt überzuziehen. Ich konnte nicht anders, als auf seinen athletischen Körper zu starren. Bevor ich allerdings zu sehr in den Bann gerat, schaute ich blitzartig wieder weg und zog mir meine Turnschuhe an. Tobias merkte zum Glück nichts davon und redete unaufhörlich weiter: „Justin hat dich gar nicht verdient, schließlich hast du doch nur versucht zu helfen. Zugegeben, das war eine bescheuerte Idee von dir und diesem Vince, nachts in den Zoo einzubrechen und Beweise zu sammeln, dass Anthony der Täter ist…“
„Was er letzten Endes nicht einmal war, sondern Ben…“, fügte ich hinzu.
„Ehrlich gesagt versteh ich immer noch nicht so richtig, was da vor sich ging.“, meinte Tobias. „Wieso stürmten die Elefanten auf einmal aus ihrem Gehege? Und warum du und Justin euch getrennt habt, verstehe ich noch weniger, aber ich hab dir versprochen, dich damit nicht weiter zu belästigen.“
„Danke.“, sagte ich, als wir die Turnhalle betraten, wo bereits unsere Klassenkameraden und unser Sportlehrer Herr Berthold auf uns wartete.
„So Jungs, versammelt euch doch bitte alle einmal um mich herum!“, rief er zu uns. „Ich weiß, dass ihr gerade alle in Prüfungsstress steckt und heute ist auch noch Freitag. Deshalb werden wir heute ein kleines Basketballspiel veranstalten. Tobias und Manne, ihr seid diejenigen die in naher Zukunft Leistungssport studieren, ihr seid die beiden Kapitäne und sucht eure Mannschaften aus.
Ich hasste diese Auswahlverfahren, da ich meistens zu denen gehörte, die als Letzte gewählt wurden. Doch dieses Mal hatte ich das Glück, dass Tobias aussuchen durfte und er mich – zu seinem Glück, da ich ihm sonst eins mit der Pfanne übergebraten hätte *grinst* - gleich als Erstes wählte.
Nachdem sich die Klasse in zwei Mannschaften aufteilte, begann das Spiel, während Herr Berthold den Schiedsrichter mimte. Wie nicht anders von Tobias zu erwarten, landete er bereits in den ersten fünf Minuten zwei Körbe, während Manne nur ein Korb gelang.
Manne stank gegen Tobias ab und das behagte ihm gar nicht. Er wurde provozierend und beleidigend: „Los Kleiner wirf schon endlich.“, forderte er mich lächelnd heraus, als er vor mir stand. Ich regte mich tierisch über ihn auf. Tobias war der Einzige, der mich so nennen durfte und momentan war ich nicht in Stimmung auf Spielerein. Ich warf den Ball zu Tobias. Manne sprang hoch, doch konnte er den Ball nicht fangen. „Der Kleine kann ja werfen.“, lachte Manne und ich warf ihm böse Blicke zu.
„Noch so ein blöder Spruch und ich verpass ihm eine.“, flüsterte ich vor mich hin.
„Lass dich nicht provozieren.“, meinte Chris zu mir, der mich hörte. „Manne ist nur auf Tobias eifersüchtig, dass er talentierter ist als er.“ Chris grinste und ich schmunzelte ebenfalls.
Zur Halbzeit lag Tobias Mannschaft mit zwei Körben im Vorsprung. Manne machte Matthias zur Schnecke, warum er den Ball nicht rechtzeitig zu ihm warf. Er schubste ihn und Matthias warf es rücklings zu Boden. „Manne, jetzt beruhig dich mal wieder.“, mahnte Leon seinen besten Freund.
Herr Berthold pfiff. „Ruhe jetzt, oder wir brechen das Spiel ab!“, schrie er uns an.
„Komm, ich helfe dir auf.“, sagte ich zu Matthias und reichte ihm die Hand.
„Danke.“, sagte Matthias und ließ sich von mir hochziehen.
Auf einmal schrie Leon: „Vorsicht Bobby!“
Ich drehte mich um, gerade als der Basketball auf mich zuflog. Dank Leons Warnung konnte ich den Ball fangen, den Manne auf mich und Matthias zuwarf. „Der Kleine kann ja fangen.“, grinste Manne.
Jetzt langte es mir. Manne benahm sich wie ein Arsch und dafür sollte er büßen. Mit voller Wucht warf ich den Ball auf ihn zu. Doch leider ging Tobias dazwischen, der den Streit schlichten wollte und bekam den Ball direkt ins Gesicht auf die Nase.
Tobias jaulte vor Schmerz auf. Herr Berthold pfiff erneut in seine Pfeife und schrie: „Schluss jetzt! Leon und Chris bringt Tobias ins Krankenzimmer, Bobby und Manne ihr kommt mit mir mit und der Rest zieht sich um und verbringt ihre Zeit mit etwas Sinnvollem wie Lernen für die Prüfungen!“
„Es tut mir Leid Tobias.“, entschuldigte ich mich bei meinem Freund, doch Tobias winkte nur locker ab und gab mir zu verstehen, dass alles in Ordnung sei.
Manne und ich wurden von Herrn Berthold ordentlich in die Zange genommen. Das alleine machte mir recht wenig aus, war ich es inzwischen doch schon von meinem Vater gewöhnt, doch als er mir und Manne Nachsitzen aufbrummte, dachte ich mir nur, dass das der reinste Albtraum sei.


57. Der reinste Albtraum – Teil 2
„Es tut mir so unendlich leid Tobi.“, entschuldigte ich mich zum achten Mal bei meinem besten Freund, der mit gebrochener Nase im Krankenzimmer lag.
„Ich sagte doch schon es wäre okay. Also Schwamm drüber.“, sagte Tobias lächelnd. „Sehen wir es als Quittung für das blaue Auge damals, als wir uns kennen lernten.“
Ich musste grinsen, doch verging es mir wieder ganz schnell, als ich daran dachte, dass ich nächste Woche zusammen mit Manne nachsitzen musste.
„Chris hat mich übrigens zu seiner Geburtstagsparty morgen Abend eingeladen.“, sagte Tobias auf einmal. „Du solltest auch kommen.“
„Das geht nicht.“, sagte ich wehleidig. „Du weißt doch, dass ich bis Sonntag noch Hausarrest habe.“
„Schade.“, sagte Tobias und guckte traurig an die weiße Wand.

Als ich nach Hause kam, bot sich mir ein seltsames Schauspiel. Meine Mutter und mein Vater standen draußen und schienen sich zu streiten. „Und lass dich hier ja nie wieder blicken!“, schrie meine Mutter meinen Vater an und warf eine Gepäcktasche vor das Auto.
„Keine Sorge, dass werde ich auch nicht!“, schrie mein Vater sie an. „Ich schicke dir die Scheidungspapiere zu!“
„Mum, Dad, was geht hier vor?“, fragte ich verwirrt und ängstlich.
„Nicht jetzt Bobby. Ich ruf dich an.“, antwortete mein Vater mir nur, während er zornig in sein Auto stieg und mit rasanter Geschwindigkeit davon sauste.
„Mum, was ist denn nur passiert?“, fragte ich meine Mutter die weinend zwischen Tür und Angel zusammenbrach.
„Dein Vater hat mich mit einer anderen Frau betrogen.“, antwortete meine Mutter mir schluchzend und ich ließ vor Schock meine Schultasche fallen. Ich bückte mich zu meiner Mutter nach unten und versuchte sie zu trösten, doch schien es nicht in meiner Macht zu liegen, dass mir das gelang.

Sowohl in der letzten Nacht, als auch in der Nacht von Samstag auf Sonntag konnte ich nicht schlafen. Zu viele Gedanken gingen mir durch den Kopf. Das darf doch alles nicht wahr sein, dachte ich mir. Schließlich hatte ich genug davon im Bett zu liegen und auf meine Himmeldecke zu starren. Ich zog mir ein Shirt und eine Jeans an und schlich mich leise und klammheimlich aus dem Haus, ohne das meine Mutter Wind davon bekam.
Als ich an Chris Haus angelangt war, war seine Party bereits im vollen Gange. Chris begrüßte mich ganz herzlich, als ich an der Haustür klingelte und er aufmachte. „Schön, dass du es doch noch geschafft hast Bobby!“, rief er mir freudig entgegen. „Schnapp dir ein Bier und lass es krachen!“
Mindestens zwanzig Jugendliche ließen es im Haus so richtig krachen, tranken und tanzten ausgelassen. Zu meinem Leidwesen entdeckte ich unter ihnen auch Manne, der mir böse Blicke zuwarf, aber mich sonst nicht weiter beachtete.
Doch das Nächste was ich entdeckte, war noch viel schlimmer: Leon und Maria, die Arm in Arm im Wohnzimmer auf der Tanzfläche tanzten und sich sogar… küssten?!
„Was zum Teufel ist hier los?“, fragte ich Matthias, der mir soeben ein Bier überreichte, und zeigte auf Leon und Maria. „Und wo ist Tobias?“
„Das ganze lief ziemlich aus dem Ruder. Alle haben getrunken und als die Beiden angefangen haben rum zu turteln, verzog sich Tobias beleidigt und wütend nach oben in Chris Zimmer.
Ich drückte Matthias mein Bier wieder in seine Hand und eilte die Treppe hinauf in Chris Zimmer, wo ich Tobias weinend auf dem Bett vorfand.
„Tobi hey.“, sagte ich flüsternd und legte tröstend meinen Arm um ihn. „Es tut mir so leid.“
„Du entschuldigst dich hoffentlich nicht schon wieder wegen meiner Nase.“, sagte Tobias und wischte sich die Tränen mit seinem Handrücken aus dem Gesicht weg.
„Ich hab Leon und Maria gesehen.“, berichtete ich ihm.
„Ich hätte wissen müssen, dass das passiert. Es musste ja so kommen.“, erwiderte Tobias. „Leon war ihre erste große Liebe und ich bin bloß ein dummer Idiot, der niemanden etwas bedeutet.“
„Aber das ist doch gar nicht wahr.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Mir bedeutest du eine Menge!“
„Nicht genug, dass du dich in mich verliebt hast.“, sagte Tobias, sah mich an und wieder rannen Tränen seine feuchten Wangen hinunter.
„Oh Tobi.“, sagte ich, hielt mit einer Hand seinen Hinterkopf fest und schenkte ihm einen Kuss auf die Stirn. „Ich empfinde für dich so viel mehr als nur gewöhnliche Liebe.“, sagte ich schließlich zu ihm.
Tobias sah mich mit seinen großen Augen an und für mich völlig unerwartet und überraschend, küsste er mich auf den Mund. Nach etwa fünf Sekunden drückte ich ihn von mir weg. „Hör auf damit!“, schrie ich ihn an und stand auf.
Für Tobias war das zu viel. Er stand ebenfalls vom Bett auf und rannte zur Tür hinaus. Ich folgte ihm, als ich erkannte, dass ich einen Fehler begangen habe. Tobias rannte an Chris und Matthias vorbei, zur Tür hinaus. Ich entschuldigte mich bei Chris für den kurzen Besuch und rannte Tobias hinterher.

Tobias rannte zur Baustelle, auf der das neue Kaufhaus errichtet wird. Ihr erinnert euch sicher, dass ich mit ihm einst davorstand und wir die Stockwerke gezählt haben. Ich fragte mich wirklich, was er da wollte. Das Betreten der Baustelle war ursprünglich untersagt, doch er kletterte federleicht über die Absperrung und ich tat es ihm gleich – wenn auch weniger federleicht.
Tobias kletterte die Gerüste bis zum sechsten Stockwerk hoch. Dann blieb er endlich stehen und ich holte ihn, ganz außer Atem, ein.
„Was tust du hier?“, fragte ich ihn verwirrt. „Das ist gefährlich!“
„Gefährlicher als von einer Waffe bedroht zu werden?“, gab Tobias als Frage zurück.
„Geh bitte nicht so dicht an den Rand, bitte Tobias.“, flehte ich ihn besorgt an, da Tobias fast ganz am Rande des Stockwerkes stand, wo es ziemlich tief hinunter ging.
„Ich komm hier öfters des Nachts her, um nachzudenken.“, antwortete Tobias mir endlich. „Ich denke über meine Beziehung mit Maria nach, über mein zukünftiges Leben an der Uni und über meinen besten Freund… der so viel mehr für mich ist, als nur ein guter Freund.“
„Tobias.“, sagte ich traurig. „Bitte gib mir deine Hand und komm da weg.“, bat ich ihn.
„Warum denn?“, fragte Tobias mich und es war sichtlich, dass er betrunken war. „Hattest du nie den Wunsch frei zu sein wie ein Vogel und zu fliegen?!“
„Gib mir deine Hand Tobi.“, bat ich ihn erneut und Panik durchflutete meinen Körper.
„Es ist zu spät Bobby.“, sagte Tobias zu mir und ein Lächeln fuhr über seine Lippen. „Ich liebe Dich und werde dich immer lieben – bis in den Tod.“ Tobias ließ sich rücklings fallen, ich schrie und wollte nach seiner Hand greifen. Doch gelang es mir nicht und Tobias stürzte in den Tod.


58. Der reinste Albtraum – Teil 3
Es war ein trockener, aber stark bewölkter Nachmittag, als die Beerdigung von Tobias stattfand. Beerdigung von Tobias… wenn ich das selber so höre… es kommt mir immer noch wie ein schlimmer Traum war, wie der reinste Albtraum um genau zu sein. Mein bester Freund ist tot und vermutlich war dies meine eigene Schuld. Tobias Tod wurde als Unfall deklariert, obwohl man es als auch Selbstmord darstellen hätte können, denn schließlich ließ er sich absichtlich in den Abgrund fallen, aber die Tatsache, dass er zu jenem Zeitpunkt betrunken war, änderte die Sachlage für die Polizei. Als ob das jetzt auch groß wichtig wäre… er ist tot! Tobias ist tot!
Als ich mit meiner Familie zur Grabstelle schlenderte konnte ich eine Menge an Menschen ganz in Schwarz erblicken. Ich entdeckte Tobias Eltern. Tobias Mutter schluchzte unaufhörlich, während Mr. Henning versuchte ihr und auch sich selber Halt zu geben. Auch ein paar Lehrer und Schüler aus der Schule hatten sich um das Grab versammelt. Manne, Christian und Matthias standen nebeneinander und hinter ihnen entdeckte ich Herr Berthold, Frau Schneider, Herr Frenzel und unseren Hausmeister Herr Beck. Neben Tobias Eltern konnte ich Maria erblicken, der eine Träne nach der anderen die Wangen herunterkullerte, während Leon versuchte sie zu trösten. Wut kochte in mir hoch, als ich die Beiden miteinander sah. Am liebsten hätte ich den Beiden die ganze Schuld an Tobias Tod gegeben, aber ich kam nicht umhin, mir einzugestehen, dass ich der Schuldige war.
Als wir uns dem Grab näherten, erspähte ich zu meiner Überraschung, Erleichterung und Freude auch Nina, die extra aus Amerika angereist kam, als sie von dem tragischen Unfall erfuhr. Meine Freude währte allerdings nur kurz, da sie meinen Blicken auswich. Ich konnte es ihr nicht übel nehmen. Nach über drei Monaten begegnen wir uns endlich wieder und dann unter diesen Umständen.
Der Pfarrer begann schließlich mit der Trauerfeier und der Zeremonie und betete dafür, dass Tobias Seele im Himmel seinen Frieden findet und er bei den Menschen, die er zurückgelassen hat, immer in ihren Herzen ist und über sie wachen wird.
Nach der Trauerfeier übermittelte jeder der Gäste sein tiefstes Mitgefühl und Beileid bei Tobias Eltern. Als ich schließlich an der Reihe war, wich Frau Hennig meinem Blick aus, während Herr Henning mir wütende Blicke zuwarf. „Wage es nicht, dein Beileid auszusprechen.“, drohte er mir.
„A-Aber Herr Henning.“, stotterte ich verletzt.
„Verschwinde einfach und lass uns in Ruhe!“, bat Herr Henning mich und mein Vater zerrte mich von Tobias Eltern weg, während ich mich dazu zwang, nicht zu weinen.
Als wir an unserem Auto ankamen, kam Nina auf mich zu. Ich freute mich, dass sie schließlich doch mit mir reden wollte, doch das Erste was sie tat, war mir eine deftige Ohrfeige zu verpassen.
„Das ist alles deine Schuld, Robert Forster!“, schrie sie mich wütend und weinend an. „Deinetwegen ist Tobias… ist Tobias…“ Nina konnte den Satz nicht zu Ende sprechen.
„Es tut mir leid, aber das wollte ich doch nicht.“, entschuldigte ich mich unter Tränen.
„Bobby du…!“, schimpfte sie und schlug zum zweiten Schlag aus, doch sie ließ es sein.
Stattdessen gesellte sich nun auch noch Christian zu uns. „Hey Bobby.“, begrüßte er mich freundlich. „Hab gehört, deine Eltern lassen sich scheiden?! Dann sind wir ja jetzt beide Scheidungskinder.“ Chris fing an zu lachen und ich verstand bei bestem Willen nicht, was daran lustig sein sollte.
„Ach Bobby übrigens.“, sagte meine Mutter auf einmal von der anderen Seite des Auto. „Falls du deinen leiblichen Vater kennen lernen willst. Der war ebenfalls auf der Trauerfeier.“
„Was?!“, schrie ich entsetzt auf und mein Mutter fing ebenfalls zu lachen an. „Hört gefälligst mit dem Gelächter auf, wir waren gerade auf der Beerdigung von Tobias!“, rief ich, doch keiner schien mir Gehör zu schenken. Nina fing nun ebenfalls zu lachen an und auf einmal war ich von meinen Eltern, Annie, Nina, Christian, Manne, Matthias, Leon, Maria, Herr Berthold, Frau Schneider, Herr Frenzel, Herr Beck und den Eltern von Tobias umgeben, die mich allesamt auslachten. „Wieso lacht ihr?!“, schrie ich ängstlich. „Hört auf zu lachen. Das ist nicht lustig! Er ist tot…, er ist tot…, er ist tot…!“ Um mich herum drehte sich alles, mir wurde schwindlig und ich hörte wie eine mir vertraute Stimme auf mich einredete. Auf einmal lag ich mit offenen Augen im Bett des Krankenzimmers und blickte zu meiner Überraschung und großer Freude in das Gesicht meines besten Freundes Tobias!
„Tobias sah mich verwirrt und ängstlich an. „Na endlich aufgewacht?“, fragte er mich. „Muss ja ein schlimmer Albtraum gewesen sein, so wie du rumgebrüllt hast.“
„Ich habe geträumt?“, fragte ich verwirrt und setzte mich im Bett leicht auf.
„Ja. Du warst bewusstlos.“, erklärte Tobias mir. „Du erinnerst dich nicht?“ Ich schüttelte nur den Kopf. „Manne hat den Basketball nach dir geworfen. Leon wollte dich noch warnen, doch da war es schon zu spät und der Ball traf dich mitten im Gesicht. Du wurdest bewusstlos und ich und Christian trugen dich sofort ins Krankenzimmer.“
„Dann… dann lassen sich meine Eltern gar nicht scheiden?“, fragte ich Tobias nach wie vor verwirrt.
„Was?! Nein!“, antwortete mir Tobias entsetzt. „Ich hab gerade noch mit deiner Mutter telefoniert und ihr erzählt was vorgefallen sei. Sie meinte, sie würde dich später zusammen mit Annie und deinem Vater abholen und ihr würdet zusammen was Essen gehen. Dein Hausarrest haben sie wie es scheint auch aufgehoben, was ganz gelegen kommt, da Christian dich morgen zu seinem Geburtstag eingeladen hat.“
„Was?!“ Mein Gesicht wurde kreidebleich. „Ich geh da nicht hin und du solltest da auch nicht hingehen!“, schrie ich Tobias an, obwohl ich gar nicht laut werden wollte.
„Kein Grund zu schreien. Ich geh da ja auch nicht hin. Maria mich gefragt, ob wir nicht mal wieder einen gemeinsamen Abend zu zweit verbringen können. Meine Eltern sind morgen Abend außer Haus, das kommt also ganz gelegen.“, erklärte Tobias mir lachend.
„Solange du nicht auf die Baustelle gehst.“, murmelte ich vor mich hin.
„Woher weißt du, dass ich da öfters hingehe?“, fragte mich Tobias erstaunt. „Werde ich dir wohl mal erzählt haben. Ist ja auch egal. Übrigens hat Manne zur Strafe von Herr Berthold die ganze nächste Woche Nachsitzen aufgebrummt bekommen.“ Tobias grinste.
Ich starrte meinen Freund mit meinen großen Rehaugen an und merkte dabei nicht einmal, dass mir eine Träne die Wangen hinunterlief. „Wieso weinst du Bobby?“, fragte nun Tobias verwirrt.
Ich beugte mich vor und umarmte Tobias so fest und lieb wie ich nur konnte. Tobias wusste zwar nicht was hier auf einmal los war, doch erwiderte er die Umarmung. „Muss ja ein schlimmer Albtraum gewesen sein.“, flüsterte er mir ins Ohr.
Ich antwortete ihm nicht. Es mag nur ein Albtraum gewesen sein, aber was davon könnte wahr werden? Gedanken schossen mir durch den Kopf und zwei brennten sich darin fest. Zum einen, dass mein leiblicher Vater bei der Trauerfeier dabei gewesen sein soll, wie meine Mutter meinte und zum anderen, dass meine Gefühle für Tobias vielleicht stärker sind, als ich annahm und dass es weit über eine Freundschaft hinausgeht. Ich war verwirrt und hatte Angst, doch die warme Umarmung mit Tobias tat mir gut und ich wusste, dass er sich auch darüber freute.

Fortsetzung folgt...!

59. Frühlingserwachen – Teil 1
„Juhu, geschafft!“, rief Vince überglücklich und stürmte auf mich zu, als er gerade aus dem Fahrschulauto stieg. „Ich hab meinen Führerschein!“
„Herzlichen Glückwunsch. Ich freu mich für dich.“, sagte ich lächelnd und umarmte ihn kurz. „Bis ich meinen Führerschein habe, dauert es wohl noch ein kleinwenig.“
„Ach was.“, sagte Vince und winkte ab. „Die Zeit vergeht schneller als du denkst.
„Hoffentlich nicht zu schnell. Ich bin für die Prüfungen noch nicht gut genug vorbereitet.“, sagte ich.
„Ganz schön stressig was?! Aber hey, falls du dich ablenken willst, komm doch am Samstag zu meinem Geburtstag. Ich organisier eine fette Party bei mir daheim und würde mich sehr über dein Kommen freuen.“, sagte Vince und sah mich hoffnungsvoll an.
Vince war inzwischen ein guter Freund geworden und ich konnte und wollte natürlich nicht nein sagen. „Ich komme sehr gerne.“, sagte ich lächelnd.

„Du bist zu langsam Bobby!“, rief Tobias mir grinsend nach hinten, da er mit dem Fahrrad schneller unterwegs war als ich.
„Du Angeber!“, rief ich ihm lachend zu.
„Wieso müssen Jungs immer konkurrieren?“, fragte Maria augenrollend, die hinter uns herfuhr.
Es war ein wunderschöner sonniger Tag. Bäume und Blumen fingen an zu blühen, die Vögel kehrten aus dem Süden zurück und zwitscherten wieder fröhlich ihr Lied und eine lauwarme Brise zog uns um die Ohren, während ich, Tobias und Maria eine Radtour durch den Wald unternahmen.
„Haaaalt!“, rief Tobias auf einmal, bremste und die Reifen begannen zu quietschen.
„Was ist los?“, fragte ich ihn erschrocken.
Tobias stieg von seinem Fahrrad ab und ich und Maria taten es ihm gleich, wenngleich wir auch nicht wussten, was Tobias entdeckt haben mag.
„Seht euch das an.“, sagte er und zeigte mit seinem rechten Zeigefinger auf eine Waldlichtung. Vor unseren Augen blühte eine grüne Wiese mit Waldblumen, während die Sonne durch die Baumkronen durchschien und auf die Blumenwiese leichte Strahlen warf.
„Das sieht wunderschön aus.“, sagte Maria und ihre Augen strahlten. „Und seht, die Vögel freuen sich auch sehr über das Erwachen des Frühlings.“
Verschiedene Vogelarten flatterten von Baum zu Baum und von Ast zu Ast. Zwischendurch konnte ich auch das ein oder andere Eichhörnchen erspähen.
„Ich sehe einen Pirol, einen Kleinspecht, ein Nest mit Kernbeisser und einen Tannenhäher.“, erklärte uns Maria die Vogelarten, die sie erblickte.
„Du solltest vielleicht auch Naturschutz wie Bobby studieren, statt Kunst.“, sagte Tobias und grinste.
„Ich mag Vögel, aber noch lieber mag ich es, Vögel zu zeichnen.“, erwiderte Maria.
„Weiß ich doch.“, sagte Tobias lächelnd. „Wir können echt von Glück reden, dass wir alle an unseren Wunschuniversitäten angenommen worden sind.“
„Und unsere Universitäten liegen nur eine dreiviertel Stunde auseinander Tobias.“, sagte ich zu ihm.
„Habt ihr es gut. Ihr könnt euch demnach noch öfters sehen.“, sagte Maria wehleidig. „Meine Universität ist fünf Stunden von dir entfernt Schatz.“
Tobias umarmte seine Freundin. Ich schaute verlegen weg. „Wir werden jeden Tag miteinander telefonieren. Das verspreche ich dir!“, sagte er zu Maria.
„Wir sollten langsam weiter fahren. Meint ihr nicht auch?“, fragte ich die Beiden.
Kurz darauf schwangen wir uns wieder in unsere Fahrradsattel und setzten unsere Fahrt behutsam fort. Justin traf ich im Wald übrigens nicht an. Einerseits war dies wohl auch besser so, nach allem was geschehen war, andererseits vermisste ich ihn aber auch sehr. Es war inzwischen April und ich hab ihn seit genau einem Monat nicht mehr gesehen…

Am späten Abend um 22 Uhr hatte ich ein Telefonat, auf das ich mich besonders freute. Es war ein Telefonat mit meiner besten Freundin Nina, die sich derzeit in Amerika aufhielt.
„Es ist so wunderbar hier Bobby. Die Menschen hier sind so nett und die Jungs erst…“ hörte ich Nina am anderen Hörer lachen. „Wir Drei, also ich, du und Tobias sollten irgendwann einmal zusammen nach Amerika fliegen und Urlaub machen.“
„Das hört sich gut an Nina. Ich freu mich, dass es dir da drüben so gut geht.“, sagte ich zu ihr.
„Und was gibt es bei dir so Neues? Weitere Albträume gehabt?“, fragte mich Nina besorgt, der ich in einer langen E-Mail von meinem schlimmen Albtraum berichtete.
„Zum Glück nicht.“, sagte ich und lachte, auch wenn der Traum alles andere als lustig war.
„Das willst du jetzt vielleicht nicht hören Bobby, aber Träume können einem auch oftmals versteckte Gefühle offenbaren, von denen man gar nicht wusste, dass sie vorhanden sind. Vielleicht hast du dich ja wirklich in Tobias…“ Bevor Nina zu Ende sprach, unterbrach ich sie.
„Tobias ist mit Maria zusammen und auch wenn wir Beide es anfangs für unmöglich hielten, aber die Beiden lieben sich sehr und sind glücklich miteinander.“
„Schon gut, schon gut. Ich bin still.“, sagte Nina und es wurde wirklich kurzzeitig still. Schließlich hörte ich Ninas Stimme fragend sagen: „Hast du mal was von ihm gehört - von Justin?“
„Nein.“, antwortete ich ihr traurig, ging zu meinem Zimmerfenster, sah raus und beobachtete wie der Frühling Einzug in unserem Garten hielt. „Aber ich hoffe, dass es ihm gut geht.“


60. Frühlingserwachen – Teil 2
Ich betätigte die Klingel an der Haustür von Vince Villa. „Alles Gute zum Geburtstag!“, rief ich zusammen mit Tobias und Maria, die mich zu Vince Geburtstagsfeier begleiteten, als dieser uns die Tür öffnete.
Vince bedankte sich mit einem etwas künstlich aufgesetzten Lächeln, während hinter ihm Partymusik durchs Haus schallte und man mehrere Leute reden hören konnte. „Kommt doch herein.“, bat er uns freundlich.
Ich näherte mich Vince, so dass wir Arm in Arm nebeneinander standen und flüsterte ihm ins Ohr: „Du hast doch hoffentlich nichts dagegen, dass ich die Beiden mitgebracht habe, oder?“, fragte ich ihn und deutete mit einem Blick auf Tobias und Maria, die sich in der Eingangshalle erstaunt umsahen.
„Nein, nein. Das geht schon in Ordnung.“, sagte er, während ich ihm mein Geschenk in die Hand drückte. „Das ist lieb. Vielen Dank Bobby! Folgt mir doch bitte.“ Vince führte uns durch die Villa ins Wohnzimmer. „Die Party findet hier und draußen im Garten statt. Der Frühling kam genau zur richtigen Zeit. Die Sonne lacht und es wird gegrillt.“
„Hm, Futter.“, sagte Tobias und leckte sich gierig das Maul, bis Maria ihm einen Stoß mit ihrem Ellenbogen gab.
„Ein Glas für dich, ein Glas für dich und ein Glas für dich.“, sagte er und drückte jedem von uns ein Sektglas in die Hand. „Ihr trinkt doch Sekt oder?“, fragte er hinterher noch schnell.
„Ich bin eigentlich eher der Biertrinker, aber eine Ausnahme kann man immer machen.“, sagte Tobias. Vince lächelte und wir stoßen zusammen auf Vince´ Wohl an.
„Bis das Essen fertig ist, seht euch ruhig überall um. Die meisten Leute hier sind aus meiner Privatschule. Die gleichen Snobs wie ich einer bin.“ Vince lachte. „Hier im Wohnzimmer gibt es zu Trinken und einen kleinen Snackbereich. Draußen findet ihr den Swimmingpool, den Whirlpool und ein Saunahaus, die im Betrieb sind. Das Wasser ist sehr warm.“
„Du hast einen Whirlpool?“, fragte Tobias ihn und seine Kinnlade klappte vor Erstaunen runter. „Wie krass ist das denn bitte? Bobby Mensch, wieso hast du mich nicht schon viel früher mit hierher geschleppt?!“
„Tobias benimm dich.“, mahnte Maria ihn.
„Wir haben sowieso keine Badesachen dabei.“, sagte ich. „Ich wusste nicht, dass…“
„Ach das macht doch nichts.“, sagte Vince und winkte locker ab. „Falls ihr wollt, leih ich euch Badehosen und notfalls springt einfach mit eurer Kleidung rein.“
„Voll cool man!“, rief Tobias voller Freude und ging raus in den Garten. Maria folgte ihm auf Schritt und Tritt, damit er keine Dummheiten anstellte.
„Endlich Achtzehn. Bei mir dauert es leider noch eine Weile.“, sagte ich zu Vince.
„Die paar Wochen kriegst du auch noch rum.“, erwiderte Vince.
„Tobias und ich haben am selben Tag Geburtstag. Wir werden auch gemeinsam feiern.“, erklärte ich Vince, während ich Blicke nach draußen in den Garten warf, um festzustellen, ob Tobias schon in den Pool gesprungen ist *grinst*. „Ist dein Vater heute Abend auch da?“, fragte ich Vince schließlich, als ich feststellte, dass Tobias noch trocken hinter den Ohren ist.
„Leider nein. Er muss arbeiten – schon wieder!“, antwortete Vince mir und verdrehte dabei die Augen.
„Heute, an deinem Geburtstag?“ Ich verzog verständnislos mein Gesicht.
„Kann man nichts machen. Ist leider so.“, sagte Vince gleichgültig und zuckte mit den Schultern.
„Schade.“, sagte ich. „Hätte ihn gerne einmal richtig kennen gelernt und ihm noch einmal dafür gedankt, dass er mich im Krankenhaus so gut behandelt hat.“
„Vielleicht erhältst du ja irgendwann einmal die Gelegenheit dazu.“, sagte Vince zu mir, als ein groß gewachsener Junge mit brauner Pilzkopffrisur an uns herantrat und mich freundlich begrüßte.
„Hallo. Ich glaube wir kennen uns noch nicht. Ich bin Stefan, ein guter Freund von Vince. Wir kennen uns aus der Schule.“, stellte er sich mir mit einem breitem Lächeln vor und reichte mir die Hand. Ich nahm sie entgegen und stellte fest, dass Stefan einen ziemlich festen Händedruck hatte. Nachdem er meine Hand wieder freigab, tat mir meine Hand leicht weh.
„Ihr könnt euch ja ein wenig unterhalten.“, sagte Vince zu uns. „Ich schau mal nach dem Fleisch auf dem Grill. Ich trau den anderen Jungs da draußen nicht so recht, dass sie das ordentlich hinbekommen.“
„Ihr kennt euch also aus der Schule?“, fragte ich Stefan, nachdem Vince rausging und tat so, als wäre ich neugierig, doch in Wahrheit war Stefan mir irgendwie unsympathisch. Doch wollte ich ihm zumindest eine Chance geben. Mein Urteilsvermögen über fremde Menschen hat mich in letzter Zeit schließlich des Öfteren hängen gelassen, wenn ich da an Ben zurückdenke…
„Ja, wir sind die besten Kumpels.“, antwortete Stefan mir gelassen. „Hat er dir das nicht erzählt?“
„Vielleicht hat er es einfach vergessen.“, sagte ich und grinste dabei. Ehrlich gesagt, erzählt mir Vince recht wenig von sich, wie ich feststellte und wieso muss ich gerade jetzt an Justin denken?!

Als ich am darauffolgenden Morgen meine Augen öffnete, wusste ich erst einmal gar nicht wo ich war. Mir brummte der Schädel und ich hatte das Gefühl es wäre ein Jahrzehnt vergangen.
Ich lag im Gras, im Garten von Vince` Villa, das durch den Morgentau bedeckt war. Hab ich etwa draußen im Freien übernachtet? Ich hatte voll den Blackout. Ich wusste nicht einmal mehr, dass ich letzten Abend so viel getrunken habe, denn normalerweise trink ich nie so viel, dass ich mich am nächsten Tag an gar nichts mehr erinnern kann.
Neben mir im Gras bewegte sich etwas und meine Augen wurden groß, als ich sah, dass ein halbnackter Junge, der lediglich seine Boxershorts trug, neben mir lag und meine Hand hielt.
Erst jetzt bemerkte ich, dass auch ich halbnackt im Gras lag und nur meine Boxershorts trug. Ich wurde rot im Gesicht, gerade als ein kleiner Spatz auf meiner Brust landete und auf mir herumhüpfte. „Morgen.“, sagte ich zu dem kleinen Spatz. Der Spatz zwitscherte zurück. Dann ließ ich meinen Kopf in das feuchte Gras fallen. „Na toll. Ich lege hier halbnackt neben einem anderen halbnackten Jungen, kann mich an nichts erinnern und rede mit einem Vogel. Wieso muss mir das immer passieren?“


61. Frühlingserwachen – Teil 3
„Nein, nein, nein, nein, nein.“, sagte ich immer und immer wieder ganz schnell, als ich wieder angezogen meinen Kaffee trank um munter zu werden. „Das kann nicht sein. Das kann einfach nicht sein!“
„Wie nett.“, sagte Vince trocken zu mir und rührte mit einem Löffel in seinem Kaffee herum, während er mir gegenüber in der Küche stand.
„Und wir haben was genau getan?“, fragte ich ihn inzwischen zum dritten Mal und Vince war offensichtlich genervt, denn er verdrehte seine Augen, ehe er mir antwortete.
„Wir haben getrunken, gefeiert und hatten Spaß.“, erklärte Vince mir. „Irgendwann sind alle Gäste gegangen und wir Beide waren allein. Du hast vorgeschlagen, dass wir uns noch ein wenig im Whirlpool entspannen könnten und hast dich vor mich ausgezogen. Im Whirlpool hast du dich dann zu mir hinübergebeugt und mir einen Kuss auf den Mund gegeben, den ich erwidert habe. So kam eins zum Anderen. Die restlichen Details erspare ich dir denke ich lieber…“
Ich schlug meinen Kopf gegen die Tischplatte aus Marmor. Als ich wieder hochschreckte, sagte ich zu Vince: „Tut mir Leid, das hat nichts mit dir zu tun, aber das war ein großer Fehler! Ein wirklich, wahrhaft superdupermegagigagroßer Fehler.“
„Wie nett.“, wiederholte Vince sich und schlürfte an seinem Kaffee.
„Ich meine, wie konnte das passieren?“, fragte ich, ohne wirklich auf eine Antwort abzuwarten. „Ich kann mich nicht einmal daran erinnern überhaupt so viel getrunken zu haben, und wenn ich das tat, wieso war ich dann nur so unvorsichtig?“
„Ist eine Vermutung, aber vielleicht hatte das was mit Tobias zu tun?!“, antwortete Vince mir.
„Was? Wieso? Warum?“, fragte ich zurück.
„Tobias und Maria haben sich prächtig amüsiert und verstehen tun sie sich ebenfalls prächtig. Als du gesehen hast, wie sie ausgelassen tanzten und sich küssten, hast du dir von Stefan ein Bier nach dem Anderen geben und dich volllaufen lassen.“, erklärte Vince mir.
„Wieso hat Tobias später nichts gegen meine Sauferei unternommen?“, fragte ich weiter.
„Maria wollte auf einmal gehen und ich hab ihm versprochen, dass ich auf dich aufpassen würde.“, antwortete Vince mir, während er seine Kaffeetasse auf dem Tresen abstellte.
„Das nennst du aufpassen?“, fragte ich ihn entsetzt. „Mich volllaufen lassen und mich dann verführen?“
„Hey!“, rief Vince mir protestierend entgegen. „Ich war selber schon angetrunken und außerdem bist du doch kein kleines Kind mehr, auf das man rund um die Uhr aufpassen muss, oder?! Aber das spielt jetzt auch keine Rolle mehr. Vielen Dank, dass du unsere gemeinsame Nacht als so tragisch empfindest.“ Vince wurde sichtlich wütend, trabte ab und zog sich in das Gewächshaus in sein Baumhaus zurück. Nachdem ich erkannte, einen Fehler gemacht zu haben, folgte ich ihm und setzte mich neben ihn auf die Kante des Baumhauses.
„Du bist ein toller Freund weißt du das?!“, erzählte ich ihm. „Ich hab nicht sehr viele gute Freunde. Tobias und Nina sind meine Besten und ansonsten hatte ich eigentlich niemanden außer dir. Ich habe Angst, dich als Freund zu verlieren, nachdem was nun vorgefallen ist.“
„Ich bin und werde dein Freund bleiben Bobby.“, sagte Vince noch immer leicht beleidigt zu mir. „Ich weiß doch ganz genau, dass dein Herz für jemand ganz anderen schlägt. Da könnte ich doch so oder so nicht konkurrieren, selbst wenn ich wollte.“
„Ich vermisse ihn.“, sagte ich traurig und blickte auf eine Palme, dem Baumhaus gegenüber. „Ich frage mich wie es ihm geht, was er macht, ob er klar kommt…“
„Eigentlich hatte ich gerade jemand ganz anderen gemeint.“, sagte Vince und grinste.
Ich sah Vince überraschend an und wollte was sagen, doch ließ ich es dann lieber, da ich keine Lust auf diese Diskussion hatte. „Auch wenn ich viel trank, verstehe ich dennoch nicht, wie ich einen derartigen Blackout haben kann.“, sagte ich schließlich und rümpfte die Nase.
„Schau mich nicht an. Ich hab keine Ahnung“, erwiderte Vince leicht lachend. „Übrigens…, versteh das bitte nicht falsch, aber du küsst wirklich gut.“, fügte er nach einer kurzen Pause noch hinzu.
*leicht lächelt* „Ich wünschte ich könnte dir dasselbe erzählen, leider erinnere ich mich aber nicht mehr daran.“, lachte ich.
„Wir können es ja noch einmal wiederholen, wenn du magst.“, sagte Vince scherzhaft.
„Nein lieber nicht.“, erwiderte ich und wir Beide mussten grinsten.
Danach saßen Vince und ich noch eine Weile still und leise an der Kante des Baumhauses und sagten kein Wort zu dem jeweils Anderem. Diese Ruhe war sehr angenehm, wenn auch die Luft in dem Gewächshaus sehr stickig war und man bei der Wärme nur sehr schwer atmen konnte.

Eine Stunde später befand ich mich gerade auf dem Nachhauseweg. Der Himmel erstrahlte wieder in einem wunderschönen Blau, die Sonne schien herab und Sonnenstrahlen berührten mein von Winter bleich gewordenes Gesicht.
Auf einmal klingelte mein Handy in meiner Hosentasche. Ich vermutete, dass es meine Mutter oder Tobias waren, die wissen wollten, ob es mir gut ginge und wo ich jetzt stecke, doch war es keiner von Beiden…
„Hallo Bobby. Wie geht es dir?“, fragte mich die Stimme am anderen Ende der Leitung. Ich blieb unter einem Kirschblütenbaum stehen, als ich die Stimme von Justin vernahm. Viel Zeit war vergangen, dass ich seine Stimme hörte, doch wusste ich sofort, dass es seine ist.
Eine Kirschblüte fiel vor meinen Augen vom Baum herab und landete zu meinen Füßen und hob sie vorsichtig auf, während ich das Handy an mein Ohr hielt und hörte, was mir Justin zu sagen hatte. Eine Kirschblüte steht für Schönheit und Vergänglichkeit und zudem war es ein Zeichen dafür, dass der Frühling begann und die Natur aus dem Winterschlaf erwachte und wieder neu aufblühte.

Fortsetzung folgt...!

Doofer Feiertag. Da vergesse ich gleich, ein neues Kapitel hochzuladen. Nun also wieder mal mit einem Tag Verspätung. Tut mir Leid!
Diese Woche steht Bobby wieder vor einigen Herausforderungen: Sein Outing, sein leiblicher Vater, Justin und sein 18.Geburtstag! Nur gut, dass er stets seinen besten Freund Tobias und seine Familie an seiner Seite hat.


62. Geoutet – Teil 1
„Er will sich mit dir treffen?!“, fragte Tobias mich ganz überrascht. Ich saß mit ihm und Vince zusammen in der Cafeteria am Park und berichtete den Beiden über Justins Anruf vom Vortag.
„Ja morgen um 16 Uhr, an der Stelle, wo wir uns das erste Mal begegnet sind.“, antwortete ich, während ich unsicher zum Fenster rausstarrte und die Leute beobachtete, die im Park spazieren gingen.
„Hast du denn eine Ahnung was er von dir möchte?“, fragte mich Tobias weiter, doch ich schüttelte nur den Kopf. „Dann solltest du dich auf gar keinen Fall mit ihm treffen! Er wird dir doch nur wieder wehtun.“, sagte Tobias schließlich und irgendwie klang das auch logisch.
Ich fragte Vince, der bisher zu dem Thema schwieg: „Was denkst du, soll ich tun?“
„Naja.“, sagte er etwas unsicher. „Was Tobias sagt stimmt schon…“
„Siehst du!“, rief Tobias dazwischen und bedankte sich bei Vince.
„Aber?“, fragte ich an Vince gewandt, der mit seiner Antwort noch nicht fertig zu sein schien.
„Aber was ist wenn es ihm leid tut und dich genauso vermisst wie du ihn vermisst? Ich bin nicht gerade der gesellige Kerl, zumindest war ich das nicht bis ich dich kennenlernte, aber hat nicht jeder Mensch ein zweite Chance verdient?!“, antwortete Vince mir und schwieg daraufhin auch wieder.
„Bitte geh da nicht hin.“, bat Tobias mich eindringlich.
„Wenn ich nicht hingehe, werde ich mich immer fragen: Was wäre wenn…?“, sagte ich zu ihm.
„Also triffst du dich morgen mit ihm?“, fragte Vince mich und ich nickte.

Als ich am nächsten Tag pünktlich am vereinbarten Treffpunkt ankam, wartete Justin bereits auf mich. Als ich ihn sah, übermahnten mich meine Gefühle, von denen ich gar nicht wusste, dass sie noch da sind. Ich sah Justins hübsches Gesicht, samt seinen blauen Augen. Sein blonder Haarschopf schien im Sonnenlicht zu glitzern und sein erleichtertes Lächeln, dass ich gekommen bin, schien den Tag gleich nochmal um einiges schöner zu gestalten, als er ohnehin schon ist.
„Ich danke dir, dass du gekommen bist.“, begrüßte er mich und wollte mich schon umarmen, als er auf einmal inne hielt. Offenbar war er genauso nervös und aufgeregt wie ich es schien.
Kein Wunder, haben wir Beide uns doch über einen Monat nicht mehr gesehen und miteinander geredet. Nicht zu vergessen, dass unsere Trennung alles andere als schön war. Ich bekam immer noch Gänsehaut und feuchte Augen, wenn ich an die Nacht damals zurückdenke.
„Du wolltest mit mir reden. Hier bin ich.“, sagte ich schließlich und es kam kälter rüber, als es klingen sollte.
„Ja ich… musste dich sehen.“, brach es schließlich aus seinem Mund heraus.
„Warum?“ fragte ich ihn und wich seinem Blick keine einzige Sekunde lang aus.
„Weil ich dich vermisst habe und es mir Leid tat, wie die Dinge am Ende zwischen uns gelaufen sind.“, antwortete er mir.
„Was genau tut dir denn Leid?“, fragte ich ihn etwas genauer.
Justin spielte mit seinem rechten Fuß an einem Ast, der am Boden lag, rum und schien seine Worte mit Bedacht zu wählen. „Ich hätte dich damals nicht so gehen lassen dürfen – nicht so! Vor allem weil du Recht hattest mit dem was du sagtest. Insbesondere als es um meine Gabe, mit Tieren sprechen zu können, ging. Ich verliere die Kontrolle darüber und zwar aus dem einfachen Grund, weil ich der einzige Mensch zu sein schein, der solch eine Gabe besitzt. Wie soll ich damit umgehen, wieso bin ich der Einzige der das kann und wieso bin ich der Einzige?!“
„Du weißt ja gar nicht ob du der Einzige bist. Die Welt ist groß!“, antwortete ich ihm schließlich.
„Ja, aber ich fühl mich, als wäre ich vollkommen auf mich alleine gestellt!“, rief Justin mir zu.
„Ich wollte für dich da sein, aber du hast mich abgeblockt. Immer und immer wieder, wenn ich was über dich wissen wollte, hast du es mir entweder verschwiegen, oder mich angelogen.“, sagte ich.
„Nicht um dich zu verletzten, sondern um dich zu beschützen.“, sagte Justin und ich konnte erkennen, wie er den Tränen nahe war.
„Und was ist mit deiner Mutter? War es nun ein Unfall oder nicht?!“, fragte ich ihn erneut.
„Es war kein Unfall, sondern Mord, allerdings hab ich sie nicht umgebracht, so wie es mein Vater geschildert hat!“, antwortete er mir schnell. „Es war ein ehemaliger Angestellter im Zoo. Er hat die Dosis im Betäubungsgewähr mit Absicht verringert, weshalb die Löwin nur kurz bewegungsunfähig war und als die Wirkung nachließ, da hat die Löwin…“
„Und wieso sagt dein Vater dann so etwas?“, fragte ich ihn.
„Er war betrunken und er hat den Vorfall wohl mit einem anderen Vorfall verwechselt, der damals stattfand.“, erklärte Justin mir, doch in meinem Kopf stellten sich nur noch mehr Fragen.
„Was für ein anderer Vorfall?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Ich kann es dir nicht sagen.“, sagte Justin und auf einmal fing er an zu weinen. „Es tut mir Leid Bobby. Ich kann es deshalb nicht, weil ich Angst habe, du würdest mich dann vielleicht verachten, oder hassen. Du bist der erste Mensch, der mir so wahnsinnig viel bedeutet und ich darf dich nicht verlieren!“
„Dann hättest du mich damals nicht gehen lassen dürfen.“, sagte ich traurig zu ihm und eine Träne lief nun auch meine Wange hinab. Ich wollte gehen, als ich erkannte, dass das zu nichts führte, außer zu noch mehr Schmerz, doch hielt mich Justin auf einmal am Arm fest und auf einmal standen wir uns so nah, wie schon lange nicht mehr und wir blickten uns gegenseitig in die Augen.
Ich weiß nicht mehr von wem es ausging, aber plötzlich fand ich mich in einem leidenschaftlichen Kuss mit Justin wieder, der gar nicht mehr enden wollte.

„Ich hab dir ja gesagt, dass das nur weiteren Schmerz hervorruft.“, sagte Tobias am nächsten Morgen in der Schule zu mir, während Herr Frenzel seinen Matheunterricht hielt.
Ich erwiderte zu Tobias Aussage nichts, da ich mit meinen Gedanken an der Stelle war, nachdem sich mein Kuss mit Justin löste. Ich sagte zu Justin, dass das nichts ändern würde, dass er mich zu sehr verletzt habe und ich ihm nicht mehr so leicht Vertrauen schenken kann. Ich sagte ihm, dass ich mich bei ihm melden würde, wenn ich über gewisse Dinge nachdachte. Dann bin ich gegangen und ließ Justin alleine im Wald stehen.
Die Pausenglocke bimmelte und die ganze Klasse stürmte aus dem Klassenzimmer. Tobias und Ich verließen als Letzte das Klassenzimmer und in den Schulkorridoren brach lautes Gemurmel aus.
„Was ist denn da los?“, fragte Tobias in die Menschenmenge hinein, doch bekam er keine Antwort. Die Blicke einiger Schüler richteten sich auf mich. Einige sahen mich schockiert und überrascht an und andere wiederum fingen an zu kichern. „Was ist denn in euch gefahren?“, fragte Tobias nochmals.
Als einige Schüler beiseitetraten, konnten Tobias und ich einen Blick auf die Pinnwand werfen, an der ein Foto hing. Mir rutschte das Herz in die Hose, meine Augen wurden weit und ich fing an zu zittern. Auf dem Foto waren ich und Justin im Wald zu sehen, wie wir uns küssten!


63. Geoutet – Teil 2
Meine Beine und Hände fingen an zu zittern. Entsetzen und Furcht spiegelten sich in meinen Augen wieder, während mich unzählige Schüler anstarrten als wäre ich ein Außerirdischer von einem fremden Planeten.
„Habt ihr nichts Besseres zu tun als Leute anzustarren?!“, rief Tobias wütend und riss das Foto von der Pinnwand runter. Dann packte er mich am Arm und zerrte mich von der Menge weg. „Alles okay mit dir?“, fragte er mich besorgt.
Ich antwortete ihm nicht. Zu sehr stand ich noch unter Schock, was soeben geschehen war.
„Würde zu gerne wissen, wer das gewesen ist.“, murmelte Tobias wütend vor sich hin, während wir in den Schulhof traten, wo die Pause stattfand.
Hausmeister Herr Beck entleerte gerade einen Mülleimer, als Maria auf uns zustürmte. „Ist das wahr?“, fragte sie laut, so dass man sie im Umkreis von fünfzig Metern hören konnte.
„Was wahr?“, fragte Tobias seine Freundin.
„Bist du schwul Bobby?“, fragte Maria ohne Umschweife. „Wenn ja, würde es mich keineswegs wundern. Schließlich hab ich deinen Freund Justin ja schon einmal kennengelernt.“
„Ex-Freund!“, sagte ich zur ihr mürrisch, nachdem ich meine Stimme wieder gefunden hatte.
„Also ist es tatsächlich wahr.“, sagte Maria nun doch ein kleinwenig überrascht.
„Du hast das Foto also auch gesehen?“, fragte Tobias sie.
„Wer hat das nicht gesehen? Auf dem ganzen Schulgelände hängen mehrere Fotos davon!“, antwortete Maria ihm. Tobias und ich warfen uns Blicke zu, dann rannten wir Beide los, suchten jedes Foto, zerrissen es und warfen es in den Müll.

Den restlichen Schultag über ging es überraschend ruhig in der Klasse zu. Herr Frenzel konnte schwören, dass es noch nie ruhiger in der Klasse zugegangen ist. Natürlich spürte ich die Blicke meiner Klassenkameraden im Nacken. Als ich zu Chris sah, wich er meinem Blick sofort aus. Manne starrte mich unentwegt an, während Matthias mich voll und ganz zu ignorieren schien.
Als die Glocke zum Schulende läutete, stürmte ich mit einem Affenzahn aus der Schule raus. Tobias folgte mir, so schnell er konnte und holte mich schließlich kurz vorm Rathausplatz ein.
„Jetzt warte doch mal Bobby!“, rief er mir zu, während er nur ganz leicht nach Luft rang. „Wie geht es dir jetzt? Willst du mit mir reden?“, fragte er mich.
„Nimm es mir bitte nicht übel, aber ich will momentan mit niemanden reden.“, antwortete ich ihm.
„Willst du dann auch gar nicht wissen, wer das Schwein gewesen ist, der in der ganzen Schule die Fotos aufgehängt hat?“, fragte er weiter, während er mich behutsam an den Schultern festhielt.
„Es gab nur drei Menschen, denen ich erzählt habe, dass ich mich im Wald mit Justin treffe: Dir, Vince und Nina in einer E-Mail. Letztere ist in Amerika also…“, fing ich an zu schlussfolgern.
„Du denkst wirklich das es einer von uns war?!“, fragte Tobias mich schockiert.
„Ich weiß gerade gar nicht was ich denken soll!“, schrie ich ihn an. „Von einer Sekunde auf die andere, hat sich mein Leben schlagartig verändert!“
„So schlimm war es doch gar nicht. Man hat dir komische Blicke zugeworfen gut, aber zumindest hat dich niemand beschimpft, oder dich verprügelt, wie man es öfters aus den Medien hört.“, versuchte Tobias mich zu beruhigen.
„Ich muss zu Vince.“, sagte ich nur.
„Vince hätte das nicht getan, genauso wenig wie ich es getan habe.“, sagte Tobias zu mir. „Vince war immer nett zu dir, obwohl du nicht immer nett zu ihm warst. Welchen Grund hätte er außerdem, dir so etwas anzutun?“
„Ich und Vince wir hatten eine gemeinsame Nacht!“, kam es aus mir heraus und erschütterte Tobias damit. „Was ist, wenn er eifersüchtig auf Justin ist?!“
Ich merkte Tobias an, dass er sich sehr zusammenriss. „Dann hätte Vince dir das Treffen mit Justin aber ausgeredet und dich nicht auch noch dazu ermutigt hinzugehen.“, antwortete er mir. „Außerdem hätte er dann nicht dich in die Scheiße reingeritten, sondern doch wohl Justin.“
Was Tobias da sagte, schien irgendwie logisch zu klingen. Vince hätte mir das nicht angetan und Tobias ebenso wenig. Genaugenommen hätte sich jeder im Wald befinden können und ein Foto von mir und Justin machen können. Doch wer war es?
Als ich und Tobias unseren Heimweg schließlich fortsetzten, kamen wir am Rathausplatz vorbei, wo der nächste Schock auf mich wartete. Am ganzen Rathausplatz hing das Foto von mir und Justin, wie wir uns im Wald küssten.
„Da hatte wohl jemand Langeweile und zu viel Zeit.“, sagte Tobias sarkastisch und schockiert, als sein Handy anfing zu klingeln. Es war Maria. „Was in der ganzen Ortschaft hängen diese Fotos?!“, rief Tobias laut in das Handy, als er von Maria die Nachricht erfuhr.
„Sag meinen Eltern, dass ich heute etwas später nach Hause komme.“, bat ich Tobias und drückte ihm meine Schultasche in die Hand.
„Was, wieso? Halt warte!“, rief er mir zu, doch da bin ich bereits losgerannt – Richtung Zoo!
Wenn in der ganzen Ortschaft diese Bilder hingen, würden auch Justin und sein Vater bald Wind davon bekommen und wenn Mr. Taler erfährt, dass sein Sohn schwul ist… In meinem Kopf spielten sich die verrücktesten und schlimmsten Szenarien ab. Wer tut so etwas? Wer will mir und Justin damit schaden? Tobias? Vince? Ein Schüler aus meiner Klasse? Vielleicht auch Maria? WER?!


64. Geoutet – Teil 3
Als ich am Zoo ankam, fand ich Herr Talers Büro abgesperrt vor. Er war offenbar nicht da und als ich eine der Angestellten nach ihm und Justin befragte, meinte sie, dass sie die Beiden den ganzen Tag noch nicht gesehen hätte.
Ich spurtete also wieder aus dem Zoo raus und machte mich auf den Weg zu Justins Wohnung. Auf dem Weg dorthin, sah ich an der einen oder anderen Laterne das Foto von mir und Justin hängen. Ich fluchte leise vor mich hin. Es müsste schon an ein Wunder grenzen, dass Herr Taler keines der Fotos in die Finger bekäme…
Als ich bei der Wohnung ankam, klingelte ich unten an der Haustür. Aus dem Lautsprecher war nach ein paar Sekunden des Wartens Herr Talers grimmige Stimme zu hören: „Ja wer ist da?“
„Guten Tag Herr Taler.“, begrüßte ich ihn recht freundlich. „Hier ist Robert Forster. Ist Justin da?“
„Du kleiner verdammter Balg!“, schrie mir Herr Taler durch den Lautsprecher entgegen. Ich erschrak und trat einen Schritt zurück, als würde Herr Taler direkt vor mir stehen. „Verschwinde auf der Stelle, oder ich verprügle dich windelweich!“
„Herr Taler bitte…“, versuchte ich ihn zu beruhigen. „Kann ich mit Justin reden?“
„Er ist nicht mehr hier!“, antwortete er mir wütend. „Ich hab ihn rausgeworfen, nachdem ich dieses scheußliche Bild von euch Beiden sah. Mir kommt das Kotzen, wenn ich nur daran denke…!“
Mit Herr Taler war momentan nicht zu reden, das war mir bewusst, aber ich musste wissen, wo Justin ist. „Wissen sie wo Justin nun steckt?“, fragte ich gewohnt freundlich.
„Ich weiß es nicht und ich will es nicht wissen. Ich hoffe er kommt mir nie wieder unter die Augen!“, schrie mir Herr Taler als Antwort entgegen und ich wusste, dass es keinen Sinn machte, mich noch weiter mit ihm zu unterhalten.
Ich ging also wieder meinen Weg und obwohl ich wusste, dass es keinen Sinn machte nach Justin zu suchen, suchte ich ihn überall wo ich ihn vermutete. Im Wald, im Reitstall, am Marktplatz…, leider fehlte jede Spur von ihm und meine Sorge um ihn wuchs ins Unermessliche.

Am nächsten Tag marschierte ich deprimiert und ängstlich in die Schule. Meinen Eltern, denen ich erzählte was in der Schule passierte, hatten vorgeschlagen mich zu fahren, doch wollte ich keine große Sache daraus machen. Außerdem schien Tobias Recht zu haben, dass außer ein paar komischen Blicken mich nichts Schlimmeres erwartete.
Als ich den Schulkorridor entlangging, kam Frau Schneider auf mich zu. „Schön dass du gekommen bist Robert. Würdest du mir bitte kurz folgen? Ich möchte in meinem Büro gerne kurz mit dir reden.“, bat Frau Schneider mich und ich folgte ihr widerwillig.
Als wir in ihrem Büro Platz nahmen, fragte ich sie: „Geht es um die bevorstehenden Prüfungen?“
„Frau Schneider schüttelte lächelnd den Kopf. „Nein, nein, ich möchte mit dir nicht über die Prüfungen reden, sondern über die Vorkommnisse des letzten Tages.“
„Ah.“, gab ich zu verstehen und war auf alles gefasst, was nun kommen mag.
„Hast du über dein Problem schon mit Psychologen gesprochen?“, fragte Frau Schneider mich und die Frage hatte ich nun wirklich nicht erwartet.
„Wie bitte?!“, fragte ich sie entsetzt.
„Ob du mit Psychologen über dein Problem geredet hast?“, fragte sie mich erneut. „Es ist nicht normal, dass sich ein Junge zum gleichen Geschlecht hingezogen fühlt. So etwas sollte schnellstmöglich unterbunden und behandelt werden.“
„Sind sie verrückt?“, fragte ich sie. Ich konnte nicht so recht glauben, was ich da soeben hörte.
„Es ist auch bekannt, dass diese Krankheit vom männlichen Elternteil übertragen wird.“, fuhr Frau Schneider unbeirrt fort, als hätte sie mit meinen Widerstand gerechnet. „Ich würde mich also sehr darüber freuen, wenn sie einmal ihren Vater mitbringen würden, damit wir in Ruhe alles…“
Mir platzte der Kragen und sprach ihr rein: „Jetzt hören sie mir mal gut zu: Ich bin nicht krank! Der Einzige der in diesem Raum krank zu sein scheint, sind sie und sie nennen sich Vertrauenslehrerin? Mit meinem Vater ist alles in Ordnung, wenn man davon absieht, dass er nicht mein leiblicher Vater ist, da dieser sich vor meiner Geburt aus dem Staub gemacht hat. Wenn sie also mit meinem leiblichen Vater reden wollen, müssen sie ihn erst einmal suchen und finden. Ich bin genauso normal wie jeder andere Schüler auch. Ich hätte nie gedacht, dass sie zu denen gehören, die Homosexualität verachten. Ich bin enttäuscht von ihnen!“, knallte ich ihr an den Latz, verließ empört ihr Büro und schlug die Tür mit einem Knall zu.

Im Klassenzimmer erzählte ich Tobias von meiner Sitzung bei Frau Schneider und von Justins Verschwinden. Tobias war ebenso wie ich überrascht und entsetzt über Frau Schneiders und Herr Talers Verhalten. „Ich hatte gestern übrigens ein etwas unangenehmes Gespräch mit Maria.“, sagte er anschließend.
„Inwiefern unangenehm?“, fragte ich ihn nervös.
„Naja…“ Tobias hielt kurz inne, als Herr Frenzel das Klassenzimmer betrat. Dann fuhr er im Flüsterton fort: „Sie wollte wissen, ob ich wusste das du auf Jungs stehst, wie ich mich damit fühle, ob ich mit dieser Situation klar komme und so weiter. Ich glaube sie befürchtet, ich wäre auch schwul, gefragt hat sie mich das immer direkt nicht.“
So abwegig wäre der Gedanke nicht einmal, dachte ich mir, doch sagte ich es nicht, da Herr Frenzel soeben mit seinem Unterricht begann.
„Heute ist unser letzter offizieller Unterrichtstag, bevor die Prüfungen anstehen.“, sagte Herr Frenzel zur Klasse. „Sie würden mir also eine große Freude bereiten, wenn sie heute wieder genauso leise arbeiten würden, wie am gestrigen Tag.“
„Nur möglich, durch ein weiteres Foto von unserem warmen Bruder.“, sagte Manne lachend und viele der Klassenkameraden stimmten in sein Gelächter mit ein. Ich wäre Manne am liebsten an die Gurgel gegangen.
„Ich bitte um Ruhe!“, befahl Herr Frenzel laut. Dann ging er zur Tafel und öffnete diese, auf der bereits etwas in Großbuchstaben geschrieben stand: BOBBY, DU SCHWUCHTEL! „Wer ist das gewesen?!“, fragte Herr Frenzel wütend in die Klasse, doch niemand antwortete ihm. Manne konnte sich sein Lachen nur schwer verkneifen. Christian, Matthias und Leon schauten unschuldig in verschiedene Richtungen.
Mein Herz fing an zu pochen und wieder fing ich an zu zittern. Tobias versuchte mich zu beruhigen, indem er mir seine Hand beschützend auf meine legte.
„Oho Tobias, läuft da was zwischen euch?!“, fragte Manne ihn laut und wieder fingen einige der Schüler an zu lachen.
Mir reichte es endgültig und rannte aus dem Klassenzimmer, so schnell ich konnte. „Bobby warte!“, rief Tobias mir hinterher, ehe er sich mit seiner Faust auf Manne stürzte. Herr Frenzel versuchte die Beiden mit Geschrei auseinanderzubringen. Das Chaos brach in der Klasse aus, das Chaos brach in der Schule aus, das Chaos brach in meinem Leben aus…


65. Geoutet – Teil 4
Ich saß auf der Treppe in der Schule und vergrub mein Gesicht in meinem Schoß, während ich – wieder einmal – weinte. In letzter Zeit weinte ich oft, wie ich feststellte.
„Na wer wird denn da gleich den Kopf in den Sand stecken.“, sagte eine tiefe, aber sanftmütige Stimme zu mir. Ich blickte hoch und starrte in das Gesicht von Herrn Beck, der einen Besen in seinen Händen hielt und wohl gerade die Treppe kehren wollte. „So schlimm?“, fragte er mich.
„Was wissen sie denn schon. Lassen sie mich in Ruhe.“, sagte ich aufmüpfig und unter Tränen.
„Na hör mal. Ich weiß mehr als du zu glauben scheinst, oder wer glaubst du, hat dir und deinem Freund geholfen, all die Fotos in dieser Schule zu entfernen?!“, erzählte mir Herr Beck.
„Sie haben sie entfernt? Warum? Haben sie keine Freude daran, anderen Leuten bei ihrem Leid zuzusehen?“, fragte ich ihn verwirrt, da sich die Schüler auch oftmals gerne über ihn – den Hausmeister – lustig machten.
„Ich sehe ungern wie Menschen leiden und wenn andere meinen, sie müssen sich an dem Leid der Anderen ergötzen, dann nur zu… sollen sie doch!“, erwiderte Herr Beck auf meine Frage und ich fing an Respekt für ihn zu entwickeln. Woher das plötzlich kam, wusste ich allerdings auch nicht. „Es ist mir egal, was andere Leute über mich denken. Wichtig ist nur, was du über dich selber denkst!“, fuhr Herr Beck fort und schaffte es mit seiner sanftmütigen Art meinen Tränen Einhalt zu gewähren und mir ein winziges Lächeln ins Gesicht zu zaubern.
„Sie wissen das ich auf Jungs stehe.“, sagte ich schließlich zu ihm. „Was denken sie über Homosexualität? Frau Schneider bezeichnete es als „Problem“ und „Krankheit“.“
„Dann hat diese Frau noch weniger Verstand als ich annahm und ich nahm sowieso schon an, dass sie recht wenig Verstand besitzt.“, antwortete Herr Beck mir. „Auf dem ersten Blick eine recht nette, fürsorgliche und liebevolle Frau, aber erst wenn du in das Innerste eines Menschen blickst, siehst du die wahre Person die sich darin schlummert.“
Die letzten Worte die Herr Beck von sich gab, kamen mir vertraut vor und ich erinnerte mich daran, dass Ben im Zoo damals so etwas Ähnliches zu mir sagte. Das war wohl auch das einzig Wahre, was er damals von sich gab, denn er und Herr Beck hatten Recht. Ich stellte fest, dass ich immer und immer wieder nur nach dem ersten Blick urteilte. Ich verurteilte Tobias zu einem Schläger und Einsiedler, als ich ihn damals kennenlernte. Ich verurteilte Justin zu einem wunderschönen Jungen, der er auch ist, aber innerlich einiges an Traurigkeit zu bieten hat. Ich verurteilte Anthony zu einem mürrischen und unbeliebten Zoo-Mitarbeiter, nachdem Ben mir das weißmachte und ich Anthony auch als solchen das erste Mal traf. Ich verurteilte Herr Beck zu nichts weiter als einem Hausmeister, doch schien er viel mehr als das zu sein…
„Ich muss wieder an die Arbeit und du lass den Kopf nicht hängen.“, sagte Herr Beck zu mir und munterte mich ein wenig auf. „Ich verspreche dir, dass alles wieder in Ordnung kommen wird!“

Abends spielte ich mit meiner kleinen Schwester Annie ein wenig Karten um mich abzulenken. Annie hatte auch was davon, denn ich war gedanklich so abgelenkt, dass sie fast jedes Spiel gewann. *lacht* Auf einmal fing mein Handy an zu vibrieren und zu klingeln. Eine unbekannte Nummer wurde angezeigt. Hoffentlich keiner, der sich einen Scherz erlaubt und über mich herziehen will, dachte ich mir, doch als ich ranging wurde ich eines Besseren belehrt.
„Hey Bobby.“, begrüßte mich Justins engelhafte Stimme und ich spürte, wie mein Herz anfing schneller zu schlagen. „Tut mir Leid. Ich weiß, dass du dich bei mir melden wolltest, aber ich dachte dass du zumindest wissen solltest, dass mein Dad mich aus der Wohnung rauswarf. Nur damit du nicht bei mir Zuhause anrufst, oder sogar vorbeigehst.“
„Danke für die Warnung, auch wenn sie einen Tag zu spät kommt.“, sagte ich und irgendwie musste ich lachen, obwohl eigentlich nichts Lustiges dabei war, aber die Tatsache, dass sich Justin bei mir meldete, machte mich glücklich. „Wie geht es dir und wo bist du jetzt?“, fragte ich ihn neugierig.
„Mir geht es soweit ganz okay. Nachdem mein Dad mich rausgeworfen hat, irrte ich erst einmal ziellos durch die Gegend. Dann bin ich zu Anja und Paul gegangen und hab ihnen erklärt was passiert sei. Sie haben mir Unterschlupf gewährt.“, antwortete Justin und mir viel ein Stein vom Herzen. „Weißt du, wer das Foto geschossen und in der ganzen Stadt aufgehängt hat?“
„Nein leider nicht.“, antwortete ich ihm bedauernd. „Ich versuch zwar noch herauszufinden, wer das gewesen sein könnte, aber im Prinzip könnte es jeder gewesen sein und momentan hab ich auch noch ganz andere Probleme.“
„Was ist los Bobby?“, fragte mich Justin besorgt und ich erzählte ihm, was in der Schule vor sich ging.

Am nächsten Morgen ging ich so spät wie nur möglich in die Schule, denn wenn bereits alle Schüler in ihren Klassenzimmern waren, dann würden mir auch die nervigen Blicke erspart bleiben.
Doch als ich an den Fahrradständern vorbeimarschierte, wurde ich überrascht. Matthias und mir vier fremde Jungs stellten sich mir in den Weg und rieben sich die Fäuste. „Morgen Schwuchtel!“, begrüßte mich Matthias provozierend und mit einem breiten Grinsen im Gesicht.
„Du warst das mit dem Spruch an der Tafel?“, fragte ich ihn überrascht. „Ich dachte das war Manne!“
„Ja Manne…, unser Junge mit dem großen Mundwerk. Darf gerne mal als Sündenbock für meine Schandtaten hinhalten, ohne dass er überhaupt etwas davon weiß, aber das kommt davon, wenn man einen so niedrigen IQ hat und ich im Gegensatz dazu einen so hohen!“, erklärte Matthias mir hochnäsig und lachte dabei genauso gehässig wie seine vier Begleiter.
„Du bist ein mieser und noch dazu falscher Freund!“, schrie ich Matthias mutig an.
„Freunde pah.“, lachte Matthias empört auf. „Die Schule ist bald vorbei und dann geht doch sowieso jeder seinen eigenen Weg. Glaubst du, danach interessiert sich noch jemand für mich? Glaubst du, danach interessiert sich noch einer für den Klassenstreber?!“
„Du scheinst wohl mehr als das zu sein.“, sagte ich und meine Blicke wanderten zu seinen vier Kumpanen.
„Ja…“, sagte Matthias und tat so, als wäre er gelangweilt. Dann packte ihn ein neuer Elan. „Ist ja jetzt auch egal. Leute wie deinesgleichen verdienen eine ordentliche Tracht Prügel.“, sagte er und kam mit seinen vier Kumpanen langsam drohend auf mich zu…


66. Geoutet – Teil 5
Krankenhausbesuch der Dritte. Tja…, Matthias und seine vier Kumpels haben mich grün und blau geschlagen. Ich sah wirklich unterirdisch mies aus und genauso fühlte ich mich auch.
Die Tür ging auf und meine Eltern stürmten in das Zimmer. „Oh Bobby!“, rief meine Mutter ganz laut und entsetzt, als sie sah, wie zugerichtet ich im Bett lag.
„Dr. Gold, schön sie wieder zu sehen, auch wenn die Umstände nicht gerade die Besten sind.“, begrüßte mein Vater Dr. Gold. „Wie geht es Bobby?“
„Bobby hat schwerwiegende Verletzungen.“, antwortete Dr. Gold meinen Eltern. „Viele Prellungen, sogar Blutergüsse und eine Gehirnerschütterung ist auch nicht auszuschließen. Wir werden ihn erst einmal hier behalten, Untersuchungen durchführen und gegebenenfalls behandeln. Wir wollen ernstere und dauerhafte Schäden zu hundert Prozent ausschließen können.“
Mein Vater bedankte sich bei Dr. Gold, dann sagte er:. „Ich werde mal rausgehen. Tobias wartet mit Annie draußen. Wir wollten nicht, dass sie sieht, wie ihr großer Bruder zugerichtet worden ist.“
„Bobby, erstatte Anzeige!“, bat Vince mich, als mein Vater das Zimmer verließ.
„Was würde das jetzt noch bringen? Meine Schmerzen werde ich dadurch nun auch nicht mehr los.“, sagte ich unter Schmerzen, da mir bei jedem Wort die Unterlippe wehtat.
„Was das jetzt noch bringt?! Gerechtigkeit!“, erwiderte Vince aufgebracht.
„Bobby…“, flehte meine Mutter mich an. „Wer war das? Wer hat dir das angetan?“

Nachdem meine Eltern und meine Freunde mir Mut zugeredet haben, zeigte ich Matthias und seine Kumpanen schließlich doch bei der Polizei an. Allerdings stoß ich auf herben Widerstand. Matthias behauptete vor der Polizei und dem Schulrektor, dass er mit Leon, Christian und Manne bereits auf dem Weg zum Sportunterricht war, als mein tragischer Unfall geschah. Seine drei Zeugen bestätigten Matthias Aussage und somit war meine Aussage und Anzeige nichts wert, da ich keine Zeugen hatte. Ich war fassungslos. Ich hätte nie gedacht, dass mir Matthias so etwas antun würde und das die anderen Drei jetzt auch noch dicht hielten… Das durfte doch alles nicht wahr sein!
Inzwischen waren fast zwei Wochen seit diesem Vorfall vergangen und der Schmerz verschwand von Tag zu Tag mehr, dafür stieg meine Angst. Hinter jeder Ecke vermutete ich inzwischen einen Angreifer, selbst dann, wenn Tobias mich beschützend zur Schule begleitete.
„Das man da gar nichts machen kann. Die Welt ist so ungerecht!“, schimpfte Tobias laut, als wir die Schule betraten und Christian auf uns zu kam.
„Hey Bobby, kann ich kurz mit dir unter vier Augen reden?“, fragte er mich nervös.
„Ich denke nicht dass er das will.“, sagte Tobias zu ihm und stellte sich schützend vor mich.
„Bitte Bobby, es ist wichtig!“, flehte mich Christian an und ich nickte still.
„Ich warte da vorne.“, sagte Tobias zu mir. „Wenn was ist, bin ich sofort da.“ Wie süß und lieb Tobias doch ist, dachte ich mir und ein Lächeln fuhr über meine Lippen.
„Es tut mir Leid, was dir zugestoßen ist Bobby.“, entschuldigte sich Christian bei mir.
„Wieso denn?“, fragte ich ihn sarkastisch. „Du hast mich ja nicht verprügelt. Du und die Anderen ihr deckt ja nur den, der es getan hat.“
„Ja und ich habe einen Fehler gemacht!“, rief Christian laut. „Ich dachte genauso wie du, dass Matthias mein Freund wäre und für das was ich getan habe, gibt es weder eine Entschuldigung noch eine Erklärung… Du weißt doch, dass meine Eltern geschieden sind, oder?“, fragte er mich und ich nickte, obwohl ich nicht verstand, was das nun damit zu tun hatte. „Mein Dad hat meine Mutter wegen einem anderen Mann verlassen und dafür habe ich ihn lange Zeit gehasst, aber er ist mein Dad und ich liebe ihn trotzdem. Das habe ich dank diesem Vorfall nun eingesehen.“

Nach Christians Geständnis überschlugen sich die Ereignisse in der Schule. Matthias wurde erneut vom Rektor zu sich ins Büro gerufen, während Tobias, Leon, Manne, Christian und Ich zusammen unter der Aufsicht von Herrn Frenzel und Herr Beck draußen im Schulkorridor warteten.
Tobias tippte flink auf den Tasten seines Handys herum und ich fragte mich die ganze Zeit, wem er da schrieb, als plötzlich Frau Schneider aus ihrem Büro trat. „Ich weiß wirklich nicht was all diese Aufregung soll.“, sagte sie verständnislos. „Robert hat doch nur seine gerechte Strafe für seine Krankheit und Unbeugsamkeit erhalten.“
„Sind sie bescheuert?!“, fragte Herr Beck sie laut. „Bobby hätte bleibende Schäden davon tragen, oder sogar sterben können!“ Ein seltsames Gefühl breitete sich in mir aus, als Herr Beck mich Bobby nannte. So nannten mich in der Regel nämlich nur Freunde und Familienangehörige.
„Wie gesagt Strafe muss sein…!“, sagte Frau Schneider unbeirrt.
Herr Frenzel hielt Herrn Beck an den Schultern fest und versuchte ihn zu beruhigen, als Matthias mit dem Rektor aus dem Büro trat. „Mir kann man nach wie vor nichts.“, sagte er hämisch grinsend.
Herr Beck riss sich von Herrn Frenzel Griff los, betrat das Büro des Rektors und schloss hinter sich die Tür ab. Alle fragten sich, was das nun sollte, als plötzlich die Lautsprecheranlage anging und Herrn Becks Stimme durchs ganze Schulhaus schalte: „Schüler, Schülerinnen und Lehrkräfte dieser Schule.
Homosexualität – Viele Menschen bezeichnen es in der heutigen Zeit immer noch als Krankheit, als gäbe es ein Heilmittel dafür. Doch ich sage euch, dass daran nichts geheilt werden muss, kann und sollte! Wenn ein Junge einen anderen Jungen, oder ein Mädchen ein anderes Mädchen liebt, dann sollte man sich doch einfach für die Beiden freuen, dass sie ihr Glück und ihre Liebe gefunden haben. Wollen wir das denn nicht alle? Glücklich sein und geliebt werden? Die Feindseligkeit und Diskriminierung der Gesellschaft gegenüber der Homosexualität ist lediglich ein Fall ihrer grundsätzlichen Feindseligkeit gegenüber dem adoleszenten Geist. Niemand sucht sich Herkunft, Hautfarbe oder sexuelle Orientierung aus, aber jeder kann wählen, ob er ein Arschloch ist oder nicht! Dankeschön!“ Als Herr Beck mit seiner Rede fertig war, fingen die Leute in den einzelnen Klassenzimmern an zu klatschen und zu applaudieren. Tosender Lärm brach durch das Schulhaus!
„Ich will kein Arschloch sein.“, sagte Christian laut, damit jeder ihn verstehen konnte. „Matthias ist nicht mit uns zum Sportunterricht gegangen!“ Matthias warf ihm einen wütenden Blick zu.
„Ich will auch kein Arschloch sein.“, rief Manne zu meiner und Tobias großen Überraschung.
„Und ich auch nicht!“, stimmte Leon zu und Matthias Gesicht wurde kreidebleich.
„Ihr verdammten Verräter!“, schrie Matthias sie wütend und entsetzt an.
Auch Frau Schneider sah schockiert in die Runde und Herr Frenzel konnte es sich nicht nehmen lassen, als einen Kommentar über sie ergehen zu lassen: „Wie es aussieht Frau Schneider, stehen sie mit ihrer geistigen Behinderung alleine da, aber keine Angst, dafür gibt es sicher ein Heilmittel!“ Ich musste lachen und Herr Frenzel zwinkerte mir aufmunternd und kameradschaftlich zu.
Tobias lachte ebenfalls freudig und sagte zu mir: „Nina schrieb mir übrigens, Frau Schneider müsste man mal so richtig in den Arsch treten und da ein Mann eine Frau nicht verhauen darf, würden sie diesen Part gerne übernehmen, sobald sie aus Amerika zurück ist! Außerdem hab ich vorhin eine SMS an deine Eltern geschickt. Ich dachte du könntest Verstärkung gebrauchen.“
Ich umarmte Tobias voller Freude und Dankbarkeit und verstärkt wurde die Freude darüber, als ich meine Eltern auf mich zukommen sah und sie sogar Justin im Schlepptau hatten.
„Wir haben die großartige Rede gehört.“, sagte mein Vater beeindruckt. „Wer war der Mann?“
„Herr Beck, unser Hausmeister.“, antwortete Herr Frenzel ihm. „Allerdings ist er gleich nach seiner Rede aus dem Fenster getürmt. Dem Guten muss man Respekt zollen – Flüchtet als Held!“
Nachdem ich Justin liebevoll umarmte, kam meine Mutter auf mich zu. „Ich liebe dich Bobby.“, sagte sie zu mir und drückte mich ganz fest an ihre Brust. „Da gibt es allerdings etwas was ich dir sagen muss. Die Stimme eures Hausmeisters kam mir vertraut vor und ich hätte nicht gedacht, sie jemals wieder zu hören… Bobby - Herr Beck ist dein leiblicher Vater!“

Fortsetzung folgt...!

67. Gedanken und Erinnerungen – Teil 1
Die Tatsache, dass mein leiblicher Vater sich täglich vor meiner Nase befand, zog mir die Schuhe aus. Ich hätte gerne mit Herrn Beck geredet, allerdings verschwand er spurlos. Weder die Schule, noch die Polizei konnte ihn ausfindig machen und meiner Mutter schien das gerade recht zu sein. „Er hätte dir nur Kummer bereitet.“, meinte sie zu mir immer und immer wieder.
Die Prüfungen standen an und vor ein paar Wochen hab ich noch behauptet, dass es unmöglich für mich wäre, diese zu bestehen, doch die Sachlage änderte sich. In der Schule lief es für mich besser als jemals zuvor, mit Justin traf ich mich auch wieder öfters – für den Anfang nur als Freunde, zudem stand mein 18.Geburtstag, sowie meine Führerscheinprüfung an und dann würde es auch nicht mehr allzu lange dauern, bis Nina aus Amerika zurückkehrt.
Ich schlug mich also wacker durch die Prüfungen durch und als auch die letzte Prüfung an einem warmen Maitag geschafft war, spazierten Tobias, Maria und ich – jeder mit einer Waffel Eis in der Hand – durch den Park und beobachteten die Leute, wie sie die Sonne genossen.
„Endlich sind die Prüfungen vorbei!“, rief Maria begeistert und fröhlich und tanzte im Kreis. „Und schon bald findet der Abschlussball statt. Das wird sooo toll!“
„Die ist ja kaum noch zu bändigen.“, sagte ich zu Tobias grinsend.
„Ja, sie freut sich schon sehr darauf, mit mir dahin zu gehen.“, erklärte Tobias mir mit einem Lächeln, doch seine Augen zeigten auch einen Hauch von Traurigkeit. „Mit wem wirst du eigentlich auf den Abschlussball gehen?“, fragte mich Tobias anschließend.
Ich musste an Justin denken, als ich nach der Antwort suchte, doch war ich mir nicht sicher, ob das so eine gute Idee wäre mit einem Jungen auf einem Abschlussball aufzukreuzen, mal ganz davon abgesehen, dass die Lage zwischen mir und Justin sich zwar inzwischen verbesserte, aber immer noch nicht bereinigt ist. „Ich weiß es noch nicht.“, antwortete ich Tobias schließlich.
„Ich weiß auch schon ganz genau was ich für ein Kleid anziehen werde, oh ein Friseurtermin muss ich mir auch noch gleich geben lassen!“, rief Maria voller Enthusiasmus.
„Ich muss noch einmal weg!“, rief ich Tobias und Maria zu.
„Jetzt? Wohin?“, fragte mich Tobias verwirrt und neugierig.
„Äh… noch eine letzte Fahrstunde. Tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich und rannte davon.
„Aber die hattest du doch gestern, hast du mir erzählt.“, flüsterte Tobias traurig vor sich hin.

Die Tür ging auf und als Anja sah wer an ihrer Tür klingelte, strahlte sie über das ganze Gesicht. „Bobby! Wir haben uns ja lange nicht mehr gesehen!“
„Seit deiner Hochzeit sind ja auch schon drei Monate vergangen.“, sagte ich lächelnd zu ihr. „Wie waren eure Flitterwochen?“
„Einfach traumhaft. Kroatien ist ein wunderschönes Land. Paul und ich haben unsere Zeit dort sehr genossen.“, antwortete Anja mir überglücklich. „Du willst sicher zu Justin, oder?“
„Ja, ist er da?“, fragte ich sie.
„Leider schon.“, antwortete Anja mir mulmig. „Seitdem sein Vater ihn rausgeworfen hat, darf er auch den Zoo und den Reitstall nicht mehr betreten, was ihn sehr traurig stimmt. Er vermisst seine Tierfreunde sehr und der Wald reicht ihm da eben allein nicht aus.“
„Ich gehe zu ihm.“, sagte ich entschlossen.
„Tu das und Bobby…“ Anja sah mich ausnahmsweise mal ganz ernst an. „…bitte hilf ihm. Er gibt es vielleicht nicht zu, aber er braucht dich jetzt.“ Ich nickte verständnisvoll, ehe ich zu Justins Zimmer ging und an seiner Tür klopfte. Ein leises Herein war zu hören und ich trat ein.
Justins Zimmer bei Paul und Anja war mit dem bei seinem Vater in keiner Weise zu vergleichen. Ein bequemes Bett, ein flauschiger Teppich, wunderschöne Gardinen an den Fenstern und ein helles Grün an den Wänden vertrieben jede anschleichende Depression, selbst wenn die Sonne mal nicht durch das Fenster schien. Es war ein herrliches Gefühl dieses Zimmer zu betreten. Man fühlte sich wie in freier Natur, was natürlich Unsinn war, aber im ersten Moment kam es mir nun einmal so vor.
„Freut mich, dass du mich besuchen kommst.“, begrüßte Justin mich mit einem Lächeln.
„Wie geht es dir?“, fragte ich ihn besorgt und kam damit gleich ohne Umschweife zum Wesentlichen.
Justin lächelte mich unbeirrt weiter an. „Es ist lieb von dir, dass du dir Sorgen um mich hast, aber ich hab es bei Anja und Paul doch ganz gut, aber natürlich vermisse ich die Tiere im Zoo und Whisper natürlich.“
„Du wirst ihn sicherlich eines Tages wieder sehen.“, versuchte ich Justin aufzumuntern. „Sobald dein Vater wieder zur Besinnung gekommen ist, wird er dich…“
„Mein Vater ist äußerst stur. Er wird seine Meinung nicht ändern. Für ihn bin ich gestorben.“, erwiderte Justin und das Lächeln aus seinem Gesicht verschwand. „Lass uns bitte über etwas anderes reden. Was gibt es bei dir so Neues? Wie lief deine letzte Prüfung?“
Ich berichtete Justin von meinem letzten Prüfungstag und was das für ein Gefühl war, als ich die Prüfung abgab und die Schule zusammen mit Tobias und Maria verließ. Die Vorbereitungen über den baldigen Abschlussball verschwieg ich ihm allerdings. Ich traute mich einfach nicht ihn zu fragen, ob er mich begleiten würde. Ich hätte es gerne auf meine Schüchternheit und Angst geschoben, aber hielt ich mich mit der Frage auch noch zurück, weil ich noch nicht wusste, mit wem ich wirklich gerne auf den Abschlussball gehen würde. Eigentlich dumm, dass ich so eine große Sache daraus machte, denn Tobias würde sicherlich mit Maria zum Abschlussball gehen – und allein der Gedanke, dass ich schon wieder an Tobias dachte, verwirrte mich zunehmend.
„Da du schon einmal hier bist, ist es denk ich an der Zeit, dass du die Wahrheit über mich erfährst.“, sagte Justin, als er merkte, wie still es in seinem Zimmer wurde und ich horchte auf. „Möchtest du noch wissen, was das für ein Vorfall damals war, der mein ganzes Leben mit einem Schlag veränderte?“, fragte er mich.
Ich wollte es wissen, aber wenn mir nicht gefallen würde, was Justin mir erzählte…, was würde dann passieren? Doch ich musste dieses Risiko eingehen. „Ich höre dir zu. Bitte erzähle mir deine Geschichte!“


68. Gedanken und Erinnerungen – Teil 2
„Ich erzählte dir, wie meine Mutter verstarb.“, begann Justin zu erzählen. „Ich habe dir erzählt, dass ich meinen Vater nicht mehr bei seiner Arbeit im Zoo besuchen durfte, und dass Anja immer auf mich aufpasste. Zwei Jahre nach dem Tod meiner Mutter standen die Prüfungen von Anja an und sie konnte nicht auf mich aufpassen. Da mein Vater keinen anderen geeigneten Aufpasser für mich fand und ein Notfall ihn in den Zoo rief, nahm er mich widerwillig mit dorthin. Ich erinnere mich daran, als wäre es gestern gewesen. Die Sonne strahlte genauso wunderschön vom Himmel herunter wie heute und ich saß gelangweilt auf dem Fenstersims des Büros, während mein Vater ein wichtiges Telefonat führte. Die Vögel zwitscherten wie jeden Tag fröhlich vor sich hin und ich glaubte meinen Ohren und Augen nicht zu trauen, als ein kleiner Spatz auf mein Knie flatterte und anfing mit mir zu reden. Ich konnte den Vogel verstehen, ich konnte verstehen was er sagte. Ich war verwirrt und ängstlich, doch irgendwie auch begeistert und das erste Mal seit dem Tod meiner Mutter spürte ich wieder Leben in mir. Der erste Tag, wo ich mich mit Tieren unterhielt! “
„Und was hat der Vogel zu dir gesagt?“, fragte ich Justin vorsichtig, während ich es mir auf dem flauschigen Teppich gemütlich machte und er sich neben mich setzte.
Justin überlegte kurz, ehe er mir antwortete: „Der Vogel sagte zu mir, dass ich mit ihm kommen müsse und das es dringend sei. Ich fragte ihn, was den so dringend sei und hielt mir gleichfalls für verrückt mit einem Vogel zu sprechen. Da ich Langeweile hatte und mein Vater sich sowieso nicht um mich kümmerte, begleitete ich den Vogel ohne weitere Fragen zu stellen und dieser führte mich zu dem Löwengehege. Ich blieb wie versteinert davor stehen und die Erinnerungen an meine Mutter kamen wieder in mir hoch. Meine Mutter war eine liebevolle und wunderschöne Frau. Von ihr hab ich auch das gute Aussehen und die guten Charaktereigenschaften.“ Justin grinste leicht und ich musste ebenfalls lächeln.
„Stimmt.“, sagte ich. „Mit deinem Vater hast du wirklich nur recht wenig gemein.“ *lacht*
„Das Wichtigste erbte ich aber von meinem Vater. Die Liebe zur Natur und den Tieren.“, erwiderte Justin auf meine Aussage hin. Dann fuhr er mit seiner Geschichte fort: „Während ich eine ganze Weile wie versteinert vor dem Gehege stand, merkte ich gar nicht, wie sich eine Löwin an mich heranschlich und näherte. Mit ihren großen Katzenaugen sah sie mich durch die Gitterstäbe an und schnurrte ganz leise. Es war die Tochter der Löwin, die meine Mutter anfiel. Ihre Mutter wurde nach dem Vorfall damals gleich am darauffolgenden Tag eingeschläfert. Die Tochter der Löwin erzählte mir, wie Leid ihr der Vorfall von damals täte und stellte sich mit mir gleich, da wir Beide unsere Mütter verloren. Als sie mir erzählte, dass der Vorfall damals weniger einem Unfall, sondern mehr einem Mord glich, wurde es für mich interessant. Sie erzählte mir von einem Zoopfleger, der ihre Mutter damals betäubte und die Dosis mit Absicht verringerte. Sein Name war Carlos Perrez und wie es das Schicksal so wollte, kam er just in diesem Augenblick des Weges entlang. Die Löwin fauchte als sie ihn sah und als ich mich zu dem Mann umdrehte, erkannte ich in seinen pechschwarzen Augen einen Mörder.“
„Bist du nicht der Sohn von Herrn Taler?“, fragte er mich stutzig und ich nickte nur. „Tut mir Leid mit deiner Mutter. Wäre das Beste für alle, wenn man den Zoo endlich dicht machen würde und die Tiere in die Wildnis freilässt. Denn dort gehören Tiere hin und nicht eingesperrt in Käfigen!“
Wut und Zorn packte mich, obwohl ich noch nicht einmal wusste, ob die Löwin mir die Wahrheit erzählte. Wie ein wildgewordenes Tier ging ich mit meinen acht Jahren auf den Mann los. Ein ausgewachsener Mann käme natürlich gegen einen kleinen Jungen an, aber zu unerwartet kam mein Angriff für ihn und als ich ihn umwarf und er zu Boden krachte, brach er sich das Bein. Er sprach Flüche und böse Schimpfwörter gegen mich aus, während ich benebelt da stand und nicht so recht wusste, was ich da so eben getan hab.“
„Und wie ging es dann weiter?“, fragte ich, kaum in der Lage ein Wort von mir zu geben.
„Ich fing wieder an mit der Löwin zu reden, während der Mann sein Bewusstsein verlor. Mit dem Schlüssel den der Mann bei sich trug, sollte ich ihr Gehege aufsperren, damit sie sich an dem Tod ihrer Mutter bei ihm rächen kann, der folglich seine Schuld gewesen ist. Die Gabe mit Tieren zu sprechen zog mich in eine andere Welt und ich wusste kaum noch was ich tat – Ich befreite die Löwin. Sie griff mich nicht an, marschierte mit ihren vier Tatzen, samt den scharfen Krallen, an mir vorbei und nachdem sie sich das Maul leckte, beißt sie dem Mann den Kopf ab. Kurz darauf folgte ein Schuss. Mein Vater suchte nach mir und musste alles mit ansehen. Die Löwin und der Mann waren tot und mein Vater starrte mich mit schockierten und entsetzten Augen an. Ich erzählte ihm natürlich nichts von meiner neu entdeckten Gabe mit Tieren sprechen zu können, aber ich erzählte ihm, dass der Mann für den Vorfall von vor zwei Jahren verantwortlich war.
"Ich werde der Sache nachgehen..., aber ich kann das einfach alles nicht glauben.", sagte mein Vater schockiert zu mir.
Als man das Haus von Carlos Perrez durchsuchte fand man schließlich Anhaltspunkte dafür, dass er Mitglied einer geheimen Organisation von Tierschützern angehörte, die sich die „Animal Welfare“ nannten. Die Gruppe war darauf spezialisiert Tiere aus Käfige und Gehege zu befreien und Zögern dabei auch vor Menschenopfern nicht. Carlos Perrez halbierte die Dosis der Betäubung, damit die Löwin meine Mutter tötete, in der Hoffnung, dass der Zoo danach geschlossen werden würde…!
Und nach diesem Vorfall, der sich mit dem Tod meiner Mutter verband, fing mein Vater an zu trinken und ich war nicht unschuldig daran.“
Stille trat in Justins Zimmer ein. Justin warf mir einen unsicheren Blick zu, während ich versuchte klar zu denken. „Das ist eine schreckliche Geschichte.“, sagte ich schließlich.
„Hab dich ja gewarnt, aber ich musste es dir erzählen, denn in gewisser Weise bin ich ein Mittäter. Ich befreite die Löwin, die den Mörder meiner Mutter umbrachte.“
„Du warst acht Jahre alt!“ Das war alles was ich zu diesem Zeitpunkt sagen konnte.
Eine nette Ironie des Schicksals übrigens.“, sagte Justin und ein trauriges Lächeln fuhr über seine Lippen. „Der Mann hatte keine Frau mehr, nur noch einen Sohn. Ich hab einem Kind sein letztes Elternteil entrissen, so wie der Mann mir meine Mutter entrissen hat.“
„Was ist aus dem Kind geworden?“, fragte ich Justin neugierig.
„Ich bin ihm nie begegnet und weiß nichts über ihn. Vielleicht kam er ins Pflegeheim.“, antwortete Justin mir. Dann blickte er zum offenen Fenster raus und wartete wohl darauf, dass der Wind die schrecklichen Erinnerungen wieder davon wehte. „Ich bin nicht mehr der Junge von damals. Das solltest du wissen, bevor du dein Urteil über mich fällst.“, sagte er, ohne mich dabei anzusehen.
„Du bist dir deiner schrecklichen Tat in deiner Vergangenheit bewusst und du hast aus deinen Fehlern gelernt und bereust sie.“, sagte ich zu ihm und hielt ihm tröstend die Hand. „Ich bin immer für dich da Justin, egal wie die Zukunft aussehen mag…!“

Fortsetzung folgt...!

69. Der 18.Geburtstag – Teil 1
Noch bevor ich auf die Welt kam, verschwand mein leiblicher Vater spurlos und ließ meine schwangere Mutter ihm Stich. In meinem 3. Lebensjahr gaben sich meine Eltern vor dem Traualtar ihr Eheversprechen. Im Alter von 6 Jahren kam ich in die Schule und lernte meine beste Freundin Nina kennen, nur ein halbes Jahr später meinen besten Freund Tobias. Im Alter von Neun wuchs meine Familie um ein Mitglied – Meine kleine Schwester Annika wurde geboren! Als meine Freunde und ich 12 Jahre alt waren, trat die quirlige Maria erstmals in unser Leben. Als ich 15 Jahre alt war, entdeckte ich die ersten Anzeichen dafür, dass ich anders als alle anderen war – das ich mich mehr zu Jungs, als zu Mädchen, hingezogen fühlte. Mit 17 lernte ich Justin im Wald und Vince im Krankenhaus kennen, ich erfuhr dass Henry Forster gar nicht mein leiblicher Vater ist, sondern Herr Beck. Tobias verliebte sich in mich, doch ich verliebte mich in Justin. Eines stand damit fest: Mein Leben wurde gewiss nicht leichter!
„Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday lieber Bobby, Happy Birthday to you!“, sangen meine Eltern und meine kleine Schwester Annie, als sie am frühen Freitagmorgen in mein Zimmer an mein Bett traten und mir mein Frühstück auf einem Tablett servierten.
Ich war noch hundemüde und hielt mir mein Kopfkissen über den Kopf, doch meine Mutter zog es wieder weg. „Aufstehen du Schlafmütze.“, sagte sie mit einem Lächeln zu mir. „Heute ist dein großer Tag, wir erwarten heute Gäste und vergiss bitte nicht, dass heute auch noch deine Führerscheinprüfung ansteht.“ Timo hüpfte auf mein Bett und schleckte mir mein Gesicht ab. Annie lachte herzhaft, während mein Vater Timo wieder von meinem Bett runterjagte.

„Wo ist denn das Geburtstagskind?“, fragte meine Oma am Nachmittag in die Runde, nachdem mein Vater sie abholte. „Geh auf Seite Schwiegersohn und lass mich zu meinem Enkelkind!“
„Oma!“, rief ich freudig, als ich die Treppe runtergerannt kam. „Ich freu mich, dass du da bist.“
„Diesen wichtigen Tag in deinem Leben, würde ich auf gar keinen Fall verpassen wollen.“, sagte sie zu mir und flüsterte mir zusätzlich noch ins Ohr: „Und einen Schnaps verpass ich ebenfalls ungern.“ Ich musste grinsen. Es war schön meine Oma munter wie immer zu sehen. „Und wie lief deine Führerscheinprüfung?“, fragte sie mich anschließend.
„Nun ja….“, ich antwortete ihr etwas unsicher. „Ich fürchte…, ab sofort gibt es einen Sonntagsfahrer mehr auf den Straßen!“
„Meinen herzlichen Glückwunsch!“, rief mir Oma gratulierend zu und umarmte mich.
Meine Mutter klatschte zweimal in die Hände. „So hört mir alle zu!“, rief sie freudig. „Ich denke es wird Zeit, dass wir Bobby unser Geschenk überreichen.“
„Das ist eine sehr gute Idee!“, rief mein Vater ihr zu. „Nach dir Bobby.“, sagte er zu mir und deutete mit seinem Arm zur Haustür
Ich fragte mich, was mich jetzt erwartete und als ich die Haustür öffnete, wusste ich es. „Ein Auto?! Ihr schenkt mir ein Auto?!“, rief ich erstaunt und rannte zur Einfahrt, in der ein funkelneues Auto in naturgrün stand. Die Überraschung war wirklich gelungen.
„Ein Geschenk von mir, deiner Mutter und deiner Oma.“, sagte mein Vater, der sich darüber freute, wie sehr ich mich freute.
„Aber das muss doch eine ganze Stange Geld gekostet haben!“, rief ich entsetzt.
„Du hast so viel durchmachen müssen in letzter Zeit und unser Sohn wird nicht alle Tage 18 Jahre alt.“, erklärte mir meine Mutter, während ich mein Auto mit offenem Mund abtastete.
„Traumhaft.“, sagte ich begeistert.
„Du hast ein Auto, du hast einen Führerschein – Tobias wartet darauf, dass du ihn von Zuhause abholst.“, sagte meine Mutter und mein Vater warf mir den Autoschlüssel zu.
„Fahr vorsichtig und lass die Ampeln und Laternen stehen.“, sagte meine Oma scherzhaft und Annie musste kichern.
„Haha, ich lach ein andermal.“, sagte ich grinsend und stieg ins Auto ein, startete den Motor und fuhr los.

„Und du bist dir sicher, dass du mit diesem Gerät fahren kannst?“, fragte mich Tobias skeptisch, nachdem wir uns gegenseitig alles Gute zum Geburtstag wünschten. „Hat man dir zuliebe die echten Bäume schon mit Gummibäumen ausgetauscht?“
„Noch ein Wort und die Torte landet später in deinem Gesicht.“, warnte ich Tobias lächelnd.
„Du bist süß, wenn du mir drohst.“, sagte Tobias und grinste mich an. Ich schlug ihm mit meiner Faust auf die Schulter, aber es tat mir mehr weh, als ihm und er lachte noch mehr.
„Immerhin hab ich einen Führerschein und du nicht.“, rächte ich mich an ihm.
Zusammen mit Herr und Frau Henning fuhren wir schließlich wieder zu mir nach Hause. Es war still im Haus – zu still. „Wo sind die alle hin?“, fragte ich die Anderen.
Als wir das Wohnzimmer betraten, flogen Luftschlangen und Konfetti auf mich und Tobias zu, während meine Eltern, meine Oma, Annie, Maria, Vince, Anja, Paul und Justin uns „Überraschung!“ entgegenriefen und Timo laut aufbellte!
Danach folgte eine Flut von Glückwünschen. Maria gratulierte Tobias zum Geburtstag und küsste ihn auf dem Mund, während mir Vince sein Geschenk überreichte. „Ist nichts Besonderes, aber ich hoffe du kannst es gebrauchen.“, sagte er zu mir und schenkte mir eine freundschaftliche Umarmung.
„Alles Gute zum Geburtstag.“, gratulierten mir auch Anja und Paul, mit denen ich am allerwenigsten heute gerechnet hab, über deren Kommen ich mich aber natürlich sehr freute.
Und er war ebenfalls gekommen – Justin! Schon allein sein Lächeln war für mich Geschenk genug. Das wird ein wunderschöner Geburtstag, dachte ich mir und freute mich bereits auf das was noch kommen mag und die Torte, die ich Tobias ins Gesicht werfen werde. *lacht*


70. Der 18. Geburtstag – Teil 2
Die Geburtstagsfeier von Tobias und mir war ausgelassen und fröhlich. Während unsere beiden Mütter, zusammen mit Anja, alles für Kaffee und Kuchen an einem großen runden Tisch herrichteten, erzählte ich den Anderen von meiner Fahrprüfung die ich am Vormittag hatte. Alle hörten mir gespannt zu - nur meine Oma, die hielt aus Langeweile ein kleines Nickerchen im Sessel.
Vince lachte Tobias aus, da dieser siebzehn Minuten jünger war als ich und ich, obwohl kleiner, somit älter als er ist. Tobias grummelte beleidigt vor sich hin und erst als Maria ihm einen Kuss auf die Wange gab, hörte er auf wie ein kleines Baby zu schmollen.
Dann gab es Kaffee und Kuchen, einschließlich der Geburtstagstorte, die meine und Tobias Mutter zusammen backten und auf den zweimal achtzehn Kerzen thronten.
„Jetzt müsst ihr die Kerzen auspusten und euch Beide etwas wünschen!“, rief Tobias Mutter uns zu.
„Aber nicht verraten Jungs, sonst geht euer Wunsch nicht in Erfüllung.“, warnte Paul uns.
Tobias und ich gaben uns ein Zeichen und auf Drei pusteten wir gemeinsam unsere Kerzen aus und wünschten uns beide etwas. Tobias bekam natürlich alle Kerzen auf einmal aus, während ich zweimal Luft holen und pusten musste. Tobias war einfach der sportlichere Typ von uns. *lacht*
Die große Fresserei nahm ihren Lauf und sogar Timo bekam ein Stück Kuchen – einen Hundekuchen! *grinst*
Tobias stopfte sich nach und nach ein Torten, – oder Kuchenstück nach dem Anderen in seinen Mund rein und ich fragte mich ernsthaft, wo er all das hin stopfen konnte. Mal ganz davon abgesehen, dass er kein Gramm Fett zunahm und immer diese athletische Figur hatte. Zum neidisch werden…
„Schwiegersohn könnte ich noch eine Tasse Kaffee haben?“, fragte meine Oma meinen Vater höflich und er schenkte ihr nach. „Vielen Dank!“ Im Moment der Unachtsamkeit meines Vaters stibitze meine Oma, mit der Hilfe von Annie, das Stück Käsekuchen von seinem Teller.
„Wo ist mein Stück Käsekuchen?!“, fragte mein Vater leicht aufgebracht, als er sich wieder an seinen Platz setzte.
„Das war das letzte Stück und ich wollte es so gerne.“, verteidigte sich meine Oma mit einem schmunzelnden Lächeln im Gesicht. Mein Vater warf ihr nur einen leicht bösen Blick zu, doch war er nicht der Typ der nachtragend war, oder keinen Spaß verstand.
Ansonsten war es eine wundervolle Gesellschaft. Jeder unterhielt sich mit jemand anderem und ab und zu lachten wir alle, wenn es wieder jemand schaffte, auf seine Hose, oder sein Hemd zu kleckern.
Übrigens falls euch unsere Sitzreihenfolge interessiert: Tobias, Maria, Vince, Paul, Anja, Justin, meine Oma, Annie, mein Vater, ich, meine Mutter, Tobias Mutter, Tobias Vater und bei Tobias ging es wieder von vorne los. Dreizehn Leute an einem Tisch…, na wenn das mal kein Unglück bringt!

„Die ist sehr schön.“, sagte ich am Abend zu Paul und Anja, als ich deren Geschenk, eine Armbanduhr, begutachtete, indem ich sie in das Licht hielt.
„Für dich Bruderherz.“, sagte Annie zu mir und legte ein selbstgemaltes Bild auf meinen Schoß. „Das bist du, das neben dir sind Justin und Tobias, da ist Nina, da sind Mama und Papa, Oma und das bin ich mit Timo.“, erklärte sie mir voller Stolz und ich gab ihr zum Dank einen Kuss auf die Wange.
„Vergiss bitte mein Geschenk nicht.“, sagte Vince und drückte mir sein noch immer verpacktes Geschenk in die Hand.
Ich packte das Geschenk aus und heraus kam eine Süßigkeiten-Box. Darin befanden sich Happyriegel, Glücksgummibärchen, Kraftkekse, Currychips und Aufmunterungsschokolade. „Das ist ja lustig. Vielen Dank!“, sagte ich grinsend zu Vince und umarmte ihn ganz herzlich.
„Für dich mein Schatz.“, sagte Maria zu Tobias und überreichte ihm ihr Geschenk, dass ein Skizzenbuch enthält, indem Maria sportliche Vorbilder von ihm skizzierte.
„Die sind sehr gut geworden.“, sagte Tobias beeindruckt zu Maria und als die Beiden sich küssten, sah ich schnell weg, da es mir irgendwie unangenehm war, sie dabei zu beobachten.
„Bobby.“, sagte Justin meinen Namen und hielt mir sein Geschenk unter die Nase. „Für dich!“
„Danke.“, sagte ich lächelnd.
„Du bedankst dich, obwohl du noch gar nicht weißt, was drin ist?!“ Justin grinste mich an.
„Es ist die Geste die zählt und nicht das Geschenk.“, sagte ich noch breiter lächelnd. Als ich Justins Geschenk auspackte kam eine aus Holz selbstgeschnitzte Vogelpfeife heraus. „Hast du die selbst gemacht?“, fragte ich Justin und sah ihm dabei ihn seine traumhaft schönen, blauen Augen.
„Ich habe sie aus Tannenholz selbst geschnitzt. Jetzt kannst du ebenfalls mit Vögel kommunizieren.“, erklärte er mir und grinste mich dabei an.
„Das ist wirklich lieb von dir.“, sagte ich gerührt zu Justin und umarmte ihn ganz fest. Am liebsten hätte ich ihn gar nicht mehr losgelassen, doch dann klingelte es an der Haustür. Wer konnte das jetzt noch so spät sein, fragte ich mich. Noch mehr Geburtstagsgäste?
„Ich glaub das ist mein zweites Geburtstagsgeschenk.“, sagte Justin trocken, als wir uns aus unserer Umarmung lösten.
„Zweites Geburtstagsgeschenk?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Ja, es ist ein Geschenk von mir, deiner Mutter und Paul.“, antwortete Justin mir und ich verstand nicht, was Paul mit der ganzen Sache zu tun hatte. „Bevor du da jetzt rausgehst, solltest du wissen, dass Paul vom Beruf eine Detektei betreibt. Ich nehme mal an, dass du das noch nicht wusstest und er hat etwas recherchiert und nachgeforscht…“
Ich ging durch das Wohnzimmer zum Hauseingang. Justin folgte mir in leisen Schritten.
An der Haustür erwartete mich bereits meine Mutter mit einem glücklichen, aber zugleich auch ein wenig traurigem Lächeln. „Wir lassen euch dann mal allein.“, sagte sie zu mir, streichelte meine rechte Schulter und ging zusammen mit Justin wieder zurück ins Wohnzimmer.
Draußen auf der Straße brach bereits die Dunkelheit herein und ich konnte zuerst nicht erkennen, wer oder was mich erwartete, aber als ich in das Licht unserer Hauslaterne trat, erkannte ich auf der Straße die stattliche Figur eines Mannes, der mit dem Rücken zu mir stand.
„Hallo?!“, rief ich ihm vorsichtig und unsicher zu.
Der Mann drehte sich zu mir um und ich blickte in das Gesicht des ehemaligen Hausmeisters unserer Schule, Herrn Beck, meinen leiblichen Vater!


71. Der 18.Geburtstag – Teil 3
„Ist dein Geburtstag bisher so schön, wie du ihn dir vorgestellt hast?“, fragte Herr Beck mich, ohne ein Wort des Hallos, während er ein paare wenige Schritte näher an mich herantrat.
„Nein.“, antwortete ich ihm mit erstarrter Miene. „Er ist noch sehr viel schöner. Meine Familie ist hier, meine Freunde sind hier, die Menschen die ich liebe sind bei mir!“
„Gut, gut.“, sagte Herr Beck zu mir. „Ich will auch gar nicht lange stören. Es war ja nicht einmal meine Idee hierher zu kommen, aber deine Mutter bestand darauf, dass ich…“
„Sie stören nicht!“, rief ich schnell dazwischen, froh darüber, mich mit meinem leiblichen Vater unterhalten zu können.
„Also schön.“, sagte Herr Beck überrascht. „Die ganze Situation muss dir doch unglaublich unangenehm sein, oder etwa nicht?“, fragte er mich leicht verwirrt.
„Nein, ist es nicht. Ich bin ja schon groß und alt genug.“, antwortete ich ihm schmunzelnd.
Ein Lächeln fuhr über Herr Becks Gesicht. „Ja, das stimmt! Du bist in der Tat schon groß und du hast dein Leben bisher recht gut gemeistert. Besser als so manch anderer…“
„Sie meinen so wie sie?“, stellte ich im Zusammenhang fest.
Herr Beck blickte auf und sah mir direkt in die Augen. „Erinnerst du dich, dass ich in meinem Brief schrieb, dass ich damals einen Fehler begangen habe, als ich deine Mutter verließ?!“
„Ja, tue ich.“, antwortete ich ihm, mir war noch jedes einzelnen Wortes in dem Brief bewusst.
„Ich glaube es war nur ein geringfügiger Fehler.“, sagte er und ich erschrak. „Denn so konnte deine Mutter deinen Vater kennenlernen und mit ihm hat sie wirklich ein gutes Los gezogen.“ Ein Lächeln fuhr mir über die Lippen, als ich erkannte, worauf Herr Beck hinaus wollte. „Deine Mutter hat mich mithilfe des Detektivs Schmied aufgesucht und mir erklärt, wie viel es dir bedeuten würde, wenn du wenigstens einmal mit mir reden könntest, aber ich sagte nein. Dann kam dein Vater zu mir und weißt du was er zu mir gesagt hat? Bobby kann so viele Elternteile haben wie er will, wichtig ist dabei nur eines – das unser Sohn sich bei uns geborgen und geliebt fühlt, denn nur dann wird er eine glückliche Zukunft haben und den Menschen, die ihm was bedeuten, das Gleiche zukommen lassen können! Nach diesen Worten konnte ich einfach nicht anders als heute zu kommen. Du kannst sehr stolz auf deinen Vater sein!“, erklärte Herr Beck mir und seine Augen fingen an zu strahlen.
„Das bin ich.“, sagte ich wie von Donner gerührt. *Tränen unterdrückt*
„Ich hab ein Geschenk für dich.“, sagte er und zog einen weißen Umschlag aus seiner Jackentasche. „Ich weiß leider nicht sehr viel über dich, aber wie dir inzwischen vielleicht bewusst geworden ist, habe ich dich die letzten Monate immer beobachtet und versucht über dich zu wachen, so konnte ich auch das ein oder andere über dich herausfinden. Ich hoffe es gefällt dir.“ Herr Beck überreichte mir den Briefumschlag und als ich ihn öffnete, entdeckte ich zwei Karten für einen Naturpark mit Schifffahrt, Klettertour, Wellnessbereich und vielem mehr. „Du kannst dort mit jemand hingehen, den du vielleicht besonders gerne hast.“
„Danke.“, sagte ich verlegen und nicht imstande, auch nur ein Wort mehr aus meinem Mund heraus zu bekommen. Dann fiel mir allerdings wieder ein, was er für mich in der Schule getan hat. „Und danke auch dafür, dass sie mir in der Schule geholfen haben.“
„Gerne doch.“, erwiderte Herr Beck. „Ich denke ich gehe dann langsam mal wieder, damit du ungestört deinen Geburtstag weiter feiern kannst.“
Herr Beck dreht sie abrupt um und wollte gehen, doch dann rief ich: „Wollen sie nicht vielleicht bleiben und mit uns feiern?“
Herr Beck drehte sich überrascht wieder zu mir um und lächelte. „Das ist sehr lieb von dir, aber ich denke, dass das keine gute Idee ist – jetzt zumindest noch nicht.“
„Schade.“, sagte ich enttäuscht, aber verständnisvoll. „Sehe ich sie eines Tages wieder?“
„Vielleicht, irgendwann, wenn du willst und es mir deine Eltern gestatten.“, antwortete er mir.
„Ich will sie wieder sehen!“, erwiderte ich entschlossen.
Herr Beck lächelte mir zu. „Du darfst mich gerne Thomas nennen, wenn du magst.“
„Also sehe ich dich wieder,... Thomas?“, fragte ich ihn erneut und mit einem Lächeln im Gesicht.
„Sehr gerne!“, antwortete er mir. „Grüß mir deine Oma, die versoffene Rauschkugel.“ Thomas lachte, dann winkte er mir zum Abschied, drehte mir den Rücken zu und ging zu Fuß die dunkle Straße entlang und verschwand im hellen Mondlicht.
Ich genoss noch ein wenig die angenehm frische Luft und dachte über diese Begegnung mit meinem leiblichen Vater nach, dann betrat ich wieder das Haus und schloss die Tür hinter mir.
Ich betrat das Wohnzimmer, in der all meine Gäste weiterhin ausgelassen feierten und meine Eltern bemerkten als Erste, dass ich wieder da war. Sie kamen auf mich zu und meine Mutter nahm mich in den Arm. Eine Träne kullerte mir die Wange hinunter, doch war es mehr aus Freude, als aus Trauer.
„Das war das beste Geschenk was du mir machen konntest.“, bedankte ich mich bei meiner Mutter.
„Wir lieben dich so sehr Bobby.“, erwiderte meine Mutter und befreite mich aus ihrer Umarmung.
Dann trat ich zu meinem Vater und nahm auch ihn in den Arm. „Danke, dass du ihn überredet hast.“
„Das habe ich doch gerne getan.“, erwiderte mein Vater mir mit einem Lächeln.
„Du bist der beste Vater der Welt!“ Bei diesen Worten, die ich an meinen Vater richtete, bekam er nun feuchte Augen und ich wusste, dass er überglücklich war, dass ich das zu ihm sagte.
„Und jetzt lasst uns weiterfeiern, denn der Abend ist noch nicht zu Ende!“, forderte meine Mutter mit einem Lächeln auf, holte eine Flasche Champagner und meine Oma leckte sich bereits gierig das Maul. *grinst*


72. Der 18. Geburtstag – Teil 4
„Dat it die peste Bartyyy forever!“, rief meine Oma völlig betrunken, nachdem sie einen Schnaps nach dem anderen zu sich genommen hatte.
„Schwiegermutter du bist betrunken. Ich bring dich ins Bett.“, sagte mein Vater lächelnd zu ihr.
„Henryyy.“, sagte meine Oma zu ihm, während sie ihren Arm um ihn legte. „Du bisd der peste Schwiegasuhn, den man sich nua wunschen kann.“
„Henry bringt dich hoch ins Gästezimmer, wo du dich ausschlafen kannst, Mama.“, sagte meine Mutter zu ihr und amüsierte sich darüber, wie betrunken Oma doch ist.
Mein Vater brachte Oma nach oben in den ersten Stock, während meine Mutter Annie ins Bett brachte und ihr vorm Schlafen noch eine Gute-Nacht-Geschichte vorlas.
„Wir werden dann langsam mal aufbrechen.“, sagte Anja, die Hand in Hand mit Paul vor mir und Tobias standen und sich von uns verabschieden wollten.
„Schön das ihr gekommen seid.“, bedankte ich mich fröhlich bei den Beiden. Als ich Anja und Paul zur Tür begleitete, kam Justin ebenfalls um die Ecke gerannt und in seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass irgendetwas nicht in Ordnung schien. „Was ist los?“, fragte ich ihn besorgt.
„Nichts.“, antwortete mir Justin ungewohnt lässig und mir war klar, dass er log. „Macht es dir etwas aus, wenn ich mit den Beiden gleich mitgehe?“
„Nein, ist schon ok.“, antwortete ich ihm und bohrte nicht weiter nach, warum er sich gerade so eigenartig benahm. Er wird sicher seine Gründe haben, dachte ich mir.
Justin schenkte mir noch einen Gute-Nacht-Kuss auf die Wange und eines seines bezaubernden Lächelns, dann fuhr er zusammen mit Paul und Anja in ihrem Auto nach Hause.
Etwa eine Stunde später verließen uns auch Herr und Frau Henning, die müde waren. Tobias blieb noch mit Maria bei uns, damit wir noch ein wenig weiter feiern konnten. Vince reichte noch einmal jedem von uns eine Flasche Bier – außer Maria, die sich müde auf die Couch legte – und wir stoßen auf meinen und Tobias Geburtstag an.
Nach einer weiteren Stunde verließ uns dann auch Vince und als Tobias und ich ins Wohnzimmer zurückkehrten, merkten wir, dass Maria auf der Couch inzwischen eingenickt war.
„Und was machen wir jetzt?“, fragte ich Tobias schmunzelnd. „Meine Eltern sind auch schon ins Bett. Willst du Maria wecken und mit ihr nach Hause gehen?“
„Lassen wir sie ein wenig schlafen.“, meinte Tobias mit verträumten Blick zu mir. „Das war ein langer Tag.“ Ich nickte. „Hast du nichts vergessen?“, fragte mich Tobias und grinste mich an.
„Was denn vergessen?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Dein Geburtstagsgeschenk an mich, Bobby und mein Geschenk für dich!“, rief mir Tobias lauter zu, als geplant, aber wir waren ja auch Beide schon leicht angetrunken.
„Oh, das hätte ich jetzt beinahe vergessen.“ *grinst*
„Du erinnerst dich doch noch an unser Versprechen, oder?!“, fragte mich Tobias drohend.
„Nein…?!“, antwortete ich ihm.
„Bobby!“ Tobias warf mir einen wütenden Blick zu.
„Das war ein Scherz!“ *lacht* „ An unserem 16.Geburtstag haben wir uns versprochen, dass jeder sich am 18.Geburtstag von dem Anderen etwas wünschen darf, egal was es ist und dieser Wunsch dann auch erfüllt werden muss.“
„Schön, du erinnerst dich. Alter vor Schönheit.“, sagte Tobias grinsend und bat mich anzufangen.
„Okay, lass mich nur kurz überlegen.“, sagte ich zu ihm und grübelte darüber nach, was ich mir am besten von Tobias wünschen könnte.
„Du hattest zwei Jahre Zeit, dir etwas zu überlegen du kleiner Dummkopf!“ Tobias lachte.
„Ich weiß was ich mir von dir wünsche…“, sagte ich schließlich zu ihm. „Meine Eltern gehen ja öfters zu diesen Tanzabenden und einmal bin ich mitgegangen und hab ein wenig mitgetanzt. Das fand ich schön, aber alleine langweilig, deshalb tanzt du jetzt mir!“
„Niemals!“, wehrte sich Tobias, der entsetzt über meinen Wunsch schien.
„Am Reck turnen, beim Basketball Körbe werfen und sich mit anderen Jungs prügeln kannst du, aber tanzen nicht?!“, fragte ich ihn überrascht und lachte ihn aus.
„Okay, okay.“, lenkte Tobias ein. „Ein Song, ein Tanz. Nicht mehr!“
Ich lächelte freudig, gab ein schönes Tanzlied in der Stereoanlage ein und drückte auf Play. Dann stellten sich Tobias und Ich gegenüber in die Mitte des Wohnzimmers und gaben uns leicht nervös die Hände. Ich tanzte dabei den Part der Frau… *grummel*, aber das war mir egal, denn… Tobias und ich tanzten. Ich war wirklich überrascht, denn Tobias konnte sehr wohl tanzen und das auch noch erstaunlich gut. Sicher hat Maria mit ihm für den Abschlussball bereits geübt, dachte ich mir. Wir nutzten die ganze Fläche des Wohnzimmers und tanzten ausgelassen und fröhlich. Wir hatten sehr viel Spaß zusammen. Ich hörte mein Herz wieder wie wild klopfen und in meinem ganzen Bauch fing es an zu kribbeln. Wieso nur, Tobias ist doch nur mein bester Freund, oder etwa doch nicht?
„Ich hab übrigens noch ein anderes Geburtstagsgeschenk für dich.“, sagte Tobias auf einmal, während wir tanzten. „Es trifft aber erst am Montag ein.“
„Doch nicht etwa…?“, fragte ich ihn und glaubte zu wissen, was dies für ein Geschenk ist.
„Sie war nicht mehr zu bremsen, sie hat ihre Prüfungen hinter sich und meinte, ob sie nun hier, oder da drüben auf den Abschlussball geht, wäre doch schnuppe.“, erklärte Tobias mir und Freude breitete sich in meinem Inneren aus. Nina kommt endlich wieder nach Hause!
Ich war ein wenig gemein und frech und hab einen extra langen Song ausgesucht, aber Tobias beschwerte sich nicht und die Minuten kamen mir wie Sekunden vor, denn als der Song zu Ende war, stand ich etwas perplex da und wunderte mich, dass der Song schon verstummte.
Tobias ließ sich erschöpft auf den Sessel vor den Kamin fallen. „Na das war ja was. Ich hoffe du bist nun zufrieden.“, sagte er zu mir, während ich immer noch ein wenig verdutzt in der Gegend rumstand. „Jetzt bin ich mit meinem Wunsch an der Reihe.“
„Und was wünscht du dir?“, fragte ich ihn, während ich leicht taumelnd vor ihn trat.
„Nichts, was du mir geben könntest.“, antwortete Tobias und wandte seinen Blick traurig nach unten.
„Vielleicht kann ich es aber und vielleicht will ich es sogar.“, sagte ich zu ihm, während mein Herz immer schneller schlug und ich nicht mehr so recht wusste, was ich tat.
Tobias Augen sahen zu mir auf, dann streckte er seine langen Arme nach mir aus und zerrte mich ganz sanft zu ihm auf den Schoß. Wir waren uns so nahe, wie damals bei unserem Campingausflug, als er im Schlaf seinen Arm um mich legte. Ich sah ihn an und er sah mich an.
„Das ist mein Wunsch.“, flüsterte mir Tobias zu. Wir schlossen beide unsere Augen und es folgte ein sinnlicher Kuss auf die Lippen, in einem nie enden wollenden Traum.
Dies ist der große Wendepunkt in meiner Geschichte, denn aus dem besten Freund wurde damit mehr, doch wusste ich diese Gefühle noch nicht so richtig zuzuordnen und dann wäre da ja auch noch Justin, für den ich nach wie vor Gefühle besaß und mich allein schon mit seiner Anwesenheit glücklich machte. Doch wer soll es denn nun sein? Tobias, oder Justin?
Ich müsste eine Entscheidung treffen, eine Entscheidung die meine Zukunft beeinflussen wird und auch wenn ich es zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste, so würden der kommende Montag alles verändern, denn es gab da jemanden, der kurz davor war, mein ganzes Leben zu zerstören!

Fortsetzung folgt...!

Diese Woche ist es soweit. Die letzten drei Kapitel von "Der Tierflüsterer" werden hier veröffentlicht. Das heutige Kapitel erzählt ausnahmsweise nicht aus der Sicht von Bobby, sondern aus derer seiner Freunde (oder Feinde?). Danach kommt das große Finale und die große Entscheidung, wen Bobby wirklich liebt!


73. Mit den Augen von… - Teil 1
Dieses Kapitel in meinem Leben ist anders als die bisherigen. Denn dieses Kapitel wird nicht aus meiner Sichtweise erzählt, sondern aus derer meiner Freunde. Wenn ihr also ein „Ich“ hört, dann werde das womöglich nicht ich sein. *kichert* Liebe Grüße, euer Bobby!

…Tobias:
„Los streck deinen Arm in hoch!“, rief ich Bobby zu und wir Beide streckten unseren rechten Arm hoch in die Lüfte, damit Nina aus der Ferne unsere Freundschaftsarmbänder sah, die Bobby uns zu Weihnachten schenkte, und sie uns damit auf dem riesigen Flughafen gleich findet.
Kurz Zeit später rannte sie mit leuchtende Augen und strahlendem Lächeln auf uns zu und rannte mich dabei fast um, so dass ich beinahe umfiel. „Ich hab euch so vermisst!“, rief sie uns zu, während sie zuerst mich und dann Bobby ganz fest umarmte. „Endlich sind wir wieder vereint!“
Ich lud Ninas Gepäck in den Kofferraum und Bobby konnte seine Fahrkünste unter Beweis stellen, indem er uns zu Nina nach Hause fuhr. Zuhause ließ sich Nina freudig in ihr kuschliges Bett fallen, während Bobby sich kurz bei uns abmeldete, da er einen Anruf von Vince erhielt.
„Da wir gerade alleine sind…“, sagte ich zu Nina etwas leiser. „Bobby und ich haben uns geküsst!“
Auf einmal saß Nina wieder kerzengerade im Bett und sah mich mit großen Augen an. „Das ist… wunderbar!“, rief sie laut und ich zischte sie schnell an, dass sie etwas leiser sein sollte. „Und wie geht es jetzt mit euch Beiden weiter? Seid ihr nun zusammen?“, fragte sie mich neugierig.
„Nein…, soweit sind wir noch lange nicht. Bobby ist nach wie vor in Justin verliebt.“, erklärte ich ihr.
„Hat er das gesagt?“, fragte Nina mich weiter.
„Nein, aber ich weiß dass es so ist.“, antwortete ich ihr.
„Dann musst du eben um ihn kämpfen!“, spornte mich Nina an.
„Ich bin mit Maria zusammen und will sie nicht verletzen.“, erwiderte ich, während Nina mir ihre neusten Hard Rock – Shirts demonstrierte und ich weiter über den Kuss mit Bobby nachdachte.

…Maria:
Ich saß im Café am Park und rührte unaufhörlich mit einem Löffel in meinem Latte Macchiato herum, während ich über ein ernstes Thema nachdachte, als Vince zusammen mit seinem besten Freund Stefan zur Tür reinkam. „Hey, ihr Beiden.“, begrüßte ich sie mit einem Lächeln.
„Hey Maria.“, begrüßte mich Vince zurück. „Du kennst Stefan noch?“
„Wie könnte ich jemals einen hübschen Knaben vergessen?!“, erwiderte ich zwinkernd.
„Zu viel der Komplimente.“, lachte Stefan.
„Du bist ja ganz alleine hier. Ist alles in Ordnung?“, fragte mich Vince besorgt.
„Nein…, nicht wirklich.“, antwortete ich ihm und ehe er weiter nachfragte, erklärte ich ihm, über was ich gerade nachdachte. Vince fiel die Kinnlade herunter, während Stefan mich einfach nur anlächelte.
„Und was willst du mit diesem Wissen nun anstellen?“, fragte mich Vince.
„Darüber habe ich eben gerade nachgedacht.“, erklärte ich ihm.
„Tut mir Leid, dass du die Leidtragende darunter bist, aber du wirst früher oder später eine Entscheidung treffen müssen.“, sagte Vince mitfühlend zu mir.
„Eher früher, denn heute Abend findet unser Abschlussball statt.“, erwiderte ich schmunzelnd.

…Vince:
„Ruf Bobby an und sag ihm, dass du mit ihm reden musst.“, forderte mich Stefan auf, während wir auf dem Heimweg durch den Park schlenderten.
„Ist gut.“, lenkte ich schnell ein, kramte mein Handy aus meiner Hosentasche und wählte Bobbys Nummer. „Hey Bobby, na alles klar?! Können wir uns später treffen? Na klar geht das auch abends. Ist ja kein Problem, wenn du etwas Zeit mit deinen Freunden verbringen willst. Okay super, dann bis heute Abend!“ Ich beendete den Anruf und steckte mein Handy zurück in die Hosentasche. „Ich hoffe das ist bald alles vorbei.“, sagte ich müde und leicht genervt.
„Wird es, wenn du tust was man dir sagt.“, erwiderte Stefan.
„Ich tue seit Monaten nur das was man mir sagt.“, gab ich gereizt zurück.
„Hey!“ Stefan hielt mir drohend seinen Arm vor die Brust. „Das war deine Entscheidung!“
„Ja, aber ging es ursprünglich nicht um jemand ganz anderen?“, fragte ich ihn.
„Du kümmerst dich um Bobby, ich kümmere mich um den Anderen.“, antwortete Stefan mir und in seinem Gesicht bildete sich ein boshaft, gemeines Lächeln.

…Justin:
„Anthony!“, rief ich, als ich das Büro im Zoo betrat.
„Was tust du denn hier?“, fragte mich Anthony erschrocken, während er im Rollstuhl saß und hinter dem Schreibtisch hervorfuhr um mich zu begrüßen.
„Ein Vögelchen hat mir gezwitschert, dass mein Vater gefeuert wurde!“, erklärte ich ihm scherzhaft, aber doch auch ernsthaft gemeint und leicht erzürnt.
„Ich habe gehört, dein Vater hat dich aus eurer gemeinsamen Wohnung geworfen, weil du...“, sagte Anthony zu mir, während er mit seinem Rollstuhl wieder hinter den Schreibtisch fuhr.
„Ja, aber das tut gerade nichts zur Sache.“, sagte ich. „Du bist der neue Chef des Zoos?“
„Ja.“, antwortete mir Anthony kurz und knapp. „Es kam schließlich doch noch ans Licht, dass dein Vater ein Alkoholproblem hat und da ich viel Erfahrung mit Tieren habe und sowieso nicht mehr zu mehr fähig bin als Bürokram zu erledigen, hat man mich für diesen Posten eingesetzt.“
„Das mit deinen Beinen tut mir sehr leid.“, sagte ich mitfühlend. „Das Bens Schuss diese Auswirkung hatte… Du wirst nie wieder laufen können?“
„Mein Motto lautet, sag niemals nie, aber in diesem Fall muss ich wohl jegliche Hoffnung darauf begraben.“, sagte Anthony, der sich mit seinem Schicksal inzwischen abgefunden hat. „Hast du eigentlich schon die neuesten Ermittlungsberichte gelesen?“
„Über Ben? Nein, die bekommt mein Vater zugeschickt. Warum?“, fragte ich ihn.
„Unser lieber Benedict gehörte wohl einer geheimen Organisation namens „Animal Welfare“ an, die auf Tierschutz spezialisiert sind. Ben hat die Tiere nicht eingeschläfert um sich an mir zu rächen, er hat sie eingeschläfert um sie aus ihrem angeblichen Elend zu befreien.“, erklärte Anthony mir, warf mir den Bericht vor die Nase und sofort musste ich an den Mann namens Carlos Perrez denken.


74. Mit den Augen von… - Teil 2
…Vince:
Gelangweilt lag ich im Bett meines Zimmers und grübelte nach, während ich mit einem Dartpfeil in meinen Fingern herumspielte. Mein Zimmer war trostlos und kalt eingerichtet, so wie ich es am liebsten mochte. Schon seit einer sehr langen Zeit war mein Leben genau das – trostlos, leer und kalt! Heute Abend würde sich aber alles ändern. Die Zeit war gekommen! Mit einem Anflug von Wut, stieß ich mich vom Bett auf und warf den Dartpfeil mit aller Kraft auf die graue Wand, an der eine Wurfscheibe hing. An der Wurfscheibe selber war ein Bild befestigt und mein Dartpfeil traf mitten in das Gesicht, dass auf dem Bild zu erkennen war.

…Justin:
„Nochmals Entschuldigung, dass ich am Freitag so schnell verschwinden musste, aber als mir ein Vogel sagte, dass mein Vater als führender Zoodirektor gefeuert wurde, musste ich einfach gehen.“, erklärte ich Bobby, während wir mein Zimmer betraten, dass ich bei Anja und Paul besaß. Ich grinste. „Ich weiß das hörte sich gerade sehr seltsam an – „als mir ein Vogel sagte…“.“
„Ist schon in Ordnung Justin. Ich hab bereits in der Samstagzeitung von der Kündigung deines Vaters gelesen.“, sagte Bobby verständnisvoll zu mir.
„Ja, wenn es um so etwas geht, sind die Journalisten wiederrum sehr schnell.“, sagte ich.
„Wie geht es dir?“, fragte mich Bobby fürsorglich und dafür liebte ich ihn.
„Jetzt schon sehr viel besser.“, antwortete ich ihm und griff nach seiner liebevollen Hand. „Wenn du bei mir bist, geht es mir immer gleich sehr viel besser.“
„Das ist schön, freut mich.“ Bobby setzte ein gezwungenes Lächeln auf, was mir nicht entging.
„Und wie geht es dir?“ gab ich die Frage zurück.
„Gut.“, antwortete mir Bobby schnell und kopfnickend.
„Wirklich?“, harkte ich vorsichtig nach.
„Um ehrlich zu sein…, ich muss mit dir über etwas sehr Wichtiges reden.“, sagte Bobby nachdenklich.
„Geht es um uns und unsere derzeitige Beziehung?“, fragte ich ihn und betonte das letzte Wort mit einem Schuss Selbstironie.
„Wo stehen wir gerade?“, fragte Bobby mich zögernd.
„Ich denke wir lieben uns, sind aber beide zu scheu den nächsten Schritt zu wagen.“, antwortete ich ihm direkt und sah ihm dabei in seine grünen Augen. „Ich liebe dich Bobby!“, gestand ich ihm und Bobby sah mich voller Verwunderung an. „Und egal ob du unserer Liebe noch eine Chance gibst, oder nicht, so solltest du immer wissen, dass ich für dich da bin – egal ob als Freund, oder mehr!“

…Tobias:
An unserem Geburtstag schoss ich mit meiner Handykamera ein Foto von Bobby, als er sich gerade ein Stück Torte in den Mund stopfte und Sahne an seiner Wange klebte - er sah so süß aus! Ich könnte das Bild stundenlang betrachten und fragte mich schon, ob ich mit irgendeiner Verstörtheit auf die Welt kam. Wie konnte man sich nur dauerhaft ein Bild ansehen?
Irgendwann musste ich das Bild dann aber sowieso wegstecken, denn als Maria mein Zimmer betrat, stand sie bereits vor mir, in ihrer Abendgarderobe für den Abschlussball. „Und wie sehe ich aus?“, fragte sie mich mit einem Lächeln im Gesicht. Sie trug ein feuerrotes Samtkleid und sah darin wie ein Phönix aus. Ich machte ihr so viele Komplimente wie mir einfielen. „Willst du dich nicht auch langsam mal fertig machen?“, fragte sie mich verwirrt, als sie merkte, dass ich mich mit meinen Gedanken wo ganz anders befand und immer noch in Jogginghose und Schlabbershirt rumhängte.
„Ich muss vorher noch duschen.“, erklärte ich ihr, stand von meinem Bett auf und ging ins Badezimmer. Ich zog mir meine Kleidung aus, stellte mich in die kalte Dusche und drehte den Wasserhahn auf, so dass warmes Wasser auf mich herabregnete.
Es war ein wohlig befreiendes Gefühl, als die Wassertropfen über meinen Körper glitten. Ich hatte das Gefühl, als würde jede Sorge, jeder Dreck und jedes beklemmende Gefühl von mir fortgespült.

…Maria:
Als Tobias vom Duschen zurückkam stand ich in meinem feuerroten Samtkleid am Fenster seines Zimmers und guckte Richtung Westen, zur untergehenden Sonne hin. Ganz in Gedanken versunken, merkte ich gar nicht wie lange ich da stand, denn nach einer Weile stupste mich Tobias an meiner Schulter, und als ich mich zu ihm umdrehte, stand er in einem schwarzen, eleganten Anzug und frisch gekämmten Haaren vor mir und sah wie ein Traumprinz aus.
„Ist alles in Ordnung mit dir?“, fragte er mich, nachdem ich ihm nicht antwortete.
Er war mein Traumprinz… doch ich war nicht seine Prinzessin. „Ich denke wir sollten reden.“, sagte ich entschlossen zu ihm und wusste, dass die nächsten fünf Minuten alles verändern würden.
„Okay und über was?“, fragte er mich besorgt und schluckte.
„Über das was du für mich nicht empfindest, aber für jemand anderen.“, antwortete ich ihm und unterdrückte dabei jedes Gefühl von Traurigkeit.
Tobias lachte leicht verwirrt. „W-Wovon redest du?“, fragte er mich nervös.
„Es ist okay Tobias.“, sagte ich zu ihm und streichelte ihm dabei seine rechte Wange. „Ich weiß es!“
„Woher weißt du es?!“, fragte er mich schließlich, als ihm klar wurde, dass es keinen Ausweg mehr gab. „I-Ich meine woher, wie, wann, warum?“
„Man hat mir die Augen geöffnet, aber spielt das denn eine Rolle?!“, erwiderte ich. „Ich weiß es, du weißt es und die Tatsache, dass wir seit Tagen nicht mehr wirklich miteinander geredet haben, sollte uns verdeutlichen, dass unsere Beziehung an ihrem Ende angelangt ist.“
„Maria ich…“ Tobias versuchte mir zu erklären, sich zu entschuldigen, doch wollte ich keines von beidem hören, denn das könnte ich nicht ertragen.
„Du musst dich für nichts entschuldigen.“, sagte ich lächelnd zu ihm. „Du bist ein wundervoller Junge Tobias und der Mensch dem du deine Liebe schenken willst, wird das hoffentlich auch erkennen.“
Ohne ein weiteres Wort ging ich an Tobias vorbei, öffnete die Tür und wollte gehen. Ich drehte mich aber noch ein letztes Mal zu Tobias um und sagte: „Du solltest keine Zeit mehr vergeuden und endlich anfangen um ihn zu kämpfen! Pass auf dich auf!“ Tobias warf mir einen dankbaren Blick zu, dann drehte ich mich wieder um und verließ sein Zimmer und somit auch sein Leben. Tränen des Abschieds kullerten mir auf dem Hinweg zum Abschlussball die Wangen hinunter.


75. Mit den Augen von… - Teil 3
…Justin:
Ich kam gerade vom Einkaufen zurück, als mich draußen, vor dem Eingang zu Anjas und Pauls Wohnung, mein Vater sich vor mich stellte und mich mit seinem gewohnt mürrischen Blick anstarrte. „Was willst du denn hier? Wolltest du nicht, dass ich aus deinem Leben verschwinde?“, fragte ich ihn aufgebracht.
„Das wollte ich ja… und ich kann deine Wut sehr gut verstehen.“, erwiderte mein Vater und auf einmal verschwand der mürrische Blick aus seinem Gesicht und ein mitleidiges und trauriges Gesicht kam zum Vorschein. „Ich hab mich dir gegenüber wirklich schlimm verhalten Justin und das nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon seit Jahren.“
„Was soll das denn jetzt?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Nachdem ich als Zoo-Chef gefeuert wurde, erlangte ich den absoluten Tiefpunkt in meinem Leben und erkannte, dass es so nicht weiter gehen konnte. Ich entschloss mich deshalb einen Alkoholentzug zu wagen. Ich gehe viermal die Woche zu Sitzungen und komm auch gerade von einer.“, erklärte mir mein Vater. „Es tut mir Leid was ich dir angetan und zugemutet habe Justin. Mir tut alles so schrecklich Leid und ich weiß was ich getan habe, kann ich vermutlich nie wieder gut machen. Seinen eigenen Sohn zu schlagen und ihn zum Teufel jagen, nur weil er…“ Mein Vater hielt einen kurzen Moment inne, denn offenbar war er noch nicht imstande, das Wort auszusprechen, unweigerlich zutraf. Schließlich fuhr er anderweitig fort. „Ich habe deine Mutter verloren, ich habe den Zoo verloren, ich habe meine Ehre und meinen Stolz verloren und ich habe dich verloren. Viel davon kann ich nicht mehr retten, aber ich kann zumindest versuchen, dich zu retten. Du bist mein Sohn Justin, ich liebe dich und ich bereue meine Taten!“
Er schien es wirklich ernst zu meinen, dachte ich mir. Aus den Augen meines Vaters las ich Angst und Verzweiflung. „Ich verzeihe dir.“, sagte ich schließlich, denn ich war nicht nachtragend und liebte meinen Vater natürlich ebenso. „Aber gewisse Dinge brauchen Zeit zum heilen und derzeit habe ich noch ganz andere Probleme. Außerdem geht es mir hier bei Anja und Paul sehr gut momentan.“
„Das verstehe ich.“, sagte mein Vater zu mir. „Ist es in Ordnung, wenn ich dich mal anrufe?“
„Du darfst mich gerne immer, zu jeder Zeit, anrufen… Dad!“, antwortete ich ihm und zwang mich dazu, nicht vor ihm das Weinen anzufangen. Dann ging mein Vater wieder und auch wenn noch ein steiniger Weg vor ihm lag, so wusste ich dennoch, dass alles wieder gut wird.

…Tobias:
„Ich habe mich von Maria getrennt, bin bisexuell und bin in Bobby verliebt!“, knallte ich meinen Eltern im Wohnzimmer vor den Latz. Mein Vater ließ überraschend die Chipstüte fallen, die er gerade in der Hand hielt. Zugegeben, dass war vielleicht nicht die beste und einfühlsamste Art, sich vor seinen Eltern zu outen, aber ich hatte das Gefühl, dass ich keine Zeit mehr verlieren durfte, da sich das Leben so rasend schnell fortbewegte und schneller an einem vorbeizieht, als einem lieb war.
„Das ist schön Tobias.“, sagte meine Mutter lächelnd.
„Ist das alles, was ihr dazu zu sagen habt?“, fragte ich die Beiden verwirrt.
„Nein.“, antwortete meine Mutter und streckte ihre linke Hand nach hinten zu meinem Vater. „Ich krieg von deinem Vater noch fünfzig Mäuse, weil wir gewettet haben, ob du es bist, oder nicht.“
Ich gluckste. Mit so einer Reaktion hatte ich bei weitem nicht gerechnet und auch wenn eine Wette um mich, mir nicht so ganz behagte, so war mir das immer noch lieber, als angeschrien, oder rausgeworfen zu werden. Dann kann ich ja jetzt zu Bobby gehen…!

…Maria:
Die Turnhalle, in der der Abschlussball stattfand, war dunkel und wurde von wenigen Scheinwerfern und einer Discokugel beleuchtet. Ringsherum an den Wänden standen Stehtische mit Teelichtern und auch Bänke, auf die man sich setzen konnte. Am anderen Ende wurde ein großes Buffet präsentiert, während man in der Mitte der Turnhalle ausgelassen tanzen und feiern konnte. Lehrer, Schüler, Familienangehörige – alle waren gekommen.
„Hey Maria.“, begrüßte mich Nina, die ein weinrotes Kleid trug. Sie sah wirklich gut aus und machte mir damit gehörig Konkurrenz in Sachen optische Schönheit. „Wo ist denn Tobi?“, fragte sie mich.
„Wir haben uns getrennt.“, antwortete ich ihr kurz und bündig.
„Oh…“, reagierte Nina überrascht. „Komm, setzen wir uns eine Weile dahin und du erzählst mir was geschehen ist.“
Nina begleitete mich freundlicherweise zu einer der Bänke, die bis auf ein Pärchen völlig leer war. Dann begann ich ihr zu erzählen was passierte: „Ich hätte es eigentlich schon viel früher bemerken müssen, schon als das unfreiwillige Coming-Out von Bobby in der Schule stattfand und Tobias sich so für ihn eingesetzt hat. Erst als ich die Beiden aber an ihrem Geburtstag zusammen tanzen und küssen sah, wurde es mir bewusst. Ich wollte Tobias Zeit geben es mir zu erklären, aber als ich dann heute das Bild von Bobby auf Tobias Handy entdeckte, während er unter der Dusche stand, traf ich meine Entscheidung vorzeitig und trennte mich von ihm.“
„Du hast die Beiden also gesehen.“, erwiderte Nina überrascht und schockiert. „Muss ein schlimmes Gefühl sein, seinen Freund mit einem anderen Jungen rumknutschen zu sehen.“
„Ich hab es Tobias nicht erzählt, da ich nicht wollte, dass er mir gegenüber Schuldgefühle entwickelt.“, erklärte ich Nina. „Und Bobby konnte mich sowieso noch nie ausstehen.“
„Also in dem Punkt irrst du dich!“, wehrte Nina den Vorwurf ab. „In seinen E-Mails, die er mir nach Amerika schickte, hat er sehr oft von dir geschrieben und soll ich dir sagen, was er über dich gesagt hat? Er meinte, dass er sich in dir irrte und dich nicht nach dem ersten Eindruck als blondes Püppchen abstempeln hätte dürfen, da du das nicht bist. Du bist ein liebevolles, warmherziges und gutmütiges Mädchen, mit dem man immer viel Spaß hat und lachen kann. Er war froh, dass Tobias dich an seiner Seite hatte, denn du hast Tobias glücklich gemacht!“
„Das hat er wirklich geschrieben?“, fragte ich lächelnd und gerührt zugleich. „Das ist sehr lieb von ihm. Ich hoffe er erkennt, was Tobias für ihn empfindet.
„Ja das hoffe ich auch.“, bestätigte Nina und tröstete mich mit einer Umarmung.

…Vince:
Ich erinnerte mich, als wäre es gestern gewesen, doch tatsächlich war es bereits zehn Jahre her…
„Papa?! Papa?!“, rief ich damals, während ich so ganz allein in einem der vielen Fluren im Krankenhaus stand und mich verwirrt und ängstlich umherblickte. „Wo ist mein Papa?!“
Ein Arzt kam auf mich zu, beugte sich zu mir runter und versuchte mich zu beruhigen. „Dein Papa wird jetzt für eine sehr lange Zeit schlafen, aber mach dir keine Sorgen, man wird sich gut um dich kümmern.“, sagte er zu mir.
„Zwei Männer in Uniformen haben erzählt, mein Papa wurde von einer Löwin angefallen.“, erklärte ich dem Arzt. „Sie sagten, ein kleiner Junge, der genauso alt ist wie ich, hat die Löwin aus ihrem Gehege befreit und sie auf meinen Papa gehetzt.“
„Ist das wirklich wahr mein Junge?“, fragte mich der Arzt neugierig. „Das haben sie gesagt?“ Ich nickte ihm nur zu. „Wie ist dein Name mein Junge?“
„Vincent, aber alle nennen mich nur Vince.“, antwortete ich ihm.
„Und dein Nachname?“, fragte mich der Arzt weiter.
„Perrez! Mein Name ist Vincent Perrez.“, antwortete ich und der Arzt streichelte mir über den Kopf.
„Ich weiß, das ist alles sehr viel für dich momentan, aber hättest du Lust mit mir zukommen Vince? Ich würde auf dich aufpassen und dir ein sorgenreiches Leben bescheren.“
„Wenn sie mir versprechen, dass der Junge, der für den Tod meines Vaters verantwortlich ist, dafür leiden muss…“, erwiderte ich und in meinen pechschwarzen Augen spiegelte sich der blanke Hass.
„Ob du es glaubst oder nicht, aber auch ich kannte deinen Vater und ich gebe dir mein Versprechen, dass du deine Rache bekommen wirst, wenn du tust was man dir sagt und sehr viel Geduld mit aufbringst.“, sagte der Arzt zu mir und mit einem leicht boshaften Lächeln reichte ich ihm meine Hand.
„In wenigen Stunden ist es soweit.“, sagte ich, als plötzlich ein Mann hinter mir stand.
„Die Organisation „Animal Welfare“ zählt auf dich Vince.“, sagte Dr. Gold.


76. Mit den Augen von… - Teil 4
…Maria:
„Wo stecken die Jungs eigentlich?“, fragte Nina mich nach Tobias und Bobby, doch ehrlich gesagt, wollte ich das lieber gar nicht so genau wissen. Nina wandte ihren Kopf in alle Richtungen der Turnhalle, um nach den Beiden Ausschau zu halten. „Jetzt habe ich mich so hübsch gemacht. Ich hab heute sogar ein Kleid angezogen – ich zieh sonst nie Kleider an!“, erzählte sie mir und ich lächelte.
Doch das Lächeln war nur Tarnung meiner Einsamkeit. Tobias, Bobby und Nina hatten sich untereinander, doch wen hatte ich? Jetzt wo das mit Tobias zu Ende war, würde ich ganz alleine dastehen, ohne Freund und Freunde.
Mein Ex-Freund Leon drängelte sich durch die Menschenmenge und kam auf mich zu. Er sah äußerst schick aus, in seinem schwarzen Anzug, samt seiner schwarzen Haare. Er streckte seine rechte Hand nach mir aus: „Darf ich um diesen Tanz bitten?“, fragte er mich freundlich.
Ich sah schmunzelnd zu Nina, die mir lächelnd ein Zeichen gab, dass ich ruhig mit ihm gehen sollte. Also erhob ich mich von der Bank, die auf Dauer doch recht unbequem war, und ließ mich von Leon auf die Tanzfläche führen.
„Nicht das du das missverstehst, das ist kein weiterer Versuch, dich zurück zu erobern.“, erklärte mir Leon, während wir Beide Hand in Hand auf der Tanzfläche langsam tanzten.
„Momentan könnte ich einen guten Freund gebrauchen. Jemand der für mich da ist und mir zuhört – ohne Hintergedanken.“, erwiderte ich höflich.
„Da wir in Zukunft auf dieselbe Uni gehen und uns noch öfters sehen werden, wird das denke ich machbar sein.“, sagte Leon lächelnd zu mir, während wir im Licht der Discokugel unseren Tanz fortsetzten und einen unvergesslichen Abend verbrachten.

…Vince:
„Ich kann leider nicht lange bleiben – Abschlussball, du verstehst?!“, erklärte Bobby mir, als er in meine Villa eintrat. Er trug den schönen Anzug, den er bereits auf der Hochzeit von Anja und Paul anhatte. Die Villa war hell beleuchtet, während es draußen inzwischen stockfinster war.
„Du siehst wie immer umwerfend aus.“, sagte ich zu ihm und konnte in seinem Gesicht erkennen, dass er leicht verlegen wurde.
„Danke, aber worüber wolltest d*u denn so dringend mit mir reden?“, fragte er mich.
Ich drehte ihm den Rücken zu, als ich anfing ihm zu antworten: „Als du das erste Mal hier warst, haben wir uns über Zufälle und das Schicksal unterhalten. Deiner Meinung nach war alles was in deinem Leben vorgefallen ist, nichts als ein Zufall, während ich der Meinung war, dass es Schicksal sein musste, dass wir uns im Krankenhaus kennenlernten.“
„Um was geht es hier jetzt eigentlich?“, hörte ich Bobby mich verwirrt fragen.
„Es geht darum, dass es kein Zufall war, dass Vince dich damals im Krankenhaus kennenlernte, sondern dass es Schicksal war!“, rief eine laute Stimme vom ersten Stock zu uns die Wendeltreppe hinunter. „Es war auch kein Zufall, dass du dich am Tag nach Vince´ Geburtstag dich an nichts mehr erinnern konntest.“, fügte Dr. Gold hinzu, während er langsam die Treppe hinunterstolzierte. „Denn nur mithilfe einer speziellen Droge, die Stefan dir verabreicht hat, war uns dies möglich.“
„D-Droge?“ Bobby sah Dr. Gold verwirrt an, dann mich und dann wieder zu Dr. Gold, der inzwischen eine Waffe auf ihn richtete.
„Vince, was geht hier vor und was soll das Ganze?“, fragte Bobby mich verwirrt und ängstlich zugleich, doch ich antwortete ihm nicht. „Was wollt ihr von mir?!“
„Von dir? Junge, wer sagt denn das wir was von dir wollen?“, fragte mich Dr. Gold boshaft lächelnd. „Wir sind hinter jemand ganz anderem her…!“

…Justin:
„Das dein Vater einen Alkoholentzug macht, ist der erste Schritt in die richtige Richtung und das er hier war, um sich bei dir zu entschuldigen, ist doch ein gutes Zeichen.“, sagte Anja zu mir, als ich ihr von dem Treffen mit meinem Vater vor dem Eingang berichtete.
„Ist es denn okay für euch, dass ich noch eine Weile bei euch wohne?“, fragte ich sie und Paul unsicher.
Paul stand vom Sofa auf und legte seinen rechten Arm um Anjas Hüfte, während er mir antwortete: „Du darfst hier gerne so lange wohnen bleiben, wie du möchtest.“
„Für mich bist du sowieso wie ein kleiner Bruder.“, entgegnete Anja voller Stolz und zauberte mir damit ein Lächeln ins Gesicht. „Paul und ich haben uns zudem was überlegt.“, sagte sie und wandte ihr Gesicht dabei zu ihrem Gatten.
„Anja und ich haben darüber geredet, wie es für dich wäre, wenn wir Beide dir das Lesen und Schreiben beibringen würden, denn irgendwann einmal, könnte das für dich sehr wichtig sein.“, erklärte Paul mir. „Natürlich nur wenn du willst.“
„Würde euch das denn nichts ausmachen und hättet ihr dazu überhaupt Zeit?“, fragte ich sie und kaute währenddessen unsicher auf meiner Unterlippe rum.
„Wir haben uns das reichlich überlegt, also ja oder nein?!“, erwiderte Anja entschlossen.
„Ja!“, rief ich den Beiden zu und bedankte mich bei ihnen mit einer Umarmung. Ihr seid die Besten! Das muss ich gleich Bobby erzählen und von der Begegnung mit meinem Vater.“ Ich verabschiedete mich von den Beiden und rannte überstürzt aus der Wohnung.
Auf dem Weg zu Bobbys Schule war ich so in Gedanken versunken, dass ich jegliche Vorsicht vergaß und an einer Kreuzung, im Licht einer Laterne, schlich sich eine schattenhafte Person aus einer Ecke und schlug mich von hinten bewusstlos zu Boden.

…Tobias:
„Tobias?!“, rief Frau Forster überrascht, als sie mir die Tür öffnete, während hinter ihr Timo anfing laut zu bellen. „Wieso bist du nicht auf dem Abschlussball?“
„Da gehe ich hin, aber ich wollte mit Bobby dahin. Ist er noch da?“, fragte ich völlig außer Atem, da ich mehr oder weniger zu seinem Haus gerannt bin, damit ich ihn nicht verpasse.
„Tut mir leid, aber Bobby ist schon fort.“, antwortete Frau Forster mir. „Er wollte noch zu Vince. Ist denn alles in Ordnung?“
„Alles Bestens!“, rief ich ihr entgegen. „Ich will Bobby nur zeigen, wie sehr ich ihn liebe und das ich mit ihm zusammen sein möchte!“ Frau Forster fielen vor Überraschung fast die Augen aus dem Kopf, als sie mich das sagen hörte, doch ich strahlte unentwegt über das ganze Gesicht, entschlossener denn je. Auf einmal flitzte Timo an Frau Forster und mir vorbei und rannte auf die Straße.
„Timo, komm auf der Stelle zurück!“, rief Frau Forster laut hinterher.
„Schon gut Frau Forster. Ich lauf hinterher und bringe ihn wieder zurück!“, rief ich ihr zu und als ich mit voller Euphorie zur Straße rannte, rief ich noch: „Machen sie sich keine Sorgen, es wird keinem etwas passieren – vor allem Bobby nicht, denn solange ich lebe, werde ich ihn unter Einsatz meines Lebens beschützen!“

Fortsetzung folgt...!

77. Das Ende?! – Teil 1
Kennt ihr dieses Gefühl, dass euer Leben momentan gar nicht besser laufen könnte und auf einmal –bäääääm – ändert es sich schlagartig?! Mir ergeht es gerade so….
Dr. Gold zielte mit einer Waffe auf mich und mit weiten Augen und am ganzen Körper zitternd vor Angst, stand ich in der Eingangshalle von Vince Villa. Ich wusste nicht was hier vor sich ging. In meinem Kopf überschlugen sich die Gedanken und ich fragte mich ernsthaft ob ich nicht schon wieder träumte. Ein Albtraum der übelsten Sorte wie ich finde…
„Vince, bring unseren Gast doch bitte in das vorgesehene Zimmer.“, bat Dr. Gold Vince freundlich.
Vince ging langsam auf mich zu und als er nach meinem Arm greifen wollte, wurde mir bewusst, dass dies kein Traum war, sondern bitterer Ernst. „Fass mich nicht an!“, schrie ich Vince an, nachdem mir bewusst wurde, was Vince getan hatte. „Ihr seid hinter Justin her. Verstehe ich das richtig?“
„So ist es. Du bist ein kluger Junge.“, antwortete Dr. Gold mir schnippisch.
„Wieso seid ihr hinter ihm her und wofür braucht ihr mich dazu?“, fragte ich die Beiden.
„Sollte dein kleiner Tierliebhaber-Freund nicht mit uns kooperieren, schadet es nicht ein geeignetes Druckmittel zu besitzen, wenn du verstehst.“, erklärte Dr. Gold mir und fing an zu grinsen. „Vince!“
Vince griff erneut nach meinem Arm und dieses Mal wehrte ich mich stärker gegen seinen Griff, dabei fiel mein Freundschaftsarmband zu Boden. Ich rangelte eine Weile mit Vince, als ein lauter Schuss ertönte und ich schreckhaft zurückschreckte, so dass Vince mich überrumpeln konnte.
„Du tust besser was man dir sagt!“, rief Dr. Gold mit erhobener Waffe. Der Schuss ging in die Wand neben der Haustür. „Denn tust du nicht was man dir sagt, wird man deiner Familie und deinen Freunden einen kleinen Besuch abstatten und diese Treffen würden nicht gut enden.“
Ich hörte auf mich zu wehren. Ich durfte meine Familie und meine Freunde nicht auch noch in Gefahr bringen. Ich hatte keine andere Wahl, als das zu tun, was man mir sagte.

Vince brachte mich in den Keller der Villa. Dort befand sich ein kleiner, recht kühler Raum, indem sich lediglich ein Holztisch mit zwei Stühlen, ein Regal und zwei Monitoren an der Decke befanden. „Ich werde dich nicht fesseln, aber solltest du einen Fluchtversuch starten, lernst du mich von einer anderen Seite kennen.“, drohte mir Vince und ich starrte ihn mit wütenden Augen an.
„Ich glaube, ich lerne deinen andere Seite bereits auch so kennen.“, erwiderte ich. „Ich dachte wir wären Freunde, dabei hast du mich von Anfang an nur benutzt um an Justin ranzukommen.“
„Das stimmt nicht!“, wehrte Vince den Vorwurf ab. „Als wir uns damals im Krankenhaus kennen lernten wusste ich noch nicht, dass Justin dein Freund ist. Damals wollte ich wirklich nur einfach dein Freund sein, ohne jeden Hintergedanken, doch du hast dich nie zurückgemeldet. Als ich dich dann in der Fahrschule wieder traf, traute ich meinen Augen nicht, als ich sah, dass du mit dem Tierflüsterer zusammen bist.“
„Dem Tierflüsterer?!“, fragte ich ihn verwirrt.
„Komm schon Bobby. Justin hat es dir doch sicherlich erzählt. Wenn nicht dir, wem dann?! Die Mitglieder in der Organisation „Animal Welfare“ nennen Justin den Tierflüsterer, weil er mit Tieren kommunizieren kann.“, erklärte Vince mir und auf einmal wurde mir so einiges klar.
„Animal Welfare also… die Tierschützer-Organisation?! Du gehörst zu denen, die Tieren helfen und sei es, dass Menschen wie Justins Mutter dabei umkommen?“
„Ich, Stefan, Ben und Dr. Gold - wir sind Mitglieder dieser Organisation, ja!“, antwortete Vince mir.
„Der Esel nennt sich immer zuerst.“, sagte ich sarkastisch. „Ben also auch… ich glaub es ja nicht.“
„Solltest du aber, denn er hat mir dabei geholfen, dich und Justin auseinanderzubringen.“, sagte Vince und ein Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht, was mir eine Gänsehaut bereitete.
Ich konnte es nicht glauben. Ich konnte es einfach nicht glauben. Verstehen konnte ich es ebenso wenig, doch ehe ich weitere Fragen stellen konnte, ging der linke Monitor an der Decke von alleine an. Dr. Gold befand sich im Nebenzimmer dieses Raumes, in dem er ein Laboratorium für sich einrichten ließ. Die Tür ging auf und Stefan, der den bewusstlosen Justin über seinen Schultern trug, betrat das Labor.
Durch einen Lautsprecher konnte man hören, was im Nebenzimmer vor sich ging. „Leg ihn dort hin.“, sagte Dr. Gold zu Stefan und deutete auf ein verseuchtes Bett inmitten des Raumes. „Ich werde dem Tierflüsterer Blut abnehmen und kann es dann genauer erforschen.“
„Falls es dich interessiert, Dr. Gold ist der Anführer der Organisation „Animal Welfare“ und ist bei uns auch unter dem Decknamen Einstein 2.0 bekannt.“, erklärte Vince mir.
„Das interessiert mich… so gar nicht.“, erwiderte ich. „Dich nennt man dort dann bestimmt Verräter oder Betrüger.“
„Sehr lustig Bobby.“, sagte Vince und sah mich böse an. „Wenn du wüsstest, aus welchen Motiven ich das tue, würdest du anders über mich denken.“ Vince hielt inne, denn plötzlich klingelte es an der Haustür. Der zweite Bildschirm sprang an und eine Videokamera zeigte das Geschehen draußen vor der Villa. Tobias stand vor der Haustür und versuchte Timo in Zaum zu halten.
Als ich Tobias sah, schlug mein Herz höher. Er war unsere Rettung dachte ich mir, doch dann wurde mir schnell bewusst, dass er gar nicht wissen konnte, wo wir steckten und Dr. Gold war bewaffnet. Tobias durfte auf keinem Fall etwas zustoßen und wieso hat er eigentlich Timo dabei?!
„Was sollen wir jetzt tun?“, fragte Stefan Dr. Gold, die im Labor Tobias Erscheinen ebenfalls sahen.
„In der ganzen Villa brennt Licht, es wäre unlogisch, wenn ihn keiner aufmachen würde. Versuch ihn irgendwie abzuwimmeln.“, antwortete Dr. Gold ihm hastig.
„Und wenn er sich nicht abwimmeln lässt?“, harkte Stefan nach.
Dr. Gold schmunzelte, griff nach seiner Waffe und überreichte sie Stefan. „Dann wirst du das Nötige tun, damit er uns nicht in die Quere kommt!“


78. Das Ende?! – Teil 2
Tobias war in Gefahr! Ich wollte schreien, ich wollte ihn warnen, doch Vince wies mich darauf hin, dass alle Räume in der Villa schalldicht abgesichert wurden und die Tür zur Kellertreppe abgesperrt sei, so dass jegliche Flucht aussichtlos schien. Ich konnte also nur hoffen, dass Tobias wieder ging, so gern ich mir auch wünschte, er würde kommen um mich und Justin aus dieser Misere zu befreien.
„Dein Freund muss uns auch immer in die Quere kommen.“, sagte Vince genervt. „Schon damals als er dir den nächtlichen Besuch im Zoo ausreden wollte, den ich dir so schön einredete und dann bringt er auch noch seine Freundin mit. Ich musste Ben also damals warnen, und rief ihn heimlich an, während ich auf die Toilette ging. Dir gegenüber behauptete ich natürlich, mich mit meinem Vater zu unterhalten. Naja Maria konnte ich im Reptilienhaus dann schließlich außer Gefecht setzen, indem ich ihr von hinten Chloroform verabreichte. Danach musste ich natürlich so tun, als ob man mich ebenso wie sie lahm legte.“, erzählte Vince mir. „Bens Tod war damals zwar nicht miteingeplant, aber immerhin konnten wir dich und Justin dadurch auseinanderbringen. Es hat Spaß gemacht, dich gegen deinen damaligen Freund zu hetzen und du hast mir so sehr vertraut, dass du mir jedes einzelnes Wort geglaubt hast. Es war so leicht euch alle zu manipulieren und du hast mir auch wirklich alles auf die Nase gebunden, was ich wissen wollte.“ Vince lachte und ich warf ihm einen wütenden Blick zu. „Zum Beispiel, dass du dich mit Justin im Wald treffen willst. War die ideale Gelegenheit für mich, von euch Beiden noch ein Foto zu machen, denn irgendwie war mir klar, dass ihr die Finger nicht von euch lassen könnt. Mit all dem Geld das Dr. Gold besitzt und all den Mitgliedern unserer Organisation war es ein leichtes für mich, all die Fotos von euch Beiden in der Stadt zu verteilen. Herr Taler hab ich sogar persönlich ein Foto in den Briefkasten geschoben. Ich hab es richtig genossen, als er seinen eigenen Sohn aus der Wohnung warf!“ Vince lachte noch immer und nachdem er mir die ganze Wahrheit erzählte, blieb mir die Stimme im Halse stecken.
Als ich mich endlich wieder fing, fragte ich ihn: „Wieso hast du ihm das angetan?“
„Ich wollte dass er leidet.“, antwortete Vince mir, als er sich wieder fing. „Er ist für den Tod meines Vaters verantwortlich, als er eine Löwin aus ihrem Gehege befreite.“
Ich erinnerte mich an Justins Geschichte und nun wurde mir endlich alles klar vor Augen. „Du bist der Sohn von Carlos Perrez?!“
„Ja genau!“, schrie mich Vince nun mit wütendem Blick an. „Mein Vater war ein Mitglied der Organisation Animal Welfare und Dr. Gold hat mir über die Trauer meines Vaters hinweg geholfen und mir zudem versichert, dass ich meine Rache erhalten würde. Justin hat mir den letzten verbliebenden, mir sehr lieben, Menschen genommen.“
„Aber er war doch noch ein Kind.“, verteidigte ich Justins damalige Tat.
„Ein Kind, das ungerechterweise eine fantastische Gabe erhalten hat. Eine Gabe, die sich in unserer Organisation sehr gut einzusetzen weiß.“, erwiderte Vince nur und er starrte wieder auf den Monitor.
Ich blickte ebenfalls wieder zum Monitor hoch und sah zu, wie Stefan Tobias die Tür öffnete.
„Wir kennen uns doch. Schön dich wieder zu sehen.“, begrüßte Stefan Tobias scheinheilig und Timo fing sofort an ihn anzuknurren.
„Was hat denn der Köter?“, fragte Stefan Tobias unfreundlich.
„Er ist ein Husky.“, antwortete Tobias ihm nur, dem Stefans unfreundliche Art nicht sehr behagte.
„Wie auch immer…“, sagte Stefan und verdrehte die Augen.
„Stefan richtig? Ist Bobby bei Vince?“, fragte Tobias ihn und versuchte Timo im Zaum zu halten.
„Bobby ist vor einer halben Stunde zum Abschlussball gegangen.“, antwortete Stefan ihm.
„Schade.“, sagte Tobias bedauerlich. „Ich wollte ihn fragen, ob er mit mir zum Abschlussball gehen will.“ Der letzte Satz ließ mich besonders aufhorchen und ich fragte mich, was mit Maria sei.
„Wie gesagt er ist schon fort.“, erwiderte Stefan leicht gereizt.
„Hm… ja okay.“, sagte Tobias enttäuscht, als er mein Freundschaftsarmband am Boden der Villa entdeckte. „Das gehört doch Bobby.“, sagte er und betrat ungebeten die Villa.
„Hat er wohl vorhin hier verloren.“, sagte Stefan gleichgültig und versuchte ihn wieder dezent aus der Villa zu drängeln. „Du solltest jetzt wirklich gehen, nicht dass er auf dem Abschlussball wieder so betrunken ist, dass er mit einem anderen Jungen schläft.“
Ich fluchte innerlich. „Wieder?“, fragte Tobias Stefan nun verwirrt.
„Hat er dir das nicht erzählt?“, fragte Stefan ihn hämisch grinsend. „Er hat mit Vince damals geschlafen, als ihr hier wart.“ Tobias starrte Stefan mit großen Augen an.
Ich überlegte kurz und dann sah ich zu Vince, der gespannt auf den Monitor starrte. „Wir haben nicht miteinander geschlafen richtig?!“ fragte ich ihn und die Antwort schien mir ausnahmsweise klar.
„Nein.“, antwortete Vince mir, ohne mich anzusehen. „Stefan hat dir eine spezielle Droge, die Dr. Gold aus den Pflanzen im Gewächshaus entwickelte, unters Bier gemischt. Du hast gefeiert, bis du wie ein Stein schlafend umfielst und hast dich am nächsten Morgen an nichts mehr erinnert.
„Und wozu das Ganze?“, fragte ich ihn verwirrt.
„Wir wollten die Droge schon länger einmal testen und du warst das perfekte Testobjekt. Außerdem dachte ich mir, dass es für mich sehr hilfreich sein könnte, wenn ich dir diese Lüge auftische, denn wenn Justin und Tobias das erfahren würden…“
„…wären sie am Boden zerstört.“, beendete ich den Satz und wäre Vince am liebsten an die Gurgel gesprungen, vor lauter Wut, die in mir kochte.
„Ist Vince da und kann ich mit ihm sprechen?“, fragte Tobias inzwischen Stefan.
„Vince… kann gerade nicht. Er… duscht gerade.“, log Stefan, nachdem er kurz überlegte.
„Kann ich warten?“, fragte Tobias der nicht nachgab.
„Nein, es ist schon spät und du willst doch nicht zu spät zu deinem Abschlussball kommen, oder?!“, erklärte Stefan ihm, gab ihm einen Klaps auf die Schulter und Timo fing wieder an zu knurren.
Als Tobias sich zur Haustür wandte, entdeckte er das Einschussloch an der Wand, dass Dr. Gold vorhin mit seiner Waffe verursachte. Jetzt ist alles aus, dachte ich mir und Stefan tastete bereits unauffällig nach der Waffe, die hinten in seiner Hose steckte. Doch dann sagte Tobias überraschend etwas ganz anderes: „Renoviert Vince´ Dad gerade? Ich meine wegen dem Bohrloch hier.“
Stefan machte ein überraschtes Gesicht, dann antwortete er Tobias schnell und stotternd. „Äh ja, sie renovieren, richtig!“
„Dachte ich mir.“, sagte Tobias und grinste. Dann drehte er sich wieder zur Tür um und in der nächsten Sekunde sprang Timo an Stefans Bein und biss zu. Stefan brüllte auf vor Schmerz und als er seine Waffe zücken wollte, sprang ihm bereits Tobias an den Hals und stieß ihn zu Boden. Stefan wurde die Waffe aus den Händen gerissen, die im hohen Bogen unter eine Kommode flog. Tobias und Stefan rangelten miteinander, während Timo Stefans Bein losließ und anfing laut zu bellen. Im Nebenzimmer hörte ich Dr. Gold laut fluchen und auch Vince fing an rum zu fluchen.
„Wo ist Bobby? Was habt ihr mit ihm gemacht?!“, schrie Tobias Stefan an, während er sich mit ihm am Boden prügelte. Als Tobias auf Stefan lag, griff Letzterer nach einer großen Ming-Vase, die im Raum stand und schlug sie Tobias auf den Kopf. Die Ming-Vase ging zu Bruch und Stefan konnte sich aus Tobias Griff befreien. Tobias langte sich mit einer Hand schmerzvoll an den Kopf und auf dem Monitor erkannte ich, wie ihm Blut vom Kopf floss. Stefan nutzte die Gelegenheit und hinkte zur Kommode, unter der die Waffe lag. Timo biss ihm inzwischen ins andere Bein und wieder brüllte Stefan laut auf. Er griff nach der Waffe und gerade als er auf Timo zielte, besann sich Tobias wieder und stürzte sich wieder auf Stefan. Nach einem kurzen Rumgerangel am Boden, löste sich ein Schuss und Beide blieben regungslos am Boden liegen. Mit entsetzten Augen beobachtete ich die Tragödie und betete, dass der Schuss nicht Tobias traf.


79. Das Ende?! – Teil 3
Mir stockte der Atem, meine Hände zitterten und urplötzlich fühlte ich mich an meinen Albtraum vor einigen Wochen zurückerinnert. Tobias war mein allerbester Freund. Er war immer für mich da, sorgte sich um mich, hatte immer ein offenes Ohr für seine Freunde und wir hatten immer sehr viel Spaß zusammen. Er durfte nicht sterben! Nicht, nach allem was geschehen war. Nicht jetzt…!
Ich starrte unentwegt auf den Monitor und wartete auf ein Zeichen, dass sich Tobias rührte, dass der Schuss nicht ihn traf! Das leidige Warten kam mir wie Minuten vor, doch nur nach wenigen Sekunden rührte sich Tobias Körper, der unter Stefan lag und hob dessen toten Leichnam von sich runter. Dann atmete er angeschlagen tief ein und wieder aus. Erleichterung breitete sich in mir aus, während Vince schockiert auf den Monitor blickte.
Tobias stand schließlich vom Boden auf und nahm auch die Waffe an sich. Dann rief er in voller Lautstärke durch die Villa: „Bobby?! Bobby, wo bist du?!“ Timo bellte ebenfalls lautstark.
„Verdammt!“, fluchte Vince laut und rannte im Kellerraum hin und her, ohne seinen Blick vom Monitor zu wenden.
Aus dem anderen Monitor war die Stimme von Dr. Gold zu hören. „Vince, komm her und bring deinen Freund mit. Die Situation wird zu brenzlig. Wir hauen von hier ab und nehmen die beiden Jungs mit.“
„Feiglinge!“, schrie ich Vince an, als er mich, wie ihm befohlen, am Arm packte und aus dem Zimmer zerrte. Als wir das Labor von Dr. Gold betraten, stürzte ich mich in Feuereifer auf Justin. „Justin?! Justin hörst du mich?!“, rief ich ihn besorgt zu, der seine Augen geschlossen hatte und schüttelte ihn.
Nach einer Weile öffnete Justin seine Augen langsam und ich konnte darin all den Schmerz der vergangenen Jahre, die ihm widerfahren sind, erkennen. „Wo bin ich?“, fragte er leise und verwirrt.
„Dein Freund kann dir alles auf dem Weg erklären, da wir keinerlei Zeit mehr verlieren dürfen.“, entgegnete Dr. Gold ihm, ehe ich irgendetwas sagen konnte. „Wie gut, dass ich immer eine Ersatzwaffe bei mir habe.“ Aus einer Schublade zog Dr. Gold eine zweite Waffe hervor.
„Bobby, was geht hier vor sich?“, fragte Justin mich, als ich ihm vorsichtig von der Liege aufhalf.
„Vince und Dr. Gold sind Mitglieder der Organisation Animal Welfare.“, versuchte ich ihm erklären.
„Um es kurz zu fassen.“, sagte Dr. Gold. „Wir sind eine Organisation die sich auf Tierschutz spezialisiert hat. Als ich von Vince, der der Sohn von Carlos Perrez ist, erfahren habe, dass du offenbar mit Tieren sprechen kannst, hab ich alles daran gesetzt, dich in unsere Finger zu bekommen. Ich hab dir Blut abgenommen um herauszufinden, wie du zu dieser wunderbaren Gabe gekommen bist. Deinen Freund haben wir ebenfalls als Geisel genommen, damit du mit uns kooperierst, denn wenn du tust was man dir sagt, werden wir einige Tiere vor der Menschheit retten können. Tust du allerdings nicht was man dir sagt, so wird dein Freund hier“, er zeigte auf mich, „ den Tod erleiden und danach werden wir uns deinen Vater schnappen, wenn es soweit kommen sollte.“
Justin starrte mit entsetzten Augen zu Dr. Gold, dann zu Vince und zu guter Letzt zu mir. Ich versuchte ihn zu beruhigen. „Keine Angst, Tobias ist hier um uns zu retten!“
Vince gluckste hämisch. „Wird er aber nicht, denn wir werden einen anderen Ausgang nehmen, der direkt ins Gewächshaus führt und sollte Tobias sich dort ebenfalls hineinwagen….“
„… wird er dort vielleicht nie wieder rausfinden.“, beendete ich den Satz und schluckte, als ich mich an Vince damaliger Worte zurück erinnerte, dass das Gewächshaus der reinste Irrgarten sei.
„Ganz genau!“, bestätigte Vince und grinste mich boshaft an.

Fünf Minuten später befanden wir uns alle im Gewächshaus. Vine ging voran und führte uns, während Dr. Gold hinter uns her schlich und die Waffe auf mich und Justin richtete. Justin konnte zwar laufen, aber ein wenig stützte ich ihn dann doch, da er sehr schwach auf den Beinen war.
Auf einmal hörten wir Tobias Stimme wieder schreien: „Bobby?! Bobby!!!“
Himmel hilf! Bitte lass Tobias sich hier nicht verirren, schoss mir durch den Kopf, als ich das Kläffen von Timo vernahm. „Natürlich!“, rief ich. „Timo wird Tobias hier sicher durch – und auch wieder herausbringen!“ Freude breitete sich in mir aus, die jedoch nur von kurzer Dauer war.
„Dieser Dummkopf hat es nicht anders gewollt.“, sagte Vince und betätigte hinter einer Tropenpflanze einen roten Knopf. Ein lautes Alarmsignal ertönte und die Türen des Gewächshauses wurden elektronisch verschlossen. „Jetzt kommt man nur noch mithilfe des Schlüssels hier raus, den ich bei mir trage.“, erklärte Vince uns. „Das Glas ist unzerstörbar und die Sprinkleranlage ist ausgeschaltet. Doch das Beste kommt zum Schluss: Hier wird es gleich sehr heiß werden!“ Vince zog ein Feuerzeug raus und zündete ein paar der hier gedeihenden Pflanzen an, die schon bald Feuer fingen und sich auf die anderen Pflanzen übertrugen.
„Bist du wahnsinnig geworden?!“, schrie ich ihn schockiert an.
„Wieso?“, fragte mich Vince triumphierend. „Wir dürfen keine Spuren hinterlassen und müssen die Villa verbrennen, samt dem Labor und dem Gewächshaus. Dr. Gold hat seine Daten und Proben vorsichtshalber schon vor ein paar Tagen an einen sicheren Ort untergebracht. Sobald wir hier raus sind, wird Tobias mit dieser Villa und allen Beweisen verbrennen!“
„Das lass ich aber nicht zu!“, schrie ich ihn an und stürzte mich impulsiv auf ihn. Für Vince kam mein Angriff zu unerwartet und überraschend, so dass ich erst einmal die Oberhand gewann, doch die Lage änderte sich rasend schnell wieder.
„Du hörst jetzt besser auf, hier Faxen zu machen, denn dafür haben wir nämlich keine Zeit mehr!“, rief mir Dr. Gold entgegen, während er seine Waffe an Justins Kopf hielt und das Feuer sich immer weiter ausbreitete. Die Zeit drängt und es geht um Leben und Tod!


80. Das Ende?! – Teil 4
Ich saß eingewickelt in einer Decke im offenen Laderaum einer der Krankenwägen. Vor mir herrschte das reinste Durcheinander. Feuerwehrmänner waren damit beschäftigt den Brand in der Villa zu löschen, Polizisten liefen umher, stellten Fragen an die Nachbarschaft und gaben Anweisungen, während den Sanitätern die Toten gemeldet wurden, die durch die Flammen umkamen. Unaufhörlich liefen mir Tränen über die verschmutzten Wangen und ich ließ die letzte Stunde in meinem Kopf noch einmal Revue passieren.

Dr. Gold hielt Justin die Waffe an den Kopf, während ich mich am Boden mit Vince prügelte, der das Gewächshaus in Brand setzte und damit Tobias und uns alle in Gefahr brachte.
„Sie können mich nicht erschießen.“, sagte Justin zu Dr. Gold, während er versuchte, sich aus dessen Griff zu befreien. „Sie brauchen mich, oder haben sie das schon vergessen?“
„Schnauze!“, schrie Dr. Gold ihn an, der offensichtlich langsam die Fassung verlor.
„Bobby!“, hörte ich Tobias erneut rufen und Timo bellte laut, der das Feuer roch.
Dr. Gold war von Tobias Ruf kurz abgelenkt. Justin nutzte die Gelegenheit und schlug mit seinem rechten Bein nach seinem Geiselnehmer aus. Dr. Gold ließ Justin frei, langte sich schmerzhaft an die Brust, hielt die Waffe aber weiterhin fest in seiner Hand. Danach stürzte sich Justin ebenfalls auf Vince, packte ihn und warf ihn mit all seiner Kraft gegen den Stamm einer Palme. Dann griff Justin nach meiner Hand und half mir vom Boden hoch. Wir rannten so schnell wie uns unsere Beine tragen konnten. Dr. Gold feuerte noch einen Schuss aus seiner Waffe auf uns ab, verfehlte uns aber knapp und traf stattdessen einen Blumentopf der in viele Teile zerschellte.
Dr. Gold fluchte laut auf und Vince, der sich wieder aufrappelte, schrie uns schadenfroh hinterher: „Ihr könnt laufen wohin ihr wollt. Ihr verirrt euch hier und kommt hier nie im Leben raus! Das Feuer wird euch verschlingen!“
Was er sagte stimmte. Vince trug den einzigen Schlüssel bei sich, der in die Freiheit führte. Wir mussten wohl oder übel wieder zurück zu ihm, doch zuerst versteckte ich mich mit Justin in den Gebüschen und schnaufte einmal tief durch. Die ganze Zeit über ließ Justin meine Hand dabei nicht los und ich war froh darüber, denn so wusste ich, dass er jederzeit bei mir ist.
Plötzlich ertönte ein Schuss, gefolgt von einem zweiten, der aus einer anderen Waffe abgefeuert wurde. „Tobias!“, rief ich erschrocken auf und ließ jede Vorsicht vergessen und rannte überstürzt wieder den Pfad entlang zurück.
„Bobby nicht!“, rief mir Justin warnend hinterher, doch da war es bereits zu spät.
Wie vermutet fand ich den Weg nicht mehr zurück und verirrte mich im Gewächshaus. In der Zwischenzeit fiel ein weiterer Schuss und in mir breitete sich die Angst aus, dass Tobias oder Justin etwas zugestoßen sei. Die Flammen versperrten mir den Weg und ich befand mich in einer Sackgasse. Als ich mich umdrehte, stand Dr. Gold vor mir und richtete seine Waffe auf mich. Angst durchflutete meinen Körper. Dann ein lauter Knall und Dr. Gold kippte vornüber zu Boden. Die Waffe glitt ihn aus den Händen und nach wenigen Sekunden regte sich der Anführer der Organisation Animal Welfare nicht mehr. Dr. Gold war tot! Tobias schoss ihm in den Rücken und als ich ihn erblickte, stürzte ich mich vor lauter Freude in seine Arme.
„Du hast mich gefunden.“, schluchzte ich und umklammerte ganz fest seinen Oberkörper, da ich mich in seiner Obhut am sichersten fühlte.
„Geht es dir gut?“, fragte Tobias mich besorgt und blickte mir in die Augen.
„Ja.“, antwortete ich ihm kurz. „Aber Justin ist hier noch irgendwo und Vince hat den einzigen Schlüssel, der hier hinaus führt.“, erklärte ich ihm.
„Ein Schuss von mir, traf Vince am Arm.“, sagte Tobias, während seine Verletzung am Kopf noch immer blutete. „Timo ist ihm auf den Fersen und wenn wir Glück haben, beißt er ihm die Eier ab.“
„Wir müssen sie suchen. Wir dürfen keine Zeit verlieren.“, erwiderte ich und zusammen mit Tobias machte ich mich auf den Weg.
Das Feuer breitete sich immer weiter aus und der Rauch versperrte uns die Sicht, so dass wir mehr und mehr den Überblick verloren, wo wir uns jetzt befanden. Als wir an einem gigantischen Baum ankamen, entdeckten wir Timo, der zum Baum hinaufbellte.
Durch den Rauch erkannte ich schließlich das Baumhaus, indem Vince und ich einst Zeit verbrachten und ohne Bedenken zog ich mich an einer Liane nach oben. Tobias folgte mir.
Als wir oben ankamen erblickte ich Vince, der mit leerem Blick nach unten in die Feuerhölle starrte. „Vince!“, rief ich laut und deutlich.
Vince drehte sich nur halb zu uns um, während das Blut von seinem linken Arm tropfte. „Sucht ihr den hier?“, fragte er uns und zeigte uns den Schlüssel in seiner rechten Hand. Dann hob er ihn über das Feuer. „Mein Leben ist vorbei. Wieso sollte ich euch also gehen lassen?!“
„Bitte Vince.“, flehte ich ihn an. „Tu das nicht. Bring uns hier raus und alles wird wieder gut.“
„Nichts wird mehr gut.“, erwiderte Vince traurig. „Ich habe schlimme Dinge getan.“
„Du willst dein Leben hier beenden? Das ist dumm und feige!“, schrie Tobias ihm wütend zu.
„Tobias nicht.“, bat ich ihn, der damit nur alles schlimmer machte. Dann wandte ich mich wieder an Vince. „Es ist noch nicht zu spät. Du kannst dein Leben noch ändern!“
„Man würde mich in die Psychiatrie stecken.“, sagte Vince zu mir. Dann warf er mir überraschend den Schlüssel zu, den ich so eben noch auffing. „Es liegt nun an euch, dass ihr den Weg hier raus findet.“ Vince lächelte mir zu, ehe er sich rücklings in das Feuer fallen ließ. Ich schrie laut und entsetzt auf, doch es war zu spät. Vince starb im Feuer des Todes.
Schockiert starrte ich in das Feuer. Tobias rüttelte an meinem Ärmel. „Bobby, wir müssen hier schnell raus. Nur hab ich keine Ahnung, wie wir hier rausfinden sollen!“
„Timo wird uns hier herausführen.“, erwiderte ich und kletterte die Liane wieder hinunter, wo Timo bereits auf uns wartete. „Wir müssen zuerst Justin finden!“, rief ich und rannte den Pfad entlang.
„Wie willst du ihn hier finden?!“, fragte mich Tobias laut, der hinter mir herlief, während die Flammen sich um uns verdichteten und das Atmen immer schwerer fiel.
Noch nie war ich mir einer Antwort so bewusst, wie jetzt: „Ich folge meinem Herzen!“
Kurz darauf fand ich Justin, der am Boden lag. Ich hatte Angst, dass er bereits tot war, doch schien er nur bewusstlos zu sein. „Wir können ihn hier nicht zurücklassen!“, rief ich Tobias zu.
Ohne lange zu überlegen, packte sich Tobias Justin und warf ihn sich auf den Rücken. „Ich werde ihn hier raus tragen. Geh du mit Timo voran.“, erklärte er mir und ich lächelte ihm dankbar zu.
Der Ausgang, der Ausgang, … wo war der verdammte Ausgang?! Die Hitze wurde immer unerträglicher, die Flammen brannten bereits ein wenig an unserer Haut und der Rauch verpestete unsere Atemwege und unser Augenlicht. Doch das Glück war auf unserer Seite und Timo fand den Ausgang nach kurzer Zeit. Mit dem Schlüssel sperrte ich die Tür auf und wir gelangten in den Garten der Villa, wo wir die kühle, frische Luft einatmeten.
In der Ferne waren die Sirenen der Feuerwehr zu hören. Den Nachbarn schien das ganze Spektakel dann doch nicht ganz entgangen zu sein. Tobias setzte Justin in der Wiese vorsichtig ab. Dann legte er sich selber ins Gras und atmete öfters ein und aus. Erst jetzt fiel mir Tobias Anzug auf, der nun nicht mehr ganz so schick aussah. Genau wie meiner, war sein Anzug voller Rußflecken und Dreck und seine Haut wies mehrere Schrammen und Verletzungen auf.
Ich krabbelte zu Justin, dessen blondes Haar vom Rauch ganz verdreckt war. „Er atmet nicht, er atmet nicht!“, schrie ich schockiert und Tobias setzte sich im Gras wieder auf. Ich fackelte nicht lange und führte erste Hilfe durch, die ich in der Fahrschule lernte. Ich presste meine Lippen auf die von Justin, während Tobias mir erschöpft zusah. „Du darfst nicht sterben, du darfst nicht sterben!“, flehte ich Justin an, der nach wie vor seine Augen geschlossen hatte. Meine erste Hilfe schien keinerlei Wirkung zu zeigen und ich versuchte es ein weiteres Mal.
Beim dritten Mal schien es endlich Wirkung zu zeigen, denn ich spürte, wie Justins zarte Hand nach meiner langte und wie seine Augen sich ganz leicht öffneten. „Wie ein Phönix aus der Asche.“, sagte ich erleichtert und erinnerte mich an Marias damaligen Worte zurück. Ein leichtes Grinsen fuhr Justin übers Gesicht und ich lächelte ihm glücklich zu und auch Tobias lächelte erleichtert und fröhlich. Der Albtraum war vorbei!

Fortsetzung folgt...!

81. Ein letztes Gespräch – Teil 1
Tobias, Nina und Ich schlenderten durch das neue Kaufhaus, das endlich fertig gestellt wurde und während Nina es sich nicht entgehen ließ, vor dem einen oder anderen Schaufenster stehen zu bleiben und das darin Ausgestellte zu bestaunen, berichtete ich Tobias von den neusten Ergebnissen der Polizei. „Die Villa brannte bis zum letzten Stein ab. Es ist nichts mehr übrig geblieben. Sowohl das Gewächshaus, als auch das Labor wurden vollständig vernichtet.“
„Dann wurde das Blut von Justin, dass Dr. Gold ihm abgenommen hat, also auch vernichtet?“, fragte Tobias mich neugierig, als wir uns mit einem Waffeleis auf eine Bank setzten und daran schleckten. *Banane, Mango und Pfirsich – lecker!*
„Ja.“, antwortete ich ihm und überlegte kurz, ob das gut oder schlecht war.
„Wäre schon interessant gewesen, zu wissen, wieso Justin mit Tieren sprechen kann, oder?“, fragte Tobias mich, als er meinen nachdenklichen Gesichtsausdruck sah.
„Er hat dir also erzählt, dass er mit Tieren sprechen kann?“, fragte ich zurück.
„Er hatte gar keine andere Wahl.“, antwortete Tobias mir und lachte. „Nina hat ihn ganz schön in die Mangel genommen, als sie erfuhr was mit uns Beiden geschehen ist.“
„Ja.“, bestätigte Nina, als sie sich schließlich zu uns dazu gesellte. „Und ich verstehe bei bestem Willen nicht, warum du uns – deinen besten Freunden – nie davon erzählt hast!“
„Es tut mir leid, aber ich musste es Justin versprechen.“, entgegnete ich traurig. „Hättet ihr es mir den geglaubt, wenn ich es euch erzählt hätte?“
„Haha, wahrscheinlich nicht, nein!“, antwortete Nina mir lachend und legte ihren Arm um mich.
„Was wurde eigentlich aus den restlichen Mitgliedern der Organisation Animal Welfare?“, fragte Nina mich nach einer Weile, als wir mit Eisschlecken fertig waren.
„Nachdem sich herausstellte, dass Dr. Gold der Anführer dieser Organisation ist, hat man sein Büro im Krankenhaus untersucht und Spuren gefunden, wo sich das Geheimversteck der Organisation befinden könnte. Es gab schließlich einen Polizeieinsatz und man hat alle Mitglieder verhaften und alle Beweise sichern können.“, antwortete ich den Beiden und erzählte ihnen damit, was Justin mir übermittelte, der es wiederrum von Paul erfuhr.
„Maaaan!“, schrie Tobias auf einmal laut auf. „Wisst ihr eigentlich, dass wir uns nur noch wenige Wochen sehen, ehe die Sommerferien sich dem Ende neigen und jeder von uns ein neues Leben auf einer Universität startet?“, fragte er mich und Nina. „Wir werden uns dann nicht mehr so oft sehen können und uns vielleicht auseinanderleben und neue Freunde kennen lernen.“
„Neue Freunde kennen lernen ist nicht schlimmes Tobi.“, sagte Nina und lächelte ihm und mir zu. „Und außerdem verspreche ich dir, dass wir immer beste Freunde sein werden – immer!“ Nina hob ihren Arm hoch und ich konnte das rote Freundschaftsarmband an ihrem Handgelenk erkennen, dass ich ihr vor ihrer Abreise nach Amerika schenkte.
„Ah da fällt mir ein, ich wollte dir ja noch etwas zurückgeben.“, sagte Tobias schlagartig und zog aus seiner Hosentasche mein grünes Freundschaftsarmband, dass er mir überreichte.
„Danke!“, sagte ich begeistert zu ihm und nahm es entgegen *über beide Ohren strahlt*. „Ich dachte schon, ich hätte es in der Villa verloren und es wäre im Feuer zu Asche verstaubt.“
„Tja sieht so aus, als würden wir in der Tat für immer beste Freunde bleiben.“, sagte Tobias gerührt und zeigte uns stolz sein orangenes Freundschaftsarmband. „Ich geh mal kurz in das Sportgeschäft da drüben. Ich brauch für mein erstes Semester unbedingt noch eine neue Sporttasche.“
Nachdem ich mit Nina alleine war, rutschte sie näher an mich heran, legte erneut ihren Arm um mich und fragte: „Geht es dir denn auch wirklich gut, Bobby?“
„Ja, lieb von dir, dass du dir Sorgen machst.“, antwortete ich ihr und lächelte sie an.
„Ich weiß, dass dir dieses Thema nicht leicht fällt, aber ich muss dich einfach fragen. Sind du und Tobias wirklich nur beste Freunde, oder steckt da inzwischen schon viel mehr dahinter?“, fragte Nina.
Ich guckte betrübt zu Boden, als ich ihr antwortete. „Tobias und ich sind beste Freunde…, aber… wie soll ich das nur erklären?!“
„Erklär mir, was in deinem Herzen vorgeht.“, gab Nina mir als Hilfestellung.
„Immer wenn ich mit Tobias zusammen bin, dann habe ich das Gefühl von Sicherheit. Bei ihm fühle ich mich einfach geborgen und immer willkommen.“, versuchte ich Nina zu erklären.
„Und was fühlst du bei Justin?“, fragte Nina mich weiter.
„Wenn ich Zeit mit Justin verbringe, dann kommt in meinem Körper dieses unbeschreibliche Glücksgefühl hoch. Er verzaubert mich jedes Mal aufs Neue.“, erklärte ich ihr.
„Mit anderen Worten, du liebst beide und am liebsten würdest du keine Entscheidung treffen wollen. Nicht wahr?!“, stellte Nina fest.
„Du hast Recht. Ich liebe sie Beide und ich weiß, dass ich eine Entscheidung treffen muss!“, erwiderte ich, während ich mit meinen Füßen rumspielte.
„Hast du Angst, dass Tobias nicht mehr dein Freund ist, wenn du dich für Justin entscheidest?“, fragte Nina mich und sah mir besorgt ins Gesicht, doch ich wich ihrem Blick verlegen und traurig aus.
„Ja.“, antwortete ich ihr leise, aber klar und deutlich. „Genauso hab ich aber Angst, Justin zu verlieren und ihn nie mehr wieder zu sehen, sollte ich mich für Tobias entscheiden.“
„Ich versteh dein Problem Bobby.“, sagte Nina und versuchte mich zu trösten, indem sie mich mit ihrer Hand an meinem Oberarm streichelte. „Doch du weißt, dass du lieber früher als später eine Entscheidung treffen solltest, denn Tobias und Justin leiden unter dieser Situation genauso wie du. Selbst wenn unser feiner Mister Sexy es nicht zugeben mag.“ Nina grinste mich an.
„Wenn Tobias Mister Sexy ist, was ist dann Justin? Mister Angel?“, fragte ich Nina und grinste ebenfalls.
„So da bin ich wieder. Hab ich was Wichtiges verpasst?“, fragte Tobias uns, als er sich mit einer brandneuen Sporttasche wieder zu uns gesellte und fröhlich und begeistert darüber schien.
„Nö eigentlich nicht.“, antwortete Nina ihm pfeifend. „Aber ich finde, nach all dem Debakel im letzten Jahr, bin ich jetzt mal an der Reihe, die große Liebe zu finden.“ Nina lachte und als Tobias anfing sie anzugrinsen, wurde ich von seinem Grinsen angesteckt und lächelte ebenfalls.

Als ich am sonnigen Nachmittag alleine den Zoo besuchte, fand ich Justin vor dem Löwengehege vor. Er saß auf der Lehne einer Holzbank, während er mit einem nachdenklichen Blick in das Gehege starrte und die Löwen beim Sonnen beobachtete.
„Kaum vorzustellen, dass der Löwe der König der Tiere sein soll, wenn man bedenkt wie faul die hier rumliegen.“, sagte ich um auf mich aufmerksam zu machen.
Justin sah überrascht zu mir her und nachdem er erkannte, wer vor ihm stand, zauberte sich ein Lächeln in sein Gesicht. „Schön dass du mich besuchen kommst.“, begrüßte er mich.
„Wie geht es dir?“, fragte ich ihn besorgt, nach allem was geschehen war.
„Ehrlich gesagt…, sehr gut sogar!“, antwortete mir Justin. „Anthony gab mir meinen Job im Zoo zurück, ich darf Whisper wieder besuchen und reiten, Paul und Anja bringen mir das Lesen und Schreiben bei, mein Vater macht einen Entzug und durch die vorgefallenen Ereignisse konnte ich irgendwie mit der tragischen Vergangenheit abschließen, die mir damals widerfahren ist.“
„Das klingt wirklich so, als würde es dir sehr gut gehen.“, sagte ich und lächelte ihn an.
„Tja… du weißt sicherlich, was mir zu meinem Glück noch fehlen würde.“, sagte Justin und sah mich mit seinen wunderschönen blauen Augen an. *schwärm*
„Ich denke nicht, dass ein Mensch jemals zu hundert Prozent glücklich sein wird.“, erwiderte ich.
„Vielleicht bin ich ja gar kein Mensch.“ Justin grinste mich an. „Vielleicht bin ich ja ein Alien!“
Ich lachte. „Du hast eine besondere Gabe, aber dich deshalb gleich als Alien zu bezeichnen? Außerdem hab ich mir Aliens immer eklig, lila, mit acht Augen und Tentakeln vorgestellt und wenn ich mich dich so ansehe, dann siehst du nicht mal ansatzweise danach aus!“
„Tarnung! Alles Tarnung!“, rief mir Justin lachend entgegen und ich lachte ebenfalls.
Dann wehte eine leicht warme Brise, in den Bäumen hörte man das Zwitschern der Vögel, in der Ferne das Trompeten der Elefanten und während Justin und ich uns gegenüber standen und uns tief in die Augen blickten, wurden auch unsere letzten Sorgen und Probleme vom Wind fortgetragen.


82. Ein letztes Gespräch – Teil 2
„Ich danke ihnen für ihre wundervolle Geschichte Bobby.“, sagte die Frau, die mir gegenüber auf einem Stuhl saß, im sanften Ton, während ich es mir auf einer roten Couch bequem machte.
„Wundervoll, wenn man das Schlechte außer Acht lässt und das Gute in meiner Geschichte beachtet.“, erwiderte ich. „Ich denke das war es jetzt. Ich bin hier fertig und werde gehen.“
„Bobby, wir sind hier noch lange nicht fertig.“, sagte die Frau zu mir. „Sie haben mir ihre Geschichte erzählt, die im letzten Sommer beim Campen mit ihren Freunden begann. Sie haben mir erzählt, wie sie Justin und Vince kennen lernten und sie haben mir von den Geschehnissen und Problemen erzählt, die sich seitdem ereignet haben. Nun müssen wir aber damit beginnen, dass sie lernen mit diesen Geschehnissen und Problemen umzugehen, damit sie ein glückliches und wohlerfülltes Leben erleben.“
„Alles was ich will, ist jetzt nur hier raus zu gehen, damit ich meinen Freund sehen kann.“, sagte ich zu ihr, als würde es mich nicht interessieren was sie sagte, doch so war es nicht. „Ich danke ihnen wirklich sehr. Für die Mühe und die Zeit die sie für mich aufgenommen haben, aber die Geschichte ist nun erzählt und es wird Zeit, dass ich mit diesem Kapitel in meinem Leben abschließe.“
„Ich kann sie nicht zwingen hier zu bleiben, Bobby. Doch ich wünschte mir, sie würden es sich noch einmal überlegen.“, sagte die Frau zu mir.
„Ich habe es mir sehr gut überlegt.“, sagte ich. „Wissen sie eigentlich, dass Vince Recht hatte?!“
„Mit was hatte er Recht?“, fragte mich die Frau, während sie einen Kugelschreiber in der Hand hielt, um sich Notizen auf ihrem Brett zu machen.
„Das Alles war kein Zufall – es war Schicksal!“, antwortete ich ihr entschlossen. „Das Schicksal wollte, das mir das alles passiert, denn nur so konnte ich lernen, nur so konnte ich begreifen,… dass das Leben kein Zuckerschlecken ist. Das es voller Hürden ist, die es gilt zu meistern. Ich denke, nein ich weiß, dass ich in dem letzten Jahr mehr erlebt habe, als viele Menschen nicht einmal in ihrem kompletten Leben erleben und dadurch bin ich zu einem reiferen Menschen herangewachsen. Das letzte Jahr war gewiss nicht leicht, doch ich bin immer und immer wieder aufgestanden und hab mich meinen Problemen gestellt. Ich gab die Hoffnung nie auf…!“
„Das stimmt Bobby. Sie sind wirklich reifer geworden und das weiß ich, obwohl ich sie erst seit ein paar Wochen kenne. Für das was sie erlebt haben und wie sie damit umgehen, dafür habe ich großen Respekt.“, sagte die Frau achtungsvoll zu mir.
„Ich danke Ihnen“, sagte ich und stand auf. „Dafür dass sie mir zugehört und geholfen haben.“
„Ich wünschte ich könnte mehr für sie tun.“, sagte die Frau enttäuscht und traurig zu mir und reichte mir zum Abschied die Hand. „Ich lasse sie nicht gerne gehen.“
„Sie haben schon genug für mich getan, indem sie mir zugehört haben, als ich ihnen meine Geschichte erzählte. Meine Freundin Nina gab mir den Ratschlag mit ihnen in Kontakt zu treten, denn sie war sich sicher, dass es mir helfen würde und das tat es auch.“, sagte ich und verabschiedete mich.
Ich war kurz vor der Tür, als die Frau mir noch eine letzte Frage stellte: „Sagen sie mir bitte nur noch eins. Ich bin neugierig geworden. Für wen haben sie sich entschieden? Für Justin oder für Tobias?“
Ich lächelte zunächst, dann antwortete ich ihr ausführlich: „Beide sind wirklich wunderbare Jungs die mein Leben stark beeinflusst haben. Ich bin mir sicher, dass sie wie ich selber erkannt haben, wie wundervoll beide sind. Wenn ich ihnen nun also sage, für wen ich mich entschieden habe, würden sie sich für einen der Beiden freuen, gleichzeitig würden sie aber auch großen Schmerz für den Anderen empfinden. Ich will niemanden diese Last aufbürden, deshalb kann ich es ihnen nicht sagen. Ich hoffe sie verstehen das.“
Die Frau sah mich verdutzt an, dann nickte sie und ein zartschmelzendes Lächeln fuhr ihr über die Lippen. „Ich hoffe sie und ihr Freund, wer immer es auch sein mag, werden glücklich. Und ich bete für den anderen Jungen, dass auch er zu seinem Glück finden wird.“
„Ich werde es ihm ausrichten. Ich bin mir sicher, dass er sich darüber sehr freuen wird.“, sagte ich und lächelte. „Und nur damit sie es wissen, sowohl in einen meiner letzten Sätze, als auch in einen ihrer soeben gesagten Sätze, versteckt sich das Ergebnis meiner Entscheidung.“ Dann öffnete ich die Tür und trat aus dem Zimmer. Ich befand mich nun in einem Flur im ersten Stock eines Gebäudes. Ich ging die Stufen der Treppe hinab und verließ das Gebäude durch die Haupttür. An der Wand konnte man eine Reihe von Schildern mit Ärzten sehen, die in dem Gebäude praktizierten und an einem der Schilder stand der Name „Dr. Zara Wolf – Psychiaterin“!
Ich marschierte die Straße entlang, während die helle Sonne vom blauen Himmel herab auf mich herunter strahlte und für Wärme in meinem Körper sorgte. Ich kam an dem Wald vorbei, in dem ich vor fast einem Jahr Justin kennen gelernt habe und ich musste lächeln. Ich bemerkte ein kleines Eichhörnchen am Erdboden, das kurz darauf einen Baumstamm hinaufkletterte und in den Wipfeln der Baumkrone verschwand.
„So begann damals alles… und so endet nun alles.“, flüsterte ich vor mich hin und fing an mich an die guten und schönen Dinge im letzten Jahr meines Lebens zurück zu erinnern. Ich erinnerte mich an das Campen mit Tobias und Nina, bei dem ich meine schönsten Sommerferien erlebte. Ich erinnerte mich an den Herbsttag, an dem ich im Wald erstmals Justin erblickte und im feuchten Laub ausrutschte. Ich erinnerte mich an den ersten leidenschaftlichen Kuss mit ihm und an unseren gemeinsamen Valentinstag, an dem er mich mit einer Kutsche von zu Hause abholte und wir eine romantische Nacht im Reitstall verbrachten. Ich erinnerte mich zurück an unser gemeinsames Weihnachtsfest – Justin schenkte meiner Oma eine Faltencreme *grinst*. Ich erinnerte mich an den Moment, wo ich, Nina und Tobias unsere Freundschaftsarmbänder anlegten und uns ewige Freundschaft schworen. Ich erinnerte mich zurück an meinen und Tobias 18. Geburtstag, an dem er mit mir tanzte und mich küsste und ich endlich meinen leiblichen Vater kennen lernte. Ich erinnerte mich an den Zeitpunkt zurück, wo ich meine Entscheidung fällte und den Jungen den ich liebe küsste.
Dann setzte ich meinen Weg am Rande des Waldes fort, über mir flog ein Schwarm Vögel hinweg und ich schaute zum Himmel hoch. Ich schloss meine Augen und wusste, dass ich die richtige Entscheidung traf, dass niemand unglücklich war und das Leben für alle gut und fröhlich weiter ging. Ich öffnete meine Augen wieder und setzte meinen Weg fort. Nach einer Weile entdeckte ich schließlich den Menschen, der mir am liebsten war, der Mensch für den sich mein Herz entschieden hat. Mit einem strahlenden Lächeln kam er auf mich zu und ohne ein Wort zu sagen, schenkte er mir einen leidenschaftlichen Kuss auf meine zarten Lippen. Es war so wunderschön und ich hoffe, dass jeder dieses Gefühl einmal erleben darf. Dann umarmte er mich innig und ließ mich nie wieder los!

ENDE !


Hier geht´s zur direkten Fortsetzung: "Die geheimen Akten" (Der Tierflüsterer - Reloaded)
Hier geht´s zur indirekten Fortsetzung: "Die Kunst der Magie"

Danke delfino! Es freut mich wirklich sehr, dass "Der Tierflüsterer" noch immer so viele Fans hat. :)

Es ist erstaunlich, dass meine allererste Geschichte - die jetzt schon über zehn Jahre alt ist - noch immer die beliebteste zu sein scheint :)