48. Entscheidung aus Liebe – Teil 1 Bobby: Die Morgensonne schien durch das große Hotelfenster und zauberte mir automatisch ein Lächeln ins Gesicht. Ich lag noch im Himmelbett, die Bettdecke an meine Brust gedrückt, während mein linkes Bein am Fuße des Bettes hervorschaute. Tobias war bereits auf den Beinen und stand unter der Dusche. Ich hörte wie er ein Lied vor sich hin trällerte, aber konnte ich nicht verstehen, um was es sich für ein Lied handelte. Tobias war nicht gerade der allerbeste Sänger. Dafür hatte er ja auch andere Vorzüge. Er war lieb, ritterhaft, hilfsbereit, mutig und sah unverschämt gut aus. Nichts täte ich lieber, als auf ewig glücklich mit ihm zusammen zu sein, aber… Es klopfte jemand an der Zimmertür. Aus dem Badezimmer hörte ich Tobias rufen: „Bobby, gehst du mal an die Tür? Ich möchte mich ungern splitterfasernackt und klatschnass präsentieren!“ Ich wurde unweigerlich rot im Gesicht und musste lächeln. Ich quälte mich aus dem bequemen Bett, warf mir den Morgenmantel über und ging zur Tür. Als ich sie öffnete, stand ein Hotelpage mit Speisewagen vor mir. Er brachte uns ein ausgewogenes und reichhaltiges Frühstück, dass jemand am Tag zuvor als Bestellung aufgab. „Das wird wohl mein Freund gewesen sein.“, sagte ich zu dem Hotelpagen, bedankte mich bei ihm und nahm das Frühstückstablett entgegen. „Wer war es denn?“, fragte Tobias mich, nachdem er aus dem Badezimmer geschlurft kam, mit nichts weiter, als einem Handtuch um die Hüfte herum. „Mmmmhh ich riech den Duft von frischen Eiern.“, sagte er, nachdem er ein wenig im Raum schnupperte und das Frühstück entdeckte. „Ich sehe gleich ein paar ganz andere Eier, wenn du dein Handtuch nicht ein wenig straffer ziehst.“, sagte ich zu ihm grinsend. „Das ist lieb von dir, dass du uns ein Frühstück kommen lassen hast.“ „Ich? Ich dachte gerade du hast…?!“, entgegnete Tobias verwirrt und ich war es nun ebenso.
Leon: „Der gewünschte Gesprächsteilnehmer ist zurzeit nicht erreichbar, bitte versuchen sie es später noch einmal.“, sagte die weibliche Computerstimme zu mir ins Handy. Wutentbrannt warf ich mein Handy auf das Bett, in dem ich die letzten Nächte schlief, das aber eigentlich Zack gehörte. Es war mir etwas unangenehm, dass er meinetwegen auf der Couch pennen musste, aber ihm schien das nichts auszumachen. Mir hingegen behagte es sehr, denn die Bettwäsche roch sehr nach Zacks Parfüm, dass er sich regelmäßig auftrug. So konnte ich immer wie im siebten Himmel einschlafen… Doch nun war es allmählich an der Zeit, dass ich hier wieder auszog. Frau Temperini stellte mir ein anderes Zimmer zur Verfügung – auf der Gegenseite des Pools. Zum Glück war dieser Hotelbesuch für mich kostenlos. Sobald ich die Phönix-Zeichnung vervollständigt hatte, würde ich die Biege machen und nach Frankreich zurückkehren. Dort konnte ich dann auch Shane die Ohren lang ziehen, dass er mir nichts von dem Brand im Museum erzählte und nicht auf meine Anrufe reagierte. Ich war gerade dabei, meine sieben Sachen in meinen Koffer zu packen, als mir meine Zeichenmappe ins Auge stach, die ich immer bei mir trug. Mir fiel ein, dass nicht alle meine Werke dem Feuer zum Opfer fielen. Ich öffnete die Zeichenmappe, in der ein einziges Bild lag. Ich schmunzelte, denn es war die Zeichnung von Zack, wo er komplett nackt Modell stand. Wie aufs Stichwort stürmten Zack und Max zur Tür rein. Ganz schnell packte ich die Zeichenmappe in meinen Koffer. „Du ziehst schon wieder aus?“, fragte Max mich, während Zack nur stumm daneben stand und nicht so recht wusste, was er sagen sollte. „Ja, es wird an der Zeit, dass wieder jeder gemütlich in einem Bett schlafen kann. Außerdem habt ihr dann wieder eure Ruhe vor mir.“, antwortete ich und nahm Koffer und Handy zur Hand. „Du musst nicht gehen, das weißt du…“, sagte Max zu mir. „Ist ja nicht so, als wäre ich ewig weit weg. Nur am anderen Ende des Flurs.“, sagte ich mit einem lächelnden Blick zu den Beiden. Dann trat ich in den Gang raus und schloss die Tür hinter mir zu. Mein neues Zimmer befand sich wirklich am anderen Ende des Flurs und so musste ich meinen Koffer auch nicht allzu weit tragen. Ich fragte mich inzwischen, wo Maria eigentlich steckte. Vermutlich wieder am rumturteln mit ihrem geliebten Theodor. Ich zog eine Chipkarte aus der Hosentasche, um die Zimmertür aufzuschließen. Als ich allerdings eintrat, erwartete mich eine kleine Überraschung!
Nick: 1957…1957…1957! Ich konnte es immer noch nicht so recht glauben, aber ich war tatsächlich in der Vergangenheit gelandet. In all den Jahren hatte ich ja schon so einiges an ungewöhnlichen Dingen erlebt, aber das überstieg selbst meine größten Vorstellungen. Wie ich hier her gelangt war, konnte ich nur erraten: Als ich von der Klippe stürzte und in die Tiefe fiel, da begann mein Amulett hell aufzuleuchten. Kurz darauf fand ich mich an diesem Ort wieder. Leider schlug ich dennoch ziemlich fest auf einen Felsen auf, weshalb ich auch so viel blutete. Immerhin war ich am Leben! Doch wie sollte ich wieder in meine Zeit zurückgelangen? Vielleicht sollte ich mich erneut von einer Klippe stürzen… Allerdings wäre es dann ungut, wenn ich noch weiter in die Vergangenheit zurückreise. Ungern würde ich den zweiten Weltkrieg miterleben wollten, oder als Dino-Futter enden. Auch könnte es passieren, dass ich diesmal sogar wirklich sterbe. Was also tun? Ich war gerade alleine im Wald unterwegs, um nach Spuren zu suchen, die mir bei einer Heimreise vielleicht hilfreich wären. Die beiden Jungs, die so nett waren und mich in ihr Zelt aufnahmen, schliefen so herzallerliebst, dass ich sie nicht wecken wollte. Doch meine Suche war ergebnislos und so schlurfte ich nach einiger Zeit leicht entmutigt zurück zum Camp. 1957… in dieser Zeit gab es weder Handys noch Internet – ich halte es keine Sekunde länger hier aus. Zuhause erwartete mich zudem das neuste Videospiel meiner Lieblingsreihe, auf das ich schon so lange wartete. David sorgte sich bestimmt auch schon um mich. Mein armer kleiner Zwerg. Und dann wäre da ja noch er… - Marcus. Ich spreche ungern über ihn, da er mir immer noch so viel bedeutet. Doch leider hab ich ihn jetzt schon seit über eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen und das bricht mir mein ohnehin schon zugeflicktes Herz. Was er wohl gerade macht? Ob er von meinem Verschwinden schon erfahren hat? Ich erreichte schließlich das Camp. Alle Schüler und Lehrer hatten sich am See versammelt und ich versteckte mich leicht hinter einem Zelt, damit mich niemand sah. Ich konnte Nicolas und Justus erblicken. Auch diese etwas nervige Agathe konnte ich erspähen, während die Lehrer jeden Schüler einzeln aufriefen. „Nicolas Rottbach?“ Mich riss es regelrecht aus den Socken. Das mir das nicht schon vorher aufgefallen ist. Nicolas ist mein Großvater! Moment einmal… Agathe? Hieß meine verstorbene Großmutter nicht auch so? An Zufälle glaub ich nicht mehr – Sie ist es!
49. Entscheidung aus Liebe – Teil 2 Max: Ich war so wütend auf Zack, dass er wieder kein Wort mit Leon wechselte. Ich fragte mich ehrlich gesagt, wer das größere Kind von Beiden war. Trotzdem sprach ich Zack noch einmal Mut zu, da er sonst die Chance seines Lebens verpassen würde. „Aber was wird dann aus dir?“, fragte er mich. „Aus mir?! Leon und du ihr seid meine besten Freunde. Nichts würde mich glücklicher machen, als wenn ihr Beide endlich zusammen kämt, so wie es das Schicksal für euch vorherbestimmt hat.“ Zu einer Fortsetzung der Diskussion kam es nicht, da kurz darauf Maria an unserer Zimmertür klopfte und uns um einen Gefallen bat: „Theo hat heute frei und er lud mich zu sich und seiner Familie nach Hause ein. Nur leider besitze ich keinen Führerschein und ein Bus kommt für mich in diesem schönen Abendkleid nicht in Frage. Leon hat Besuch, also dachte ich, ich frage euch, ob nicht einer von euch mich in die Ortschaft fährt. Bitte! Ich zahle euch auch die Benzinkosten!“ „Ich fahr dich!“, antwortete ich ihr sofort. „Und wenn ich wieder komme, dann hast du dich mit Leon ausgesprochen.“ Ich zeigte mit dem Finger auf Zack, der mich mürrisch anblickte, aber schließlich nachgab. Als ich Maria hinaus in den Flur folgte, fragte ich sie: „Leon hat Besuch? Von wem?“ Maria gluckste. „Fall jetzt nicht in Ohnmacht, aber es ist Professor Shane!“
Shane: „Ich sage es dir jetzt noch einmal. Ich habe dich angerufen, nachdem sich herausstellte, dass der Brand deine Kunstwerke zerstörte!“, sagte ich zu Leon, der mich wütend anblickte. „Du lügst! Du hast mich nicht angerufen, davon wüsste ich doch.“, reagierte er gereizt. „Ja, aber verdammt nochmal Leon, wir haben doch miteinander gesprochen. Das kannst du doch unmöglich vergessen haben!“, sagte ich nun ebenfalls etwas lauter. Ich tischte Leon keine Lüge auf, denn dies war nicht meine Art. Schon immer war ich ein sehr ehrlicher Mensch…, manchmal vielleicht ein wenig zu ehrlich. Ich muss heute noch schmunzeln, als ich im ersten Kunstseminar Leons Zeichnung in der Luft zerriss. Er fand das damals nicht so lustig, aber so hinterließ ich immerhin einen bleibenden Eindruck bei ihm. Ich sah in Leons Augen. Er schien völlig fertig mit seinen Nerven zu sein. Nachdem er mir von dem Angriff und seinem Beinahe-Tod berichtete, konnte ich dies auch nur allzu gut nachvollziehen. Der Arme musste gerade eine schwere Zeit durchleben. Er setzte sich auf sein Bett und starrte verzweifelt zum Boden, der mit einem weinroten Teppich ausgelegt war. „Ich versteh das nicht. Wenn du mir die Wahrheit sagst, wieso erinnere ich mich dann nicht an dieses Telefonat. Was geschieht nur mit mir, wer hat meine Werke zerstört und wer stieß mich vom Balkon runter?“ „Ich weiß es leider nicht.“, sagte ich zu ihm. Ich setzte mich zu ihm aufs Bett und legte tröstend meinen Arm um ihn. Er ließ seinen Kopf auf meine Schulter nieder und dann hörte ich, wie er anfing zu weinen. Ich versuchte ihn weiter zu trösten und gab ihm einen sanften Kuss auf den Kopf. Doch meine Worte und meine Zuneigung konnten ihn nicht trösten. Vielleicht wurde es an der Zeit, dass ich einsah, dass ich nicht derjenige für Leon bin, dem sein Herz gehört und den er wirklich braucht.
Tobias: Das bestellte Frühstück stellte so einige Fragen auf und während Bobby ein warmes Schaumbad in unserer Suite nahm, suchte ich den Hotelmanager in der Lobby auf. „Herr Wilfred?!“ „Oh, Herr Henning, sie kommen wie gerufen.“, sagte Herr Wilfred breit grinsend zu mir. Er trat hinter der Rezeption hervor und gestikulierte wild mit seinen Händen herum. „Wir haben für heute Abend alles Nötige veranlasst. Rote und weiße Rosensträuße, über hundert Teelichter, die Bühne wurde für sie aufgebaut und an Speis und Trank fehlt es uns auch nicht. Unsere Köchinnen haben sich heute selbst übertroffen. Sie müssen sie bei nächster Gelegenheit kennen lernen, denn…“ „Wovon reden sie eigentlich?“, unterbrach ich den Hotelmanager verwirrt. „Na von ihrem geplanten Hochzeitsantrag.“, antwortete Herr Wilfred mir. Ich war verwundert, denn woher wusste er davon. Von dem geplanten Hochzeitsantrag wussten außer mir nur Zack, Max und… „Ihre Freundin meinte, dass sie das alles in ihrem Auftrag täte.“, fügte Herr Wilfred hinzu. „Meeeine Freundin?“, erwiderte ich ganz langsam und glaubte zu wissen, was hier vor sich ging. „Jetzt guck nicht so dumm aus der Wäsche, Tobias!“, rief eine Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, blickte ich in das fröhliche Gesicht meiner besten Freundin Nina. Wie sie hier herkam war mir egal, denn ich war überglücklich sie wieder zu sehen! Ich rannte auf sie zu, legte meine Arme um sie und lupfte sie in die Luft. Nina schrie kurz auf, lachte dann aber. Sie hatte noch immer dunkelrotes, kurzes Haar und versprühte eine ansteckende Lebensfreude. „Es ist so schön dich endlich wieder zu sehen und ich freu mich schon auf Bobbys dümmliches Gesicht, wenn du ihm den Heiratsantrag machst. Ohne meine Hilfe scheint hier mal wieder nichts voran zu gehen, da dachte ich mir, ich statte euch einen kleinen Besuch ab und greif dir ein wenig unter die starken Arme.“ „Ooooh, ich danke dir!“, rief ich begeistert und drückte Nina noch enger an mich. „Jaja, ist ja schon gut.“, kicherte Nina. „Wir dürfen keine Zeit verlieren. Ich hab David bereits für unsere Zwecke eingespannt. Du siehst zwar frisch gewaschen aus, aber gekleidet bist du wie ein peinlicher Nerd! Ach ja und ich hoffe du magst Karaoke…!“
David: Ich gebe es ungern zu, aber ich fühlte mich gerade ein klein wenig überfordert. Ständig bekam ich Anrufe von Jasmin, die wissen wollte, warum Nick nicht an sein Handy ging. „Ist er wegen irgendwas sauer auf mich? Nun antworte mir doch bitte David!“, sagte sie flehend zu mir in den Hörer. „Es geht ihm gut Jasmin und er ist auch nicht sauer auf dich. Mach dir bitte keine Sorgen.“, antwortete ich ihr und versuchte sie damit zu beruhigen. „Naja ob es ihm gerade wirklich gut geht ist fraglich, schließlich sitzt er gerade im Jahre 1957 fest und weiß nicht wie er wieder zurückkommen soll.“, quatschte Alexander Kinimod, der auf einem Stuhl saß, rein. „Vermutlich vermisst er gerade die heutige Technologie, samt seinen Videospielen.“ Ich zischte, denn Jasmin sollte von alledem lieber nichts mitkriegen, doch leider hat sie eine fremde Stimme gehört. „Ist da jemand bei dir? Ist das Nick?!“, fragte sie mich hoffnungsvoll. „Nein, das ist nicht Nick.“, antwortete ich trocken, während Herr Kinimod zu Lachen anfing. „Das ist nur einer dieser durchgeknallten Hotelangestellten. Ich ruf dich später wieder an Jasmin. Ich muss jetzt zu Bobby, denn Tobias will ihm heute einen Heiratsantrag machen.“ „Einen Heiratsantrag? Oh wie schön und ich bin nicht dabei.“, sagte Jasmin gerührt und enttäuscht zugleich. Ich versprach ihr schließlich, alles mit meiner Kamera auf dem Handy aufzunehmen, was sie wieder ein wenig milder mit mir stimmte. „Oh ich liebe dich Davischatzi!“ „Mit Jasmin hast du einen super Fang gemacht…“, sagte Herr Kinimod zu mir, nachdem ich das Telefonat beendete und erschöpft dreinblickte, „…sie ist dominanter als du!“
Maria: Ich war Max überaus dankbar, dass er mich in die Ortschaft zu Theo fuhr, denn ich selber durfte seit einem Vorfall nicht mehr Autofahren. „Oh halt, ich glaube wir sind da!“ Theo schickte mir per SMS seine Adresse. Das Haus sah etwas heruntergekommen aus, aber es war die richtige Adresse. „Sieht gemütlich und einladend aus.“, sagte Max im sarkastischen Ton zu mir, während er sich zu mir auf den Beifahrersitz rüber lehnte, um das Haus besser im Blickfeld zu haben. „Also dann. Ich wünsche dir einen schönen Abend, aber bis Mitternacht bist du wieder zuhause! ...Spaß!“ „Noch einmal vielen Dank, Max!“ Ich schenkte ihm eine dankbare Umarmung. Dann nahm ich meine Handtasche – Frauen haben immer eine dabei – und verabschiedete mich von ihm. Ich schritt in meinem roten Abendkleid die Stufen zu dem großen Haus herauf und als ich bereits vor der Tür stand, konnte ich eine Menge Stimmen hören, die von innen nach draußen drangen. Ich war ein wenig nervös und zittrig. Der Schmuck an meinem Handgelenk wackelte, als ich auf die Klingel drückte. Ich blickte noch rasch nach unten, ob mein Kleid auch schön saß. Dann richtete ich mir noch einmal meine Frisur zu Recht, während ich mir meine Handtasche unter die Schultern klemmte. Die Tür ging schließlich auf und Theo stand breit lächelnd vor mir. Er sah wunderbar süß aus, da auch er sich für den Abend schön machte. Ein kleiner Junge – vermutlich sein Bruder – krabbelte durch seine Beine hindurch und fing an, an seiner Krawatte zu ziehen. Theo blieb gelassen, reichte mir die Hand und führte mich ins Haus. Er stellte mich seiner ganzen Familie vor, die allesamt sehr nett zu sein schienen. Theo hatte insgesamt sechs Geschwister, die allesamt jünger als er waren – Drei Brüder und drei Schwestern. Seine kleinen Schwestern machten mir Komplimente, wie wunderschön ich doch aussah, was mich in Verlegenheit brachte. Theos Eltern waren ebenfalls herzallerliebst. Sie flirteten beim Abendessen miteinander rum, als wäre es ihr erstes Date und dann gab es da ja noch Theos Großvater. Ein alter Greis – ohne Gebiss – der voll auf Pornos abfuhr. Ich gebe zu, es war ein sehr durchgeknallter Abend bei Theos Familie, aber dafür fühlte ich mich so glücklich und geborgen wie schon lange nicht mehr. Nach dem Abendessen führte mich Theo durch den Garten, in dem seine Mutter viele verschiedene bunte Blumen züchtete. Der Vollmond schien über uns und ich schenkte Theo ein betörendes Lächeln, das er daraufhin mit einem zärtlichen Kuss erwiderte.
Casey: Nach dem unangenehmen Treffen mit dem Schatten im Wald, sorgte ich dafür, dass Justin sich ein wenig in meinem Zimmer ausruhen konnte. „Du wolltest mich doch nur ins Bett kriegen.“, sagte Justin zu mir, als ich mich ein wenig an ihn herankuschelte. Ich grinste frech, denn auch wenn dem nicht so war, so freute es mich trotzdem, ihn so nah bei mir zu haben. Unser traute Zweisamkeit war aber zu Ende, als es an der Tür klopfte. Äußerst ungern wich ich von Justins Seite, doch dieser schubste mich bereits aus dem Bett, so dass ich zur Tür marschierte. Als ich sie öffnete, erwartete mich eine freudige Überraschung. „Was machst du denn hier?!“ „Überraschung!“, stieß das quirlige Mädchen mit den kurzen roten Haaren aus. Sie war das Au-pair-Mädchen, das für ein halbes Jahr bei mir und meinem Vater wohnte und mir in meiner schweren Zeit, nach Olivers unglücklichen Tod, zur Seite stand. Sie war es auch, die mir den Tipp gab, nach Deutschland zu reisen und ihre Freunde Bobby und Tobias aufzusuchen. „Das glaube ich ja jetzt nicht – Du?!“, stießen Justin und Nina gleichzeitig aus, als sie sich einander sahen. Nina stellte mir keine Fragen, aber dafür klärte sie Justin darüber auf, woher sie mich kannte. „Jetzt weiß ich auch, wieso du damals bei mir im Zoo warst.“, sagte Justin augenzwinkernd zu mir. „Ja und als ich zu Bobby und Tobias wollte, da spielte meine Phönixfeder mal wieder verrückt und ich legte eine Bruchlandung in einem Restaurant hin. Da wusste ich allerdings noch nicht, dass die beiden Jungs, deren Date ich zerstörte, Bobby und Tobias waren.“, erklärte ich Justin lachend. „Gut, Überraschung geglückt, Justin wurde aufgeklärt und ihr müsst nun mit zur Feier im Speisesaal kommen, denn Tobias wird Bobby heute einen Heiratsantrag machen!“, sagte Nina begeistert, während Justin und mir ein klein wenig die Kinnlade runterfiel – Justin noch mehr als mir. Als wir später den Speisesaal betraten, staunten Justin und ich nicht schlecht. Der Speisesaal war zu einem beachtlichen Festsaal umdekoriert worden. An der Decke hing eine große Discokugel, ein Buffet stand an der Wand, von dem ein berauschender Duft der Speisen herzog, an allen mit einem Rosenstrauß verzierten Tische saßen festlich gekleidete Menschen, ein Dutzend Kellner liefen steif umher und boten den Gästen eine kleine Erfrischung an und hinter dem Bartresen begann Astrid mit den Gläsern regelrecht zu jonglieren. Am anderen Ende des Saals war eine Bühne aufgebaut und davor war genügend Platz, damit Männer und Frauen ausgelassen ihr Tanzbein schwingen konnten. „Das wird ein unterhaltsamer Abend.“, sagte ich zu Justin und wir suchten uns einen freien Platz.
50. Entscheidung aus Liebe – Teil 3 Bobby: Die letzten Stunden über, verbrachte David seine Zeit mit mir. Wieso, wollte er mir nicht sagen, aber er meinte, dass ich ihn später auf eine Feier im Hotel begleiten muss und mir dazu was Schönes anziehen soll. Nach den letzten Vorkommnissen war mir zwar nicht sonderlich nach feiern zumute, aber David zwang mich regelrecht dazu. „Kleine Nervensäge!“, stieß ich aus, denn er wich mir auch seltsamerweise nicht von der Seite, als ob er auf mich Acht gab. „Ich glaube, du hast zu viel Zeit mit Nick verbracht, dass du mich so nennst.“, grummelte David. Meine schlechte Laune steigerte sich diesen Tag auch immer weiter. Von wegen Sommerurlaub in einem Schlosshotel. Nick stürzt von einer Klippe, Leon wird angegriffen und nun hält es Tobias nicht einmal für nötig, seine kostbare Zeit mit mir zu verbringen. Vielleicht hab ich ihn gekränkt…? Andererseits, vielleicht war es auch besser so, dass er sauer auf mich war… Als ich zusammen mit David den Speisesaal betrat und die vielen Menschen sah, sagte ich: „Mir ist irgendwie nicht nach feiern, ich glaub ich geh wieder auf meine Suite.“ „Duuu bleibst hier.“, zischte David mir entgegen und hielt mich am Ärmel fest. „Nick hatte Recht und deshalb sage ich es noch einmal: Kleine Nervensäge!“ Ich musste grinsen, auch nachdem David mir in die Taille zwickte. „Oho, du bist ein kleines nerviges Mädchen!“, korrigierte ich mich und handelte mir zugleich einen Arschtritt ein. „Jetzt weiß ich, wie Nick sich immer fühlt.“ David und ich mischten uns schließlich unter die Menschen. An der Bar erblickte ich Herrn Kinimod, der vergebens versuchte, sich ein wenig an Astrid ranzumachen. Eiskalt abgeblitzt! Leon und Zack entdeckte ich ebenfalls, allerdings saßen beide etwas angespannt an einem Tisch, mit einem Mann, den ich bisher nur aus dem Fernsehen kannte. Ich glaube sein Name war Professor Shane West. Am letzten Tisch, genau in der Mitte vor der Tanzfläche und der Bühne, konnte ich schließlich Justin und Casey erblicken. David und ich setzten uns zu ihnen, da gerade ein Pärchen aufstand, um sich ein wenig die Beine zu vertreten. Wir quatschten ein wenig miteinander, als ich eine vertraute Stimme durch die Lautsprecher vernahm. Ich blickte zur Bühne und entdeckte zu meiner größten Scham Tobias. Sofort breiteten sich in mir meine größten Befürchtungen aus… und ich sollte Recht behalten.
Tobias: Ich war irre nervös vor meinem großen Auftritt. Gleich würde ich auf die Bühne gehen und dem Jungen, den ich nun schon so lange liebe, einen Heiratsantrag machen. Doch was ist, wenn er nein sagt? Eine Welt würde für mich zusammenbrechen. Das könnte das Ende unserer Beziehung sein! Ich sah, wie Bobby mit David am Tisch von Justin und Casey Platz nahm. Es war soweit! „Jetzt nur nicht die Nerven verlieren. Atme noch einmal ganz tief ein und wieder aus.“, riet Nina mir und klopfte mir dabei ermutigend auf die Schulter. „Du schaffst das schon – Viel Erfolg!“ Ich lächelte etwas unsicher, nickte Nina aber dankbar für alles zu. Jetzt konnte es losgehen. Ich marschierte auf die Bühne und begann ins Mikrofon zu sprechen. Bobbys Blick war schnell auf mich gerichtet und vermutlich dachte er sich gerade; „Was stellt der Dummkopf jetzt schon wieder an?!“. Doch ich fuhr unbeirrt fort und sprach weiter ins Mikrofon. „Sicher haben sie schon alle vermutet, dass auf dieser Bühne heute Abend noch gesungen wird.“, sagte ich zu allen Leuten im Saal. „Es tut mir Leid, dass es momentan keinen besseren Sänger als mich vorzuweisen gibt. Für jeglichen Schaden an ihren Ohren, werde selbstverständlich ich die Haftung übernehmen.“ Die Leute im Saal lachten und ich blickte wieder zu Bobby, der mich nur ausdruckslos ansah. „Lieber Bobby, diesen Song widme ich ausschließlich dir und ich hoffe sehr, dass es dir gefällt.“ Ich gab Nina, die seitlich von der Bühne stand, ein Zeichen. Im Saal gingen alle Lichter aus, doch spendeten die vielen Teelichter eine warme und romantische Atmosphäre. Die Musik drang durch die Lautsprecher und ich begann zu singen. Ich war wie gesagt nicht der beste Sänger und konnte froh sein, dass ich die Töne zumindest halbwegs traf. Doch sang ich dafür mit sehr viel Gefühl. Dabei blickte ich die ganze Zeit über zu Bobby und sah ihm dabei tief in die Augen. Ich glaube ein Lächeln in seinem Gesicht zu sehen. Seine Hautfarbe nahm ein dezentes rosa an, während David, Justin und Casey ihn lächelnd ansahen und auch alle anderen Gäste im Saal sehr gerührt von meiner Performance waren. Es gab – trotz vieler schiefer Töne – einen heftigen Beifall nach meinem Auftritt. Triumphierend stieg ich von der Bühne hinunter und ging auf Bobby zu, der bereits von seinem Stuhl aufgestanden war. Neben ihm stand David, der sein Handy in die Höhe hob und das Ganze für seine Freundin Jasmin auf Video aufnahm. Ich hielt das Mikrofon noch immer in meinen Händen, als ich vor Bobby auf die Knie ging und zärtlich seine rechte Hand hielt. Ich hatte mir eine romantische, aber nicht allzu kitschige Rede einfallen lassen, doch war diese nun wie weggeblasen. „Verdammt, jetzt habe ich vergessen was ich sagen wollte!“, fluchte ich grinsend durchs Mikrofon und brachte die Leute im Saal wieder zum Lachen. David grinste mich an und aus den Augenwinkeln konnte ich auch Nina erblicken, die sich vor lauter Freude, die Hände in Gebetshaltung an den Mund hielt. Ich ließ mich allerdings nicht von meinem Vorhaben abbringen und blickte zu Bobby, der den Tränen nahe zu sein schien. „Bobby, ich liebe dich so sehr und ich will bis ans Ende unserer Tage mit dir zusammen sein. Ein Leben ohne dich, kann und will ich mir nicht vorstellen. Willst du mich heiraten?!“ Es war raus. Die vier Wörter „Willst du mich heiraten?“ waren nun endlich ausgesprochen. So viele Anläufe hatte ich gebraucht, doch mit Ninas Mithilfe gelang es mir nun endlich. Nun warteten ich, und auch alle anderen im Saal, Bobbys Antwort ab. Justin und Casey standen mit leicht geöffneten Mündern, händchenhaltend hinter Bobby. Doch waren meine Augen nur auf Bobby gerichtet. Ich blickte ihm verliebt in die Augen und glaubte ein paar Tränen zu sehen. Bitte, lass mich nicht so lange zittern Bobby! Er kniete sich schließlich ebenfalls lächelnd zu mir herunter und hielt meine Hände ganz fest. Dann öffnete er seinen Mund und antwortete mir auf meinen Heiratsantrag: „N-Nein!“ In meinem Innersten brach alles in sich zusammen, das Lächeln verschwand aus meinem Gesicht und erschrocken ließ ich Bobbys Hände los. Er hat „Nein“ gesagt. Er will mich nicht heiraten. Er will nicht bis in alle Ewigkeit mit mir zusammen sein. Er will mich nicht heiraten?! Auch unsere Freunde schienen entsetzt zu sein und suchten verzweifelt nach einer Erklärung dafür. Ich sah Bobby einmal kräftig schlucken, ehe er mir mit zittriger Flüsterstimme mitteilte: „Ich liebe dich Tobias, so sehr...!“ Wieso kann er mich dann nicht heiraten?! „A-Aber ich…, ich…, ich habe einen Gehirntumor und werde sterben! Ich hätte es dir schon längst erzählen müssen, aber ich hatte solche Angst dich für immer zu verlieren. Ich kann dich aber auch nicht heiraten, weil du dich nicht dazu verpflichtet fühlen sollst, bis zum bitteren Ende an meiner Seite zu bleiben. Ich will doch nur, dass du glücklich wirst!“ Ich war starr vor Schreck und nun brach wirklich alles um mich herum zusammen. Ohne zu Zögern zog ich Bobby an mich und umarmte ihn ganz fest und liebevoll. Tränen kullerten mir aus den Augen, als ich eine tröstende Hand auf meiner spürte. Nina bückte sich ebenfalls zu uns hinunter und auch ihr kamen die Tränen. Bobby schluchzte mir leise ins Ohr: „Ich liebe dich so sehr, Tobias!“
Justin: Als Bobby Tobias von seinem Gehirntumor erzählte und ihm erklärte, dass es keine Hoffnung auf Heilung gab und er sterben würde, da blieb mir die Luft zum Atmen weg. Meine erste große Liebe würde sterben! Casey bemerkte, dass ich zu taumeln anfing, da mir schwindlig und schlecht wurde. Also begleitete er mich auf mein Zimmer, wo ich erst einmal frische Luft auf meinem Balkon tankte. „Geht es dir jetzt wieder ein wenig besser?“, fragte Casey mich, als er mir ein Glas Mineralwasser reichte. Er versuchte mir ein sanftes Lächeln abzugewinnen, damit ich nicht so traurig guckte. Er war sehr bemüht um mich, was ich sehr süß fand, aber meine Gedanken waren gerade nur bei Bobby. „Ich verstehe nicht, wieso er mit der Wahrheit nicht schon früher rausgerückt ist.“, sagte ich. „Dafür kann es viele Gründe geben.“, erwiderte Casey, der sich an das Geländer lehnte und zum Nachthimmel empor blickte. „Zum einen natürlich seine Angst, was im Anbetracht seiner Lage selbstverständlich ist. Dann wollte er euch vermutlich keine Angst machen und vermeiden, nur noch traurige Gesichter in euch zu sehen, wenn ihr es erfährt. Er wollte vielleicht bis zu seinem Tode gute Miene zum bösen Spiel machen, mit euch lachen, mit euch Spaß haben, einfach das Leben so weiter leben, wie es ist. Das mag egoistisch klingen, aber in solchen Situationen gibt es kein richtig oder falsch, es gibt nur die bittere Wahrheit und die ist voller Schmerz und Kummer.“ Eine Träne rann meine Wange hinunter, als Casey mir Bobbys möglichen Zwiespalt schilderte. „Das klingt beinahe so, als hättest du so etwas Ähnliches auch schon mal durchlebt.“, sagte ich zu ihm. Casey lächelte mich traurig an. „Meine Mutter… sie starb vor sieben Jahren an Brustkrebs.“ Ich blickte ihn erschrocken an. Je mehr ich über ihn erfuhr, desto mehr tat er mir leid. „Ist schon gut Justin.“, sagte er lächelnd zu mir. „Jeder von uns, durchlebt traurige und schlimme Momente im Leben, aber es gibt auch viel Gutes und Schönes in dieser Welt. „Irgendwie drängeln sich die negativen Dinge des Lebens aber immer vor.“, jammerte ich. Plötzlich stieß Casey sich vom Geländer ab und ging in eine gebückte Haltung. „Los, spring auf meinen Rücken!“ Ich blickte ihn abermals erschrocken an und fragte mich, was er nun wieder vorhatte. Doch egal was ich als Einwand brachte, Casey schlug es aus! „Jetzt klettere schon auf meinen Rücken. Ich biete nicht jedem an, mich zu besteigen, also nutz die Gelegenheit!“ Casey grinste mich frech an und ich schüttelte lachend den Kopf. Dieser Spinner! Ich tat schließlich das, was er von mir verlangte und kletterte behutsam auf seinen Rücken. Ich schlang meine Arme um seinen Oberkörper, so dass er mir quasi nicht mehr entkommen konnte. Dann stützte Casey sich vom Boden ab und mit der Kraft der magischen Phönixfeder, flog er mit mir hoch in den Nachthimmel. Es war einfach ein traumhaftes Gefühl – so schwerelos und frei. Der Wind wirbelte unsere Haare wild durcheinander. Ich spürte Caseys blaue Haare in meinem Gesicht und schnupperte ein wenig an ihnen. Sie dufteten angenehm erfrischend. Nach einer Weile landeten wir schließlich in einer Baumkrone am See und setzten uns nebeneinander. Ich lächelte Casey für diesen Ausflug dankbar an, während er meine Hand sanft streichelte und nach der kühlen Brise wieder ein wenig aufwärmte. Dann konnte ich einfach nicht mehr anders. Die Gefühle, die ich einst bei Bobby verspürte, hegte ich nun für Casey, doch fühlten sie sich dieses Mal noch intensiver an. Ich fasste mir schließlich ans Herz, beugte mich leicht zu Casey rüber und küsste ihn zärtlich auf die Lippen.
Leon: Bobby hat einen Gehirntumor?! Es traf mich wie ein Schock und blendete die Tatsache, dass meine Lüge, dass ich mit Tobias zusammen sei, vollkommen aus. Ich riss mich zusammen, nicht zu weinen, denn es gab schon genug Tränen. Ich wollte sowohl für Bobby, als auch für Tobias stark bleiben. Shane hielt tröstend meine Hand, während wir an einem Tisch saßen – die Champagnergläser vor uns. In so einem Moment noch weiter zu feiern, erschien mir als falsch. Zack saß mir gegenüber, allerdings versperrte ein Strauß roter und weißer Rosen mir die Sicht zu ihm. Vermutlich auch besser so… Was er wohl zu meiner aufgeflogenen Lüge sagt? Besser ist es, wenn ich es nicht weiß… Plötzlich blendete etwas meine Augen – ein Blitzlicht, als hätte jemand ein Foto von mir geschossen. Doch als ich mich umblickte, konnte ich niemanden sehen. Dafür stand Zack auf einmal vor mir und streckte mir seine Hand entgegen. „Dürfte ich vielleicht um diesen Tanz bitten?“ Meine Gedanken wurden sofort in die Vergangenheit zurück versetzt und Bilder tauchten vor meinen Augen auf. Bilder von Roys und Dereks Hochzeit, auf dem Zack ebenfalls mit mir tanzte. Ich lächelte, als ich mich an diese glückliche Zeit zurückerinnerte, doch dann wurde mir die traurige Gegenwart wieder bewusst. „Bist du verrückt?!“, fragte ich Zack aufgebracht und er blickte mich erschrocken an. Ich ließ Shanes Hand los und stand von meinem Stuhl auf. Wie kannst du jetzt nur ans Tanzen denken, nach allem was inzwischen vorgefallen ist. Mit so einem unsensiblen Kerl wie dir, will ich nicht zusammen sein!“ Dann rannte ich davon. Die Wut kochte in mir über, doch war das nicht allein die Schuld von Zack. Es war aber leichter, meinen ganzen Frust bei ihm abzuladen. Ich rannte aus dem Festsaal und hinaus ins Freie. Unter dem goldenen Sternenhimmel versuchte ich wieder klare Gedanken zu fassen.
51. Entscheidung aus Liebe – Teil 4 Zack: Irgendwie mache ich immer alles falsch. Ich wollte Leon beim Tanzen lediglich ein wenig aufmuntern, da mir bewusst war, wie sehr ihn Bobbys Geständnis, dass er einen Gehirntumor in sich trägt, mitnahm. Doch nun rannte er vor mir davon und ich wünschte Max wäre hier, denn er wüsste was zu tun wäre. Er war der einfühlsamere von uns Beiden, er könnte Leon trösten! „Willst du einfach nur dastehen und hinterher glotzen?“, fragte Professor Shane mich von der Seite her. „Junge, ich dachte du bist ein Mann! Du traust dich vor einem ganzen Kurs nackt Modell zu stehen, aber bei dem Jungen den du liebst, kneifst du den Schwanz ein? Ich habe gemerkt, dass ich für Leon nichts mehr tun kann, das liegt nun in deinen Händen, aber wenn du nichts tust, dann seid ihr beide verloren!“ Shane und ich tauschten keine Blicke miteinander aus, aber ich war ihm sehr dankbar für diesen kleinen Tritt in den Hintern. Ich riss mich zusammen und rannte Leon hinterher. Ich musste nicht sehr lange nach ihm suchen und fand ihn draußen im Rosengarten. Er stand mit dem Rücken zu mir und blickte zum Sternenhimmel hoch. Ich wollte ihn nicht erschrecken, also machte ich mich mit einem Räuspern bemerkbar. „Lass mich in Ruhe und verschwinde!“, zischte er bockig. Boah, Leon kann aber auch eine kleine Zicke sein! Ich hatte nicht vor, ihn in Ruhe zu lassen und wieder abzuziehen. Stattdessen ging ich auf ihn zu, legte meine Arme um ihn und hielt ihn ganz fest. Leon beschwerte sich lautstark und versuchte sich meinem Griff zu entziehen, doch kämpfte ich dagegen an. „Du kannst dich mit Händen und Füßen wehren, aber ich habe dich schon einmal gehen lassen und werde diesen Fehler gewiss kein zweites Mal begehen!“ Nach diesen Worten hörte Leon auf sich gegen mich zu wehren. Er drehte sich nicht zu mir um, doch konnte ich ihn trotzdem weinen hören. Ohne sich zu wehren, ließ er sich von mir umdrehen und als ich ihn ansah, konnte ich sein tränenverschmiertes Gesicht erkennen. Ich wischte ihm mit meiner Hand über die feuchte Wange. Dann trafen sich unsere Augen. Ich war ein wenig größer als er, aber das machte mir nichts aus. „Ich bin so ein Vollidiot! Es tut mir so Leid.“, sagte ich zu ihm. „Ja, bist du.“, pflichtete er mir schniefend bei und ich musste lächeln. „Ich bin ein Idiot, weil ich dich und Max wegen meines Beziehungsstatus beschwindelt habe, aber du bist ein noch viel größerer Idiot!“ Ich hatte dem nichts mehr entgegen zu setzen und senkte meinen Kopf ein wenig, damit sich meine Lippen mit seinen berührten. Es war ein Kuss, wie tausend Feuerwerke!
Max: Ein trauriges Lächeln huschte über meine Lippen, als ich Maria und Theo im Türrahmen stehen sah. Ich wünschte Maria alles Glück dieser Welt, denn nichts anderes hatte sie nach all der schweren Zeit verdient. Schließlich fuhr ich mit meinem Auto wieder davon und auf der Rückfahrt zum Schlosshotel, beleuchtete der helle Vollmond die Waldstraße. Es war eine traumhafte Nacht. Viele goldene Sterne leuchteten am Nachthimmel und das Schlosshotel erstrahlte in einem wunderschönen Glanz. Als ich gerade am Eingang vorfuhr, konnte ich Professor Shane erblicken, der zum Parkplatz ging. Es schien so, als würde er schon wieder abreisen. Mir sollte es recht sein, denn sonderlich gut leiden, konnte ich ihn noch nie. Als ich das Hotel betrat, war im Speisesaal eine große Feier im Gange. Ich sah mich ein wenig um, konnte aber weder Zack, noch Leon entdecken. Meine Erwartungen, dass die Beiden sich aussprachen, waren nicht sonderlich hoch, aber man soll die Hoffnung nie aufgeben! Ich begegnete schließlich Tyler, dem Pool-Boy und Bergführer, der heute als Hilfskellner aushalf. Was kann der Knabe eigentlich nicht? Er klärte mich über die Vorkommnisse der letzten Stunden auf. „Da schein ich ja einiges verpasst zu haben.“, sagte ich. „Weißt du, wo Leon und Zack stecken?“ „Ich glaube gesehen zu haben, wie Leon vorhin in den Rosengarten hinaus gerannt ist und Zack ihm kurz darauf folgte, aber ich bin mir nicht ganz sicher.“, antwortete Tyler mir. „Vermutlich hat Zack wieder etwas Dummes angestellt.“, sagte ich augenrollend. „Ich schau besser mal nach. Nicht, dass einer von Beiden bereits im Burggraben liegt.“ Ich marschierte aus dem Speisesaal hinaus in den Rosengarten, der einfach traumhaft war. Zuerst konnte ich die Beiden nicht finden, doch als ich meine Augen genauer aufmachte, fand ich sie doch noch. Arm in Arm standen sie im hellen Mondlicht und ihre Lippen berührten einander. Na endlich, dachte ich mir und ein Lächeln fuhr mir übers Gesicht. Doch so schnell mein Lächeln kam, so schnell verschwand es auch wieder. Ich setzte mich auf eine weiße Bank an einem kleinen angelegten See und warf Steine rein. Aus dem Festsaal klang Musik und das Gelächter vieler gut gelaunter Menschen. Jeder Topf schien seinen passenden Deckel gefunden zu haben…, jeder außer mir. Ich hob einen weiteren Stein vom Boden auf, warf ihn auf den See – Ich bin allein – und der Stein ging unter.
Nicolas: Ich war auf das bevorstehende Wunder sehr gespannt. Hier im Zeltlager, umgeben von all den Bäumen und einem See, hatten wir die beste Aussicht auf die bevorstehende Sonnenfinsternis. In meinen Beinen kribbelte es schon und mir fiel es schwer, auf dem Baumstamm ruhig sitzen zu bleiben. „Nicolas du Zappelphilipp!“, rief Justus, der mich auslachte. Auf einmal spürte ich, wie etwas Hartes gegen meinen Kopf prallte. Ich fluchte vor Schmerz und rieb an der betroffenen Stelle. „Autsch! Justus, deshalb brauchst du mich nicht gleich zu hauen.“ „Was? Ich hab dich nicht gehauen! Obwohl, das gar keine so schlechte Idee wäre…“, verteidigte Justus sich und kam dabei sehr glaubwürdig rüber. Doch wenn nicht er, wer dann? Ich blickte zu Agathe, die sich angeregt mit ihren Freundinnen unterhielt. Also schied auch sie aus. Aufprall Nummer Zwei! Dieses Mal erwischte es meinen rechten Ellenbogen. Ich drehte mich erzürnt um, und da sahen meine Augen Nick, der sich hinter einem der Zelte versteckte und Steine nach mir warf. Er winkte mich zu sich. Die Lehrer passten gerade nicht auf, also duckte ich mich und begab mich in gebückter Haltung zu Nick. „Das tat verdammt nochmal weh!“, beschwerte ich mich bei ihm. „Ach komm, bei deinem Dickschädel?“, erwiderte Nick grinsend. Wieso grinste der Kerl plötzlich so? Seine Augen leuchteten regelrecht und er sah so aus, als würde er mir gleich vor Freude um den Hals fallen. Doch schien er sich zusammen zu reißen und fragte stattdessen: „Was macht ihr da alle?“ „Oh, weißt du das etwa gar nicht?“, antwortete ich mit einer Gegenfrage. „Wir warten auf die…“ „Achtung, es geht los!“, rief Frau Sauerbach laut und alle, einschließlich mir, verstummten. Ich blickte zur Sonne hoch, mein Herz fing an zu klopfen und ich freute mich auf dieses wundersame Ereignis. „Oh nein, bitte nicht.“, hörte ich Nick auf einmal hinter mir sagen. Was nervt er denn jetzt schon wieder rum? „Das ist nicht gut, das ist gar nicht gut.“ Ich wollte ihn zum Schweigen bringen, doch da schob sich der Mond auch schon vor die grelle Sonne und es wurde dunkel…
52. Ein hoffnungsloser Kampf? – Teil 1 Heute Morgen wachte ich neben Bobby auf und alles war noch in Ordnung. Es gab zwar hier und da diverse Probleme, aber nichts davon betraf Bobby und mich gleichermaßen in solch einem schrecklichen Ausmaß, wie der tödliche Gehirntumor, den Bobby nun in sich trug. Ich wollte Bobby heiraten und für immer mit ihm zusammen bleiben, doch nun musste ich um unsere gemeinsame Zukunft zittern, denn es könnte passieren, dass ich mein Leben irgendwann ohne Bobby fortset…. Nein! Ich will es nicht wahrhaben! Das kann nicht wahr sein! Das muss ein böser Traum sein und jeden Augenblick würde ich erwachen und feststellen, dass Bobby kerngesund ist. Panisch und ängstlich rannte ich einen dunklen Flur entlang, der kein Ende zu nehmen schien. Links und rechts befanden sich nur weiße Wände. Das Licht im Flur war allerdings sehr gedämpft, was die Wände wiederum grau erschienen ließ. Ich rannte an Sitzplätzen und einem Kaffeeautomaten vorbei. Der Schweiß tropfte mir bereits vor der Stirn, doch rannte ich unentwegt weiter. Wenn ich jetzt stehen bleiben würde, so glaubte ich, würden meine Füße sich mit dem Boden verschmelzen und ich könnte sie nie wieder bewegen. Ich rannte, als wäre der Teufel höchstpersönlich hinter mir her. Als ich noch ein kleines Kind war, hat man mir immer gesagt, dass es verboten wäre, in Gängen zu rennen. Doch das war mir heute egal. Ich wollte rennen, denn darin war ich wenigstens gut! Als ich allerdings Bobbys Eltern aus einem Zimmer kommen sah, kam ich vor Schreck zum Stillstand. Eine weibliche Stimme rief durch eine Lautsprecheransage einen Oberarzt zu sich in den Operationssaal. Erst jetzt wurde mir klar, dass ich mich in einem Krankenhaus befand. Meiner Meinung nach, der schlimmste Ort auf Erden, da hier so viel Leid, Schmerz und Trauer zugeben war. Ich stand Bobbys Eltern gegenüber. Frau Forster weinte bittere Tränen in ein Taschentuch, während Herr Forster einen Arm um ihre Schulter legte und versuchte sie zu trösten. Ich traute mich gar nicht zu fragen, doch musste ich Gewissheit haben: „W-Was ist passiert? Was ist mit Bobby?!“ Frau Forster schluchzte noch mehr und konnte ihren Tränen keinen Einhalt gebieten. Ich wartete auf eine Antwort, doch als Herr Forster traurig mit dem Kopf schüttelte, da wusste ich es bereits. Ich ballte meine Hände zu Fäusten, denn Wut kochte in mir hoch. Wieso war das Leben nur so grausam und entriss mir den Menschen, der mir am meisten bedeutete? Ich wollte, dass dafür jemand zur Rechenschaft gezogen wird. Ich wollte, dass dafür jemand bestraft wurde. Ich wollte…, Bobby zurück! Eine zarte, kleinere Hand, griff nach meiner geballten Faust. Ruckartig entzog ich mich dieser Hand, ehe ich bemerkte, dass es Annie war, die versuchte, mich über die Trauer hinwegzutrösten. Annie hatte soeben ihren Bruder verloren und doch weinte sie nicht. Sie war ein tapferes Mädchen! Dann erschienen auf einmal noch mehr Menschen, denen Bobby sehr viel bedeutet hat und die ihm sehr viel bedeutet haben. Wie Gespenster tauchten sie um mich herum auf und bildeten eine Art Kreis. Zuerst tauchte Bobbys leiblicher Vater Thomas Beck auf, der sich nichts sehnlicher wünschte, als hätte er mehr Zeit mit seinem Sohn verbracht. Zu seiner Rechten erschien Caro, Bobbys Halbschwester, der wie bei Frau Forster die Tränen kamen. Zu spät lernte sie ihren Halbbruder kennen, dabei hatte sie sich als Einzelkind nichts sehnlicher als einen Bruder gewünscht und nun war er für immer fort. Als Nächstes erschien Bobbys erste große Liebe Justin, dessen sonstige lebendige Ausstrahlung nun von Trauer bedeckt war. Auch unsere Freunde Leon, Maria, Chris und Nick konnte ich nun unter den Anwesenden erkennen und natürlich Timo, der Husky, der sich niedergeschlagen vor Annies Füßen hinlegte. Annie beugte sich zu ihm hinunter und streichelte ihm sanft durchs Fell. Sie spendeten sich gegenseitig ein wenig Trost. Alle waren sie gekommen, um gemeinsam um Bobby zu trauern und sich gegenseitig Halt zu geben. Obwohl ich von so vielen Menschen umgeben war, fühlte ich mich gänzlich allein mit meiner Trauer. Und dann sah ich ihn! Bobby schwebte aus dem Krankenzimmer, sein Körper war fast durchlässig, seine Augen trübselig und als Kleidung trug er lediglich einen weißen Kittel. Verzweifelt rief ich nach ihm, dass er mich nicht verlassen solle, doch nahm er mich leider nicht wahr. Stattdessen schwebte er auf ein weiteres Familienmitglied zu. Es war seine verstorben Oma, die sich gerade eine ganze Flasche Jack Daniels reinzog, dass allerdings durch ihren Körper durchsickerte. Bobby und seine Oma streckten ihre Arme nach einander aus und als sie zueinander fanden, schwebten sie gemeinsam in ein helles Licht davon. Mir war nach Weinen zumute, doch konnte ich es nicht. Als wären meine Tränensäcke erstarrt! Ich spürte eine Hand auf meiner Schulter und als ich mich umdrehte, stand Nina vor mir, die mindestens genauso litt wie ich. Ich konnte vielleicht nicht weinen, aber dafür konnte ich noch sehr laut schreien und genau das tat ich dann auch! Ich schrie aus Leibeskräften und zwar so laut, dass ich Bobby neben mir aus dem Schlaf weckte. „Tobias! TOBIAS!“ Er schrie meinen Namen und rüttelte an meinem ganzen Körper, um mich aus meinem Albtraum zu befreien. Schließlich öffnete ich die Augen, ich spürte, dass ich kreidebleich im Gesicht war. Ich versuchte nach Luft zu schnappen. Mein ganzer Körper war von unten bis oben verschwitzt. „Ruhig, alles wird gut! Du hast nur geträumt.“, versuchte Bobby besänftigend auf mich einzureden. Zwar hatte ich gerade wirklich nur geträumt, doch irgendwann könnte dieser Traum zur grausamen Realität werden und davor graute es mir bereits jetzt. Ich erzählte Bobby von dem Albtraum, während er mich tröstend in den Arm nahm – trotz des ganzen Schweißes an meinem Körper. „Ich habe Angst, Bobby. Ich hab solch eine große Angst!“ „Ich weiß, die hab ich doch auch.“, erwiderte Bobby leise zu mir, während er meine Hände hielt. „Du darfst nicht sterben! Das lasse ich nicht zu! Es muss doch etwas geben, was wir gegen diesen Gehirntumor ausrichten können.“, meinte ich hoffnungsvoll. „Ich wünschte dem wäre so, aber glaube mir, ich bin mit meinem Arzt bereits alle Optionen durchgegangen. Selbst eine Operation kann mir nicht helfen.“, versicherte Bobby mir. „Ja aber…, dann hat der Arzt eben keine Ahnung von seinem Beruf. Du musst zu einem anderen Arzt, einem Profi und wenn es mich mein ganzes Vermögen kosten würde.“ So schnell gebe ich nicht auf! „Tobias…, ich weiß du meinst es nur gut und dein Verhalten ist verständlich, aber…“ „Verdammt nochmal Bobby, du darfst jetzt nicht aufgeben!“, schrie ich meinen Freund nun an. Ich entriss mich seiner Umarmung, sprang aus dem Bett und baute mich vor ihm auf. „Es gibt so viele Menschen, die an einem Gehirntumor erkranken und dennoch ein fast ganz normales Leben bis ins hohe Alter führen können. Man muss nur fest daran glauben und darf die Hoffnung nicht so schnell begraben!“ Ich setzte ein Lächeln auf, um Bobby mehr Mut zu machen, doch zeigte dies keine Wirkung. Bobby war überzeugt davon, dass er schon sehr bald sterben würde. „Du solltest vielleicht erst duschen gehen, bevor wir weiterschlafen. Lass uns bitte nicht mehr über dieses Thema reden. Ich möchte die Zeit, die uns noch verbleibt, mit dir so schön wie nur möglich verbringen. Das ist mein einziger Wunsch den ich habe. Kannst du mir das bitte versprechen?“ Bobby blickte mich flehend an und natürlich brach ich es nicht über mein Herz, seinen Wunsch nicht nach zu kommen. Trotzdem würde ich nicht aufgeben… musste ich eben für uns Beide weiter kämpfen!
53. Ein hoffnungsloser Kampf? – Teil 2 Als ich am nächsten Morgen erwachte, hörte ich das erste Mal seit mehreren Tagen, wie es vom Himmel herabregnete und gegen die Fensterscheiben prasselte. Der Himmel weint, so dachte ich mir und fand es im Anbetracht der Lage sehr passend. Doch wollte ich den Kopf nicht hängen lassen. Mit Feuereifer stand ich vom Bett auf und zog mir meinen Morgenmantel an. Bobby war bereits wach, saß am Tisch und las sich eine Zeitschrift durch. Ich stellte mich hinter ihn, legte meine Arme um ihn und gab ihm einen feuchten Kuss auf die Wange. „Na, geht es dir inzwischen ein klein wenig besser?“, fragte er mich lächelnd, während er die Zeitung weglegte und mir übers Kinn graulte. „Ja.“, antwortete ich ihm kurz und bündig. Erneut eine Diskussion mit ihm über seine Krankheit zu führen, würde nur für weiteren Streitstoff sorgen, also zwang ich mich zum Schweigen. „Endlich regnet es wieder einmal. Für die Natur ist das bestimmt eine willkommene Abwechslung.“
Ich freute mich sehr über Ninas Kurzbesuch, aber leider war es genau das gewesen – ein Kurzbesuch! „Ich habe meinen Eltern versprochen, dass ich sie heute besuche. Außerdem kann sich nicht jeder für mehrere Tage so ein Luxus-Hotel leisten.“, erklärte sie uns und wir verstanden sie. „Schade.“, sagte Bobby leicht betrübt, während wir alle gemeinsam in der Hotellobby standen und uns von ihr verabschiedeten. „Tobias hatte viel mehr von deiner Anwesenheit. Ich hätte mich gerne ein wenig länger mit dir unterhalten. Das ist echt nicht fair!“ „Ich weiß und im Nachhinein tut es mir auch ehrlich Leid.“, erwiderte Nina mitfühlend, aber Bobby winkte danach schnell ab und lächelte, dass es schon in Ordnung sei. Gute Miene, zum bösen Spiel… „War echt schön, dich mal wieder zu sehen, Nina.“, sagte Justin lächelnd zu ihr, der ebenfalls gekommen war, um sich von ihr zu verabschieden. Casey stand direkt neben ihm und Bobby und ich staunten vor einer Stunde nicht schlecht, dass er und Nina sich aus Amerika kannten. „Ich sag doch, dass das keine Zufälle mehr sein können.“, flüsterte Bobby mir ins Ohr. „Wir sehen uns in Amerika wieder.“, sagte Casey zu Nina und verabschiedete sich bei ihr mit einer Umarmung. Dabei sah es sehr cool aus, wie sich Ninas dunkelroten und Caseys himmelblauen Haare kreuzten und ein wenig Farbe und Freude in diese Verabschiedung brachten. „Und vergesst bitte nicht, Leon noch ganz lieb von mir zu grüßen.“, erinnerte Nina uns, da Leon nicht zu ihrer Verabschiedung gekommen war, obwohl er es eigentlich vorgehabt hatte. „Hihi.“, kicherte Casey vor sich hin. „Kann mir schon denken, wieso er hier nicht aufkreuzt. Als Justin und ich gestern zurück zum Hotel geflo…, ich meine gegangen sind, da haben wir ihn und Zack eng und innig umschlungen sehen. Dürfte eine ziemlich heiße Nacht für die Beiden gewesen sein.“ Justin gab mit seinem Ellenbogen Casey einen Hieb in die Rippe, was diesen nur zu weiteren Äußerungen veranlasste. „Ja was denn? Ist doch so! Musst nicht neidisch sein, wir können gerne nachziehen!“ Nina und Bobby schmunzelten und auch Justin konnte sich das Lächeln nicht mehr verkneifen. Sein Gesicht nahm dabei ein dunkles rosa an. Nur mir war nicht nach Lachen zumute, denn Bobbys Krankheit schwirrte mir beständig im Kopf herum. Ich konnte ehrlich gesagt auch gar nicht verstehen, warum alle anderen so ausgelassen lachten. Als hätten sie bereits wieder vergessen, was Bobby uns gestern allen offenbarte. Als hätten sie vergessen, dass er schon sehr bald… „Heeey.“ Nina zwickte mir in den Arm und riss mich aus meinen Gedanken. „Jetzt mach dir nicht so viele Gedanken. Ich weiß, dass das schwer für dich ist, aber du musst jetzt für Bobby stark bleiben.“ „Keine Angst, das werde ich.“, versicherte ich ihr, denn sonst täte es ja keiner. „Jetzt finde ich es nur schade, dass ich Maria hier nicht antraf. Aber schon typisch, dass sie schon wieder den nächsten Kerl aufgerissen hat.“, sagte Nina danach leicht enttäuscht. Es war interessant mit anzusehen, wie zwei so unterschiedliche Menschen wie Nina und Maria, im Laufe der Zeit doch noch zu Freundinnen wurden. „Frau Meyer, ihr Taxi wäre eingetroffen, das sie bis zum nächstgelegenen Bahnhof fährt.“, verkündete Herr Wilfred und deutete in Richtung Ausgang. „Also dann…“ Nina warf uns einen wehmütigen Blick zu, dann umarmte sich uns noch einmal. Zuerst mich und anschließend Bobby, von dem sie sich anschließend nur schwer wieder lösen konnte. „Das du mir gut auf Tobi aufpasst.“, sagte sie lächelnd zu Bobby, der es ihr versprechen musste. Ninas Gepäck wurde gerade in den Kofferraum des Taxis eingeladen, als ein fremdes Auto um die Ecke kurvte, um den Springbrunnen herum düste und hinter dem Taxi zum Stillstand kam. Im Inneren des Autos saß Maria, zusammen mit ihrem neuen Freund Theo. Der Regen prasselte auf sie hinunter, als sie aus dem Auto ausstiegen. Maria hielt sich ihre Handtasche über den Kopf, doch wurde ihre Frisur dennoch von dem Regen ruiniert. Doch dies schien ihr ausnahmsweise egal zu sein, denn sie hatten sich extra beeilt, damit Maria Nina zumindest noch für einen kurzen Moment sehen konnte. „Wartet!“, rief sie uns zu, als sie die Stufen zum Hoteleingang hoch lief. „ Ich will wenigstens Hallo und Tschüss sagen, wenn ich hier schon so viel verpass. Leon hat mir eine SMS geschrieben. Da bin ich mal einen Abend lang nicht da…!“ Maria watschelte auf Nina zu und nahm sie freudig in die Arme. Nina war zwar auch sehr froh darüber, ihre Freundin wieder zu sehen, doch da Maria von Kopf bis Fuß durchnässt war, hielt sich die Freude ein wenig in Grenzen. „Wie ich sehe, hast du dich kein Stück verändert.“, lachte Nina hinterher. „Du bist immer auf Achse, irrst kopflos durch die Gegend und bist immer auf der Suche nach der großen Liebe. Naja…, zumindest der letzte Punkt scheint nun wohl erledigt zu sein.“ Theo stellte sich bei Nina als Marias neuen Freund vor, was es offiziell machte. „Ich muss jetzt aber wirklich los, sonst verpasse ich noch meinen Zug.“ Nina stieg in das Taxi ein und als das gelbe Auto davon fuhr, winkten wir ihr alle noch einmal hinterher. Eine Minute später gingen wir wieder ins Hotel rein und teilten uns in alle Himmelsrichtungen auf. Herr Wilfred kam auf mich zugelaufen und ich fragte mich, was das Krötengesicht jetzt schon wieder wollte. „Herr Henning, auf ein Wort bitte kurz! Ihre Freundin Frau Meyer hat ja bereits den größten Anteil der Kosten des gestrigen Abends abbezahlt. Ich werde dann die restlichen Kosten bei ihrer Hotelrechnung hinzu rechnen. Sind sie damit einverstanden, oder wollen sie es anders handhaben?“ „Nein, das ist schon in Ordnung so.“, antwortete ich ihm und hoffte, dass das alles gewesen sei. Doch ich irrte mich…leider. „Auch wenn der gestrige Abend für sie nicht ganz so optimal gelaufen ist, so muss ich ihnen dennoch zu dem wirklich wundervollen Heiratsantrag gratulieren.“ „Nicht ganz so optimal?“ Ich glaubte mich verhört zu haben. Ich fühlte mich wie ein brodelnder Vulkan, der jeden Augenblick damit auszubrechen drohte. Herr Wilfred wich bereits ängstlich einen Schritt zurück, während seine Augen verzweifelt nach Hilfe suchten. Im letzten Moment kam Bobby dazu. Er legte seine rechte Hand auf meine Schulter und beruhigte mich damit ein wenig. „Schon gut.“, sagte ich und setzte meinen Weg zum Fahrstuhl fort. „Ich weiß etwas, was dich vielleicht ein wenig ablenken wird.“, sagte Bobby im Fahrstuhl zu mir. Ich grunzte, denn glaubte ich nicht so recht daran. „Lass uns David auflesen und dann gehen wir zu Herrn Kinimod, damit wir endlich erfahren, was es mit dem Schattenphönix auf sich hat.“
Okay, dieses Mal hab ich wirklich vergessen, am Mittwoch ein Kapitel hochzuladen. Sorry! Da ich aber in den nächsten Wochen an den Feiertagen eh mal aussetzen wollte, passt das schon. Dann kommt eben an einem der Feiertage (Karfreitag oder Ostermontag) doch ein Kapitel. Ansonsten natürlich wie gewohnt: Montag, Mittwoch und Freitag!
Prinz Phönix
54. Der Verrat und deren Folgen – Teil 1 Als Seraphiel den Zauber sprach, drohte der Körper von Prinz Phönix vor Überhitzung zu verglühen. Es war ein unbeschreiblich starker Schmerz und er schrie so laut wie es seine Stimme ihm erlaubte. Prinz Phönix kannte sich mit dem heißen Feuer in seinem Inneren aus, denn schließlich war er als Feuerphönix zur Welt gekommen. Ein Feuerphönix ist stolz und edel, und er kann höher in die Lüfte gleiten, als ein gewöhnlicher Vogel. Bei jedem Flügelschlag stößt er glühend heiße Flammen von sich, die allerdings keinen Schaden in der Natur anrichteten. Die Rufe des Feuerphönixes gleichen einem himmlischen Gesang, der die Herzen der Menschen erwärmen soll. Das Federkleid eines Feuerphönixes ist warm und weich. Eine Legende besagt, dass ein Neugeborenes, in diesen Federn sein ewiges Glück findet und einer anderen Legende zufolge besitzen Phönix-Tränen heilende Kräfte. Doch besitzt der Feuerphönix auch machtvollere Fähigkeiten, die allen voran dem Krieg dienten. So beherrscht es die Kunst des Feuerspeiens – genauso wie die mystischen Drachen. Es kann die Aura seines Gegenübers spüren und erkennt, wer Gutes und wer Böses in sich trägt. Der Feuerphönix besitzt die Gabe sich in eine menschliche Gestalt zu verwandeln und trotzdem die Sprache der Tiere beizubehalten. Zu guter Letzt haftet an einem Feuerphönix das Wunder, immer wieder neu geboren zu werden, das allerdings auch als Fluch angesehen werden kann. Das ist die Natur eines Feuerphönixes. Das ist Prinz Phönix…, oder besser gesagt, das war er! Das lodernde Feuer in seinem Inneren wurde von der Dunkelheit umhüllt. Er musste an Prinz Dragon denken, für den er diese Zeremonie überhaupt veranstaltete. Er entschied sich für ein sterbliches Leben, um bei ihm zu sein – für alle Zeiten! Der Schrei seiner Stimme hallte durch das Kellergewölbe und während die Schatten ihn immer mehr vereinnahmten, zerbrach etwas Gutes tief in ihm drin.
Prinz Phönix verlor jegliches Raum-und Zeitgefühl um sich herum. Als er wieder zu sich kam, befand er sich nicht mehr in den Kellergewölben, sondern außerhalb des Schlosses. Vor ihm graste das rosarote Einhorn Jay und gerade als Prinz Phönix sich die Frage stellte, was hier so unangenehm roch, entdeckte er mehrere kleine Regenbogen-Häufchen, die aus dem Hinterteil des Einhornes stammten. Prinz Phönix stieß sich vom Boden ab und erst jetzt bemerkte er, dass er gänzlich nackt war. Jedes seiner Körperglieder war vor allzu neugierigen Blicken nicht mehr sicher. Schnell stellte sich Prinz Phönix hinter das Einhorn und hoffte, dass ihn so keiner gesehen hatte. Der Prinz spürte das flauschige Fell des Einhorns an seiner Brust und als eine kühle Brise an ihm vorbeizog, bildete sich an seinem ganzen Körper eine Gänsehaut. Eine Gänsehaut? Moment mal…, den Prinzen fror es doch sonst nie! Demnach hatte Seraphiels Zauber funktioniert und er war nun ein sterblicher Mensch? Der Prinz konnte es kaum glauben und Freude stieg in ihn auf…, wenn er gerade nur nicht nackt wäre. Es ging nicht anders. Prinz Phönix musste so wie er war zum Schloss zurückrennen. Allzu weit war der Weg ja nicht und er hoffte keinem seiner Angestellten so über den Weg zu laufen. Doch sein Hoffen war vergebens, denn gerade als Prinz Phönix am Hintereingang hinein marschieren wollte, kam Regina mit einem Eimer Spülwasser heraus. Beim Anblick des entblößten Prinzen erschrak sie ganz fürchterlich. Sie ließ den Eimer mit dem Wasser zu Boden fallen und legte sich die Hände vors Gesicht, das vor Scharm ein knalliges Rot annahm. Sie schien den Prinzen erst nicht zu erkennen, doch das änderte sich, als sie ein klein wenig zwischen ihren Fingern hervorlugte. „M-Mein Prinz, i-ihr lebt, was bi-bin ich froh!“, stieß sie erfreut, aber auch peinlich betroffen aus. „Regina…, kannst du mir vielleicht etwas besorgen, um meinen Körper zu verdecken?“, fragte Prinz Phönix seine Köchin. Ihm war die Situation ebenfalls sehr unangenehm. Regina stürmte zurück ins Schloss und kam kurz darauf mit einer Decke zurück, die der Prinz sich um den Körper wickelte. Er bedankte sich recht herzlich bei ihr, vermied es aber, sie in dieser Lage zu umarmen, da das sicher eigenartig rüber gekommen wäre. Prinz Phönix ging ins Schloss hinein und Regina folgte ihm gehorsam. In der großen Eingangshalle trafen sie seinen Butler Rufus wieder, der sich sehr über die Rückkehr seines Prinzen freute. „Mein Prinz! Was bin ich erleichtert. Wir dachten bereits, dass sie tot wären!“ Prinz Phönix fror es sehr und so brachte er seine folgenden Befehle nur zittrig heraus: „Ru-Rufus, s-sorgen si-sie doch bit-bitte, dass mir je-jemand a-ein Bad einl-lässt.“ „Regina, du hast den Prinzen gehört.“, sagte Rufus und klatschte dabei zweimal in die Hände. „ Lass ihm ein warmes Schaumbad ein und richte ihm seine Abendgarderobe her, oder soll er weiterhin eingewickelt in einer Decke herumlaufen?!“ Regina verneigte sich kurz und ging ihrer Arbeit nach. Rufus begleitete den Prinzen die Stufen ins obere Geschoss hinauf und der Prinz nutzte die Gelegenheit, seinem Butler Fragen zu stellen: „Was ist geschehen Rufus und wo ist Seraphiel?“ Irgendetwas Seltsames schien hier vor sich zu gehen, denn Rufus schwieg zu jeder seiner Fragen. Sie kamen schließlich im Badezimmer an, in der Regina bereits warmes Wasser in die Badewanne einließ. „Regina.“, sagte Rufus zu ihr. „Richten sie ihrer Schwester doch bitte aus, dass sie für den Prinzen noch etwas Kleines zubereiten soll. Er wird sicherlich Hunger haben.“ „Das muss doch nicht sein.“, sagte Prinz Phönix, doch sein knurrender Magen sagte etwas anderes. Regina eilte in die Küche davon und Prinz Phönix, der etwas wackelig auf den Beinen war, stieg mit Rufus Hilfe in die Badewanne. Das Wasser war angenehm warm und fühlte sich sehr wohltuend an. Rufus ließ den Prinzen für einige Zeit alleine, damit dieser sich ein wenig erholen konnte. Prinz Phönix legte seinen Kopf vorsichtig zurück auf ein Kissen und schloss seine Augen. Er fühlte sich anders als früher, als wäre das magische Feuer in ihm drinnen erloschen. Er fühlte sich menschlich! Schon bald würde er zu Prinz Dragon ins Königreich reisen und ihm seine neu gewonnene Menschlichkeit präsentieren. Bei dem Gedanken, wie Prinz Dragon ihn zuerst überrascht anstarrte und dann vor purer Freude grinste, wurde dem Prinzen wohlig warm ums Herz. Dadurch wurde ihm auch wieder bewusst, dass er Prinz Dragon wirklich liebte und mit ihm zusammen sein wollte. Nach etwa einer Stunde in der Badewanne, kletterte Prinz Phönix wieder heraus und rubbelte sich mit einem Handtuch trocken. Gleich würde er von Gisela etwas zu Essen serviert bekommen, doch davor wollte er von Rufus wissen, wieso er ihm auf seine Fragen nicht antwortete. Prinz Phönix stellte sich vor den überdimensional großen Spiegel am anderen Ende des Badezimmers und die Kinnlade fiel ihm herunter. Sein Haar, einst in einem feurigen Rot, war nun schwarz wie die Nacht. Prinz Phönix musste sich zusammen reißen nicht zu schreien. Jetzt begriff er auch, wieso Regina ihn vorhin zunächst nicht erkannte. Das lag nicht nur an seiner Nacktheit, sondern auch an seinen Haaren! Vermutlich kam dies dem Zauber von Seraphiel zu Schulden. Er war nun eben ein Mensch! Als Prinz Phönix angezogen die Marmorstufen hinunterstieg, konnte er in der großen Eingangshalle seinen Butler Rufus und die betörende Magierin Sofia reden hören. Ihre Stimmen hallten wie ein Echo im Schloss umher. „Wenn sie es ihm nicht sagen Rufus, dann werde ich es tun.“, sagte Sofia. „Jetzt lassen sie den Prinzen doch erst einmal zur Ruhe kommen.“, verteidigte Rufus sich. „Der Junge hat weiß Gott was mitgemacht und wenn er jetzt erfährt, dass…“ „Wenn ich was erfahre?“, fragte Prinz Phönix, der die Beiden von oben herab beobachtete. Rufus schaute erschrocken zu ihm herauf, während Sofia sich leicht ehrbietungsvoll vor dem Prinzen verneigte, doch ihre Augen nicht von seinem Gesicht abwandte. Sofia wollte dem Prinzen Antwort und Rede stehen, doch Rufus hielt sie mit einer Handbewegung zurück. „Nein! Ich werde es ihm sagen.“ Etwas Seltsames schien hier vor sich zu gehen, so viel wurde dem Prinzen nun klar. „Mein Prinz…, es ist schwer, ich weiß gar nicht wo ich da anfangen soll…“ „Wie wäre es damit, dass er einen ganzen Monat lang spurlos verschwunden war, nachdem der Verräter Seraphiel ihn zu dieser stumpfsinnigen Zeremonie überredet hat?“, drängelte sich Sofia rein. Rufus warf ihr einen bösen Blick zu. Dem Prinzen verschlug es jedoch die Sprache. Sofia fuhr unbeirrt fort: „Mein Prinz, verzeiht mir bitte. Ich habe nicht früher erkannt, welch ausgetüftelten Plan Seraphiel mit seinem Vorhaben verfolgte.“ „Was denn für ein Plan?“, fragte der Prinz sie verwirrt, während er die Stufen zu ihr hinunter trat und nun genau vor ihr und Rufus stand. Zum ersten Mal in seinem Leben, sah er sehr zerbrechlich aus. Sofia wollte ihm antworten, doch diesmal war es Rufus, die ihr die Worte abschnitt. „Prinz Phönix.“ Er lächelte seinen Prinzen tröstend an. „Seraphiel ist ein böser Magier und hat in dem letzten Monat einen Krieg heraufbeschworen. Wir dachten alle, dass ihr tot seid. Das Königreich ist in Aufruhr und zu allem Übel, hat sich Lord Dragon VI. auch noch mit Seraphiel verbündet und schikaniert euer Volk.“ Prinz Phönix musste sich zusammen reißen, nicht umzufallen. Ein ganzer Monat?! „Das Essen wäre dann serviert.“, verkündete Gisela mit einem Hofknicks.
55. Der Verrat und deren Folgen – Teil 2 Das weiße Pferd des Prinzen galoppierte in Windeseile durch die Landschaften. Nachdem Prinz Phönix erfahren musste, dass Seraphiel ein Betrüger war, sich mit Lord Dragon VI. verbündete und einen Krieg in seinem Königreich heraufbeschwor, ließ er sein Pferd satteln und machte sich auf den langen und beschwerlichen Weg zu Prinz Dragon. Wusste er von den Machenschaften seines Vaters? „Bitte bleibt hier, mein Prinz.“, bat sein Butler Rufus ihn noch, doch Prinz Phönix gehorchte ihm nicht. Er musste keine Befehle befolgen, denn er war ein Prinz und konnte tun und lassen, was er wollte. Ohne es zu merken, waren dies die ersten Anzeichen, dass die Dunkelheit von ihm Besitz ergriff. So ritt er davon und während er durch sein Königreich ritt, konnte er verdorrte Felder und abgebrannte Mühlen sehen. Das Lachen und Singen der Menschen, das er sonst immer von den Straßen her hörte, war verstummt. Der sonst wunderschöne blaue Himmel war grau bewölkt und es sah so aus, als würde es jeden Augenblick zu regnen anfangen. Die wunderschöne Idylle war vorbei! Die Dragon-Dynastie lebte in einer Burg am Rande der Berge und war nur über eine Zugbrücke zugänglich. Als Prinz Phönix vor den Burgmauern stand, befahl er den Soldaten, die Zugbrücke hinunter zu lassen. Doch die Soldaten nahmen keine Befehle von ihm entgegen. „Wisst ihr denn nicht, wenn ihr vor euch habt?!“, schrie der Prinz die Soldaten erzürnt an. „Ich bin Prinz Phönix und ich bin von weit hergekommen. Ich bitte um eine Audienz bei Lord Dragon VI.!“ Die Soldaten warfen sich gegenseitige Blicke zu, doch folgten sie weiterhin den Worten des Prinzen nicht. Dann erschien eine dritte Gestalt auf den Burgmauern. Sie schwebte wie ein Gespenst herbei und war von einem schwarzen Mantel umhüllt. An dem schneeweißen Haar, erkannte Prinz Phönix sofort, um wen es sich bei ihm handelte. „Sieh an, sieh an, wer da von den Toten auferstanden ist!“, rief Seraphiel spöttisch zu ihm hinunter. „Ich dachte mir schon, dass ihr eines Tages zurückkehren würdet. Ich muss euch aber leider mitteilen, dass Lord Dragon VI. nicht zugeben ist.“ „Wo ist er und wieso hat er den Krieg hervorgerufen? Was ist mit Prinz Dragon geschehen?!“, fragte Prinz Phönix den Schwarzmagier. Er wollte ruhig und besonnen bleiben, doch allein schon beim Anblick des Verräters und Betrügers Seraphiel, kochte in ihm eine Unmenge an Wut hoch. „Lord Dragon VI. hat den Krieg nicht in dieses Land gebracht!“, antwortete Seraphiel. „Er kann es gar nicht gewesen sein, da er vor etwa einem Monat auf tragische Weise verstarb. Treppensturz!“ Prinz Phönix blickte zu Seraphiel empor und konnte nicht glauben, was er da vernahm. Mit Sicherheit ging der Tod von Lord Dragon VI. auf Seraphiels Konto. Doch von wem gingen dann die Befehle aus? Besitzt Seraphiel vielleicht so viel Macht, dass er die Soldaten verzauberte und diese ihm nun gehorchten, oder steckte da noch mehr dahinter? „Seraphiel, was habt ihr mit Prinz Dragon gemacht? Habt ihr ihn auch umgebracht?!“ Auf seine Frage hin, folgte etwas, womit der Prinz so gar nicht rechnete: Seraphiel lachte lauthals! Sein Lachen klang wie boshaftes Grauen in der Finsternis und hallte in der Burg und den Bergen wieder. „Du naiver Narr!“, rief Seraphiel zu mir hinunter. „Deine Naivität wurde dir zum Verhängnis. Der arme Prinz Phönix, verdammt zu einem ewigen Leben, so einsam, ganz ohne die große Liebe… Doch dann, eines Tages, erscheint ihm der liebe Prinz Dragon und der unsterbliche Prinz verliebt sich in ihn. Prinz Phönix entscheidet sich dafür, seiner Unsterblichkeit ein Ende zu setzen – mit ein wenig Zureden meinerseits wohlgemerkt – und das alles nur für seine große Liebe. Doch was der naive Prinz nicht weiß ist, dass seine große Liebe nur mit ihm gespielt hat, ihn belogen und betrogen hat. Prinz Dragons Liebe war nichts weiter als eine Täuschung, denn nur so konnte er den wundersamen, den einzigartigen, den wunderschönen, den bei seinem Volk beliebten Prinz Phönix zu Fall bringen!“ Prinz Phönix konnte kaum glauben, was er da hörte. Seraphiel stellte sich als ein Lügner heraus und genau deshalb, wollte er ihm auch jetzt keinen Glauben mehr schenken. Allerdings gesellte sich nun eine weitere Person zu Seraphiel hinzu. Es war Prinz Dragon, dessen schwarzes Haar im Wind der Bergluft wehte. Prinz Phönix konnte in seinen rubinroten Augen, das lodernde Feuer des Todes erkennen und sein Lächeln, das einst Steine zum Schmelzen brachte, war gänzlich verschwunden. „Hallo Phönix.“ Prinz Dragon blickte zu Prinz Phönix hinunter und da war keine Spur mehr von Liebe. „D-Dragon?!“ Prinz Phönix konnte es nicht fassen, dass Seraphiel die Wahrheit sagte und Dragon ihn nur ausgenutzt hat. Doch warum das Ganze? Prinz Phönix verstand die Welt nicht mehr. „Inzwischen Lord Dragon VII.“, teilte Dragon ihm mit einem hasserfüllten Ton mit. „Du hättest lieber verschwunden und als tot gelten sollen, denn dann wäre dir die bittere Wahrheit erspart geblieben. „A-Aber ich verstehe nicht. W-Warum?“, fragte Prinz Phönix ihn. Lord Dragon verlor keine Sekunde mit seiner Antwort. „Weil du ein arroganter und eitler Prinz bist, dem sein Volk zu Füßen liegt. Dein Volk vergöttert dich, alle Pflanzen in deiner Umgebung gedeihen auf wundersame Weise, das Wetter in deinem Königreich ist immer sonnigen Gemüts und alle sind so freundlich und hilfsbereit zueinander, dass einem die Galle hochkommt! Und was habe ich? Nur graue Berge, ein trostloses Land und Menschen, die vor meiner Macht erzittern. Jetzt haben sie wenigstens einen Grund zu zittern, denn nun bin ich stärker denn je! Wenigstens besaß ich immer etwas, was du nicht hattest und das war die große Liebe.“ Dragon griff nach Seraphiels Hand und beugte sich zu ihm rüber. Was folgte war ein Kuss, der selbst die Hölle zum Gefrieren brachte. Das Herz von Prinz Phönix wurde von einem gigantischen Loch durchbohrt und ein dunkler Schatten ergriff Besitz davon. „W-Was geschieht mit mir?“, stieß Prinz Phönix verwirrt und verletzt aus. „Das was du nun fühlst, ist ein Beweis deiner Naivität.“, erklärte Seraphiel ihm. „Du dachtest, ich würde dir dabei helfen, deine Unsterblichkeit abzulegen, doch war dies nie meine wahre Absicht.“ Die Dunkelheit sammelte sich im Herzen von Prinz Phönix und jede Freundlichkeit, jede Gutmütigkeit und all seine Liebe, wurden aus seiner Seele verbannt. Seraphiels Zauber, den er über ihn legte, zeigte nun seine vollen Ausmaße. Der einst so wunderschöne Feuerphönix vollendete seine Verwandlung zum, von der Dunkelheit besessenen, Schattenphönix! Das freundliche Licht, das Prinz Phönix immer umgab, war für immer verschwunden. An seiner Stelle befanden sich nun die Schatten der Dunkelheit und der Prinz verspürte nur noch Trauer, Wut und Schmerz. Er stieg hoch in den Himmel empor und entsendete ein fürchterliches Donnergrollen. Die ganze Welt sollte erfahren, dass der Feuerphönix nicht mehr existierte und der Schattenphönix geboren war. Mittels eines Zauberbanns stand er nun unter der Kontrolle von Seraphiel. Unsichtbare Ketten legten sich um Prinz Phönix Arme, Beine und Hals, die ihn für immer versklaven sollten. Ab diesem Tag regierte Lord Dragon VII. alle Königreiche und jeder der sich ihm widersetzte, wurde mit dem Tode bestraft. Seraphiel wurde zum mächtigsten Schwarzmagier der Welt und zog die Fäden im Hintergrund. Er ließ den Schattenphönix auf alle Rebellen los, die gegen die gesammelte Wucht an Dunkelheit keinerlei Chancen hatten. Die Schatten des Todes verteilten sich über die Königreiche und das alles nur, weil Prinz Phönix sich in die falsche Person verliebte. Die Liebe brach ihm und allen Menschen in seinem Königreich das Genick und das sollte noch für viele Jahrhunderte Folgen haben.
56. Der Verrat und deren Folgen – Teil 3 Seit der Herrschaft von Lord Dragon VII. waren die Königreiche von Dunkelheit umhüllt. Jeder der sich ihm widersetze, bekam den Zorn des Schattenphönixes zu spüren. Ein globaler Krieg brach aus und viele Königreiche wurden dem Erdboden gleich gemacht. Die Völker wurden ohne Rücksicht auf Unschuldige, vollständig ausradiert. Lord Dragon VII. kannte keine Gnade und so mussten selbst die tapfersten Rebellen eines Tages einsehen, dass ihr Kampf zum Scheitern verurteilt war. Doch nicht alle wollten so schnell klein beigeben… Der ehemalige Butler des jungen Prinz Phönix, begleitet von Gisela und Regina, suchte die Magierin Sofia in ihrem kleinen und bescheidenen Heim auf. Sofia lebte hoch oben in den schneebedeckten Bergen, in einer kleinen Hütte. Im Kamin loderte ein warmes Feuer und als sie ihre unerwarteten Gäste herein ließ, bot sie ihnen einen heißen Kamillentee mit magischen Schuss an. Regina fragte sich zwar, was der Tee für Zutaten beinhalte, doch roch es so verlockend, dass sie ohne zu Zögern einen Schluck davon nahm. „Das ihr noch am Leben seid, gleicht einem Wunder.“, sagte Sofia, die in ihrem bequemen Sessel saß und ihre Gäste nacheinander anblickte. „Wie lange ist es nun her, dass Prinz Phönix zum Schattenphönix wurde und die Königreiche von der Dunkelheit befallen wurden? Ein Jahr?“ „Bitte Sofia, ihr müsst zurückkehren und uns im Kampf gegen Lord Dragon VII. und Seraphiel beistehen.“, bat Rufus sie inständig. „So viele Menschen mussten bereits sterben.“ „Ich habe mich zurückgezogen, weil es keine Hoffnung auf Rettung gibt, Rufus. Je schneller ihr das auch einseht, desto schneller werdet ihr euren Frieden in euch finden.“, sagte Sofia gefühlskalt. „Außerdem sagtet ihr nur, dass ich euch im Kampf gegen Lord Dragon VII. und Seraphiel beistehen soll, aber was ist mit Prinz Phönix? Wollt ihr ihn etwa verschonen und am Leben lassen?“ „Er war einst ein gutmütiger und liebenswerter Junge.“, verteidigte Rufus seinen ehemaligen Prinzen. „Ich dachte, dass ihr ihn vielleicht wieder in sein altes Ich zurück verwandeln könnt.“ „Sei doch nicht so dumm. Wenn ich das könnte, hätte ich es schon längst getan.“, erwiderte Sofia. „Ich könnte ihn lediglich von seinem Leid erlösen, indem ich ihm das Schwert, das ich einst in den Bergen versteckte, durch das Herz ramme. Doch vermag es nur der Besitzer aller sieben Tugenden, dass Schwert aus seiner Versiegelung zu lösen und deren Kraft zu nutzen. Mir ist das nicht gestattet.“ „Gibt es denn keine andere Möglichkeit?“, fragte Regina hoffnungsvoll. „Wir würden alles tun, um unseren Prinzen zu retten.“, fügte Gisela hinzu. Sofia wurde das erste Mal richtig nachdenklich und während sie zu Überlegen schien, sprach keiner auch nur ein Wort. Lediglich das Knistern des Kaminfeuers durchbrach die Stille. Nach etwa fünf Minuten kam Sofia zu einem Entschluss: „Seid ihr wirklich dazu bereit, alles Notwendige zu tun, um Prinz Phönix zu retten?“ Rufus, Regina und Gisela nickten einvernehmlich. „Ich will euch nichts vormachen. Ich bin zwar eine Magierin, aber besitze ich nicht die Kraft, es mit Lord Dragon VII., Seraphiel und dem Schattenphönix gleichzeitig aufzunehmen. Deshalb bleibt uns nur ein Ausweg…
„Sofia, die Magierin, ist zurückgekehrt?!“, stieß Lord Dragon VII. wiederholt fragend aus. „Offenbar wurde sie im ehemaligen Schloss von Prinz Phönix gesichtet.“, erklärte Seraphiel ihm. „Und wenn schon, nichts und niemand, kann uns jetzt noch aufhalten.“, sagte Dragon trotzig. „Ich werde nicht den Fehler begehen und sie unterschätzen.“, erwiderte Seraphiel zu seinem Freund. „Du weißt doch noch, was ich dir über ihre Vergangenheit erzählt habe. Sie mag nur eine einfache Magierin sein, aber kennt sie verbotene Zaubersprüche, die selbst mir unbekannt sind.“ „Also schön, dann lass uns auf der Stelle aufbrechen und diese Magierin ein für alle Mal beseitigen. Wir müssen uns nicht einmal die Hände schmutzig machen, denn der Schattenphönix wird sie für uns umbringen.“, sagte Dragon und brach in schallendes Gelächter aus.
Die einst so paradiesische Landschaft in Prinz Phönix Königreich war nun grau, trostlos und leer. Die einst so grüne Wiese war einem aschigen Grau gewichen. Blumen gediehen hier keine mehr, an keinem der Bäume wuchs auch nur ein Blatt mehr und der kristallklare See wich einem miefigen Tümpel mit toten Menschen, deren Leichen da drin vor sich hin vegetierten. Demnach glich es ein Wunder, dass das Schloss fast unberührt zu sein schien. Es war mit Moos über wuchert und es hatte sich so allerlei Staub und Dreck angesammelt, aber ansonsten schien alles beim Alten geblieben zu sein – und das war auch gut so! Als Rufus und die Anderen das ehemalige Schlafgemach des Prinzen betraten, fanden sie sofort das, was Sofia dort zu suchen pflegte. „Es müssen persönliche Gegenstände sein, die eine wichtige Bedeutung im Leben des Prinzen gespielt haben.“, erklärte Sofia ihnen. „Hier sind die Kunstutensilien, die meine Schwester und ich dem Prinzen einst schenkten.“, sagte Gisela und deutete auf den Tisch, auf dem sich eine kleine hölzerne Schatulle befand. Darin lagen unversehrt der Pinsel und der Zeichenstift, mit denen Prinz Phönix hin und wieder ein Kunstwerk zu Stande brachte.“ Die Schwestern lächelten, als sie die alten Erinnerungen in ihnen hervorriefen. „Und hier haben wir das Amulett, dass Prinz Phönix von Prinz Dragon damals geschenkt bekam.“, sagte Rufus, der das Amulett aus dem Nachtkästchen zog. „Eher nicht für unser Vorhaben geeignet, in Anbetracht dessen, dass Prinz Dragon unseren geliebten Prinzen nur ausgenutzt hat.“ „Nein warte, das Amulett eignet sich sogar hervorragend für unser Vorhaben.“, entgegnete Sofia und nahm Rufus das Amulett aus der Hand, damit sie es sich genauer ansehen konnte. Eine weiße Sonne und ein schwarzer Mond waren darauf abgebildet… fragt sich nur noch, für wie lange. „Noch mehr persönliche Gegenstände, besaß unser Prinz glaube ich nicht.“, sagte Regina schließlich. „Das macht nichts. Für den Zauber, den ich aussprechen werde, können wir auch zwei Ampullen hernehmen und wir benötigen eine Feder des Schattenphönixes!“, erklärte Sofia ihnen. „Was?!“, stieß Gisela entsetzt aus. „Eine Feder? Wie sollen wir an die herankommen, ohne von der Dunkelheit zerfressen zu werden, können sie uns das vielleicht erklären?“ „Ihr wolltet meine Hilfe und wart bereit, alles Notwendige dafür zu tun. Nun bitte ich euch einfach mir zu vertrauen und an mich zu glauben.“, erwiderte Sofia das erste Mal lächelnd. „Ich glaube ganz fest daran, dass wir es schaffen können.“, sagte Rufus. „Doch nur damit keine Missverständnisse aufkommen – klärt uns doch bitte noch einmal über den Plan auf!“ Sofia erklärte den Dreien noch einmal ihren Plan, sprach sie aber auch auf die Risiken an, die damit verbunden waren. „Prinz Phönix wurde ein Opfer der Schatten. Das bedeutet, dass in ihm zwar immer noch ein guter Kern schlummert, der aber voller Leid und Schmerzen ist. Er könnte außer Kontrolle geraten. Zudem könnten die Schatten eine eigene Persönlichkeit entwickelt haben und versuchen, sowohl uns, als auch den Prinzen zu töten. Vermutlich weiß nicht einmal Seraphiel, was er da für Ungeheuer heraufbeschworen hat. Das wiederum könnte uns zugutekommen, wenn es uns gelingt, dass die Schatten auf ihn und Lord Dragon VII., statt auf uns losgehen.“ „Mit anderen Worten…“, schlussfolgerte Rufus langsam, „…wir haben nur diesen einen Versuch, der über Leben und Tod bestimmt. Na dann müssen wir uns ja keine Sorgen machen.“
57. Der Verrat und deren Folgen – Teil 4 „Sie kommen!“, rief Regina den Anderen zu, als sie Lord Dragon VII. und Seraphiel entdeckte, die auf dem Rücken des Schattenphönixes angeflogen kamen. Es war das erste Mal, dass sie ihren Prinzen in seiner tierischen Form erblickte. Nur war er nun nicht mehr Feuerrot, sondern gänzlich von Schatten umhüllt, die ihm ein schwarzes Aussehen verliehen. „Also schön, jetzt darf nichts schief gehen.“, sagte Sofia zu Regina, Gisela und Rufus. „Wir wären so weit.“, antwortete Rufus ihr. „Ich gebe zu, dass mir gerade ein wenig mulmig ums Herz wird.“, erklärte Gisela, deren Hände zu zittern begannen. „Was ist, wenn es schief geht? Werden wir dann sterben?“ Regina griff tröstend nach der Hand ihrer älteren Schwester. „Wenn es schief geht…“, sagte Rufus, „…dann werden wir wenigstens gemeinsam, Seite an Seite, von dieser Erde wandern.“ „Genug palavert. Sie kommen! Los, alle auf ihre Posten!“, befahl Sofia und alle machten sich bereit. Gerade rechtzeitig, denn da setzte der Schattenphönix auch schon zur Landung im Schlossgarten an. „Ist es Mut, oder grenzt es an Dummheit?!“, fragte Lord Dragon VII. die Magierin. „Ihr hättet in eurem Versteck bleiben sollen, Sofia. Dort hättet ihr verkümmern können, bis der Tod euch eilt!“ „Ich werde sterben, wenn das Schicksal es so will!“, entgegnete Sofia tapfer. „Doch dieser Tag ist noch in weiter Ferne und heute bin ich mit einem Auftrag zurückgekehrt. Ich lasse nicht zu, dass das Böse gewinnt!“ Sofia verlor keine Zeit und sprach einen Zauberspruch, dem ein greller Blitz folgte. Für einen kurzen Moment verloren Dragon und Seraphiel ihr Augenlicht. „Ist das etwa schon alles? Soll uns das beeindrucken?!“, rief Dragon ihr herausfordernd entgegen. Doch verborgen im grellen Licht der Magierin, schlich sich Rufus an sie heran und entriss dem Schattenphönix eine schwarze Feder. Sofia sprach eine Zauberformel, mit der es ihr gelang, dem Schattenphönix, die Fähigkeit zu Fliegen zu entziehen und auf diese einzelne Feder zu übertragen. „Iam opes auferre fuga - ita esset!“ Voller Wut, stieß der Schattenphönix ein ohrenbetäubendes Kreischen aus, das selbst die Schatten um ihn herum zur Wallung brachten. Sofia machte sich die Erschrockenheit ihrer Feinde zunutze und sprach eine weitere Zauberformel, mit der es ihr gelang, dem Schattenphönix seiner Statur zu berauben. „Tua sunt fantastic fugienda est forma humana - ita esset!“ Er verwandelte sich zurück in Prinz Phönix, doch wichen ihm die Schatten nicht von der Seite. Sofia bannte den Körper des Schattenphönixes derweil in die Kunstutensilien, die Gisela in ihren Händen hielt. Nur ein wahrer Künstler mit einem reinen Herzen vermochte es, den Phönix im Guten neues Leben einzuhauchen, indem er ihn auf ein Blatt Papier zeichnete. Lord Dragon VII. reichte es. Er zog sein Schwert aus der Schneide und spurtete auf die Magierin los. „Du wirst uns nicht bezwingen – Niemals!“, schrie er die Magierin an. Rufus eilte Sofia zur Rettung, indem er dazwischen ging. Das Schwert von Lord Dragon VII. rammte sich daraufhin durch seine Brust und Rufus sackte blutend zu Boden – die schwarze Phönixfeder, fest in seinen Händen umklammert. Regina ließ einen entsetzten Schrei los, doch behielt sie ihre Stellung bei, denn sie hielt das Amulett in ihren Händen. Auch Sofia versuchte Ruhe zu bewahren. Sie sprach eine weitere Zauberformel: „Magicae vires lucis et umbrae in Phoenix tabis sint unum - ita esset!“ Die Kräfte der Aura-Erkennung und andere tauchten tief in das Amulett ein. Die weiße Sonne und der schwarze Mond reagierten auf diese starke Macht und wandelten sich in eine schwarze Sonne und einen weißen Mond um. „Gib mir das Amulett und ich verspreche dir, dass ich dich verschone!“, befahl Seraphiel Regina, der nun selber einschritt, während er mit ausgestreckter Hand vor ihr stand und sie drohend anblickte. „Nein! Bevor ich es euch gebe, würde ich lieber sterben!“, entgegnete Regina tapfer, obwohl sie in ihrem ganzen Leben keine größere Angst verspürte. Sie warf das Amulett ihrer Schwester zu, als Seraphiel sie mit einem magischen Zauberspruch belegte, der sie zu Stein verwandelte. Gisela bemerkte zunächst nicht, was mit ihrer Schwester geschehen war. Zu sehr war sie damit beschäftigt, das Amulett aufzufangen und es zusammen mit den Kunstutensilien vor Seraphiel in Sicherheit zu bringen. Als sie allerdings ihre versteinerte Schwester sah, kamen ihr die Tränen. Inzwischen standen sich Sofia und Lord Dragon VII. Auge in Auge gegenüber. „Du hast deinen letzten Zauberspruch gesagt, Weib!“, stieß Dragon wütend aus und machte sich zum Angriff bereit. Doch der schwer verwundete Rufus rappelte sich noch einmal auf und schlug das Schwert aus Dragons Händen. Es kam zu einem wilden Handgemenge. Sofia schloss ihre Augen und vollendete ihr Vorhaben mit den letzten beiden Zaubersprüchen: „Etiam linguam perdiderit facultate animali - ita esset! Qui intra portas mollis est aeterna vita, et tu sentire et fato mortalis – ita esset!“ Die Fähigkeit der Tiersprache und das ewige Leben, flossen wie reines Wasser, aus dem Körper von Prinz Phönix und füllten die zwei Ampullen, die Sofia noch in ihren Händen hielt. Damit war jegliche Magie aus Prinz Phönix gewichen und die Schatten hatten keinerlei Grund, noch länger an ihm festzuhalten – er war frei! Die schwarze Feder in Rufus Händen verwandelte sich zurück in ein wunderschönes Feuerrot. „Schnell jetzt!“, rief Sofia Gisela zu und überreichte ihr die zwei Ampullen. „Bring die Gegenstände an den vereinbarten Ort, wo sie nicht in falsche Hände geraten. Ich kümmere mich inzwischen um die Phönixfeder.“ Gisela rannte mit vollgepackten Armen davon. Seraphiel schrie wütend auf und schleuderte Gisela einen Blitzstrahl hinterher, der sie zum Glück nur knapp verfehlte, aber dafür sorgte, dass das Amulett unbemerkt aus ihren Händen fiel. Dragon löste sich von Rufus, indem er ihn gegen die Mauer drängte und bewusstlos schlug. Er griff erneut nach seinem Schwert und wollte sich über Sofia hermachen, doch ganz unerwartet baute sich Prinz Phönix vor Dragon auf. Sein Körper schien völlig zerstört zu sein und nur mit letzter Kraft hielt er sich auf den Beinen, doch dafür war das Gute in ihm zurückgekehrt. „Ich werde nicht zulassen, dass du noch mehr Schaden anrichtest. Das ist dafür, dass du mich belogen und nur ausgenutzt hast.“, sagte er zu Dragon und ging anschließend auf ihn los. Prinz Phönix war nun endlich menschlich und mit geballter Faust schlug er seiner ehemals großen Liebe auf die Nase. Dragon hatte diesen Angriff nicht kommen sehen und ließ sein Schwert erneut zu Boden fallen. „Das ist dafür, dass du Rufus, der wie ein Vater für mich war, so schwer verwundet hast!“, sagte Prinz Phönix und schlug Dragon ein zweites Mal ins Gesicht. „Und das ist dafür, dass du mein Königreich zerstört hast!“ es folgte ein dritter Schlag. Dragon kam ins Taumeln und Blut tropfte aus seiner Nase, während er Prinz Phönix erzürnt ansah. Seine rubinroten Augen leuchteten fuchsteufelswild. Er wollte Prinz Phönix für immer vernichten. Sofia machte ihm jedoch ein Strich durch die Rechnung und schlug der falschen Schlange den Kopf ab. Überall war Blut und Prinz Phönix war starr vor Schreck. „Tut mir Leid, das es so enden musste, aber er hätte euch sonst umgebracht, mein Prinz.“, entschuldigte sich Sofia. Für sie war es nicht das erste Mal, einen Menschen zu töten. Sie war nicht von Grund auf eine gute Magierin, da sie in ihrer Vergangenheit bereits so einiges durchleben musste. Erstmals sah man sogar in Seraphiels Augen Entsetzen und Furcht. „Du verdammtes Weibsstück! Das wirst du mir büßen!“, rief er der Magierin zu. Es sollte zu einem Duell der Magier kommen, doch hatte Seraphiel nicht mit den dunklen Schatten gerechnet, die inzwischen vollständig außer Kontrolle gerieten. Nachdem Prinz Phönix nämlich menschlich wurde, suchten sie sich einen neuen Wirt. Die Schatten schlüpften durch jedes freies Loch in Seraphiels Körper – durch die Ohren, durch die Nasenlöcher und auch durch die Augen. Seraphiel ließ ein fürchterliches Brüllen los, während sein schneeweißes Haar pechschwarz wurde. Es war ein fürchterlicher Anblick. Prinz Phönix wich ängstlich ein paar Schritte zurück. Es war das erste Mal, dass er so etwas wie Angst verspürte. „Gehen sie zur Seite, mein Prinz!“, schrie Sofia, die mit diesem Verlauf bereits gerechnet zu haben schien. Sie streckte ihre Hände aus und sprach die letzte Zauberformel ihres Daseins: „Das Böse darf das Gute nicht besiegen, diese Welt darf so nicht weiter existieren. Sterne lasst eure Kräfte walten, schickt uns fort, in andere Welten und Zeiten. Findet Liebe, die das Böse besiegt, und das Gute triumphiert!“ Seraphiel hatte sich zu einem gigantischen Schatten entwickelt und ein Grauen erregendes Brüllen ging von ihm aus. Doch noch ehe er den Prinzen und die Magierin töten konnte, löste sich die ganze Umgebung in einem goldenen Sternenlicht auf. Auch Seraphiel, Sofia und Prinz Phönix lösten sich im Sternenlicht auf. Der Prinz blickte noch einmal traurig zu dem toten Leichnam von Lord Dragon VII. zurück, ehe er in eine andere Zeit und eine andere Welt katapultiert wurde.
58. Rückkehr in die Schattenwelt – Teil 1 Mal Hand aufs Herz. Erlaubt sich das Schicksal einen Scherz mit mir? Seitdem ich im Besitz des Amuletts bin, passieren mir und den Menschen, die mir etwas bedeuten, lauter schreckliche Dinge. Zuerst betrügt mich Marcus mit den Hansen-Zwillingen, dann wird Marcus von einem Auto angefahren und landet im Koma. Als er nach zwei Monaten wieder aufwacht, spürt er seine Beine nicht mehr. Mein Dad wird auf offener Straße von dem Zirkusartist Lorenzo erschossen, der von einem mörderischen Schatten besessen war und versuchte, mich und meine Freunde umzubringen. Oma Forster stirbt an Altersschwäche. Mein neuer Freund Sam, stellte sich als Dieb heraus und mein Ex-Freund Marcus verließ mich, um seinen Seifenblasentraum nachzujagen. Sicher waren in den letzten Jahren auch viele gute Dinge darunter, wie zum Beispiel, dass meine zwei besten Freunde David und Jasmin zusammen kamen, oder dass meine Mutter mein Brüderchen zur Welt brachte, aber was nutzte mir das, wenn ich nun im Jahre 1957 feststeckte und nicht die leiseste Ahnung davon hatte, wie ich wieder in meine Zeit zurückgelangen soll. Und nun diese Sonnenfinsternis… Ich glaube ich boykottierte mein Leben fortan, setze mich auf einen Stein und mache einfach gar nichts! „Wow, das ist wunderschön.“, sagte Nicolas, der neben mir kniete und zum Himmel empor schaute. Der Mond hatte sich gerade vor die Sonne geschoben und verdunkelte den Tag, der gerade eben noch strahlend hell war. „Ja… wunderschön beschissen.“, erwiderte ich auf Nicolas Reaktion. Wenn er wüsste, was ich bei meiner Sonnenfinsternis erlebte, dann wäre seine Euphorie wie weggeblasen. „Hast du deine Tage, oder was soll dieser Sarkasmus?“, fragte Nicolas mich. Er war zweifellos mein Großvater. Wir haben denselben schwarzen Humor… und sehen zudem beide blendend gut aus. Während sich alles verdunkelte, beobachtete ich die Gegend ganz genau. Zuerst schien nichts Ungewöhnliches zu geschehen, doch als ich mit meinen Augen etwas deutlicher hinsah, konnte ich erkennen, dass die Eisstarre wieder einsetzte. „Nicolas, sieh mal!“ Ich deutete mit meinem Kopf auf seine Klasse, von denen sich außer Justus, Agathe und ihrer Lehrerin Frau Sauerbach niemand mehr zu bewegen schien. Es war genau wie vor zwei Jahren, als sich außer mir, nur noch Marcus, Sam, die Hansen-Zwillinge, Oma Forster, mein Großvater und vier andere Menschen frei bewegen konnten. Doch was war der Grund dafür, dass nur bestimmte Menschen nicht von der Starre befallen wurden? In all der Zeit, konnte ich keine Antwort auf diese Frage finden. Selbst David, der zwar sehr klein war, aber ein enorm großes Hirn in sich trug, konnte sich keinen Reim auf diesen Vorfall machen. „W-Was ist denn jetzt los? Sind die eingeschlafen?“, fragte Nicolas mich verwirrt. „Hast du schon mal Menschen mit offenen Augen schlafen sehen?“, erwiderte ich sarkastisch. „Greta? Greta, was ist denn mit dir?“ Agathe wedelte mit ihrer Hand vor ihrer Freundin herum, doch zeigte diese keinerlei Reaktion, da sie wie die Meisten anderen auch, erstarrt war. „D-Du meine Güte, w-was geht hier v-vor sich?!“, schrie Frau Sauerbach verwirrt, ängstlich und leicht hysterisch. „Ja bin ich denn jetzt verrückt geworden, oder träume ich vielleicht? Ja genau, das muss es sein. Ich träume! Mit Sicherheit!“ „Nicolas, tu mir doch bitte den Gefallen und besänftige diese hysterische Kuh.“, bat ich meinen Großvater… ach halt nein, noch war er ja gar nicht mein Großvater. Wie verwirrend das doch ist…! „Besänftigen? Ich weiß ja noch nicht einmal was hier vor sich geht.“, entgegnete Nicolas ebenfalls leicht aufgebracht. „Seitdem du in mein Leben getreten bist, geschehen hier lauter eigenartige Dinge. Du tauchst nachts blutend aus dem Wald auf, schleppst uns zu dem Schloss, wo wir einen geheimen Tunnel finden, der uns in einen Raum führt, mit lauter wertlosen Ramsch, dann dreht dieser Kompass durch und führt mich in eine Höhle, in dem ein Schwert in einem Stein steckt ala König Arthur und nun sind meine Mitschüler und meine Klassenlehrerin auch noch zu Salzsäulen erstarrt! Ich finde es ja schön, dass man mir die heiße Frau Sauerbach gelassen hat, aber die Krähe hätte ich echt nicht gebraucht. Die hätte ruhig mit versteinert werden können, damit sie endlich ihr Mundwerk hält!“ Ich schaute Nicolas völlig perplex an. Ich war zweifellos sein Enkel. Doch ich sollte mich auf den Ernst der Lage konzentrieren. „Was denn für ein Ramsch? War da zufällig ein Amulett dabei?“ „Ein Amulett? Nein, da befanden sich lediglich zwei Ampullen mit flüssigen Substanzen, ein Kompass und eine Schatulle, mit einem Zeichenstift und einem Pinsel darin.“, antwortete Nicolas mir. Ich atmete einmal tief durch und erinnerte mich zurück an die Worte meines Großvaters, dass das Amulett eines Tages einfach so vom Himmel auf seinen Kopf fiel, als er siebzehn Jahre alt war. „Hey Nicolas, hast du eine Ahnung was hier vor sich geht?“, fragte Justus seinen besten Freund. „Sehe ich so aus, als hätte ich eine Ahnung? Sehe ich so aus, als hätte ich dies schon einmal erlebt?“, erwiderte Nicolas ihm sarkastisch und brachte seinen besten Freund damit zum Schweigen. „Aber ich habe es schon einmal erlebt und ihr könnt von Glück sagen, dass hier kein durchgeknallter Irrer mit Messer rumrennt, der nebenbei auch noch zum Feuer speien anfängt.“, erklärte ich. „Wer ist denn dieser Junge? Nicolas, was hast du nun schon wieder angestellt?“, fragte Frau Sauerbach, die ihre Hände streng an ihre Hüfte legte. „Na warte Bürschchen, das gibt Ärger!“ „A-Aber Frau Sauerbach. Ich bin unschuldig…!“, erwiderte Nicolas stotternd. „Tse, unschuldig. Wer´s glaubt wird selig.“, gab Agathe spöttisch von sich. „Halt doch die Klappe, du blöde Krähe. Du gehst mir auf die Nerven!“, entgegnete Nicolas wütend. „Aufhören und zwar alle!“, rief ich laut, damit endlich Ruhe herrschte. „Wenn ihr mir zuhört, dann werde ich euch darüber aufklären, was hier vor sich geht, auch wenn ich selber noch nicht alles weiß.“ Die Vier wurden ruhig und ich fing an zu erzählen, was ich alles über die Sonnenfinsternis wusste. Im Grunde genommen, konnte ich ihnen aber auch nicht mehr erzählen, als das was ihnen ohnehin schon klar war, nämlich dass ihre Freunde erstarrt waren. Ich konnte sie ja schließlich schlecht darüber aufklären, dass ich aus der Zukunft stammte, Nicolas und Agathe meine Großeltern waren und Elvis Presley verstarb… - okay, letzteres wäre zu jenem Zeitpunkt irrelevant gewesen. „Seht mal!“, krächzte Agathe und deutete mit ihrem Arm zur Sonnenfinsternis hoch. Ich drehte meinen Kopf nach oben und konnte dabei zusehen, wie ein Junge vom Himmel herunterfiel und in den See stürzte. „Er wird ertrinken, wenn ihm keiner zu Hilfe eilt.“, meinte Agathe. Sofort rannten Justus und ich los. Wir sprangen in den See, dessen Wasser angenehm frisch war. Dennoch hätte ich auf dieses kleine Bad gut und gerne verzichten können. Justus stellte sich als ein exzellenter Schwimmer heraus und war mir eine gute Nasenlänge voraus. Sofort keimten die Erinnerungen an Marcus in mir hoch. Wie es ihm wohl gerade ging und was er gerade tat? Ich vermisste ihn so sehr… was mache ich hier eigentlich?! Ein Junge droht zu ertrinken und ich denke an den heißen Waschbrettbauch meines Ex-Freundes. Manchmal konnte ich schon sehr doof sein. Justus und ich tauchten an der Stelle im See unter, an der wir glaubten, dass der Junge rein fiel. Auch in den Tiefen des Sees, war das Wasser rein und klar. Die Sicht war ausgesprochen gut und so war es uns ein leichtes, den Jungen ausfindig zu machen. Er schien das Bewusstsein verloren zu haben. Justus packte ihn an den Armen und ich ihn an den Füßen. Dann schwammen wir wieder gemeinsam an die Wasseroberfläche. Wasser tropfte mir von den klatschnassen Haaren, während Justus versuchte, den Jungen ins Bewusstsein zurück zu holen. Marcus würde jetzt eine Mund-zu-Mund-Beatmung durchführen... jetzt denke ich schon wieder an meinen Ex. Ich sollte mich echt zusammen reißen. Schließlich war gerade ein Junge – mit feuerrotem Haar – vom Himmel gefallen. Komisch… und das zur Sonnenfinsternis. Mit Sicherheit war dies kein Zufall und ich fragte mich, ob noch mehr gut aussehende Jungs vom Himmel stürzten. Autsch! Etwas Hartes fiel mir auf den Kopf und landete kurz darauf im Wasser neben mir. Ich glaubte meinen Augen kaum: Es war das Amulett!
59. Rückkehr in die Schattenwelt – Teil 2 Als Justus und ich, zusammen mit dem fremden Jungen, zurück ans Seeufer schwammen, dachte ich fieberhaft über das Amulett nach, dass sich nun in meinen Händen befand. „Das Amulett ist vom Himmel auf meinen Kopf gefallen.“, erzählte mein Großvater mir vor über zwei Jahren. Doch nun lagen die Geschehnisse anders, denn das Amulett fiel auf meinen Dickschädel, während die jüngere Version meines Großvaters seelenruhig am Ufer auf uns wartete. „Die Beiden sind eben echte Männer.“, sagte Agathe mit einem schnippischen Seitenblick auf Nicolas, während Justus und ich mit dem fremden Jungen aus dem Wasser stiegen. „Die scheuen sich nicht davor, nass zu werden, um einem Menschen das Leben zu retten.“ „Zwei haben doch vollkommen gereicht. Muss ich mich doch nicht auch noch extra nass machen.“, verteidigte Nicolas sich. „Im Übrigen gehst du mir schon wieder ganz schön auf die Nerven.“ „Legt ihn hier ins Gras, Jungs.“, sagte Frau Sauerbach, die sich um den fremden Jungen mit dem feuerroten Haar kümmern wollte, da er immer noch ohne Bewusstsein war. Justus und ich legten ihn ins Gras unter einem hohen Baum, während uns das Wasser noch von der Nasenspitze tropfte. „Nanu, du hast ja noch eins.“, sagte Justus verwundert, mit Blick auf das eine Amulett in meiner Hand und das andere Amulett um meinen Hals. „Äh ja…“ Ich wusste nicht wirklich, was ich daraufhin sagen sollte. Zuviel Wissen war bestimmt ungesund für Unschuldige. Ich wollte keinen absichtlich in irgendeinen Schlammassel hineinziehen. Allerdings fragte ich mich, wieso das Amulett nun auf meinen Kopf fiel. Hab ich mit meiner Zeitreise etwa die Vergangenheit grundlegend geändert? Wenn ja, was für Konsequenzen hat dies auf die Zukunft? Nicht auszumalen, was ich bereits alles verändert haben könnte… Andererseits…, vielleicht habe ich ja auch gar nichts verändert und mein Großvater hat mich damals lediglich angelogen. Mein Gehirn drohte vor Informationen und Fragen zu explodieren und ich versuchte abzuschalten. „Hier Nicolas, fang!“ ich warf meinem jüngeren Großvater das zweite Amulett zu und bat ihn darum, dass er es sich um den Hals legte. Zuerst verstand er nicht wieso er das tun sollte und das er als Mann keinen Schmuck tragen wollte, dennoch tat er wie von mir befohlen, als ich ihn streng ansah. „Ich glaube, er kommt langsam zu sich.“, berichtete Frau Sauerbach uns und wir kamen ein wenig näher, um uns den Jungen einmal genauer anzusehen. Sein Aussehen kam mir bekannt vor…! „W-Wo bin ich?“, flüsterte der Junge, nachdem er seine Augen langsam öffnete und sich umblickte. „Keine Angst, du bist nun in Sicherheit.“, tröstete Agathe ihn und blickte lächelnd auf ihn runter. Nicolas gluckste verächtlich. „In Sicherheit? Bei dir wäre ich mir da nicht so sicher…“ Justus versetzte ihm einen Hieb mit dem Ellenbogen in die Rippe und schüttelte nur den Kopf. „Dürfte ich vielleicht deinen Namen erfahren? Sind deine Eltern hier irgendwo in der Nähe?“, fragte Frau Sauerbach den fremden Jungen, während ich ihn immer noch argwöhnisch musterte. Ein Junge der so einfach vom Himmel fällt, zum Zeitpunkt der Sonnenfinsternis? Das ist kein gutes Omen! „Ich habe keine Eltern.“, antwortete der Junge. „Und mein Name ist Phönix.“ Agathe kam beim ruf des Namens sofort ins Schwärmen und ihre Augen funkelten wie Sternen. Ich jedoch konnte kaum glauben, was ich da vernahm. Konnte es etwa sein…? Ist dieser Junge wirklich…? „Prinz Phönix!“, rief plötzlich eine Stimme und auf einmal stand eine Frau mit langem schwarzem Haar hinter uns. Sie schien gerannt zu sein, denn sie war verschwitzt und völlig außer Atem. Die anderen Vier blickten die Frau verwirrt an, während ich wie versteinert dasaß. Es war Sofia Temperini! „Mein Prinz, wie gut das ich euch gefunden habe.“, sagte Sofia. „Geht es euch gut? Macht euch keine Sorgen um die Anderen. Gisela kümmert sich bereits um den verwundeten Rufus und die Versteinerung von Regina wurde aufgehoben, als wir in dieser Welt und Zeit gelandet sind. „Wer ist diese Frau, wieso nennt sie den Jungen Prinz und was zum Henker geht hier eigentlich vor sich?“, fragte Nicolas nun vollkommen verwirrt. „Nick, kannst du uns das erklären?!“ Jetzt wandte sich Nicolas an mich und auch wenn ich glaubte, eine Erklärung für das Ganze zu haben, so konnte ich sie doch nicht aussprechen. Zu verrückt würde diese Antwort klingen. „Bitte, ihr müsst hier so schnell wie möglich verschwinden.“, bat Sofia uns. „Wenn er erst einmal hier ist, dann kann ich euch nicht mehr helfen, da ich all meine Zauberkraft verloren habe.“ „Wenn wer hier ist? Wen meinen sie?“, quetschte Nicolas Sofia weiter aus. Doch da war schon ein lautes Donnergrollen zu hören. Der See schlug Wellen und etwas Großes war im Anmarsch. „Ich glaube, ihr solltet tun was sie sagt. Ihr solltet hier so schnell wie nur möglich verschwinden!“, rief ich den Anderen zu. Kurz darauf erhob sich ein dunkler Schatten aus dem See. Meine schlimmsten Befürchtungen bewahrheiteten sich. Nur gut, dass Lorenzo noch nicht geboren war… Allmählich wurde mir alles klar, auch woher und wieso mein Großvater so viel wusste. Er war selbst mit dabei! „Bitte, ihr müsst jetzt wirklich gehen, oder er wird euch umbringen!“, flehte Sofia uns an, da alle noch immer an derselben Stelle wie zuvor standen. Agathe zitterten die Knie und erstmalig in ihrem Leben, brachte sie keinen Ton mehr aus sich heraus. Frau Sauerbach stand der Mund sperrangelweit offen und Justus und Nicolas blickten verstört zu dem Schatten empor. „Verdammt noch mal lauft!“, schrie ich sie nun an. Es kam nicht oft in meinem Leben vor, dass ich zu Schreien begann, aber hier ging es schließlich um Leben und Tod und das Letzte was ich wollte, ist mit anzusehen, wie meine späteren Großeltern, frühzeitig als Schattenfutter enden. Moment… war dies überhaupt möglich? Schließlich brachten sie meinen Dad zur Welt und der mit meiner Mutter dann mich und Felix. Vielleicht sterben sie ja gar nicht…, aber vielleicht Frau Sauerbach und Justus! „A-Aber wir können doch nicht einfach wegrennen und unsere Klassenkameraden in Stich lassen!“, entgegnete Agathe, die ihre Stimme wieder fand und mich ängstlich anblickte. „Sofia, helft mir auf.“, bat der geschwächte Prinz Phönix seine Magierin. „Was habt ihr vor, mein Prinz?“, fragte diese ihn, während sie ihm unter die Arme griff und auf die Beine half. Mit Pudding in den Knien stand er nun da – mutiger und entschlossener den je. „Meine Aufgabe als Prinz besteht darin, mein Volk vor Unheil zu bewahren.“, sagte Prinz Phönix stolz. „Ich werde weder zulassen, dass euch ein Leid zugefügt wird, noch das Unschuldige da mit hinein geraten und am Ende dafür mit ihrem Leben bezahlen müssen.“ Prinz Phönix schien in sich kehren. Er schloss seine Augen und dabei ging eine enorm mächtige Aura von ihm aus, die das Amulett um meinen Hals natürlich sofort auffing und auch auf mich übertrug. Was für eine unglaubliche Macht. Ich konnte das reine Herz des Prinzen spüren und fühlte mich so wunderbar frei und geborgen. Dem Gesichtsausdruck von Nicolas zufolge, erging es ihm gerade genauso, da er ja nun auch ein Amulett um den Hals trug. Mit Sicherheit, war er gerade auch reichlich verwirrt. „Mein Prinz, ihr seid nun menschlich und nicht mehr unverwundbar. Bitte unternimmt nichts Unüberlegtes!", sagte Sofia zu ihren Prinzen. Sofia war für mich immer wie ein Buch mit tausend Siegeln gewesen, doch nun konnte ich erstmals, so etwas wie Furcht in ihrem Gesicht ablesen. „Ich mag nun ein Mensch sein, aber meine Kräfte verbergen sich in dem Amulett, dass es in dieser Welt offenbar zweimal zu geben scheint. Bitte tretet näher an mich heran!“, bat Prinz Phönix Nicolas und mich. Zögernd traten wir Beide etwas näher. Prinz Phönix legte seine Hände auf die Amulette und kurz darauf begann sein Körper rot zu leuchten, als würde er in Flammen stehen.
60. Rückkehr in die Schattenwelt – Teil 3 Nun stand es für mich außer Frage, dass der bildhübsche Junge mit dem feuerroten Haar, Prinz Phönix sein musste. Vor wenigen Tagen war er für mich nichts weiter als eine Romanfigur, doch nun stand er leibhaftig vor mir und es bestand gar keinen Zweifel, dass er es nicht war. Er war Prinz Phönix, der unsterbliche Junge, der sich nach der großen Liebe sehnte und dafür zum Schattenphönix mutierte. Ich hatte natürlich so einige Fragen an ihn, doch die mussten warten, da sich gerade der monströse Schatten vor uns aufbaute und zum Angriff ansetze. „Ich lasse nicht zu, dass du noch mehr Schaden anrichtest, Seraphiel!“, schrie Prinz Phönix dem Schatten zu, während er sich der Kräfte beider Amulette bemächtigte und zum Gegenschlag ausholte. Es war ein Kampf der Titanen! „Vielleicht hätten wir auf die Frau hören und von hier verschwinden sollen.“, meinte Frau Sauerbach nun nachträglich, nachdem in ihr beim Anblick des Schattens die Angst hoch kam. „Jetzt ist es zu spät. Eine Flucht wäre sinnlos.“, sagte Sofia, die neben der Lehrerin stand. „Habt keine Furcht! Ich werde das schaffen!“, rief Prinz Phönix uns ermutigend zu, dabei lag es eigentlich an uns, ihm Mut zu machen und nicht umgekehrt. Er war eben ein waschechter Prinz – stolz, heldenhaft, mutig, stark und ausgesprochen ansehnlich. „Ich werde euch alle vernichten!“, kam eine grollende Stimme aus dem Schatten heraus. Die Schatten und das Phönixfeuer prallten schließlich aufeinander. Es war ein Kampf zwischen Gut und Böse, Feuer gegen Dunkelheit und der Kampf um Leben oder Tod. Doch hatte ich das ungute Gefühl, dass dieser Kampf hier noch nicht zu Ende war, denn schließlich traf ich den Schatten in der Zukunft ebenfalls, als er Besitz vom blinden Zirkusartisten Lorenzo nahm und mich angriff. Als das Phönixfeuer und die Schatten immer intensiveren Druck aneinander ausübten, entstand auf einmal eine gewaltige Druckwelle. Die Schatten wurden zurückgetrieben und Seraphiel stieß ein ohrenbetäubendes Brüllen aus, ehe er in einem grellen Licht verschwand – vermutlich bis in meine Zeit. Das Phönixfeuer wurde zu uns zurückgeschleudert. Ich legte meine Arme schützend um mich, doch stellte ich schnell fest, dass es gar nicht heiß zu sein schien. Ich versuchte gegen die Druckwelle anzukämpfen und meine Augen offen zu halten, dabei sah ich, wie Prinz Phönix sich in einem feurigen Sternenlicht auflöste. Er drehte sich zu mir um und lächelte mich an. Dann verschwand er für immer! Sofia stieß einen entsetzten Schrei aus, ehe auch uns das grelle Licht umhüllte und wir uns an einem fernen Ort wiederfanden.
Um uns herum war es so hell, wie in einer Höhle voller Diamanten. Nichts anderes befand sich an diesem Ort, außer hellem weißem Licht! „Was ist passiert und wo sind wir hier?“, fragte Nicolas, der ebenso wie Justus, Agathe, Frau Sauerbach und ich sich verwirrt umblickte. „Ich war selber noch nie an diesem Ort, aber ich glaube wir befinden uns in einer Art Zwischendimension zwischen Licht und Schatten.“, antwortete Sofia uns, während sie sich umblickte. „Wäre denkbar.“, stimmte ich zu. „Zuvor befanden wir uns schließlich auch nicht in der realen Welt, sondern in der Schattenwelt, in der jeder Mensch zu einer Salzsäule erstarrte… außer uns.“ „Aber wieso war es nur uns möglich, sich frei zu bewegen?“, fragte Justus. Ich schnippte mit meinen Fingern, denn diese Frage lag mir ebenfalls brennend auf der Zunge. Sofia blickte uns nacheinander an, während sie scharf nachdachte. Schließlich sagte sie: „Dies ist nur eine Theorie meinerseits, aber könnte es vielleicht sein, dass ihr alle mit etwas in Berührung gekommen seid, dass aus unserer Welt stammte? Die Amulette zum Beispiel, oder eine Feder, …?“ „…oder ein Elixier in einer Ampulle?“, fragte Agathe weiter und blickte dabei zu Frau Sauerbach, die sie nur verständnislos anstarrte, da sie nicht wusste, wie ihr gerade geschah. „Ihre Theorie in allen Ehren, aber mir ist das nicht zum ersten Mal passiert. Ich stamme aus der Zukunft, genaugenommen aus dem Jahre 2017, und als bei meiner Sonnenfinsternis alle zum Stillstand kamen, waren noch sehr viele andere Menschen in Bewegung, die rein gar nichts mit dem Amulett um meinen Hals zu tun hatten.“, sagte ich zu Sofia. Ich redete wieder einmal ohne vorher nachzudenken, denn nun gab ich mein Geheimnis preis. Die Augen von Nicolas und seinen Freunden waren auf mich gerichtet, als hätten sie ein Gespenst gesehen. Ups verplappert, aber egal jetzt. Sofia schien dieses Geständnis gelassen aufzunehmen. Jedenfalls sagte sie nach kurzer Überlegung: „Meine zweite Theorie wäre, dass sich nur die Menschen frei bewegen können, die sich dem selben Geschlecht hingezogen fühlen, zumindest traf dies auch auf Prinz Phönix und Seraphiel zu. Oder, und das wäre jetzt Theorie Nummer Drei, Theorie Eins und Zwei zusammen sind des Rätsels Lösung.“ Ich sagte zu diesem Thema kein Wort mehr. Was sie sagte, schien Sinn zu ergeben, wenn mich das auch nicht zu hundert Prozent zufrieden stellte. Die Hansen-Zwillinge, Sam, Marcus und ich waren auf jeden Fall homosexuell, die beiden Mädchen, der ältere Herr und der eine Junge konnten natürlich ebenfalls homosexuell gewesen sein, während mein Opa und Oma Forster mit den magischen Gegenständen in Berührung kamen. Dies ergäbe zum ersten Mal wirklich Sinn! „Das ist ja alles schön und gut, aber wie zum Geier kommen wir hier wieder fort?“, fragte Frau Sauerbach etwas aufgekratzt. „Macht euch lieber mal Gedanken dazu und stellt nicht irgendwelche Theorien auf, die uns so gar nicht weiterbringen, geschweige denn von hier fort.“ „Wo sie Recht hat, hat sie Recht.“, pflichtete Nicolas ihr bei, der sich natürlich nur bei ihr einschmeicheln wollte, was auch Agathe nicht entging, die wieder genervt die Augen verdrehte. „Die Druckwelle, die aus dem Phönixfeuer und den Schatten entstand, muss uns an diesen Ort befördert haben.“, erklärte Sofia. „Jede Dimension hat einen Eingang und auch einen Ausgang, doch sind diese nur sehr schwer zu finden.“ „Ist doch eigentlich ganz nett hier.“, sagte Agathe, die sich freudig umblickte. „Es ist so hell und es glitzert überall. Hier gibt es keine Dunkelheit und man muss sich vor Nichts fürchten.“ „Bist du bescheuert? Natürlich muss man sich hier vor Nichts fürchten, weil es hier auch NICHTS gibt.“, sagte Nicolas plötzlich ganz ernst zu ihr. „Du würdest dich hier auf Dauer zu Tode langweilen!“ Dieses Mal warf Agathe ihm weder einen wütenden, noch einen genervten Blick zu, denn sie musste einsehen, dass er ausnahmsweise mal Recht hatte. „Wir sind verloren…“, sagte sie schließlich. „Hey, wir dürfen jetzt nicht die Hoffnung aufgeben. Wo ein Wille, da auch ein Weg und wo ein Weg, da auch ein Ausgang.“, sagte Justus, der sie anlächelte und damit aufzumuntern versuchte. Ich stampfe wütend mit meinen rechten Fuß auf. „Ich wünschte, ich hätte Max nie auf seine blöde Bergwanderung begleitet. Dann wäre mir auch nicht das Malheur mit dem Kompass passiert.“ „Der Kompass…hm… leider liegt der im Kellergewölbe des Schlosses.“, sagte Sofia nachdenklich. „Nein, tut er nicht.“, sagte Agathe und zog den Kompass aus ihrer Handtasche. „Den haben Nicolas und ich am besagten Ort gefunden und mitgenommen. Kann der uns etwa hier wegbringen?“ „Möglich wäre es zumindest.“, antwortete Sofia ihr. „Ihr müsst wissen, dass das kein gewöhnlicher Kompass ist und er eine magische Nadel in sich trägt. Welche Richtung zeigt er denn gerade an?“ „Er zeigt in diese Richtung!“ Agathe deutete mit dem Finger in die angegebene Richtung und wir folgten der Kompassnadel, in der Hoffnung, dass sie uns aus dieser Zwischendimension wieder hinausführte. Während wir unterwegs waren, ließ mich eine Frage nicht locker. „Dürfte ich ihnen eine Frage stellen, Sofia? Was ist nun mit Prinz Phönix geschehen? Ist er etwa…?“ „Nein, ich glaube nicht, dass er tot ist. Genauso wenig glaube ich, dass Seraphiel nun für immer verschwunden ist. Prinz Phönix wird eines Tages zurückkehren, da bin ich sicher!“, antwortete Sofia. „Hey Nick, und du kommst wirklich aus der Zukunft? Aus dem Jahre 2017?“, harkte Nicolas nach. „Äh ja.“, antwortete ich ihm etwas unruhig. Hoffentlich stellte er mir keine weiteren Fragen, denn das könnte unangenehm für mich werden. Ob ich die Zukunft bereits verändert habe? „Halt stehen bleiben!“, rief Sofia. „Ich glaube, wir sind an unserem Ziel angekommen.“ Als möglichen Ausgang aus dieser Dimension stellte ich mir alles Mögliche vor, allen voran eine gewöhnliche Tür, dass es sich bei dem Ausgang allerdings um einen bunten Strudel handelte, der in der Luft schwebte, damit hätte ich am allerwenigsten gerechnet. „Dies ist der Zeitstrudel.“, erklärte Sofia uns.
61. Rachepläne – Teil 1 Anfang Juli 2015: Ein kühler Wind blies mir um die Ohren und verwehte mir meine frisch gekämmten Haare, die nun himmelblau waren. Drei Jahre waren nun schon seit dem Tod meines Freundes Olivers vergangen. Drei Jahre, die mein Leben von Grund auf änderten. Ich sah mich gezwungen, Sitzungen bei einem Therapeuten einzulegen, aufgrund meiner Albträume und Panikattacken und dann gab es da ja auch noch die rote Feder, die Oliver von der Magierin Sofia überreicht bekam und die ihn letztendlich in den Tod trieb. Ich ballte meine Fäuste vor Wut. Diese Frau hatte Olivers Tod zu verschulden… Ich befand mich auf dem Gebäude, in dem Oliver einst in den Tod stürzte. Das Gebäude gehörte einem reichen Schnösel namens Tanner und ich hatte eigentlich gar keine Berechtigung, mich hier aufzuhalten, doch mogelte ich mich rein und nun stand ich hier – an derselben Stelle wie vor drei Jahren. Meine Hände zitterten und meine Beine fühlten sich wie Pudding an, so wackelig stand ich da. Dennoch fasste ich mir ans Herz und ließ mich von meinem Vorhaben nicht abbringen. E s war an der Zeit! Ich kletterte auf das Geländer des Hochhauses, zwang mich jedoch dazu, nicht hinunter zu blicken. Dann strecke ich meine Arme weit auseinander. In der rechten Hand hielt ich die Feder fest umklammert. Ich schloss meine Augen und ließ mich ohne weiteres nach vorne fallen. Das Schicksal hatte mir vor drei Jahren die Feder zugespielt. Nun sollte mir das Schicksal zeigen, dass ich auch dazu berechtigt war, Eigentümer dieser Feder zu sein. Ich stürzte in die Tiefe mit rasender Geschwindigkeit. Es war ein freier Fall in den Abgrund, doch setzte ich meine Hoffnung und mein Vertrauen in die rote Feder. Als ich schließlich meine Augen wieder öffnete, befand ich mich nur noch wenige Meter über der geteerten Straße. Jetzt oder nie! Die Feder zeigte ihre magische Wirkung und ich schlug kurz vor dem Aufprall einen hohen Bogen ein. Ich lachte, denn mir war das Kunststück geglückt. Ich flog über Häuser und Bäume hinweg, kreuzte den Weg einer kauzigen Nachteule und setzte schließlich zur Landung in einer Seitengasse an. Hier verließ mich jedoch mein Glück. Ich verlor die Kontrolle über die rote Feder, kam ins Trudeln und landete im Müllcontainer einer berüchtigten Pizzeria.
Ich stieg aus dem Fahrstuhl aus und ging zielstrebig auf die Rezeption zu. Herr Wilfred überreichte einem neuen Hotelgast gerade seine Zimmerschlüssel. „Zimmer Nummer 62 im zweiten Stock, Herr Mikelson. Unser Hotelpage Theodor wird dann ihr Gepäck auf ihr Zimmer tragen.“ Der Mann bedankte sich bei dem Hotelmanager und ging an mir vorbei. Ich stellte mich an die Rezeption und betätigte dreimal die Klingel, ehe Herr Wilfred auf mich aufmerksam wurde. „Ja bitte?“ „Ich würde gerne mit Frau Temperini sprechen.“, erklärte ich in einem freundlichen Ton. „Tut mir Leid, aber ohne Termin empfängt Frau Temperini keine Besucher.“, antwortete Herr Wilfred mir mit seinem gewohnt überdimensionalen Grinsen im Gesicht. „Na dann geben sie mir eben einen Termin.“, erwiderte ich nun etwas weniger freundlich. Herr Wilfred lächelte mich auch weiterhin an. „Es tut mir Leid, aber ich fürchte, dass der Terminkalender von Frau Temperini für die nächsten zwei Wochen bereits voll ist.“ Ich blickte den Hotelmanager stur an, denn ich glaubte ihm kein Wort. Aber schön, dann muss ich mich eben auf anderweitigem Wege an sie heranpirschen. Nach einem gezwungenen Danke an Herr Wilfred, ging ich in den Speisesaal, wo Justin und seine Freunde sich zum Mittagessen trafen. Sie schienen alle sehr gut miteinander befreundet zu sein und ich freute mich sehr darüber, dass sie mich sofort in ihre „Clique“ aufnahmen. Mit Justin am Tisch saßen Bobby, Tobias, Maria, Leon, Zack, Max und David. Sie nahmen gerade ihre Bestellung beim Kellner entgegen, als ich mich zu ihnen dazu gesellte und den freien Stuhl zwischen Justin und Maria einnahm. „Ah, der gut aussehende Junge aus Amerika.“, sagte Maria, als sie mich bemerkte. „Ich glaube ich muss es Nina mal gleich tun und mich dort ein wenig umsehen, wenn es da so viele gut aussehende Jungs gibt.“ „Reicht dir dein neuer Verehrer, dieser Theo, etwa nicht?“, fragte Leon sie mit hämischem Grinsen. „Ich glaube ja nicht, dass es dort so viele gut aussehende Jungs gibt, denn schließlich ist Nina ja immer noch Single.“, schätzte Tobias, der Bobbys Geständnis inzwischen ein wenig verdaut hatte. „Pah Nina… die ist ja noch wählerischer als eine Primadonna.“, erwiderte Maria spöttisch. „Und das aus deinem Munde, ich bin schockiert.“, sagte Leon grinsend. Ich war der Meinung, ebenfalls meinen Senf zu diesem Thema zugeben zu müssen, also sagte ich in die Runde: „Maria hat schon Recht. In Amerika gibt es sehr viele gut aussehende Jungs…“ „Seht ihr.“, nickte Maria, die triumphierend strahlte. „…aber all diese Jungs sind umgepolt. Mit anderen Worten, sie sind schwul.“, fügte ich hinzu und sofort versank Marias gute Laune wieder im Erdboden. Alle anderen hingegen fingen zu lachen an. Ich blickte zu Justin, der ebenfalls ausgelassen lachte und vor Freude strahlte. Mir gefiel sein Lächeln. Es wirkte ungezwungen und so sorglos. Zudem strahlten seine blauen Augen dabei so voller Energie. „Aber jetzt Hosen runter Jungs…“, befahl Maria auf einmal und einige, unter anderem Leon und David, sahen sie erschrocken an. „… wer ist nun eigentlich mit wem zusammen? Da war ich mal einen Abend nicht im Hotel und schon knutscht hier jeder jeden wie mir scheint.“ „Also ich halte mich da raus, da ich dich ja chauffiert habe.“, sagte Max schnell abwehrend. „Ich hab eine Freundin und die ist nicht hier… leider.“, erklärte David ein wenig traurig. „Leeeeoooon?“ Maria schielte zu ihrem Ex-Freund rüber, der unschuldig zur Saaldecke lugte. „Ja was?“, fragte er, als wüsste er nicht, worüber sie gerade gesprochen hatten. „Wir sollten ihr und allen anderen reinen Wein einschenken, Knuffknuff.“, sagte Zack und benutzte Leons, von Tobias verabreichten, Spitznamen. „Ja Leon und ich sind – wieder – zusammen.“, betonte er extra stark. „Und seitdem wir uns im Rosengarten geküsst haben, treiben wir es stundenlang überall und zu jeder Zeit. Im Bett, unter der Dusche, im Swimmingpool, in der Besenkammer,…“ Das der letzte Teil nur reiner Sarkasmus von Zack war, war jedem am Tisch Anwesendem klar. Maria warf Zack einen genervten Blick zu, während Leon sich das Lachen kaum verkneifen konnte. Allerdings löste die Erwähnung des Swimmingpools bei ihm eine leichte Unruhe aus. Bei seinem Beinahe-Tod erlitt er ein leichtes Trauma, das ihm noch ein wenig zusetzte. „Reden wir nicht über uns.“, winkte Leon schließlich ab. „Justin, Casey, was läuft da zwischen euch Beiden? Ich hörte, ihr habt euch auch geküsst? Seid ihr zusammen, oder war das was Einmaliges?“ „Wenn dir das zu privat ist, dann musst du auf seine Fragen nicht antworten.“, meinte Justin zu mir. „Nein, das geht schon in Ordnung für mich. Sind ja schließlich alles deine Freunde. Ja, Justin und ich haben uns ebenfalls geküsst und ich habe es bis jetzt keine Sekunde lang bereut.“ Ich lächelte Justin sanftmütig an und er erwiderte mein Lächeln, indem er mir sanft über die Hand streichelte. „Allerdings ist es noch zu früh, um zu sagen, ob wir nun zusammen sind oder nicht.“ „Zu früh? Also bei Theo und mir ging das ratzfatz.“, teilte Maria ihre Meinung mit uns. „Du bist ja auch alles andere als normal.“, sagte Leon daraufhin zu ihr, wodurch er sich von seiner Freundin einen kleinen Tritt mit dem Fuß unterm Tisch einhandelte. „Ich wünschte Nick wäre jetzt hier.“, meinte David. „Ihm hätte diese lustige Runde sehr zugesagt.“ „Nachdem was wir gelesen haben, dürfte es ihm einigermaßen gut gehen. Keine Sorge, Nick hat einen eisernen Willen, den werden wir nicht los.“, munterte Bobby David auf. „Hm… ja leider.“, sagte Leon. Es folgte eine kurze Stille, ehe alle zu Lachen anfingen. Dann wurde das Essen serviert und wir speisten zusammen an einem Tisch. Guten Appetit!
62. Rachepläne – Teil 2 Mitte Juli 2015: Es war stockdunkel in meinem Zimmer. Lediglich das Licht meines Laptops erhellte den Raum ein wenig. Ich tippte eifrig in die Tasten meines Laptops, während ich in meinem Bett saß, den Laptop auf meinem Schoß. Dr. Voth, mein Therapeut, würde es gar nicht gefallen, wenn er wüsste, was ich gerade tat, aber mein Entschluss stand fest. In all den Jahren, seit Olivers Tod, verwandelte sich meine Trauer in grenzenlose Wut. Diese Magierin, die Oliver die Feder überreichte, trug Schuld an dessen Tod und auch dieser ominöse Messerwerfer Lorenzo trug eine gewisse Mitschuld, weshalb ich mich dazu entschloss, mich an den Beiden zu rächen. Ich weiß, das klang schon sehr einfältig und dumm, aber ich hatte das Gefühl, als wäre ich Oliver dies schuldig. In der heutigen Zeit fand ein jeder zum Glück alles, wonach er suchte. Ich zum Beispiel suchte im Internet nach Berichten über den Zirkus Graziano. Was ich fand war ziemlich interessant, denn ein Zeitungsartikel berichtete, dass bei der letzten Sonnenfinsternis der ehemalige Dompteur des Zirkus, Maurice Roch, und der aktuell auftretende Messerwerfer, Lorenzo Medici, ums Leben kamen. Maurice Roch wurde angeblich von Lorenzo Medici erschossen, während die Leiche von Lorenzo Medici kurze Zeit später leblos in einem See aufgefunden wurde. Die genauen Einzelheiten darüber seien unbekannt. Das ganze klang in meinen Ohren schon sehr mysteriös. Auch über den Zirkusdirektor Giovanni Graziano gab es einen Artikel und der interessierte mich sogar noch mehr, denn darin stand geschrieben, dass seine Frau, nach den tragischen Vorfällen in jüngster Zeit, die Scheidung bei ihm einreichte. Von wegen „In guten wie in schlechten Tagen“… Es klopfte an meiner Tür. Ich klappte meinen Laptop ruckartig zu und sagte Herein. Die Tür öffnete sich einen Spalt breit, wodurch das Licht im Gang einen Lichtkegel in mein Zimmer warf. Nina lugte zunächst ein wenig vorsichtig herein, ehe sie mein Zimmer ganz betrat und sich ohne Umschweife zu mir ins Bett lag. „Bobby hat mir in seiner E-Mail geschrieben, dass seine Großmutter an Altersschwäche verstarb. Sie war wirklich ein wunderbarer und vor allem lustiger Mensch.“ „Oh, das tut mir sehr leid.“, erwiderte ich lediglich. Ich fühlte mich immer ein wenig unwohl, wenn der Tod zur Sprache kam. Ein unangenehmes, aber leider präsentes Thema. Nina kuschelte sich ein wenig an mich heran und ich legte meinen Arm um sie, während ich mit der anderen Hand meinen Laptop zur Seite legte, damit er nicht herunterfiel. „Hast du nach was Bestimmten im Internet gesucht?“, fragte Nina mich schließlich. „Wer sagt denn, das ich im Internet was gesucht habe?“ „Du bist sonst auch nicht so der Computertyp oder der Fan von Online-Games.“, erklärte Nina mir. Ich lachte. „Haha… nein hab nichts Bestimmtes gesucht.“, log ich. Danach sagte keiner von uns mehr ein Wort. Wir lagen einfach nur da und lauschten der traurigen Stille des Todes und der Trauer.
„Das Mittagessen mit deinen Freunden war wirklich sehr lustig.“, sagte ich am Nachmittag zu Justin. Es war ein sonniger Tag und da Justin vom Wildschwein aus dem Wald vertrieben wurde, schlugen wir uns die Zeit ausnahmsweise mal am Swimmingpool tot. Ich ließ meine Beine im Wasser des Pools baumeln, während Justin bäuchlings auf einer Liege unterm Sonnenschirm lag. Seine Haut war käseweiß, aber er wurde auch nicht braun, egal wie sehr er sich der Sonne aussetzte. „Deine Freunde sind echt alle nett, auch wenn diese Maria mir ein bisschen sehr aufgedreht zu sein scheint.“, fügte ich noch hinzu, während ich mein Gesicht zur Sonne wandte. Ich trug eine Sonnenbrille, weshalb mir das grelle Licht nicht allzu viel ausmachte. Ich musste gerade wieder an den Zeitungsartikel denken, der über die Sonnenfinsternis und den Tod von Lorenzo Medici berichtete. „Ja, war wirklich schön, dass wir alle mal wieder zusammen saßen. Ich kannte zwar Leons Freunde bis vor kurzem noch nicht, aber ich glaube, für Bobby ist die viele Gesellschaft gerade sehr gut. Das lenkt ihn ab.“, meinte Justin, der sich etwas müde auf der Liege gehen ließ. „Ja, der Arme hat es gerade wirklich nicht leicht.“, erwiderte ich etwas geistesabwesend, als Tyler, der Pool-Boy in seinen kurzen Shorts und seinen Badelatschen angewatschelt kam. „Hey Jungs, kann ich einem von euch etwas Gutes tun und ihm seinen Rücken eincremen?“, fragte er, wie es sein Job von ihm verlangte. Oder diente es lediglich dazu, sich an süße Jungs ranzuwerfen? „Bietest du alten Menschen deine Dienste auch immer an?“, fragte ich daher etwas sarkastisch. „Hey, das sollte keine Anmache werden, ich wollte nur hilfsbereit sein.“, verteidigte Tyler sich rasch, während Justins Augen starr auf Tylers stählernen Oberkörper gerichtet waren. Ich musste nun ebenfalls hinstarren und kam nicht umhin, zuzugeben, dass er fantastisch aussah. Da aber weder Justin noch ich seine Dienste in Anspruch nahmen, zog Tyler weiter, zu einer jungen Frau mit langem brünettem Haar, die gerade in einer Mode-Zeitschrift blätterte. Ich blickte in das klare Wasser des Swimmingpools und rief mir die Erinnerungen über die Ereignisse der letzten Tage hoch. „Hey Justin, weißt du eigentlich, ob man den Täter inzwischen fasste, der Leon angriff und ihn vom Balkon runterschubste?“, fragte ich meinen Freund. „Ich glaube nicht, dass der Täter bereits gefasst wurde, sonst hätte es Leon uns doch heute beim Mittagessen mitgeteilt oder?!“, antwortete Justin mir, was wohl stimmen mochte.
Am frühen Abend marschierte ich alleine zu meinem Hotelzimmer zurück. Justin war bereits vor etwa einer Stunde aufgebrochen, während ich noch ein paar Bahnen im Pool schwamm und dabei Tylers hochachtungsvolle Blicke abbekam. Auf dem Weg zu meinem Hotelzimmer, wollte ich mein Glück versuchen und an Frau Temperinis Büro vorbei huschen. Zu meinem Glück stand ihre Bürotür einen Spalt breit offen und ich hörte zweierlei Stimmen. Die eine Stimme gehörte zu Frau Temperini und die andere Stimme konnte ich Leon zuordnen, der wohl gerade einen Termin bei ihr hatte. Ich wollte nicht lauschen, aber wenn sich die Gelegenheit schon einmal für mich bot… warum nicht?! „Ihre Zeichnung über den Feuerphönix ist beinahe fertiggestellt, Frau Temperini.“, sagte Leon zu ihr, was meine Neugier nur noch verstärkte. Ein Feuerphönix? „Es tut mir Leid, dass sich das so lange hinauszögert, aber nach meinem Sturz in den Swimmingpool ihres Hotels, war mir nicht sonderlich nach Zeichnen zumute. Vermutlich hörten Sie auch von dem Brand in dem Museum, bei dem all meine neuen Kunstwerke vernichtet wurden und das einer meiner Freunde schwer erkrankte.“, erklärte Leon sich und fand bei Frau Temperini sogar Verständnis dafür. „Machen sie sich deswegen keine Gedanken, Herr Schopp.“, sagte sie zu ihm. „Ich weiß natürlich von ihrer derzeitigen Lage und kann mir durchaus vorstellen, unter welchem Druck sie gerade leiden. Da die Zeichnung so gut wie fertig ist, wie sie meinen, hoffe ich trotzdem, dass ich bis übermorgen damit rechnen kann. Sie müssen wissen, dass mir diese Zeichnung sehr am Herzen liegt.“ Soso… interessant! Diese Zeichnung scheint ihr wirklich wichtig zu sein. Diese Frau ist mir ein echtes Rätsel. Zum einen will sie Leon nicht unter Druck setzen, andererseits verlangt sie von ihm, dass die Zeichnung bis übermorgen fertig sein soll. Warum ist ihr das so wichtig? Was hat sie nur vor? Das kann doch kein Zufall sein, dass es sich bei der Zeichnung um einen Feuerphönix handelt und meine Feder angeblich von so einem Wesen abstammen soll. Diese Frau plant doch wieder irgendetwas Furchtbares! Doch das werde ich zu verhindern wissen und jetzt weiß ich auch wie: Leon vergeudet sein Talent für diese Frau. Ich werde die Zeichnung zerstören!
63. Rachepläne – Teil 3 Vor 14 Tagen: Als ich aus dem Taxi ausstieg, streckte ich mich zunächst einmal kräftig. Zuerst der lange Flug von Amerika nach Deutschland und nun auch noch diese ermüdende Fahrt im Taxi. Ich wünschte, es gäbe bequemere Arten zu reisen…, zum Beispiel mit meiner roten Phönixfeder quer über den Atlantik. Leider hatte ich noch immer keine Kontrolle über diese Feder. Nach all den Jahren, schien sie mir immer noch nicht so zu gehorchen, wie sie Oliver von Beginn an gehorchte. Dafür verlor ich wenigstens nicht meinen Verstand, so wie mein verstorbener Freund! Nun war ich also hier, mitten in einer mir völlig fremden Ortschaft. Links von mir, befand sich ein grüner Park mit einem angelegten See. Rechts von mir, konnte ich ein Café erspähen. Ich beschloss mir erst einmal einen starken Kaffee zu gönnen, ehe ich mich hier weiter umsah. Als ich das Café betrat, wehte mir zugleich der wohlriechende Duft von Kaffeebohnen entgegen. Einfach herrlich! Ich liebte es! Ich bestellte mir einen extra großen Becher Kaffee mit Milch und Zucker. Als ich bezahlt hatte, setzte ich mich an einen freien Platz und trank mit viel Ruhe und Gemütlichkeit meinen Kaffee aus. In Deutschland schmeckte der Kaffee deutlich besser als in Amerika! Während ich genüsslich trank, dachte ich über Ninas Geschichte nach, die sie mir erzählte und weswegen ich überhaupt hierhergekommen bin. „Der Ex-Freund meines Freundes Bobbys kann sich mit Tieren unterhalten. Kein Witz! So eine verrückte Organisation hat ihn wegen seiner besonderen Gabe sogar entführt und nur durch Tobias heldenhaften Einsatz, konnten er und Bobby gerettet werden. Wenn du in Deutschland bist, solltest du sie unbedingt aufsuchen und kennen lernen.“ Gesagt getan. Hier war ich nun und die Adresse von Ninas Freund Bobby, befand sich in meiner Hosentasche. Doch zuerst wollte ich dem Zoo einen Besuch abstatten, in dem Bobbys Ex-Freund arbeitete und etwas über den Phönix herausfinden. Als ich das Café verlassen wollte, kam mir ein junges Pärchen entgegen. Das Mädchen hatte langes blondes Haar und war zudem schwanger! Ich hielt ihr freundlicherweise die Tür auf und sie bedankte sich recht herzlich bei mir. „Es gibt sie doch noch.“, sagte sie lächelnd. „Wahre Gentleman!“ „Bin ich für dich etwa kein Gentleman, Agnes?“, fragte ihr Freund sie schockiert. Seine Freundin lächelte ihn nur an und behielt die Antwort diesbezüglich lieber für sich. Ich nutzte die Gelegenheit und fragte sie, welcher Weg zum Zoo der Schnellste war. Das Mädchen namens Agnes erklärte mir netterweise nicht nur den Weg, sondern klärte sich sogar mit ihrem Freund dazu bereit, mich mit dem Auto dorthin zu fahren. Ich hatte das Glück auf meiner Seite! Naja zumindest bis zum nächsten Tag, als meine Feder mich wieder abheben ließ und ich eine Bruchlandung in einem Restaurant hinlegte, in dem gerade zwei Jungs eine Art Date zu hatten schienen.
Es musste mein Schicksal sein, dass ich genau zu jenem Zeitpunkt an Frau Temperinis Büro vorbei kam, als sie sich mit Leon über die Zeichnung unterhielt. Doch wie sollte ich es nun anstellen? Wie sollte ich die Zeichnung zerstören? Sie lag bestimmt in Leons Suite und die war für mich verschlossen. Ich durfte aber keine Zeit verlieren. Solange Leon sich noch bei Frau Temperini befand, sah ich für mich die perfekte Gelegenheit. Ich machte kehrt und ging zur Rezeption, an denen sich meist die Zweitschlüssel befanden. Wieder schien das Glück auf meiner Seite zu sein, denn Herr Wilfred und auch kein anderer schien in Sichtweise zu sein. Ich mogelte mich also hinter die Theke und suchte nach den Zweitschlüsseln. Ich war irre aufgeregt und nervös. Jede einzelne Sekunde konnte nun für mich entscheidend sein. Ich fand schließlich den richtigen Schlüssel und war nun voller Tatendrang. Als ich mich auf dem Weg zu Leons Suite begab, spürte ich für einen kurzen Moment einen eisigen Blick im Nacken. War da gerade etwa jemand? Ich blickte mich in der Lobby um, doch war keine Menschenseele zu sehen. Ich zog schließlich weiter und benutzte ausnahmsweise mal die Treppe, statt dem Fahrstuhl. „Leon, bist du schon zurück?!“ Hatte mein Glück mich etwa verlasen? Zack stand gerade vor Leons Zimmertür und klopfte ein paar Mal dagegen. Die Tür öffnete sich allerdings nicht und er erhielt auch keine Antwort, also zog er wieder ab – mit einem leicht enttäuschten Gesichtsausdruck. Ach ja… die frische Liebe. Wenn das alles vorüber war, so beschloss ich, würde ich mich mit Justin richtig erholen. Ich steckte den Zimmerschlüssel ins Schloss und sperrte die Tür auf. Immer auf der Hut, dass mich auch niemand zu Gesicht bekam. Leons Suite war recht ordentlich. Lediglich auf seinem Schreibtisch war ein heilloses Durcheinander. Jede Menge Blätter und Stifte lagen darauf herum. Ich suchte fieberhaft nach der Zeichnung des Feuerphönixes. Als ich sie zunächst nicht fand, glaubte ich schon, dass Leon sie doch mitgenommen hatte, doch als ich etwas Ordnung in den Papierhaufen brachte, fand ich sie doch noch. Die Zeichnung war Leon ausgesprochen gut geglückt. Er war ein sehr großes Talent und es tat mir Leid für ihn, dass ich das tun musste, doch hielt ich es für das Richtige. Ich hielt die Zeichnung mit beiden Händen fest und wollte sie in der Mitte mehrmals auseinander reißen. Ich zögerte für einen kurzen Moment. Was tat ich hier eigentlich? Bringt es mich meiner Rache wirklich näher, wenn ich lediglich diese Zeichnung zerstöre? Ich war mir meines Vorhabens auf einmal nicht mehr so sicher, doch sollte ich jetzt wirklich einen Rückzieher deswegen machen? „Was tust du denn hier?“, fragte mich auf einmal eine Stimme und als ich mich umdrehte, stand der überraschte Leon vor mir. Verdammt, erwischt! „Wie bist du hier rein gekommen und… hey, was zum Henker hast du mit der Zeichnung des Feuerphönixes vor?“ Noch hatte ich die Chance die Zeichnung in der Mitte auseinander zu reißen. Doch Leon schaute mich mit seinen großen Augen so beherzt an, dass ich es einfach nicht über mich brachte. „I-Ich kann dir das erklären. Wirklich!“, brachte ich stotternd aus meinem Mund heraus, während ich die Zeichnung unversehrt auf den chaotischen Schreibtisch zurück legte. Leon würde mich ohne weiteres sicher nicht so einfach gehen lassen, also beschloss ich, ihm reinen Wein einzuschenken und erzählte ihm eine Kurzversion über meine Vergangenheit und über meinen Plan mich an Sofia Temperini zu rächen. Zuerst war Leon natürlich alles andere als erfreut, als er von meinem Vorhaben erfuhr, allerdings zeigte er auch Verständnis für meine Situation. „Du wolltest lediglich den Tod deines Freundes rächen, das versteh ich…, aber das ist nicht der richtige Weg.“ „Ja, das ist mir soeben auch bewusst geworden.“, erwiderte ich betrübt. „Casey, ich werde vergessen, was hier vorgefallen ist, aber antworte mir dafür bitte ehrlich auf eine Frage.“, sagte Leon, der mich nun eindringlich anstarrte. „Warst du derjenige, der mich angegriffen hat und mich vom Balkon runter stieß, damit ich die Zeichnung nicht fertig stelle?“ „Nein! Das war ich nicht! Bitte, das musst du mir glauben!“, antwortete ich ihm sofort, denn es war die reine Wahrheit. Mit Leons Angriff hatte ich nichts zu tun. Leon glaubte mir und er ließ die Sache auf sich beruhen. Ich verließ seine Suite schließlich wieder und kehrte zu Justin zurück, den ich erst einmal in meine Arme nahm und ihm hinterher meine dumme Tat gestand.
64. Der magische Kompass – Teil 1 Ich lag wach in meinem Bett und starrte auf den Kompass in meiner Hand, dessen Nadel sich wieder ununterbrochen drehte. Ich hab zu viel Zeit verstreichen lassen. Eigentlich war ich hierhergekommen, um herauszufinden, wo der Kompass mich hinführte. Stattdessen lag ich fast nur noch auf der faulen Haut und tat… einfach nichts. Schuld daran, waren aber auch Leon und Zack. Die zwei Holzköpfe wären ohne mein Zutun doch niemals wieder zusammen gekommen. Ich war sehr glücklich darüber, als die Beiden endlich wieder zusammen kamen, doch wurde mir dadurch auch wieder bewusst, wie einsam ich mich doch selber fühlte. Jeder schien seinen passenden Deckel gefunden zu haben – Bobby und Tobias, Leon und Zack, Justin und Casey, Maria und Theo. Nur ich war irgendwie allein. Benutze ich in dieser Zeit eben Frischhaltefolie, statt einem Deckel. Zack verbrachte die Nacht bei Leon – schon wieder – und ich wollte lieber gar nicht erst wissen, was die Beiden soeben anstellten. Eigentlich hatte ich Zack ja auch nur mit hierher geschleift, damit er mal aus seinem Alltagstrott in der Arbeit heraus kam. Ich beschloss also, mich dieses Mal alleine auf den Weg in die Berge zu machen. Ich würde schon gut auf mich selber aufpassen können. Gleich morgen früh würde ich losziehen und nichts und niemand wird mich daran hindern!
„Verdammt nochmal!“, fluchte ich laut, während ich über Stock und Stein wanderte. Auf meinem Rücken trug ich einen Rucksack mit Proviant und hinter mir her, trabte Tyler! „Hast du mich nicht verstanden? Ich will alleine in die Berge. Würdest du mich also bitte in Ruhe lassen?!“, fragte ich ihn genervt. Was musste er auch ausgerechnet heute Pilze im Wald suchen und mir dabei über den Weg laufen? Jetzt hängt er an mir wie ein Klammeraffe und das passte mir natürlich so gar nicht. „Ich lasse nicht zu, dass du alleine in die Berge gehst. Das ist viel zu gefährlich!“, erklärte Tyler mir. „Hast du schon vergessen, was mit deinem Freund Nick passiert ist?“ „Erstens: Nick war nicht mein Freund, sondern lediglich ein Bekannter von mir. Zweitens: Wieso kümmert es dich überhaupt? Es gehen doch bestimmt viele Menschen alleine wandern.“ „Ja, weil einer dümmer ist, als der andere.“, erwiderte Tyler, der weiterhin hinter mir her latschte, als wäre er mein Bodyguard. „Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viele Bergunglücke es im Jahr zu verzeichnen gibt. Im Übrigen kümmert es mich, weil ich nun mal Bergführer bin und nicht zulasse, dass so ein Unglück, wie vor ein paar Tagen, noch einmal geschieht!“ Ich hatte keine Lust, diese Diskussion weiter zu führen und gab schließlich klein bei. Allerdings mit der Bedingung, dass er mir keine Fragen über meine Route stellte und mir auch sonst nicht auf die Nerven ging. Ich zog den Kompass hervor und ließ mich von der Kompassnadel in die richtige Richtung weisen… zumindest hoffte ich das. Das Tyler mir wortlos folgte, konnte ich natürlich nicht erwarten. Er stellte mir zwar keine Fragen über den Kompass, den ich ständig musterte, damit ich auch den richtigen Pfad einschlug, dafür aber über meine Familie und meine Kindheit. „Hast du eigentlich Geschwister? Wissen deine Eltern, dass du hier alleine wandern gehst?“ „Kannst du bitte damit aufhören, mir Fragen über mein Privatleben zu stellen?“, entgegnete ich genervt. Dass meine Mutter mich vorm Waisenhaus absetze, ich in einer Pflegefamilie aufwuchs und als Teenager zu Drogen griff, musste nun wirklich nicht Jeder erfahren, der mir über den Weg lief. „Ich wollte mich nur nett mit dir unterhalten.“, sagte Tyler leicht frustriert. Ich drehte mich für einen kurzen Augenblick zu ihm um und konnte sein betrübtes Gesicht erkennen. Eigentlich war er ja ein ganz netter Kerl. Ich beschloss also, auch ein bisschen netter zu ihm zu sein. „Gibt’s heute Abend bei dir Pilzeintopf, dass du im Wald beim Pilze sammeln warst?“, fragte ich ihn. „Oh nein, die sind für unsere zwei Köchinnen im Hotel. Die wollten für den morgigen Tag etwas Kulinarisches hervorzaubern.“, antwortete Tyler mir, während wir ohne Pause weiter marschierten. „Wieso? Was ist denn morgen?“, harkte ich nun etwas genauer nach. „Ach, ich glaube Frau Temperini will morgen Abend irgendetwas feiern. Um was es sich dabei genau handelt, weiß ich leider selber nicht. Nicht einmal Astrid weiß etwas davon und die mixt die Cocktails. Vermutlich weiß nur Herr Wilfred, unser Hotelmanager, etwas Genaueres.“ „Das Krötengesicht? Wie bist du eigentlich zu deinem Job in dem Hotel gekommen? Welchen Job genau hast du eigentlich? Pool-Boy? Bergführer? Kellner?“, stellte ich nun an unzähligen Fragen. „So viel zum Thema, keine Fragen über das Privatleben stellen.“, hörte ich Tyler lachen und als ich mich ertappt fühlte und mich zu ihm umdrehte, zwinkerte er mir lächelnd zu. Ich spürte, wie es mir warm ums Herz wurde. Was war denn jetzt auf einmal los mit mir? Gott, war das peinlich! „Ich liebe meinen Job.“, antwortete Tyler mir schließlich, der so tat, als wäre nichts gewesen. „Ich kann mit Menschen arbeiten, das gefällt mir dabei am Meisten.“ Ich blieb stehen und lächelte ihm zu. „Die Nadel dreht sich unaufhörlich weiter, siehst du das?!“, sagte Tyler, der mit seinem rechten Zeigefinger auf den Kompass in meiner linken Hand deutete. Er hatte Recht. Die Kompassnadel schien nun völlig verrückt zu spielen. Vielleicht bedeutete das aber auch, dass ich dem Ziel ganz nahe war. „Hey, ich weiß jetzt wo wir sind!“, rief Tyler auf einmal. „Wir sind genau an der Stelle, an dem dein Kompass den Abhang hinunterfiel und ich zusammen mit Zack und Nick ihn holen ging. Tut mir Leid… unschöne Erinnerungen, ich weiß, aber du sagtest ja selber, dass Nick nur ein Bekannter von dir war und…“ Ein bisschen viel reden tut der liebe Tyler ja schon, wie mir scheint. „Lass uns doch bitte mal den Pfad da unten entlang marschieren.“, bat ich ihn schließlich drum. „Na gut, aber pass auf wo du hin trittst. Dort ist es nämlich sehr gefährlich.“, warnte Tyler mich inständig. Lag es an seinem Job als Bergführer, oder machte er sich wirklich Sorgen um mich? Wir kraxelten schließlich an einer Felsmauer den Pfad entlang und standen nach kurzer Zeit vor einer prachtvollen Höhle. „Seltsam.“, sagte Tyler mit großen Augen. „Als ich das letzte Mal hier war, befand sich an dieser Stelle keine Höhle. Da bin ich mir zu hundert Prozent sicher!“ Ich erwiderte daraufhin nichts, denn ich hegte den Verdacht, dass diese Höhle von magischer Natur sein musste, genauso wie der Kompass mit Magie belegt worden sein muss. „Noch hast du die Gelegenheit kehrt zu machen.“, bot ich Tyler an, da ich dazu entschlossen war, diese Höhle zu betreten. Die Kompassnadel zeigte in die Höhle, also führte kein Weg daran vorbei. „Los gehen wir rein, ehe ich es mir anders überlege.“, lautete Tylers Entscheidung. Ich schenkte ihm ein beeindrucktes Lächeln und dann setzte ich meinen ersten Fuß in die Höhle.
65. Der magische Kompass – Teil 2 Die Kompassnadel zeigte stur gerade in das Innere der Höhle. Je näher ich meinem Ziel kam, desto stärker wurde die Vibration, die von dem Kompass ausging. Die Höhle war übersät mit spitzen Steinen und Felsbrocken. An der Decke hingen vereinzelt Fledermäuse und Wassertropfen tropften von oben herunter. „Na hoffentlich stoßen wir hier nicht auf Graf Dracula.“, meinte Tyler ironisch. „Wäre dir Big Foot etwa lieber?“, erwiderte ich daraufhin ebenfalls mit Ironie. „Big Foot saugt dir wenigstens nicht sämtliches Blut aus den Adern.“, meinte Tyler daraufhin. „Ja…, dafür kann er dich mit seinen Quadratlatschen zertrampeln.“, erwiderte ich grinsend. Mit dieser Ping-Pong-Unterhaltung vertrieben Tyler und ich uns die Zeit, während wir hier drinnen unterwegs waren. Der Pfad ins Innere der Höhle schien unendlich und irgendwann stellte ich mir die Frage, wie weit wir noch gehen mussten. Irgendwann schlug die Höhle eine starke Linkskurve und wir erreichten eine kleine Grotte. Aufgeregt blickte ich mich um, doch außer einem kleinen Loch im Felsvorsprung konnte ich nichts Weiteres entdecken. Ich untersuchte das Loch etwas genauer, denn mir erschien es nicht natürlich entstammen zu sein. „Ich glaube, das in dem Loch etwas drinnen gesteckt haben muss.“, sagte ich zu Tyler, ohne meinen Blick vom Loch abzuwenden. „Komisch. Die Kompassnadel hat aufgehört sich zu drehen und vibrieren tut er auch nicht mehr. Vielleicht ist er kaputt...“ Besorgt begutachtete ich meinen Kompass. Ich fände es sehr schade, wenn er nun kaputt wäre, wo er mich doch die letzten dreieinhalb Jahre meines Lebens begleitete. „Nein, der Kompass ist mit Sicherheit nicht kaputt.“, meinte Tyler und ich fragte mich, woher er das so genau wissen wollte. „Das Objekt, das hier versteckt lag, ist inzwischen nur nicht mehr hier.“ „Was? Welches Objekt? Wovon redest du Tyler?“, fragte ich ihn nun verwirrt. Als ich mich zu ihm umdrehte, erschrak ich fürchterlich, denn er war gerade dabei, eine Pistole aus seinem Rucksack hervor zu ziehen. Tylers freundlichen Gesichtszüge waren mit einem Mal verschwunden und er richtete den Lauf der Pistole auf mein Gesicht. Ich hob sofort meine Hände in die Höhe, als Zeichen meiner Wehrlosigkeit, während ich kaum glauben konnte, was hier soeben geschah. „Du wunderst dich nun sicherlich und hast gewiss einige Fragen, die ich dir gerne beantworten werde.“, sagte Tyler zu mir, während er weiterhin die Pistole auf mich richtete. „Nur eine Frage.“, teilte ich ihm mit. „Bist du ein geisteskranker Irrer?“ Man konnte es mir nicht verübeln, dass mir diese Frage auf der Zunge lag. Allerdings bereute ich diese Fragestellung zugleich auch wieder, als Tyler abdrückte und eine Kugel an mir vorbei flog, die sich in die Steinwand schoss. „Hast du noch eine Frage, oder ziehst du es vor, gleich und ahnungslos zu sterben?“, fragte Tyler mich. Seine Gesichtszüge waren hart wie Stein und seine Augen leuchteten eiskalt. Die warmen Gefühle, die ich vorhin noch für ihn verspürte, waren schon wieder verschwunden. „Wieso willst du mich umbringen?“, fragte ich Tyler schließlich. „Weil du mir nun nicht mehr von Nutzen bist. Ich habe dich dazu benötigt, dass du mich an diesen Ort bringst, wo ich eigentlich gehofft hatte, dass sich hier etwas sehr Machtvolles verbirgt. Nun sind wir an unserem Ziel angelangt und der betroffene Gegenstand befindet sich allem Anschein nach nicht mehr hier. Mit anderen Worten: Du und dein dämlicher Kompass sind für mich wertlos.“, erklärte Tyler mir und mit einem Mal, fühlte ich mich so extrem dumm und naiv. Wie konnte ich ihm nur so leicht Vertrauen schenken? Hatte ich nach all der Zeit mit Ken nicht gelernt, dass jeder Mensch auch eine dunkle Seite in sich trägt, die zum Vorschein kommen kann. „Hast du noch eine andere Frage, letzte Worte, Abschiedsgrüße, die ich deinen Freunden ausrichten soll?“ Ich hatte mehr als nur eine Frage, aber keine davon, würde mir in diesem Moment vermutlich das Leben retten. Was sollte ich tun? Mich eiskalt abschießen lassen? Ich müsste meine Freunde vor Tyler warnen, doch dazu müsste ich mich selber erst einmal in Sicherheit wiegen. „Zeit für dich zu gehen, Maxi.“, sagte Tyler mit einem boshaften Lächeln. Er betätigte den Lauf der Pistole und um mich herum lief die Welt in Zeitlupe ab. Mit meinem geistigen Auge konnte ich sprühende Funken aus dem Lauf der Pistole erkennen. Die Kugel, die Tyler gerade abgefeuert hatte, flog zielstrebig auf mich zu. War dies nun wirklich mein Ende? Warum eigentlich nicht? Der Kompass hatte seinen Zweck erfüllt und mich hierher gebracht. Zuvor hab ich noch dafür gesorgt, dass Zack und Leon wieder zusammen kommen und Maria schien es inzwischen auch wieder gut zu ergehen. Alle waren sie glücklich. Dennoch wollte ich mich nicht so einfach geschlagen geben. Ein Versuch der Kugel unbeschadet auszuweichen, erwies sich als unmöglich, doch hatte ich Glück im Unglück und sie traf „nur“ mein rechtes Bein. Die Kugel bohrte sich durch das Bein hindurch, dass sofort zu bluten anfing. Gewaltige Schmerzen durchströmten meinen Körper und lähmten mein rechtes Bein. Ich kippte zur Seite um und stürzte unsanft auf den harten Steinboden. Tyler wirkte zunächst schockiert, dass ich seiner Kugel ein wenig ausweichen konnte, doch dann setzte er ein hämisches Grinsen auf. Seine Augen funkelten tödlich und mir wurde ganz bange ums Herz. Was nun? Ich konnte seiner tödlichen Kugel ausweichen, dass bedeutet, dass ich jetzt nicht aufgeben durfte! „Dein Tod ist unvermeidlich. Du hast ihn lediglich um ein paar Sekunden hinausgezögert, lieber Maxi!“ Wut stieg in mir hoch und drohte überzukochen. Wäre Nick jetzt hier, würde er die Wut mit ein wenig Thymian und ein paar Chilischoten verfeinern. Witze reißen im Angesicht des Todes… Ich lag am Boden und hielt meine rechte Hand gepresst auf das verwundete Bein. Inzwischen tastete ich mit meiner linken Hand den Boden nach etwas ab, was mir entweder zur Abwehr oder als Angriff dienen könnte. Meine Fingerspitzen berührten schließlich einen spitzen, leicht hoch zu hebenden Stein. Ich umgriff den Stein mit meinen Fingern, während Tyler mich noch immer hämisch angrinste. Er war so sehr von seinem „Sieg“ über mich überzeugt, dass er gar nicht mehr auf die Umgebung achtete. Es schien, als wäre er geistesgestört! Nun, nachdem er auf mich schoss, musste ich das ja auch denken… Kurz bevor Tyler seinen dritten Schuss abfeuerte, warf ich den spitzen Stein in meinen Händen. Der Stein traf Tyler mit der spitzen Seite an der Schläfe des Kopfes. Er jaulte vor Schmerz auf und verfluchte und beschimpfte mich. Er war so beschäftigt mit seiner Wunde am Kopf, dass er mich für einen kurzen Moment aus den Augen verlor. Ich nutze die Gelegenheit und sammelte noch einmal all meine Kräfte. Schwer atmend und unter großen Schmerzen stand ich vom Boden auf und flüchtete ins Innere der Höhle. Dies war meine einzige Chance ihm zu entkommen, denn schließlich hatte ich noch immer den Kompass bei mir, der mich hier schon irgendwie sicher rausbringen würde. Ich musste meine Freunde warnen..., doch zu meinem Bedauern war Tyler mir dicht auf den Fersen.
66. Der magische Kompass – Teil 3 Ein qualvoller Schmerz ging durch mein Bein. Ich konnte sehen, wie sich meine blaue Jeans mit dem Blut rot färbte. Momentan konnte ich jedoch nichts tun, außer vor Tyler wegzulaufen. Ich begab mich immer tiefer in das Höhleninnere. Der Weg senkte sich, was bedeutete, dass es bergab ging. Ob mich am Fuße des Berges ein Ausgang erwartete? Wünschenswert wäre es jedenfalls. Dadurch, dass es runter ging, wurde mein verletztes Bein zusätzlich belastet. Es pochte wie wild. Die Dunkelheit bereitete mir keine Angst, dafür keimte in mir die Angst hoch, dass ich diese Höhle vielleicht nicht wieder lebend verlassen werde. In was bin ich hier nur hinein geraten? Warum ich? Eine Frage die mich schon länger beschäftigt. Warum hab ich den Kompass erhalten? Dieselbe Frage stellt sich natürlich auch bei den Anderen. Warum wir? Ich war in meinen Gedanken verloren und wurde unaufmerksam. Da stolperte ich über einen Stein und stürzte bäuchlings zu Boden. Verdammt! Ich hustete einmal kräftig und wirbelte dabei den Staub am Boden auf. Ich öffnete meine Augen, die alles um mich herum nur noch verschwommen wahrnahmen. Vor mir lag der Kompass. Ich streckte meinen rechten Arm nach ihm aus und griff mit meiner Hand danach. Du blödes Ding hast mir das alles hier eingebrockt. Mit meiner Sehkraft ging es langsam zur Neige, was sicher der Verletzung am Bein geschuldet war. Doch meine Ohren funktionierten noch ausgezeichnet. In der Ferne konnte ich Tylers langsame Fußschritte hören. Nochmal verdammt! Wenn er mich in die Finger bekommt, bin ich so gut wie tot. Jetzt reiß dich schon zusammen Max und steh wieder auf. Auf der faulen Haut liegen, kannst du auch noch, wenn du unter der Erde liegst – und ich habe es alles andere als eilig, dorthin zu gelangen. Ich stand vom Boden auf, den Kompass in meiner Hand fest umklammert, und setzte meinen Weg rasch fort. Die Schmerzen in meinem Bein wurden immer unerträglicher und ich humpelte, doch ich versuchte mich zusammen zu reißen. Wie viel Vorsprung ich wohl noch vor Tyler hatte? Ich kam an eine Abzweigung. Links oder Rechts – Wo sollte ich entlang gehen? Einer der Wege konnte schließlich in einer Sackgasse enden… Allerdings hatte ich nun auch die Chance, Tyler in die Irre zu führen und meinen Vorsprung auszubauen. Die Kompassnadel zeigte in die linke Richtung. Ich musste mir also etwas einfallen lassen, dass Tyler den rechten Weg einschlug. Wie intelligent er wohl war…? Die Zeit zum Nachdenken war begrenzt und so band ich mir die Armbanduhr vom Arm und legte sie hinter mir auf den Boden. Dann rannte ich weiter. Wenn Tyler die Armbanduhr findet, dann würde er zunächst denken, dass ich diesen Weg hier einschlug, was zwar stimmte, aber wer verliert schon versehentlich seine Armbanduhr?! Sicher denkt er dann, dass ich sie absichtlich auf diesen Weg legte und in Wirklichkeit den anderen Weg einschlug. Zumindest hoffte ich, dass Tyler so intelligent war und das dachte, aber nicht zu intelligent, dass er hinter den Trick kam. Mir wurde wieder schummrig um die Augen. Ich rannte noch ein Stückchen des Weges, als ich erneut zu einer Abzweigung kam. Verfluchte Schei… was ist das hier eigentlich? So eine Art Labyrinth? Dieses Mal legte ich keine Fährte und hoffte, dass der linke Weg nach wie vor der Richtige war. Ich ging noch etwa fünf Minuten – oder wer weiß wie lange, da ich in keine Uhr mehr zur Hand hatte – als ich mir endlich eine Pause gönnte und mich hinter einer Felsenformation hinsetzte. Meine Augen konnten einfach nicht mehr geradeaus sehen. Ich horchte, doch hörte ich keine Schritte mehr. War mein Trick mit der Armbanduhr womöglich aufgegangen? Hoffentlich! Ich griff mit meiner Hand nach meinem verwundeten Bein. Inzwischen fühlte es sich schon fast taub an, was bestimmt kein gutes Zeichen war. Ich musste die Blutung stoppen. Also riss ich mir von meinem Shirt ein Fetzen ab und band damit mein Bein ab. Das fühlte sich gleich viel besser an. Ich lehnte meinen Kopf zurück und schloss meine Augen. Schweißperlen tropften mir von der Stirn. Was wohl meine Pflegeeltern zu meiner derzeitigen Situation sagen würden. Ich erinnere mich noch sehr gut an meine Teenager-Jahre, als ich mich mit Ken und seinen Leuten herumtrieb und immer wieder zu Drogen griff. Einmal erwischte uns die Polizei uns bei einer dieser – aus heutiger Sicht – dummen Mut-Prüfungen, wie durch einen U-Bahn-Tunnel zu laufen. Ein Polizist begleitete mich schließlich „nach Hause“. Für mich fühlte es sich nie wie mein Zuhause an, denn ich war zunächst in einem Waisenhaus aufgewachsen. Meine Pflegemutter war außer sich vor Wut und gab mir eine saftige Ohrfeige. „Du meine Güte, Max, wie kannst du uns das nur antun?!“, schrie sie mich an. „Wir tun doch alles für dich, damit es dir hier gut geht und du greifst zu Drogen und machst bei solchen dummen Aktionen mit! Willst du als Nächstes etwa im Jugendstrafgefängnis landen?“ Damals blickte ich meine Pflegemutter wütend an. Sie hatte doch keine Ahnung, wie es mir ging. Meine leibliche Mutter hatte mich im Stich gelassen! Sie hatte keine Ahnung, wie sich das anfühlte! Als ich sie jedoch weinen sah, bekam ich Mitleid mit ihr und spürte Reue. Mein Pflegevater sagte schließlich: „Wir machen uns doch nur große Sorgen um dich Max. Wir sind schließlich verantwortlich für dich und du bist für uns, wie unser eigener Sohn. Begreif das doch bitte!“ Die Worte meines Pflegevaters berührten mich sehr, denn noch nie hatte sich jemand Sorgen um mich gemacht. Ken wäre es egal gewesen, wenn ich bei einer der Mut-Prüfungen drauf ging. Ich war ihm egal! „Maaaaaaxiiiii!“ Meine Augen weiteten sich und ich stellte meine Lauscher auf Empfang. Bitte nicht! „Maxi, wo steckst du?!“ Er war es! Tyler war hinter mir her. „Das mit der falschen Fährte war ja eine nette Idee und zuerst bin ich wirklich drauf reingefallen, aber als kleiner Tipp fürs nächste Mal: Verwisch deine Blutspuren, die dein ramponiertes Bein absondern.“ Ich fluchte innerlich und schlug meinen Hinterkopf sachte gegen die Felsenformation. Dann passiertes etwas Unglaubliches! In der Felsenformation schien ein geheimer Schalter versteckt gewesen zu sein. Als ich ihn betätigte – wenn auch durch ein Versehen – öffnete sich ein kleiner Geheimgang, in der Wand mir gegenüber. Dies war wahrhaftig keine gewöhnliche Höhle. Den Geheimgang schickte allerdings der Himmel. Ich blickte vorsichtig hinter der Felsenformation hervor. Tyler war nicht zu sehen. Vielleicht war er noch etwas weiter weg und seine Stimme hallte in der Höhle nur wieder?! Ich kontrollierte meinen Kompass. Die Nadel zeigte zu dem Geheimgang. Vielleicht konnte ich Tyler so endgültig entkommen. Ich riss mich ein letztes Mal zusammen und hievte mich und mein verletztes Bein zu dem Geheimgang. Er war sehr klein, eng und schmal. Hoffentlich passte ich da auch rein. Zudem schien es sehr steil bergab zu gehen, als wäre es eine Art Rutsche. Ich presste vorsichtshalber zuerst meine Beine hinein, als Tyler mich schließlich einholte und vor mir stand. Meine Augen spielten mir wieder einen Streich und ich glaubte Ken vor mir stehen zu haben. „Ich habe dir doch gesagt, dass du mir nicht entkommst!“ Doch Ken war natürlich tot und es war Tyler. Dieser zögerte keine Sekunde und feuerte einen Schuss aus seiner Pistole ab. Ich hatte meine Arme vor mir ausgestreckt und war auf das Schlimmste gefasst, doch die Kugel traf den Kompass in meinen Händen. Der Kompass wurde in tausend Einzelteile gesprengt, die in der Höhle herum flogen. Ich erschrak fürchterlich und hatte keine Zeit dem Kompass hinterher zu trauern, denn da verlor ich den Halt und stürzte in die Tiefe. Über mir schloss sich die Luke zum Geheimgang wieder und ich konnte davon ausgehen, dass Tyler mir nicht mehr folgen konnte. Doch wo fiel ich nun hin? Der Geheimgang entpuppte sich tatsächlich als Rutsche. Irgendwann hatte ich den Duft von frischen Gewürzen in der Nase und es wurde immer wärmer. Lande ich jetzt etwa im Suppentopf der Hölle? Nach einer gefühlten Ewigkeit landete ich auf einem Berg von geschälten Kartoffeln, die in einer Art Vorratskammer lagen. War ich etwa…? Die Tür der Vorratskammer öffnete sich und ein grelles Licht blendete mich. Meine Augen mussten sich erst wieder an das Licht gewöhnen. Eine Frau stand im Türrahmen. „Gisela, ich glaub heute gibt es Kartoffelpüree!“, rief sie, während sie mich verdutzt anstarrte. Eine weitere Frau erschien neben ihr. Beide schienen Köchinnen des Schlosshotels Phönix zu sein. Konnte ich ihnen trauen? Wie bin ich nur wieder hierher geraten? „Na großartig. Sag Sofia, dass es soweit ist und wir dringendst die Zeichnung von Leon benötigen!“, sagte die zweite Frau, während sie mein verwundetes Bein in Augenschein nahm.
Fortsetzung folgt...!
>> Am Ostermontag erscheint kein neues Kapitel von "Der Schattenphönix"! Dafür könnt ihr an Ostermontag meine neuste Märchen-Parodie lesen: Es war einmal ... ganz anders! Am Mittwoch, den 24.April geht es hier dann wieder weiter!
67. Im Zeitstrudel – Teil 1 „Also…, wir wissen jetzt, dass Nick im Jahre 1957 feststeckt und Prinz Phönix nicht mehr unter uns weilt. Doch wie geht es weiter? Was ist unser nächster Schritt?“, fragte David in die Runde, die aus ihm, Bobby, Tobias und dem immer noch reichlich seltsamen Herrn Kinimod bestand. Tobias schwieg zu dem Thema schon eine ganze Weile, also sagte Bobby: „Herr Kinimod, wieso endet dieses Buch mit einem offenen Ende?“ Bobby hielt das Buch in die Höhe, dass Herr Kinimod vor über zwanzig Jahren schrieb und veröffentlichen ließ. „Wieso ein offenes Ende? Die Geschichte rund um den Schattenphönix war an dieser Stelle erzählt. Mehr gab es darüber nicht zu berichten.“, antwortete Herr Kinimod ihm im ruhigen Ton. „Ja aber, was wird aus Nick? Wie können wir ihn wieder zurückholen?“, harkte Bobby weiter nach. „Ihr könnt ihn nicht zurückholen. Es muss ihm aus eigener Kraft gelingen, den Weg in diese Zeit zurück zu finden. Dabei kann ihm keiner von uns helfen.“, erklärte Herr Kinimod. Davids Handy fing zu vibrieren an. Bobby starrte erst zu ihm, dann zu Tobias. „Sag du doch auch mal was dazu.“, meinte Bobby leicht säuerlich, da ihm offensichtlich die Hände gebunden waren. „Was soll ich denn schon groß dazu sagen. Es ist, wie es ist und wir müssen uns damit abfinden. Wie mit so vielen Dingen im Leben…“, sagte Tobias, der Bezug auf Bobbys Gehirntumor nahm. „Das ist keine große Hilfe Tobias.“, erwiderte Bobby betrübt, ehe er sich wieder an David wandte, der seit geraumer Zeit immer mehr Nachrichten erhielt. „Stress mit deiner Freundin, mit Jasmin?“ „Wenn es nur das wäre.“, lachte David spöttisch. „Nein, das ist Nicks Mum. Sie macht sich langsam Sorgen um ihn, weil er nicht an sein Handy geht und auch sonst keine Nachrichten von ihm erhält.“ „Noch mehr Ärger. Das hat uns gerade noch gefehlt.“, sagte Bobby, der sich mit der Hand erschöpft übers Gesicht fuhr. „Wenn sie Wind davon bekommt, was mit ihrem Sohn geschehen ist, wird sie in Rasche geraten und wir sind wirklich bald tot.“ „Hör bitte auf über den Tod zu sprechen, als wäre er bereits hier.“, forderte Tobias Bobby auf. Es klopfte an der Tür. Die Vier warfen sich gegenseitige Blicke zu, ehe David sich dazu durchringen konnte, die Tür aufzumachen. Hätte er sie mal lieber geschlossen gehalten. „H-Herr Blum?!“, stieß er verwirrt aus, als Jasmins Vater in Polizeiuniform vor ihm stand und ihm einen ernsten Blick zu warf. „Hallo David.“, sagte er ohne zu lächeln und betrat auch ungefragt das Zimmer. „Ist Nick etwa gar nicht hier? Lungert er am Pool und guckt den Mädels in den Bikini-Ausschnitt?“ „Ähm… was tun sie hier, Herr Blum?“, fragte David den Vater seiner Freundin nun recht besorgt. „Mich vergewissern, ob hier auch alles in Ordnung ist. Beate, also Nicks Mutter, macht sich große Sorgen um ihren Sohn, da er sie nicht zurückruft. Würdest du mich also bitte zu ihm bringen.“ „Äh… also… ich… äh…“ David fing plötzlich zu stottern an. Was sollte er Herrn Blum sagen? „Jetzt stottere hier nicht so rum Junge, oder ich sag Jasmin, dass sie sich einen richtigen Mann als Freund suchen soll.“ Die letzten Worte verletzten David sehr und ihm war klar, dass die Wahrheit über Nicks Verbleib nun raus musste. Herr Blum fragte nochmals eindringlich: „Wo ist Nick?!“
„Ist das schööön hier.“, sagte ich wie unter Drogen, während um uns herum ein Schwarm von bunten Schmetterlingen vorbeizog. Wir befanden uns gerade mitten im Zeitstrudel – Nicolas, Agathe, Justus, Frau Sauerbach, Sofia und ich. Wir flogen wie Engel durch die Zeit, ohne Boden unter den Füßen und ohne die Sicht auf einen Ausgang. Wo wir wohl landen werden? „Was soll an diesem Insektenvieh schon schön sein?“, erwiderte Nicolas genervt. „Schon klar, dass einer wie Du nichts von wahrer Schönheit versteht.“, meinte Agathe zu ihm. Ganz offensichtlich hatte ich den Sinn für Schönheit von meiner Grandma und nicht von meinem Grandpa. „Wie lange müssen wir denn noch hier herum schwirren?“, fragte Justus die Magierin. „Es tut mir Leid. Die Frage kann ich euch nicht beantworten, da ich selbst noch nie hier gewesen bin.“, antwortete Sofia uns, was ein etwas mulmiges Gefühl in uns allen auslöste. „Ich verliere mit Sicherheit meinen Job, wenn die Schulbehörde erfährt, was hier geschehen ist und was wir hier treiben.“, meinte Frau Sauerbach, die ein wenig zu Schluchzen anfing. „Hey, ich glaube da vorne ist ein Ausgang!“, rief Nicolas auf einmal. „Ja wirklich, ich sehe ihn!“ Er hatte Recht. Vor uns schien sich wirklich ein Ausgang aus diesem Zeitstrudel auf zu tun. Es war eine Tür aus hellem Licht und als wir darauf zuflogen, wurde das Licht immer größer, bis es uns vollständig umschlang und wir nicht mehr geradeaus sehen konnten. Ein Licht am Ende des Zeitstrudels? Als die Sicht wieder klarer wurde und ich meine Augen öffnete, lag ich auf einer grünen Wiese. Über mir strahlte der blaue Himmel, doch zogen gerade dunkle Wolken herauf. „Wo sind wir hier? Sind wir wieder daheim?“, fragte Agathe, die zu meiner rechten lag, während zu meiner linken sich Nicolas und Justus befanden. Ich blickte mich um und wusste sofort, dass wir nicht wieder im Jahre 1957 waren, aber auch nicht im Jahre 2017… Mich beschlich ein ungutes Gefühl. „Pssst, hey hier rüber!“, zischte Sofia, die sich mit Frau Sauerbach hinter einem Wohnwagen versteckte. Ich zog es vor, dasselbe zu tun. Wir befanden uns nämlich auf dem Zeltplatz des Zirkus Graziano und ich hatte keine Lust meinem Ex-Freund Sam über den Weg zu laufen. In welchem Jahr wir uns wohl gerade befanden? 2015? Das Jahr in dem ich Sam kennen lernte? „Seht mal, da sind Kinder!“, sagte Agathe. Ein Mädchen mit rotbraunem Haar spielte mit einem Springseil, während ihr kleiner Bruder, ebenfalls mit rotbraunem Haar, ihr dabei interessiert zusah. Eine hochschwangere Frau kam aus dem Wohnwagen heraus und rief dem Mädchen zu: „Alice, das Essen ist gleich fertig, bring deinen kleinen Bruder mit rein und wascht euch bitte die Hände.“ „Liebling, du sollst dich doch schonen. Ich kümmere mich um die Kinder.“, sagte ein Mann, der hinzu kam. Ich hielt es fast für unmöglich – Sams Eltern, und das ungeborene Baby war bestimmt Sam! „Ah Antonio, genau der Mann den ich gesucht habe!“, rief eine Stimme und Giovanni Graziano kam aus einem Schatten heraus auf den Wohnwagen der Colei Familie zugelaufen. „Sie sind doch ein verheirateter Mann, mit zwei Kindern und ein weiteres ist bereits unterwegs, da wollte ich sie fragen, ob sie mir nicht eventuell ein paar Tipps geben können… streng vertraulich, versteht sich.“ Antonio Colei setzte ein Lächeln im Gesicht auf, das ich noch allzu gut von Sam kannte. Es war ein Lächeln, das Kummer und Sorgen vertrieb. „Haben sie etwa endlich eine Frau kennen gelernt?“ „Das ist nicht witzig Antonio!“, entgegnete Giovanni aufbrausend, aber nicht nachtragend. Während die beiden Männer sich über eine Frau unterhielten – und ich glaubte genau zu wissen, um wen es sich dabei handelte – beratschlagten wir anderen uns, wie wir nun weiter vorgehen sollten. „Sitzen wir jetzt etwa in dieser Zeit fest?“, fragte Justus in die Runde. „In welchem Jahr befinden wir uns denn überhaupt?“, fragte Nicolas. Ich fing an im Kopf zu rechnen. Sam war noch nicht geboren, das bedeutete… „1997! Wir dürften jetzt das Jahr 1997 haben.“, berichtete ich den Anderen. Anhand der roten Blätter an den Bäumen, mutmaßte ich, dass wir gerade Herbst hatten und ich vor kurzem zur Welt kam. Wie uncool… „Macht euch keine Sorgen, wir kommen hier wieder weg, sobald wir den Zeitstrudel gefunden haben.“, sagte Sofia zu uns, als plötzlich ein Mann hinter uns stand, den ich ebenfalls kannte. Der Mann war blind, zumindest schien es in dieser Zeit noch so gewesen zu sein. Es war Lorenzo!
68. Im Zeitstrudel – Teil 2 Blieb mir denn gar nichts erspart? Musste uns ausgerechnet Lorenzo über den Weg laufen? „Wer ist das?“, fragte Agathe, die den blinden Mann leicht angewidert anstarrte. „W-Wer ist da?“, fragte Lorenzo ängstlich. Er war wirklich blind! „Der Zirkuszeltplatz ist für Unbefugte strengstens verboten. Verschwindet, oder ich rufe die Polizei!“ „Wir wollen keinen Ärger Mister.“, versuchte Frau Sauerbach ihm zu erklären. „Wir sollten wirklich von hier verschwinden.“, meinte ich, da mir in Lorenzos Gegenwart ganz mulmig zumute wurde. Auf einmal krachte es gewaltig am Horizont. Die dunklen Wolken verdichteten sich und es begann zu donnern. Ein mächtiger Wind zog auf und wehte haltlose Gegenstände davon. „Warum spielt denn das Wetter jetzt so verrückt?!“, rief Agathe uns fragend zu. Ich blickte zu dem Gewitter empor und weitete meine Augen, als ein dunkler Schatten sich zu einer Art Tornado formte und auf uns zugeschossen kam. „Lauft, lauft so schnell ihr könnt!“, schrie ich den Anderen zu. Ich musste das nicht zweimal sagen, denn alle sahen die drohende Gefahr kommen. Das heißt, alle außer Lorenzo! Völlig verwirrt stand der arme Mann da und wusste nicht, was um ihn herum geschah. Da traf ihn der Schatten und ich durfte mit eigenen Augen mit ansehen, wie das Böse Besitz von ihm übernahm. So war das also. Nun kannte ich den Grund für unser Hiersein. Wir rannten über den Zirkuszeltplatz und suchten verzweifelt nach dem Zeitstrudel, während Seraphiel die Kontrolle über Lorenzo nahm und Jagd auf uns machte. „Vorsicht!“, rief Nicolas Agathe zu, als ein Eimer von dem Sturm durch die Luft gewirbelt wurde und auf sie zuflog. Er packte Agathe von hinten und zog sie schnell zur Seite. Sie landeten aufeinander im Gras, was für einen kurzen peinlichen Moment sorgte. Justus starrte die Beiden völlig entgeistert an. „Wenn wir nicht bald den Zeitstrudel finden, dann sind wir alle tot!“, rief Sofia uns in dem Sturm zu. Ich schaute mich um, doch von einem Zeitstrudel war leider nichts zu sehen. Dafür kam Seraphiel, in Gestalt von Lorenzo, langsam auf uns zu. Er öffnete seinen Mund und stieß einen Feuerstrahl aus. Ich sprang zur Seite und landete in der Zirkuszeltplane. „Schnell, alle ins Zirkuszelt!“, rief ich den Anderen zu, immer auf der Hut vor Seraphiels gefährlichen Angriffen. Frau Sauerbach war die Erste, die im Zirkuszelt ankam. Ganz unerwartet blieb sie mitten in der Manege stehen und starrte zur Zirkuszeltdecke hinauf. „Da oben ist der Zeitstrudel!“, rief sie uns zu. Völlig überrascht, aber erfreut und erleichtert blickte ich ebenfalls nach oben. Der Zeitstrudel schwebte quasi mitten in der Luft und war nur durch die zwei angebrachten Trapeze erreichbar. „Also mich bringen keine zehn Pferde da rauf. Ohne mich!“, sagte Frau Sauerbach kopfschüttelnd. „Na schön, dann bleiben sie eben hier und lassen sich schön knusprig braten.“, entgegnete ich gleichgültig und rannte anschließend auf die Leiter zu, die an einem Mast angebracht war. Sofia, Justus, Agathe und Nicolas folgten mir bedingungslos und auch Frau Sauerbach entschloss sich letztendlich dazu, als Lorenzo das Zirkuszelt betrat und sie heimtückisch anstarrte. Als ich das Trapez in der Hand hielt, musste ich an meine Zirkusvorstellung vor fast drei Jahren zurückdenken. Damals sprangen David, Jasmin und ich bei einer Vorstellung als Clowns ein. Ich wünschte fast, ich hätte mir von Sam ein paar Trapezkunststücke zeigen lassen, denn nun stand ich hier und machte mir fast in die Hose! „Los jetzt!“, rief Nicolas mir zu und gab mir einen leichten Schubser. Mit einem Mal schwebte ich am Trapez hängend durch die Lüfte, auf den Zeitstrudel zu. Ich traf mitten ins Schwarze und alles um mich herum drehte sich. Ich war gerettet und hoffte inständig, dass es auch den Anderen gelang. Na hoffentlich landete ich jetzt wieder in meiner Zeit!
Als ich die Augen öffnete, lag ich in einem Bett. Doch es war nicht irgendein Bett, sondern mein Bett, dass bei mir Zuhause im Dachgeschoss stand. Ich war wieder Zuhause! Ich war wirklich wieder Zuhause! Ich konnte mein Glück kaum fassen und lächelte vor Freude. Ich schaute aus dem Fenster. Es war ein wunderschöner Sommertag. Ob die Anderen auch wieder in ihrer Zeit waren? Ich setzte mich wieder auf mein Bett und grübelte über die letzten Ereignisse scharf nach, als mein Blick auf eine Zeitschrift fiel, die auf meinem Nachtkästchen lag – „Gay-Playboy“… Ausgabe Juni 2015! „Fuck!“, stieß ich entsetzt aus. Normalerweise nehme ich solche Wörter nicht in den Mund, doch ein anderes Wort fiel mir aktuell nicht ein. Ich hörte Schritte die Treppe rauf kommen und bekam es mit der Panik zu tun. Ich handelte überstürzt, warf die Zeitschrift zu Boden und versteckte mich hinter der Tür. Wie bescheuert war das denn bitte? Jetzt verstecke ich mich schon in meinem eigenen Zimmer…, aber in Anbetracht der Tatsache, was da gleich zur Tür rein kam… Die Zimmertür ging auf und mir fielen die Augäpfel aus dem Kopf. Jetzt bloß keinen Mucks machen. „Ich treffe mich mit David später im Park.“, sagte meine eigene Stimme… Es war mein vergangenes Ich. 2015, also vor genau zwei Jahren und damals war ich zusammen mit… „Tut mir Leid, aber ich werde wohl nicht mitkommen.“, sagte Sam, der die Zeitschrift vom Boden aufhob und sich anschließend aufs Bett warf. Mein vergangenes Ich legte sich dazu und die Beiden kuschelten miteinander. Mir blieb die Zunge im Halse stecken. Wie abgedreht war das denn bitte?! Ich musste hier raus und zwar sofort! Sam und ich… also ich meine vergangenes Ich – Hilfe, ist das verwirrend – küssten sich leidenschaftlich und ich nutzte die Gelegenheit um mich heimlich aus dem Zimmer zu schleichen. Das ging gerade noch einmal gut, dachte ich mir, nachdem ich die Tür hinter mir schloss und leise die Treppe in den ersten Stock runter schlich. Ich stand noch völlig neben mir, als mir im Gang meine Mutter über den Weg lief. Stocksteif stand ich da. Sie hatte zum Glück zwar keine Ahnung, dass ich nicht ihr gegenwärtiger Sohn war, aber als sie meine in Mitleidenschaft geratene Kleidung sah, kam sie nicht umhin zu fragen: „Was ist denn mit dir geschehen? Woher hast du diese Kleidung und wer hat dich so zugerichtet?“ „Äh… also ich… äh…“, brachte ich lediglich stotternd heraus. „So nehme ich dich jedenfalls nicht mit in den Park. Jetzt zieh dich schon um. Na hopp!“, sagte sie, ehe sie die Treppe in den Erdgeschoss runtermarschierte und ich ihr wie versteinert hinterher blickte. Ich stand vor der Badezimmertür, als mich zwei Arme von hinten an den Schultern packten und mich ins Badezimmer hinein zogen. Da standen sie alle: Nicolas, Agathe, Justus, Frau Sauerbach und Sofia! „Sind wir hier etwa bei dir Zuhause?“, fragte Nicolas mich entgeistert. „Ja, allerdings ist das hier das Jahr 2015 und ich stamme aus dem Jahr 2017.“, erklärte ich ihnen, nachdem ich langsam wieder an Fassung gewann. „Na ganz toll! Jetzt verstecken wir uns schon in einem Badezimmer.“, beschwerte Agathe sich. „Hey, mich würde es interessieren, was in der Zukunft aus mir geworden ist.“, sagte Justus erfreut. „Auf gar keinen Fall!“, entgegnete Sofia. „Wollt ihr einen Super-GAU heraufbeschwören? Euch ist wohl gar nicht bewusst, in welcher misslichen Lage wir uns befinden.“ „Jetzt beruhigen sie sich doch bitte.“, sagte Frau Sauerbach feinfühlig zu ihr. „Es sind eben doch noch Kinder. Ich würde hier wahrscheinlich sowieso nur noch meinen Grabstein vorfinden. Ich glaube nämlich kaum das ich…“ Frau Sauerbach fing im Kopf zu rechnen an „…95 Jahre alt wurde!“ „Nicolas!“, rief eine Stimme aus dem Gang und nun machte ich mir tatsächlich in die Hosen. Ich glaubte gleich in Ohnmacht zu fallen. „Nicolas, ich muss mit dir reden!“, rief die Stimme im Gang. „Also schön Ulrike, dann lass uns aber bitte in dein Zimmer gehen, wo uns keiner hört.“, sagte mein Großvater. Der junge Nicolas starrte mich mit großen Augen an und war kurz vor einem Herzinfarkt.
69. Im Zeitstrudel – Teil 3 Nicolas starrte mich mit großen Augen an und ich konnte mir in keiner Weise vorstellen, wie er sich gerade fühlte. Auch Frau Sauerbach stand wie versteinert da und war so sprachlos, wie in ihrem ganzen Leben noch nicht. Aber auch mich traf es völlig unerwartet, dass sich die Kunstlehrerin als Oma Forster herausstellte. Ihren Namen hat mir Oma Forster schließlich nie verraten und ich hab ihn lediglich einmal auf ihrem Grabstein gelesen. Gab ja zu ihrer Zeit bestimmt viele Ulrikes… „Jetzt ist es passiert. Das ist der absolute Super-GAU!“, stieß Sofia völlig entsetzt aus. „Ich wohne hier...“, sagte Nicolas, bei dem es im Hirn ganz langsam Klick Klack machte. „Ich heiße Nicolas, du heißt Dominik, zwei fast identische Namen… mit anderen Worten ich bin dein…“ „…Großvater. Du bist mein Großvater.“, beendete ich seinen Satz und sprach das aus, was allen im Raum allmählich klar wurde. „Und die Oma die da draußen so laut rum plärrte, war Frau Sauerbach!“ „Ich glaub mir wird schwindlig.“, sagte Frau Sauerbach schockiert und ließ sich auf den Klodeckel nieder. Agathe stand ihr ein wenig bei und wedelte mit ihrer Hand, damit die gute Frau Luft bekam. „Wartet hier kurz.“, sagte ich schließlich und öffnete die Badezimmertür. Die Anderen hinderten mich nicht daran, zu schockiert und überrascht waren sie noch von den aktuellen Offenbarungen. Ich ging auf leisen Sohlen zu Oma Forsters Zimmer und lauschte an derer Tür. „Jetzt beruhige dich doch erst einmal.“, sagte mein Großvater zu Oma Forster, die in ihrem Zimmer hin und her rannte. „Wie soll ich denn ruhig bleiben, bei der bevorstehenden Sonnenfinsternis. Wir wissen doch noch nicht einmal, was uns dieses Mal erwartet, oder leidest du an Alzheimer und hast die Ereignisse vor 58 Jahren schon wieder vergessen?!“, entgegnete Oma Forster aufgebracht. „Seit Monaten bewachen wir nun schon deinen Enkel, ich bin sogar hier eingezogen, damit wir Beide ein Auge auf ihn werfen konnten und was ist geschehen? Sein Vater ist tot und sein Freund lag im Koma!“ „Das ich meinen Sohn in der Bank deines Schwiegersohnes einschleuse, damit sie sich kennen lernen, war schon ein kluger Schachzug von dir, aber was den Rest anbelangt, davon hatten wir trotz unserer Zeitreise keine Erkenntnis. Woher auch? Der zukünftige Nick hat uns leider nichts davon erzählt!“ „War schon gut so, oder willst du das Gleichgewicht völlig durcheinander bringen?!“, erwiderte Oma Forster mit verschränkten Armen. „Ist sowieso schon das reinste Chaos. Nachdem wir nach der Zeitreise endlich wieder im Jahr 1957 waren, musste ich meinen Job an den Nagel hängen und alle Welt hielt mich für ein verrücktes Weibsstück. Irgendwann war es dann für mich leichter, wirklich so zu tun, als wäre ich eine total durchgeknallte und verrückte Frau.“ „Aber du warst auch echt cool.“, fügte mein Großvater schwärmend hinzu. „Du alter Schmeichler.“, kicherte Oma Forster. „Du hast mir in früheren Zeiten schon immer Komplimente gemacht. Damals hast du sogar noch mit mir geflirtet, trotz meines hohen Alters.“ „Du warst eben ein verdammt heißer Feger.“, meinte mein Großvater lächelnd. „Jetzt hör schon auf und überleg lieber, was wir mit Nick anstellen.“, sagte Oma Forster schließlich. Ich hörte eine Tür im Dachgeschoss zuknallen und eilte schnell ins Badezimmer zurück. Mein vergangenes Ich kam herunter und nun war er es, der an der Tür der Beiden lauschte und noch die Bruchstücke mitbekam, die ich damals hörte, kurz bevor wir in den Park gingen. Eine Hand tippte mir von hinten auf die Schulter und als ich mich umdrehte, stand Nicolas mir ganz nah, als wollte er überprüfen, ob ich auch wirklich real war. „Können wir bitte endlich von hier verschwinden!“, jammerte Agathe herum, nachdem sie sich im Spiegel kurz bewunderte. „Wenn wir nur wüssten, wo sich hier der Zeitstrudel befindet.“, meinte Sofia ratlos. Nicolas sprach zwar vorübergehend kein Wort mehr mit mir, dafür fand er aber langsam wieder zu seiner alten Form zurück. „Ja, wir sollten den Zeitstrudel möglichst schnell finden, denn ich muss dringend mal aufs Klo und in eurer Gegenwart wäre mir das doch ein wenig unangenehm.“ Agathe verdrehte angeekelt die Augen, Justus musste kurz lachen und mir ging ein Licht auf. „Natürlich!“, stieß ich aus und ging auf Frau Sauerbach zu, die noch immer fassungslos auf der Kloschüssel saß. „Dürfte ich bitten.“, sagte ich nun wesentlich freundlicher zu ihr, nachdem ich wusste wer sie in der Zukunft war. Frau Sauerbach stand verwirrt auf und ich hob den Klodeckel hoch. „Ha, hab ich es doch geahnt!“ In der Kloschüssel befand sich der Zeitstrudel! „Das ist jetzt nicht euer Ernst oder?“, fragte Agathe angewidert. Sie blickte reihum und wusste, dass es sich hierbei um keinen Scherz handelte. „Oh Mann, es ist euer Ernst, aber wisst ihr was, ich will hier wieder weg, also spring ich als Erste. Gut, dass ich mein Parfüm in der Handtasche dabei habe.“ Agathe sprang mutig in die Kloschüssel und schrumpfte dabei auf Zwergengröße, damit sie auch dort hinein passte. Durch diese Aktion verdiente sie sich meinen Respekt und ich sah meine zukünftige Großmutter erstmalig in einem anderen Licht. Nicolas, Sofia und Frau Sauerbach sprangen ihr teils erfreut, teils weniger erfreut hinterher. Ich wollte Justus den Vortritt lassen, doch hielt mich dieser zurück, als er mir seine Hand auf die Brust legte. „Nur ganz kurz. Da du quasi der zukünftige Enkel von Nicolas bist…, hänge ich in dieser Zeit viel mit Nicolas, also deinem Großvater, rum?“ Ich starrte Justus verwirrt und skeptisch an. Wieso wollte er das wissen? Doch egal, ich konnte ihm nur eine Antwort darauf geben: „Tut mir Leid, aber je weniger du weißt, desto besser ist es für die Gegenwart, die Vergangenheit und die Zukunft.“ Justus blickte mich enttäuscht an und ich klopfte ihm auf die Schulter. Dann sprang ich den Anderen in die Kloschüssel hinterher.
Ich hasste diesen Zeitstrudel. Immer drehte sich alles um mich herum und die bunten Schmetterlinge trieben mich in den Wahnsinn! Zum Glück bot sich schon bald ein neuer Ausgang, doch in welchem Jahr landeten wir dieses Mal? „Der Mystic-Shop ist fortan für jeden wohlgesinnten Menschen eröffnet!“, rief die Stimme meines Großvaters im Jahre 1970. Ich will endlich wieder nach Hause, verdammt noch mal! Es war ein riesiger Tumult auf der Straße, da heute ein Stadtfest stattfand. „Bitte tretet ein, meine Herrschaften und bestaunt die wundersamen Antiquitäten aus aller Welt!“, rief mein Großvater den Leuten zu. „Na toll, das bin ja schon wieder ich.“, beschwerte Nicolas sich. „Wie alt bin ich? Neunundzwanzig?“ „Dreißig, aber rechnen war noch nie deine Stärke.“, sagte Agathe, die ihn damit aufzog. „Haben sie keine Scheu und betreten sie den wundersamen Mystic-Shop!“, rief mein Großvater weiterhin durch die Menschenmenge, doch nur wenige Leute schenkten ihm Beachtung. „Nicolas, vielleicht sollte eine weibliche Hand das Ganze nun übernehmen.“, sagte eine Frau, die soeben aus dem Laden trat. Es war meine Großmutter und mein Blick wanderte automatisch rüber zu Agathe, der die Kinnlade auf einmal bis zum Boden fiel. Auch Nicolas war geschockt. „Äh… ja… sieht ganz so aus, als hättet ihr beiden Süßen geheiratet.“, sagte Frau Sauerbach, während Justus hinter ihr stand und über irgendetwas sehr traurig zu sein schien.
70. Im Zeitstrudel – Teil 4 Agathe erfuhr zwar gerade, dass sie meine zukünftige Großmutter und somit die zukünftige Ehefrau von Nicolas wird, aber ist das ein Grund, gleich einen hysterischen Anfall zu bekommen? Okay, das ist ein Grund, aber nicht Grund genug, mir mein linkes Ohr tot zu schreien. Der arme Nicolas bekam ihren Wutausbruch ebenfalls zu spüren. „Niemals! Nie und nimmer werde ich dich heiraten! Nicht für alles Geld auf dieser Welt!“, schrie Agathe Nicolas an, der nun völlig neben der Spur zu sein schien und kein Wort mehr aus sich herausbrachte. Der arme Kerl tat mir fast schon Leid, aber ich konnte ja nicht ahnen, dass diese Zeitreise für so viel Zündstoff sorgte. Auch Justus war nicht mehr in der Lage klar zu denken. Völlig deprimiert hielt er sich im Hintergrund zurück. Zu allem Übel war auch noch Sofia auf mich wütend. „Das ist das reinste Chaos. Weißt du was du angerichtet hast? Du könntest die Vergangenheit, die Gegenwart und die Zukunft damit negativ beeinflusst haben. Wenn du Pech hast, wirst du nun noch nicht einmal geboren!“ „Aber das ist doch nicht meine Schuld.“, verteidigte ich mich. „Guten Tag die Herrschaften.“, mischte sich eine Stimme in unser Gespräch ein und als ich mich umdrehte, stand mein dreißigjähriger Großvater vor mir, der uns freudig anlächelte. „Wollt ihr vielleicht meinen Mystic-Shop bestaunen. Ich hab dort sehr viele interessante Antiquitäten.“ Mein Großvater sprach und alle wurden mit einem Mal stumm. Nicolas und Agathe schauten dumm aus der Wäsche, aber ich zog ebenfalls kein besseres Gesicht. „Ich würde mir den Laden sehr gerne einmal ansehen.“, meldete sich Justus plötzlich zu Wort, was mir ein wenig komisch vorkam. Er marschierte an uns allen vorbei und betrat den Mystic-Shop. Frau Sauerbach und Sofia folgten ihm. Mein Großvater lächelte mich unterdessen noch immer an und sagte: „Wir bieten auch Tee und Gebäck an. Meine Frau backt vorzüglich!“ Nicolas und Agathe standen mit offenen Mündern da und ich beschloss, den Anderen in den Laden zu folgen. Hier draußen herum zu stehen half uns letztlich auch nicht weiter und je schneller wir den Zeitstrudel fanden, desto schneller kamen wir hier weg. „Glauben sie, dass der Zeitstrudel sich in diesem Laden befindet?“, fragte Frau Sauerbach Sofia, während sie eine Holzschatulle begutachtete, in der sich die magischen Kunstutensilien befanden. „Ich glaube es zwar nicht, aber ich weiß es.“, antwortete Justus ihr schließlich, während er einen Kompass in der Hand hielt und ihn kurz darauf auch Nicolas und Agathe zeigte, die endlich dazu bereit waren, sich zusammen zu reißen und uns auf der Suche nach dem Zeitstrudel halfen. „Ist ganz schön bizarr nicht wahr?“, flüsterte mir die Stimme meines Großvaters ins Ohr. Ich drehte mich zu ihm um und blickte in sein jüngeres Gesicht. „Hab keine Angst Nick, auch wenn deine pubertierenden Großeltern sich gerade alles andere als lieben, so werden sie durch diese und noch kommende Erlebnisse zueinander finden. Ich muss es schließlich wissen.“ Mein Großvater lächelte mich schulterzuckend an. Er wusste genau wer ich war…, schließlich lernte er mich vor dreizehn Jahren im Zeltlager kennen und das Amulett hing ihm ebenfalls um den Hals. „Hat das hier alles keinen Einfluss auf die verschiedenen Zeitebenen?“, fragte ich ihn besorgt. „Nick, du bist gerade einmal neunzehn Jahre alt und solltest dir nicht so viele Gedanken darüber machen. Zeitreisen sind sehr komplex und du bekommst davon nur graue Haare.“ „Kannst du mir dann vielleicht wenigstens verraten, wo sich der Zeitstrudel befindet? Doch hoffentlich nicht wieder in einer Kloschüssel.“ Mein Großvater lächelte mich pausenlos an und deutete mit seinem Kopf auf den alten Wandschrank. „Danke.“, sagte ich nun ebenfalls lächelnd. „Ich werde aufpassen, dass euch keiner dabei zusieht, wie ihr in den Schrank klettert und einfach spurlos verschwindet.“, sagte mein Großvater und er ließ mich mit den Anderen allein. Ich erklärte ihnen die Sachlage und wir stiegen alle nacheinander in den Wandschrank. Nicolas und Agathe konnte es gar nicht schnell genug gehen, von hier weg zu kommen und so waren Justus und ich wieder die Letzten. Bezüglich Justus hegte ich inzwischen eine Theorie: „Du Justus…, kann es vielleicht sein, dass du in meinen Großvater, also ich meine Nicolas, verliebt bist?“ Justus stand mit dem Rücken zu mir und hielt sich am Wandschrank fest. Mir war auch ohne eine Antwort klar, dass ich ins Schwarze traf. Ich fragte mich langsam, was später mit ihm geschah. Warum hab ich noch nie von ihm zuvor gehört? Mein Großvater hat nie von ihm gesprochen! Justus und ich tauschten lediglich ein paar traurige und mitleidige Blicke aus, ehe wir wieder Opfer des Zeitstrudels wurden. Als wir weg waren, verschwand der Zeitstrudel im Wandschrank wieder und an derselben Stelle tauchte ein prachtvolles Schwert auf, das auch bereits zuvor da hing.
Ich hatte wirklich gehofft, dass ich dieses Mal wieder im Jahre 2017 landen würde. Naja… knapp vorbei ist leider auch vorbei. Es war Weihnachten 2015. Genau ein Jahr war nun vergangen, als Sebastian, der Sohn des Bürgermeisters, Marcus anfuhr, der daraufhin im Koma landete. Als er zwei Monate später wieder zu sich kam, konnte er seine Beine nicht mehr bewegen und landete im Rollstuhl. Doch bei der Sonnenfinsternis im Juni 2015 rührten sich seine Beine erstmals wieder und Marcus Ehrgeiz war geweckt. Er hatte einen Traum: Er wollte Profi-Schwimmer werden und das um jeden Preis! Es war ein recht warmes Winterfest, ja fast schon frühlingshaft. Schnee war weit und breit nicht in Sicht. Statt einem Tannenbaum, hätten wir uns genauso gut eine Palme ins Wohnzimmer stellen können. Uns Zeitreisenden kam das warme Wetter allerdings sehr gelegen, da wir mit unseren Sommer-Outfits doch ein wenig gefroren hätten, in einem eiskalten Winter. Wir waren wieder bei mir Zuhause gelandet. Als wir unsere Augen öffneten lagen alle auf dem unbequemen Holzboden meines Dachgeschoss-Zimmers – nur Nicolas lag bequem in meinem Bett. Als wir mehrere Schritte die Treppe herauf kommen hörten, mussten wir uns alle schnell verstecken, um nicht noch mehr Verwirrung zu stiften. Sofia und Frau Sauerbach quetschten sich zusammen in den großen Kleiderschrank, der fast leer war, da meine meiste Wäsche im Zimmer verstreut herum lag. Nicolas, Agathe und Justus versteckten sich unter dem großen Bett, wo ich glaube ich seit einem halben Jahr nicht mehr rausgewischt habe. Alle Verstecke waren besetzt und ich blieb noch übrig. Ich hatte also keine andere Wahl. Ich ging zum Fenster, öffnete es und ließ mich vom Fenstersims runterbaumeln. Die Stellung war alles andere als bequem, aber immerhin hatte ich es noch rechtzeitig geschafft, ehe mein vergangenes Ich, zusammen mit meinen Freunden David und Jasmin, zur Tür reingeschneit kam und sich auf das große Bett niederließen. „Jetzt ließ schon vor, was in dem Brief steht, den dir Marcus geschrieben hat.“, sagte Jasmin vorlaut. „Jetzt hetz ihn doch nicht so.“, meinte David zu ihr. „Es ist schließlich sein Weihnachtsgeschenk!“ „Ruhe jetzt, alle Beide!“, rief mein vergangenes Ich und begann den Brief laut vor zu lesen. Mich überkamen die Erinnerungen an diesen Tag und mir wurde bange ums Herz.
71. Im Zeitstrudel – Teil 5 Mein vergangenes Ich saß umringt von David und Jasmin auf dem Bett und las ihnen den Brief vor, den Marcus ihm schrieb. Dabei kam es einem vor, als hallte Marcus sanfte Stimme im Raum wieder. „Lieber Nick. Ich hoffe du verzeihst mir, dass es sich bei deinem Weihnachtsgeschenk lediglich um einen albernen, nostalgischen Brief handelt. Nicht, weil mir nichts Besseres einfiel was ich dir schenken könnte, sondern weil ich es für das richtige und passende Geschenk hielt. Wir kennen uns nun schon seit über zwei Jahren und lange Zeit waren wir eine Herz und eine Seele, bis ich es mir allerdings mit einer dummen Aktion bei dir verscherzte. Ich werde den Tag nie vergessen, als du Tollpatsch ins Schwimmbecken fielst und ich dich unter Einsatz meines Lebens wieder herauszog…“ „Unter Einsatz seines Lebens?“ David lachte spöttisch auf, doch Jasmin zischte ihn sofort an, dass er ruhig sein solle, damit Nick weiter vorlesen konnte. „Als du deine Augen wieder öffnetest und mich ansahst, stellte das meine Welt komplett auf den Kopf und ich bin sehr froh darüber. Du warst meine erste große Liebe und bisher auch die Einzige! Auch wenn ich mich oftmals daneben benahm und dir sogar das Herz brach, so waren meine Gefühle für dich immer echt und von reiner Natur. In jeder Sekunde meines Lebens bereue ich meine Taten und wenn ich in der Zeit zurück reisen könnte, dann würde ich diese Taten ungeschehen machen…“ Na so ein Zufall aber auch… ich bin in der Zeit zurückgereist und darf so rein gar nichts ändern. „In diesem Jahr hast du schwere Verluste hinnehmen müssen und ich hab versucht, so gut wie es mir eben nur möglich war, jederzeit für dich da zu sein. Nicht aus Reue, oder Schuldgefühlen, sondern weil ich dich immer noch über alle Maßen liebe. Ich liebe dich so sehr Nick, wie du es dir nicht einmal im Traum vorstellen kannst. Für mich leuchtest du heller als jeder Stern, du bist für mich ein Engel in Menschengestalt und jeder Tag ohne dich, kommt mir so verloren und einsam vor. Ich wünschte du wärst bei mir und ich könnte jeden Tag bei dir sein, doch batst du mich um Geduld und um Zeit, die ich dir auch schuldig war und dir gern gewährte. Doch nun ist die Zeit gekommen, an der ich einfach nicht mehr warten kann und eine Entscheidung zu treffen habe…“ Nick hielt beim Lesen kurz inne. Ich wusste noch genau, wie ich mich beim Lesen dieses Briefes damals fühlte. Es war ein emotionaler Augenblick und ich erkannte, wie sehr ich Marcus wirklich liebte. „Nachdem ich meine Beine nun fast wieder vollständig bewegen kann – Ausnahmen bestätigen die Regel, denn hin und wieder torkle ich rum wie ein Betrunkener und fall auf die Nase wie ein kleines Baby, aber das ist dir ja bekannt, denn diesbezüglich lässt du keine Gelegenheit aus mich herzhaft dabei auszulachen – bekam ich ein einmaliges Angebot mich wieder meinem großen Traum zu widmen. Ich wurde als Teilnehmer eines Kurses registriert, der mir nicht nur dabei hilft, wieder Kraft in meinen Beinen zu erlangen, sondern es mir auch ermöglicht, meinem Traum in die Realität umzusetzen. Meinem Traum von einer Profischwimmer-Karriere! Leider findet dieser Kurs am anderen Ende von Deutschland statt und ich stand vor einer sehr schweren Entscheidung. Sollte ich mich für meinen Traum, oder für mein Herz entscheiden? Es war eine einmalige Chance für mich. Doch wie könnte ich mich nur gegen mein Herz entscheiden, wo ich dich doch so sehr liebe und dich keinesfalls alleine lassen möchte. Ich grübelte intensiv darüber nach und mir wurde bewusst, dass du gar nicht alleine bist. Du hast deine Freunde, David und Jasmin, du hast deine Mutter, deinen Großvater und deinen kleinen Bruder. Du bist nicht alleine und egal wie weit ich auch entfernt sein mag, so würde ich doch immer bei dir sein.“ „Mo-Moment mal, ist das etwa ein Abschiedsbrief?“, fragte Jasmin plötzlich erschüttert. „Brrr… mir ist auf einmal so kalt. Wieso ist eigentlich das Fenster offen?“, fragte David und meine Augen weiteten sich. Bitte nicht Zwerg Nase. Hau jetzt bitte nicht das Fenster zu! Obwohl…, wenn mir meine Erinnerungen keinen Streich spielten, dann war es bei mir damals auch offen… David machte das Fenster zu und ich fluchte innerlich. Wenigstens sah er mich hier nicht runterbaumeln. Doch dafür wurde ich anderweitig entdeckt! „Hey Nick, sind das neue Turnübungen?!“, fragte mich eine Stimme laut von unten. Ich blickte vorsichtig hinunter und erspähte an unserem Gartenzaun die Hansen-Zwillinge Michael und Patrick. Es war Michael der zu mir rauf gerufen hatte. Beide grinsten mich fröhlich an, während ich mir nun eine plausible Antwort einfallen lassen durfte. Plausible Antwort… dass ich nicht lache… „Habt ihr Beide nichts Besseres zu tun, als mich hier zu begaffen?!“, fragte ich die Zwillinge und hoffte, dass mich sonst keiner hörte. „Eigentlich wollten wir in den Zoo und Affen bestaunen, aber ich glaube, dass wir unser Geld dafür sparen können…“, antwortete Patrick mir frech grinsend und ich grummelte. „Nein Spaß, wir sind gleich wieder weg. Unsere Eltern kommen gleich und wir fahren unsere Großeltern besuchen.“ Während ich den Beiden viel Spaß wünschte und sie sich dann kurz darauf auch auf den Weg machten, hing ich hier noch weiter rum. Langsam verließ mich meine Kraft und ich hatte schon die Befürchtung gleich abzustürzen, als sich das Fenster wieder öffnete und mir Nicolas seinen Kopf zu mir herausstreckte. „Na, du hängst da ja noch immer wie ein Affe. Macht´s Spaß?!“ „Sehr witzig.“, erwiderte ich. „Zieht mich schon rein!“ Nicolas und Justus zogen mich gemeinsam ins Zimmer zurück, dass mein vergangenes Ich, Jasmin und David inzwischen wieder verlassen hatten. Ich hörte die Haustür ins Schloss fallen und als ich aus dem Fenster blickte – mit Sicherheitsabstand – sah ich mich die Straße runterrennen. Mein vergangenes Ich war auf dem Weg zu Marcus…, nicht um ihn von seinem Vorhaben abzuhalten, sondern um ihn viel Glück zu wünschen , ihm für den Brief zu danken und ihm einen Kuss auf den Mund zu drücken, der ihm meine ganzen Gefühle offen legte. Doch ich wusste, dass mein vergangenes Ich zu spät kam und Marcus schon im Zug saß, der ans andere Ende von Deutschland fuhr. Ich würde bittere Tränen weinen, auch wenn es kein Abschied für immer war. Doch nun hatte ich Marcus schon seit eineinhalb Jahren nicht mehr gesehen…! Nicolas bemerkte mein trauriges Gesicht, erkannte aber auch, dass ich nicht darüber sprechen wollte. Stattdessen übermittelte er mir eine frohe Botschaft: „Wir haben übrigens den Zeitstrudel gefunden! Er ist dieses Mal unter deinem Bett. Wollen wir gleich los?“ Ich nickte und kurz darauf krabbelten wir alle unters Bett – wie niveaulos – und fanden uns im Zeitstrudel wieder. „Ich hoffe wir landen endlich wieder im schönen alten 1957.“, jammerte Agathe, während wir uns alle an den Händen hielten. „Ich brauch wieder ein wenig Zeit für mich alleine.“ „Ja, ich hoffe auch das das alles hier bald ein Ende hat.“, sagte Nicolas, der rechts außen schwebte und dessen Hand ich hielt. „Dann kann die Krähe wieder anderen auf den Geist gehen.“ „Nicolas, Agathe, jetzt hört bitte damit auf und vertragt euch.“, bat Frau Sauerbach die Zwei. „Eure Zankereien sind nicht nur kindisch, sondern tragen auch zum Gemütszustand der Gruppe bei.“ Ein Schwarm bunter Schmetterlinge flog geradewegs auf unsere Gruppe zu und es kam zu einem Aufprall im Zeitstrudel. Meine linke Hand war mit Sofia verbunden, doch lösten sich unsere Hände bei dem Aufprall und Nicolas und ich flogen in eine entgegengesetzte Richtung zu den Anderen. Es ging alles so furchtbar schnell und ehe wir uns versahen, fand ich mich im Jahre 1993 wieder.
72. Im Zeitstrudel – Teil 6 „Hey, du da! Herumlungern in den Schulkorridoren ist während der Unterrichtszeit strengstens verboten!“, rief mir eine eindringliche Stimme entgegen. Ein Junge, etwa siebzehn Jahre alt, stand stramm vor mir, während ich auf dem Boden lag und mich offenbar in meiner alten Schule befand. „Man reg dich ab Kerl.“, erwiderte ich inzwischen mehr als nur genervt. „Wer bist du überhaupt?“ „Ich bin Dietmar Zobel, Schülersprecher des Jahrgangs 1993!“, antwortete der Junge mit dem dunkelbraunen Haar mir und ich musste einmal kräftig schlucken. Wenn dieser Schmierlappen hier war, dann müssten meine damals 17-jährigen Eltern auch ganz in der Nähe sein. Doch viel Zeit darüber nachzugrübeln hatte ich nicht, denn in mir keimte die Frage auf, wo sich Nicolas befand… und der Zeitstrudel, damit wir hier wieder schnell wegkamen. Der Schulgong läutete die Pause ein und wie ich es auch aus meiner Zeit kannte, stürmten die Schüler sofort aus ihren Klassenräumen. „Da hast du ja noch einmal verdammt viel Glück gehabt.“, sagte Dietmar Zobel zu mir. „Wenn ich dich hier noch einmal beim Herumlungern erwische, dann gehe ich zum Rektor.“ „Spielst du wieder Sheriff, Dietmar?!“, fragte ein Junge ihn belustigt, der zusammen mit anderen Jungs hinzu trat. Ich fühlte mich sofort an meine eigene Schulzeit zurück erinnert, denn auch hier herrschte die typische Rangordnung. Der strebsame Junge, der alles viel zu ernst nahm und nun kommen eine Gang von Jungs daher, die sich über ihn lustig macht. „Irgendjemand muss hier schließlich für Recht und Ordnung sorgen.“, entgegnete Dietmar dem Jungen. „Dass du davon keine Ahnung hast, wundert mich nicht, Leopold!“ Das musste ja jetzt so kommen, nicht wahr? „Für dich immer noch Herr Leopold!“ „Jetzt lass schon gut sein Leo. Der ist es nicht wert! “, sagte ein anderer Junge und ich wusste sofort, dass es sich bei ihm um meinen Vater handelte. Mein Vater… der in der Zukunft von Lorenzo, beziehungsweise diesem Seraphiel, umgebracht wird. Ein beklemmendes Gefühl packte mich. Eine zarte Hand tauchte zu meiner Linken auf und plötzlich blickte ich in das wunderhübsche Gesicht meiner jungen Mutter. „Soll ich dir aufhelfen?“, fragte sie mich freundlich und gutmütig. Ich war einfach hin und weg. Mir war gar nicht klar, wie wunderschön meine Mutter mit Siebzehn war. Ich brachte kein Wort mehr heraus, also nickte ich lediglich und reichte ihr meine Hand. Sie zog mich wieder auf die Beine und lächelte mich dabei unentwegt an. Auch die anderen Jungs glotzten meine Mutter an, als wäre sie der Engel der Schule. „Jetzt komm schon Beate, sonst ist die Pause rum, ehe wir ein wenig frische Luft tanken konnten.“, sagte ein anderes Mädchen zu ihr. Meine Mutter wendete sich von mir ab und folgte dem Mädchen, dessen Name Johanna war. Ich grub ein wenig in meinen Erinnerungen, bis es mir einfiel: Jasmins Mutter! „Ist sie nicht bezaubernd?“, fragte Bernd seinen besten Freund Leo. „Johanna? Oh ja…“, meinte Leo, der auf einmal wie in Trance zu sein schien. „Dummkopf! Ich rede doch von Beate!“, erwiderte Bernd, der seinem Freund eine Kopfnuss erteilte. „Aua.“ Leo kam wieder zur Besinnung und rieb sich mit der Hand an seinem Kopf. „Bernd, Bernd, Bernd.“ Dietmar schüttelte spöttisch den Kopf. „Als ob Beate einen wie dich nehmen würde, wo sie doch einen wie mich haben kann. Was hast du ihr denn in der Zukunft schon groß zu bieten? Ich hab bessere Noten in allen Fächern als du, bin gebildeter, hab einen guten Ruf, bin bei jedermann beliebt und gut aussehen tu ich auch noch.“ Zuerst blickte Bernd Dietmar nur wütend an, doch je mehr Vorteile dieser ihm aufzählte, desto amüsanter fand er es. Irgendwann brachen er und Leo in schallendes Gelächter aus. Dietmar stampfte wie ein kleines bockiges Kind wütend mit seinen Füßen auf, doch die Zwei hörten nicht auf ihn auszulachen. „Hört auf zu lachen, ihr Dummköpfe!“, rief Dietmar ihnen wütend entgegen zu. „Ich werde euch demonstrieren, zu was ein Mann wie ich in der Lage ist.“ Dietmar marschierte an Bernd, Leo und deren Gang vorbei, Richtung Pausenhof. Die anderen Jungs folgten ihm und ich zog es vor, ihnen erst einmal am Rockzipfel zu kleben. Im Pausenhof angekommen, marschierte Dietmar zielstrebend auf Beate und deren Freundin Johanna zu. Als sie ihn kommen sahen, blickten sie ihn nur skeptisch an. Dietmar kam vor Beate zum Stillstand und musterte sie, als wäre sie ein Stück Fleisch, über das er gleich herfallen wollte. Doch zu unserer aller großen Überraschung, kniete er sich vor ihr nieder und hielt zärtlich ihre Hand. Sofort kochte der Suppentopf in mir über und ich wusste, dass es meinem Dad genauso erging. „Liebste Beate.“, begann Dietmar im schleimigsten Schleimton, den es überhaupt gab. „Deine Augen leuchten so wunderschön, dein Haar glänzt in der Morgensonne und deine Haut ist so rein und zart wie die eines makellosen Engels.“ Geht´s noch schmieriger? Ich muss mich gleich übergeben! „Oh danke Dietmar! Das ist aber… reizend.“, erwiderte Beate geschmeichelt, zugleich aber auch verängstigt, da sie sich nicht ganz sicher war, ob Dietmar alle Tassen im Schrank hatte. Zu Recht! „Jetzt sieh sich einer diesen durchtriebenen Lackaffen an.“, sagte Bernd, vor Wut kochend. „Reg dich über den Kerl nicht auf, der ist es doch gar nicht wert.“, versuchte Leo ihn zu beruhigen. „Beate ist ein intelligentes Mädchen. Die fällt auf seine Schleimspur bestimmt nicht rein!“ „Nick!“ Auf einmal hörte ich Nicolas meinen Namen rufen. Er kam auf mich zu gerannt und war völlig außer Atem. „Da bist du ja endlich. Ich hab dich schon überall gesucht!“, erklärte er mir schnaufend. „Pssst, nicht zu laut.“, erklärte ich ihm. Nicht auszumalen, wenn mein Vater seinem verjüngten Vater gegenüber stand. Herrje, schon wieder so verwirrend. Mein Kopf dreht sich…! „Was ist denn los?“, fragte Nicolas mich verwirrt. „Ach… nichts Wichtiges.“, antwortete ich ihm. Ich hielt es für das Beste, ihm nicht seinen zukünftigen Sohn und seine zukünftige Schwiegertochter vorzustellen. Das würde vermutlich nur für noch mehr Verwirrung und Aufregung sorgen und darauf konnte ich gut und gerne verzichten. „Schön, denn ich bringe dir gute Nachrichten mit. Ich hab nämlich den Zeitstrudel gefunden. Als ich auf der Suche nach dir war, kam ich am Handarbeitszimmer vorbei und darin befand er sich. Das Zimmer ist gerade leer und wenn wir uns beeilen, dann entdeckt uns keiner.“ Ich war echt froh, dass Nicolas mir zur Seite stand und ich wollte wirklich so schnell wie nur möglich wieder fort von hier, doch da machte ich die Rechnung nicht mit den jüngeren Exemplaren meiner Eltern. Dietmar setzte seine Schleimspur nämlich unentwegt fort und meiner Mutter schien das sogar sehr zu gefallen. Bei meinem Vater riss schließlich der Geduldsfaden und er ging auf Dietmar los. Es kam zu einer wilden Rauferei. Leo versuchte seinen besten Freund von Dietmar runter zu ziehen, doch schlugen Beide wild um sich, während Beate nur geschockt daneben stand. „Ich fürchte ich muss da eingreifen, ehe die Beiden sich die Köpfe einschlagen.“, sagte ich schließlich.
„So ist das also. Nick befindet sich im Jahre 1957, wie ihr aus diesem Buch hier herauslesen konntet.“, sagte Herr Blum, während er das Buch „Der Schattenphönix“ genau musterte. „Aber seid ihr euch sicher, dass Nick auch wirklich dort ist. Wie verlässlich sind diese Informationen?“ Bobby und David blickten sich an, ehe sie ihre Augen auf Herr Kinimod richteten. Der bärtige Mann saß auf dem Bett, mit verschränkten Armen, und als er seinen Namen vernahm, stand er auf. „Ich habe das Buch geschrieben und sie können mir glauben, dass alles was da drin steht, wirklich, zu hundertundein Prozent geschehen ist. Ich erzähle keine Märchen!“, sagte er. Herr Blum war sich unsicher und wollte dem Mann einfach keinen Glauben schenken. „Woher wissen wir, dass dieser Mann uns nicht anlügt? Kennt ihn einer von euch überhaupt persönlich?“ Bobby, Tobias und David schüttelten alle nacheinander den Kopf. Inzwischen verlor Herr Kinimod allmählich die Geduld. „So glauben sie mir doch. Nick ist im Jahre 1957 gelandet und sucht nun verzweifelt nach einem Weg zurück in das Jahr 2017. Das ist die reine Wahrheit!“ „Also ich glaube ihm.“, meinte David, der dem fremden Mann sein Vertrauen schenkte. Seine Worte sorgten für ein Lächeln in Herrn Kinimods Gesicht, wenn auch hinter seinem Bart versteckt. „Ich danke dir für dein Vertrauen.“, sagte Herr Kinimod freundlich zu David. „Also schön.“, sagte Herr Blum, der schließlich nachgab. „Wenn dem wirklich so ist, wie sie sagen, oder in dieses seltsame Buch geschrieben haben, wie…, wie um alles in der Welt soll Nick wieder zurückkehren? Ich möchte Beate ungern mitteilen, dass ihr Sohn in der Vergangenheit feststeckt…!“ Herr Kinimod atmete einmal tief ein und wieder aus, ehe er Herr Blum antwortete: „Nick wird leider nicht wieder zurückkehren.“ Entsetzen breitete sich im Zimmer aus. „Er wird im Jahre 1993 den Zeitstrudel verpassen und fortan dort feststecken. Woher ich das weiß? Weil ich euer Nick bin!“
73. Die Abspaltung des Bösen – Teil 1 Schon den ganzen Tag über, plagte mich ein schlechtes Gewissen. Seit drei Tagen nun schon, bin ich mit Zack wieder zusammen. Drei Tage, in der ich viel Zeit in unsere neu erwachte Liebe investierte. Drei Tage, die mich Max beinahe vergessen ließen. Dabei ist er doch einer meiner besten Freunde. Er war so ein lieber Kerl und ich hab ihn einfach links liegen gelassen… alles Zack´s Schuld! Was muss der Kerl auch so eine verdammte Granate im Bett sein? Jetzt mal ehrlich. Der geht ab wie eine gedopter, alter Opa auf der Rennbahn. Hm… war das jetzt eigentlich ein Kompliment für ihn? Egal… Mithilfe des Schlüssels, den Zack mir überreichte, verschaffte ich mir Zutritt zu Max´ Suite – bereits zum fünften Mal – und wieder hatte ich Pech, denn er war leider nicht da. Wo könnte er nur abgeblieben sein? In der Hotellobby, im Rosengarten, am Swimmingpool und im Speisesaal war er auch nicht anzutreffen, geschweige denn, dass ihn heute jemand gesehen hätte. So langsam machte ich mir wirklich Sorgen um ihn, was mein schlechtes Gewissen nur noch mehr verstärkte. Dafür aber fühlte ich mich seit wenigen Tagen beobachtet. Doch jedes Mal wenn ich mich umsah… nichts! Als ich wieder aus Max´ Suite trat, kamen Justin und Casey überglücklich den Flur entlang marschiert. Sie hielten Händchen miteinander und konnten auch sonst gar nicht die Finger voneinander lassen. „Hey, na ihr Beiden.“, begrüßte ich sie mit einem Lächeln. „Ihr strahlt ja richtig!“ „Wir haben ja auch allen Grund dazu, schließlich sind wir frisch verliebt.“, sagte Justin zu mir. „Ja, das kenn ich.“, sagte ich wiederum und fing gedanklich von Zack zu schwärmen an. „Sorry übrigens nochmals, dass ich gestern in deine Suite eingebrochen bin und Danke, dass du mir das nicht übel genommen hast.“, entschuldigte sich Casey nochmals bei mir. Ich winkte diesen Vorfall inzwischen lässig ab. „Schon in Ordnung. Wir machen schließlich alle mal Fehler und ich finde es echt toll von dir, dass du zu deinen Fehlern stehst.“ „Ich war natürlich schon erst einmal ein wenig schockiert, aber dem blauhaarigen Dummkopf kann man nicht lange böse sein.“, sagte Justin kichernd und schmiegte sich sanft an seinen neuen Freund. „Wir müssen dann mal weiter.“, sagte Casey strahlend. „Mein Magen knurrt fürchterlich. Ich hoffe, dass das Personal in der Küche nicht zu wenig zubereitet hat.“ Die Beiden setzten ihren Weg zum Speisesaal fort, während ich mich wieder auf meine Suite zurückzog, in der ich bereits sehnsüchtig erwartet wurde. Von der Tür bis hin zum Balkon und sogar auf dem Bett lagen Rosenblüten verstreut. Das Licht war ausgeschaltet und dafür brannten einige Kerzen, die eine warme Atmosphäre erzeugten. „Da bist du ja wieder. Ich hab dich bereits erwartet.“, sagte Zack, der auf dem Balkon stand. „Ich hab uns etwas zu Essen rauf kommen lassen.“ Ich starrte Zack wortlos an, da mir die Zunge im Halse stecken blieb. Zack war die Stille unangenehm. „Ähm… zu viel? Du weißt ja… ich bin eigentlich nicht dieser romantische Kerl von nebenan und das was du hier siehst, grenzt schon sehr an Klischee, aber ich wollte dich eben überraschen…!“ Ich schmunzelte, ging auf leisen Sohlen auf Zack zu und küsste ihn auf den Mund. Ein Kuss im Kerzenschein und unterm Sternenhimmel. Klischeehafter geht’s wahrlich nicht. Das Essen schmeckte zwar vorzüglich, doch meine Vorfreude galt dem Dessert, das mich hinterher erwartete. Ich legte meine Arme um Zack und wir küssten uns erneut. Nur das dieser Kuss sehr viel intensiver und leidenschaftlicher, als der Vorherige war. Es wäre beinahe zu mehr gekommen, doch ausnahmsweise, spielte Zack heute den Spielverderber. „Musst du nicht bis morgen deine Zeichnung fertig bekommen?“, fragte er mich, nachdem er sich zur Auflösung des Kusses zwang. Ich grummelte, denn dies war eigentlich nicht der richtige Augenblick, für solch eine Feststellung seinerseits und wenn sie auch noch so sehr stimmte. Allerdings hatte ich Frau Temperini nun einmal versprochen, dass ich ihr die Zeichnung bis morgen fertiggestellt überreiche, doch noch immer fehlte der Zeichnung Farbe und das gewisse Etwas. Widerwillig setzte ich mich also an den Schreibtisch und machte mich ans Werk. Zack, dieser gemeine Hund! Verlangt allen Ernstes von mir, dass ich mich nach diesem romantischen Dinner, mit der Arbeit beschäftige und dann fällt ihm nichts Besseres ein, als sich auch noch vor mir auszuziehen. Auf einmal stand er in Boxershorts im Raum und ich konnte mich natürlich so gar nicht mehr auf meine Arbeit konzentrieren. Fies! Doch schließlich legte er sich ins Bett und schlief nach nur wenigen Minuten ein. Ich nutzte die Chance und zog die Schatulle mit den magischen Kunstutensilien aus meinem Koffer, die ich bis dato vor ihm, Max und den Anderen versteckt hielt. Er würde es nicht verstehen… Ich nahm den Pinsel zur Hand und malte den Phönix schön fein und säuberlich aus, bis er in einem satten Rot und einem prachtvollen Gold vor mir erstrahlte. Ich lächelte, als ich mit der Zeichnung fertig war und fühlte mich glücklich und erleichtert zugleich. Auch schien ich meine Erinnerungen nicht mehr zu verlieren. Ich machte mich dann ebenfalls schlaffertig und lag kurz darauf neben Zack im Bett. Ich schlang meine Arme um ihn und schloss meine Augen, bis ich ins Reich der Träume wanderte. Es war spät in der Nacht, als es dann geschah… „H-Hör auf… L-Leon!“, quengelte eine Stimmte. „W-Was t-tust du denn? Leon, h-hör auf!“ Zuerst vernahm ich die flehende Stimme nur in weiter Ferne, doch mit der Zeit wurde sie immer lauter und eindringlicher, bis sie zu mir durchdrang. Ich fühlte mich, als wäre ich nicht mehr ich selbst und als ich mein Sehvermögen wieder unter Kontrolle hatte, blickte ich auf Zack hinab, der sich mit der Hand an seiner Kehle rieb und nach Luft rang. „W-Was ist passiert?!“, fragte ich ihn schockiert und stellte fest, dass ich auf ihm drauf saß. Schnell stieg ich von ihm herunter und lehnte mich an die Wand. Schweißperlen tropften mir von der Stirn. „Weißt du das etwa nicht mehr?“, fragte Zack mich, noch immer nach Luft ringend. Sein Hals wies rote Handabdrücke auf und ich spürte eine enorme Hitze aus meinen Händen hervorgehen. „Du hast versucht, mich im Schlaf zu erwürgen. Zuerst dachte ich, du würdest nur träumen, doch du sahst mich mit einem eiskalten Blick an, den ich zuvor noch gar nicht von dir kannte.“, erklärte er mir. „A-Aber…. i-ich…“, brach ich nur stotternd aus mir hervor. „D-das wollte ich wirklich nicht. Bitte, das musst du mir glauben, Zack!“ Verzweifelt und völlig fertig mit den Nerven, starrte ich meinen Freund an, der nicht so recht wusste, wie er mit dieser Situation umgehen sollte. Meine Augen wanderten durchs Zimmer und zu der Phönix-Zeichnung, sowie der Schatulle mit den magischen Kunstutensilien. Seltsam. Mir war, als hätte ich sie wieder zurück in meinen Koffer gepackt. Was ist hier nur los und vor allem… was geschieht mit mir? Angst durchflutete meinen Körper.
74. Die Abspaltung des Bösen – Teil 2 Auch am Morgen danach lagen die Nerven bei Zack und mir noch blank. Ich wusste nicht was heute Nacht mit mir geschehen war und Zack fühlte sich hin- und hergerissen. Einerseits liebte er mich so sehr, andererseits entwickelte er eine stetig anwachsende Angst vor mir. War ich überhaupt noch Herr meiner Lage? Was ist, wenn ich wieder die Kontrolle über mich verlor? Was geschieht nur mit mir? Doch die wichtigste und zugleich traurigste Frage die mich nun beschäftigte: Wäre es für Zack sicherer, wenn wir uns wieder trennen? Als ich diese Frage laut vor ihm aussprach, kam er zögernd auf mich zu und legte seine Hand auf meinen Hinterkopf. „An so etwas darfst du nicht einmal denken, hörst du! Ich liebe dich und ich will mit dir zusammen sein egal was auch kommen mag!“ Ich ließ mich zu einem leichten Lächeln durchringen und kurz darauf umarmte Zack mich und ich ihn. Ich fühlte seinen Herzschlag. Es klopfte wie wild und kam seit letzter Nacht kaum noch zur Ruh. Doch dann sagte Zack etwas, was mir mein Lächeln je wieder raubte: „Aber du hast mich angelogen Leon. Ich dachte die magischen Kunstutensilien gäbe es nicht mehr?! Was hast du nur angerichtet?“ Ich erklärte Zack die Situation mit den Kunstutensilien und versicherte ihm, dass meine Werke der letzten zwei Jahre, ohne jegliche Magie zustande kamen. „Darf ich dich um einen Gefallen bitten?“, fragte ich ihn hinterher. „Ich möchte gern ein wenig alleine sein. Wäre das in Ordnung für dich?“ Zack nickte mir verständnisvoll zu und keine Minute später, stand ich alleine im Hotelzimmer. Ich setzte mich an den Schreibtisch und starrte die Kunstutensilien in der Schatulle an. Nur mit ihrer Hilfe, wurde die Phönix-Zeichnung so herausragend – doch zu welchem Preis?! Ich musterte die Zeichnung, der nur noch der nötig Feinschliff fehlte. Ich saß einfach nur da und überlegte, während die Zeit an mir vorbei rann und die Sonne irgendwann hoch vom Himmel runterglühte. Es klopfte an der Zimmertür und ich stand ohne zu zögern auf. Ich hatte erwartet, dass es Zack war, der zurückkehrte, doch er war es nicht. Stattdessen stand meine beste Freundin Maria nun vor mir. Sie schien etwas nervös zu sein, versuchte dies aber mit einem smarten Lächeln zu überspielen. „Hey Leon. Ich treff mich mit Theo gleich zum Mittagessen. Hast du nicht Lust mit runter zu kommen?“, fragte sie mich. „Wir haben jetzt schon länger nicht mehr miteinander geredet…“ Ich musterte Maria skeptisch. Das unruhige Verhalten, dass sie gerade an den Tag legte, passte so rein gar nicht zu ihr. Ich war nicht dumm, also entlarvte ich schnell ihre Absichten. „Zack schickt dich, oder?“, fragte ich sie und Maria fühlte sich ertappt. „Er hat dir erzählt, was vorgefallen ist?!“ „Nimm es ihm bitte nicht übel. Er macht sich Sorgen um dich und ich ehrlich gesagt auch. Ich bin deine beste Freundin und trotzdem hast du mir verschwiegen, dass es die magischen Kunstutensilien noch gibt.“, erklärte Maria sich, doch war mir das egal und ich schlug ihr die Türe vor der Nase zu. Ich hörte Marias Stimme noch durch die Tür hindurch rufen, doch ignorierte ich ihre gut gemeinten Ratschläge. Ich wollte es nicht hören. Ja, irgendetwas stimmte nicht mit mir, aber da konnte sie mir nicht bei helfen! Ich setzte mich zurück an den Schreibtisch, nahm den Zeichenstift zur Hand und fing ohne Umschweife an, der Zeichnung den nötigen Feinschliff zu verpassen. Es fühlte sich für mich an, als wäre ich in Trance und dennoch bekam ich alles um mich herum genauestens mit. Als ich endlich mit der Phönix-Zeichnung fertig war, legte ich die Kunstutensilien beiseite und lehnte mich erschöpft zurück. Inzwischen war es wieder unerträglich heiß im Zimmer geworden und ich beschloss, mich im Badezimmer ein wenig frisch zu machen. Ich spritzte mein Gesicht mit kaltem Wasser ab und kämmte mir meine Frisur neu. Als ich mir meine Hände mit einer Handcreme einrieb, vernahm ich etwas Ungeheuerliches. Es klang wie ein Echo in der Ferne, doch war es eindeutig ein Lachen. Ein sehr gespenstisches Lachen, wenn ihr mich fragt. Ich spitzte meine Ohren, doch als ich nur noch die Stille vernahm, beschloss ich, dass mir die Sommerhitze einen Streich spielte. Ich blickte in den Spiegel… und mir lief ein kalter Schauer über den Rücken. Mit einem Mal fühlte ich mich in einen Horror-Thriller versetzt, denn genau hinter mir, stand nun eine zweite Person. Wäre es Zack gewesen, dann wäre ich ihm vor Freude um den Hals gefallen. Wäre es Max gewesen, dann hätte ich mich mindestens genauso freut. Doch es war keiner von Beiden. Die Person die hinter mir stand, kam mir so nahe, dass sich unsere Körper berührten. Es fühlte sich echt an – er war wirklich hier! Die Person legte seine Arme und Hände um meinen Körper, was zur Folge hatte, dass sich der kalte Schauer auf meinen ganzen Körper ausdehnte. Dann flüsterte die Person mir etwas ins Ohr, während ich wie in einer Schockstarre dastand, unfähig irgendetwas zu tun. „ Hast du wirklich gedacht, dass deine Taten keine Konsequenzen hätten?“ „D-Du bist nicht echt.“, brachte ich leise stotternd heraus. „Nicht echt?“ Die Person drückte ihre Arme enger um meinen Körper und bewies mir, wie echt sie war. Ein Schmerz drückte sich in meine Brust, doch war sie nichts im Vergleich zu der stetig ansteigenden Angst, die mich durchflutete. Dies war kein Traum. Er war real…, aber wie…?! „Du hättest dir vielleicht vorher die Gebrauchsanweisung der Kunstgegenstände durchlesen sollen, Leon. Ach richtig, die gab es ja gar nicht.“, sagte die Person spöttisch zu mir. „Verschwinde und lass mich in Ruhe!“, befahl ich und versuchte zugleich ein wenig mutig zu wirken. „Dich in Ruhe lassen?!“ Die Person brach in schallendes Gelächter aus. „Du warst es doch, der mich immer wieder herbei rief, weil er mich so dringend benötigte! Ist es nicht so… Leon?“ „Hör auf meinen Namen zu sagen, das ist… verrückt!“, erwiderte ich inzwischen leicht panisch. „Ob es dir gefällt oder nicht, aber ich werde nicht mehr gehen. Zu lange hab ich in der Dunkelheit darauf gewartet, dass mich jemand aus meinem Gefängnis befreit. Allem Anschein nach, hat es jemand versäumt, dich über die Kräfte der Kunstutensilien aufzuklären. Du musst wissen, dass sie nicht nur Gutes bewirken. Klar, sie haben dir zu Glanz und Gloria verholfen, aber ist dir nie in den Sinn gekommen, dass sich dies eines Tages rächen würde? Hast du nie an die Konsequenzen gedacht? Hast du dich nie gefragt, wieso und weshalb deine Erinnerungen Lücken aufweisen? Hast du dich nie gefragt, wie sich jemand unbemerkt Zutritt in deine Suite verschaffen konnte und dich bei dieser Gelegenheit vom Balkon warf?“ Ich konnte das boshafte Grinsen der Person im Spiegel sehen und schlagartig wurde mir alles klar. Meine Beine zitterten, doch riss ich mich zusammen und entzog mich aus dem Griff dieser Person. Ich rannte zurück ins Zimmer, mit dem Rücken zur Wand. Die andere Person folgte mir und stellte sich ganz cool, gelassen und lächelnd vor mir auf. Für jeden Menschen wäre dies sicherlich der reinste Albtraum, sich selbst gegenüber zu stehen. Seinem zweiten Ich… dem boshaften Teil.
75. Die Abspaltung des Bösen – Teil 3 Ich konnte es zwar immer noch nicht so recht glauben, doch vor mir stand der lebendige Beweis. Ich spürte seinen Atem und seinen Herzschlag. So gespenstisch es auch war, so stand ich doch mir selber gegenüber. Die gleiche Frisur, dasselbe Outfit und vor allem die identische Stimme. Er war ich, ich war er, wir waren ein und dieselbe Person… und doch so verschieden. Ich wusste, dass ich trotz meiner Fehler die ich hin und wieder beging, ein liebenswerter Kerl war. Doch dieses zweite Ich starrte mich mit einem eiskalten Blick an, dass jegliche Ader meines Körpers zum Gefrieren brachte. „Ich verstehe das einfach nicht.“, sagte ich, während wir uns im Zimmer gegenüber standen. Mir wollte einfach nicht in den Kopf, woher er stammte und wie es ihm möglich war zu existieren. „Also dann eben die lange und ausführliche Version, aber ich warne dich vor, du wirst vieles nicht verstehen und ich habe keine Lust, dir alles zweimal zu erklären.“, sagte mein zweites boshaftes Ich, der sich die Hände in die Hosentasche steckte und sich ganz gelassen gegen die Wand lehnte. „Vor sehr langer Zeit, in einer anderen Welt, da lebte ein unsterblicher Prinz. Sein Volk verehrte ihn und sie nannten ihn Prinz Phönix! Aufgrund seines hohen Beliebtheitsstatus, war der Prinz aus dem Nachbarskönigreich mächtig neidisch auf Prinz Phönix und er schloss einen Pakt mit dem Schwarzmagier Seraphiel. Mithilfe eines listenreichen Tricks gelang es ihnen, Prinz Phönix seiner Unsterblichkeit zu berauben und ihm sein großes Herz in tausend Fetzen zu zerreißen. Prinz Phönix wurde von der Dunkelheit umhüllt - Er wurde zum gefürchteten Schattenphönix! Für Prinz Dragon und Seraphiel lief alles optimal, bis es einer letzten Widerstandsgruppe gelang, dem Schattenphönix seiner Kräfte zu berauben. Darunter auch seine Phönix-Gestalt, die in die Kunstutensilien des Prinzen verbannt wurde. Nur ein wahrer Künstler vermag es, den Feuerphönix zu zeichnen und ihm mit Feder und Asche neues Leben einzuhauchen. Doch als sein Körper damals in die Kunstutensilien verbannt wurde, gesellte sich auch ein Teil der Dunkelheit hinzu – Meine Wenigkeit.“ Mein zweites Ich grinste mich boshaft an. Ich hörte ihm aufmerksam zu, ließ meinen Blick gleichzeitig aber auch zur Tür wandern. Ob ich schneller war als er und ihm eventuell entkommen konnte? „Je öfter du Gebrauch von den magischen Kunstutensilien nahmst, desto stärker wurde ich. Es gelang mir bereits nach kurzer Zeit, in dein Gedächtnis einzudringen und Schabernack damit zu treiben. Du erinnerst dich sicherlich an deine Uni-Zeit, als du damals hin und wieder Abschnitte deines Lebens vergessen hast. Das war ich! Irgendwann warst allerdings nicht mehr du derjenige, der Gebrauch von den Kunstutensilien nahm, sondern dieser verblödete Professor namens Unruh. Sein Körper war alt und schwach und so verlor er bei meinem Anblick jeglichen Verstand… naja allzu verlieren konnte er ja bereits nicht mehr. Ich wusste, dass ich nur mit dir eine Chance hatte und da ein Phönix aus seiner Asche immer wieder neu geboren wird, kehrte ich kurz darauf in deine Obhut zurück. Ich übte mich also in Geduld… drei Jahre musste ich warten, bis du auf die magischen Kunstutensilien zurück gegriffen hast und als endlich soweit war, befand sich bereits eine Unsumme an Schattenenergie in der Nähe. Ich testete meine wiedergewonnenen Fähigkeiten, indem ich für kurze Zeit Besitz von dir ergriff und mich mit deinem trotteligen Freund, diesem Shane, übers Handy unterhielt. Brühwarm erzählte er mir, dass deine ach so geliebten Kunstwerke in Flammen aufgingen. Als du erneut Gebrauch von ihnen nahmst, wuchs meine Kraft aufs Neue und ich materialisierte mich in deiner Suite. In dem Glauben, zu voller Stärke zurückgekehrt zu sein, versuchte ich deinen Platz einzunehmen. Doch zuvor musste ich dich erst loswerden, also griff ich dich auf dem Balkon an und schubste dich in den Pool. Als du dem Tode dann allerdings nahe warst, spürte ich, wie auch aus mir das Leben wich und mir wurde bewusst, dass ich noch nicht stark genug für eine dauerhafte Manifestierung war. Allerdings durfte ich es auch nicht zulassen, dass du die Phönix-Zeichnung fertigstellst und griff deshalb letzte Nacht deinen heißgeliebten Freund Zack an, indem ich wieder Besitz über deinen Körper nahm. Ich wollte dich aus dem Konzept bringen, aber du… du bist und bleibst eine nervige Plage. Das spielt jetzt zum Glück aber keine Rolle mehr, denn nun besitze ich die notwendige Energie, um dauerhaft in dieser Welt zu verweilen und dich ein für alle Mal zur Strecke zu bringen.“ Mein anderes Ich beendete seine Geschichte und er schien fest dazu entschlossen, mich dieses Mal zu töten. Ich schluckte einmal kräftig, denn der Anblick, mir selbst gegenüber zu stehen, setzte mir doch ein wenig zu. „Leon…, machen wir es kurz und schmerzlos, ja?! Erst töte ich dich, dann zerstöre ich die Zeichnung des Phönix und dann verbünde ich mich mit Seraphiel, der nach wie vor in dieser Welt weilt und ständig in deiner Nähe war, ohne dass du Wind davon bekamst.“ Jetzt oder nie! Ich griff mit meiner linken Hand zur Phönix-Zeichnung, die auf dem Schreibtisch lag und legte einen Spurt zur Tür hin. Mein zweites Ich sah diese Aktion kommen und war bereits zur Stelle, als ich die Türklinke berührte. Es folgte ein wildes Handgemenge. Es gelang mir kurzfristig ihn zu Boden zu werfen. Ich öffnete die Tür und stürmte in den Gang hinaus, doch mein böses Ich stand bereits wieder auf den Beinen, packte mich am Kragen und warf mich gegen die Wand. Ein dort hängendes Ölgemälde wurde dabei in Mitleidenschaft gezogen und krachte zu Boden. Ich versuchte mich zu wehren, doch mein Gegenspieler schien stärker als ich zu sein. Dennoch gab ich nicht so einfach auf. Ich schlug mit meiner Faust in mein… ich meine in sein Gesicht, dabei flog mir jedoch die Phönix-Zeichnung aus der Hand. Wir rangelten am Boden wie kleine Kinder, die sich wegen einer Lappalie stritten. Als wir wieder auf den Beinen waren, versuchte ich ihn mit einem Schlag in die Magengrube außer Gefecht zu setzen, doch mein böses Ich war hart im Nehmen. Er drängte mich zurück und ich stürzte auf eine Kommode, wodurch eine Ming-Vase herunter fiel und zu Bruch ging. Ich landete wieder auf dem Fußboden und spürte einen stechenden Schmerz im Rücken. Mein böses Ich kam bedrohlich auf mich zu. Er hielt eine Scherbe der Ming-Vase in den Händen, mit der er mir vermutlich die Kehle aufschlitzen wollte. Ich sah mein Ende gekommen und musste an Zack denken. Ich wünschte er wäre hier. Für mich schien es gelaufen zu sein, doch da wurde mein böses Ich von hinten niedergestreckt. Überrascht und erfreut blickte ich zu meinem Lebensretter auf, der mir hilfreich die Hand entgegen streckte. „Da bin ich mal für ein paar Tage nicht da und schon schlägst du hier alles kurz und klein. Du solltest dich schämen, Leon.“, sagte Nick breit lächelnd zu mir. Er war es tatsächlich! Ja spinnt denn heute die ganze Welt? „Wir kennen uns zwar erst seit kurzem und eigentlich konnte ich dich nicht sonderlich leiden…“, sagte ich zu ihm, als er mir auf die Beine half, „…aber man bin ich froh dich zu sehen. Sehr froh sogar!“ „Jaja, schon okay, aber verlieb dich bitte nicht in mich.“, erwiderte Nick gewohnt sarkastisch. „Wen oder was hab ich da eigentlich gerade nieder gestreckt? Moment mal… der sieht ja aus wie… du?!“ „Das ist eine laaaange Geschichte, aber erkläre mir lieber, wo du so plötzlich herkommst!“ „Das ist auch eine laaaange Geschichte.“, antwortete Nick mir. „Hm… eigenartig. Mein Amulett spürt eine negative Aura, die allerdings nicht nur von dir… also dem bewusstlosen Kerl am Boden ausgeht.“ Wie auf Kommando öffnete sich eine Hotelzimmertür und eine weibliche Person kam heraus. „Sie?!“, stieß ich erschrocken aus. Es war die Reporterin aus Frankreich, Chloé Fontaine, und als wäre der Tag nicht schon schlimm genug, zielte sie mit einer Waffe auf mich und Nick. „Guten Tag Leon. Sicherlich bist du nun überrascht…, obwohl dich heute eigentlich nichts mehr überraschen dürfte.“, sagte sie mit spitzer Zunge zu mir. „Ach kommt schon Leute, wieso müsst ihr Bösewichte eigentlich immer mit einer Waffe auf uns zielen?“, fragte Nick sie genervt. „Gibt doch auch noch genug andere Waffen. Pfeil und Bogen, oder eine Lederpeitsche zum Beispiel. Das wäre doch mal originell! Nicht immer diese ollen Feuerwaffen.“ „Halt die Klappe du Nervensäge!“, schrie die Reporterin. „Dieses Mal wirst du mir nicht davon kommen. Heute werde ich dich und all deine Freunde ein für alle Mal vernichten.“ „Oh, hallo Seraphiel.“, sagte Nick nun weniger sarkastisch, aber immer noch lächelnd.
76. Showdown im Schattenwald – Teil 1 Als ich vor neun Tagen hier im Hotel ankam, war mein einziges Ziel, den Tieren des Waldes zu helfen. Wer hätte gedacht, dass ich mich hier neu verlieben würde und mit meiner traurigen Vergangenheit endlich abschließe?! Doch so glücklich ich über den Verlauf der Dinge auch war, so enttäuschter war ich doch über mich selbst, dass es mir nicht gelang, die Tiere des Waldes vor dem bösen Schatten zu beschützen. Wenn ich nur wüsste, was er vor hat… Nach meiner letzten Begegnung mit dem Schatten, wurde mir klar, dass hinter den Tiermorden mehr steckte. Doch was war der Sinn und Zweck? Schon traurig…, jetzt schlendere ich hier mit meinem neuen Freund durch den betörenden Rosengarten und mir fällt nichts Besseres ein, als mir über solche Dinge Gedanken zu machen. Ich war ein Junge von Anfang Zwanzig und sollte mein Leben eigentlich genießen und mir keine Gedanken über Tod und Schatten machen. Ich sollte jede freie Sekunde mit meinen Freund verbringen, ihn küssen und umarmen. Ihm einfach nicht mehr von der Seite weichen. Doch… Eine zerfiederte alte Krähe flog über unsere Köpfe hinweg und ließ sich auf einer Hecke nieder. Im krächzenden Ton gab sie Laute von sich und ich erkannte sofort, dass sie versuchte mit mir zu kommunizieren. „Tierflüsterer, Tierflüsterer! Bitte kommt und helft uns. Kommt und helft uns!“ Ich warf Casey einen kurzen Blick zu, der ihn verständnisvoll erwiderte. Ich ging vorsichtig auf die Krähe zu und fragte ihn in der Sprache der Tiere was los sei. „Bitte kommt und helft uns. Es ist furchtbar, so furchtbar!“ Ich versuchte die zerzauste Krähe ein wenig zu beruhigen und streichelte ihr übers Gefieder, da mir ihr wirres Gekrähte nicht wirklich weiterhalf. Sie schien große Angst zu haben. „Bitte Tierflüsterer helft uns. Wir brauchen euch dringender denn je. Kommt zurück in den Schattenwald!“ „Es tut mir Leid, liebe Krähe, aber das Wildschwein, euer neuer Herrscher des Waldes, hat mir verboten in den Wald zurück zu kehren.“, erklärte ich der Krähe im sanften Ton. „Du verstehst nicht Tierflüsterer…, dass Wildschein ist tot! Es ist tot! Der grauenerregende Schatten hat ihn heute Morgen das Leben genommen und hinterher uns andere Waldtiere angegriffen. Es ist furchtbar! Bitte Tierflüsterer, bitte kehrt zu uns zurück und helft uns!“ Die Krähe schien die Wahrheit zu sagen. Es war höchste Eile geboten. Ich musste den Tieren des Waldes zu Hilfe eilen, denn genau deswegen war ich ursprünglich ja hergekommen. „Aber du weißt doch noch immer nicht, wie du dem Schatten Einhalt gebieten willst.“, entgegnete Casey mir, nachdem ich ihm meine Unterhaltung mit der Krähe übersetzte und ihm mein Vorhaben schilderte. „Beim letzten Mal, wärst du beinahe gestorben, wenn ich dich nicht gerettet hätte!“ „Hör zu, Casey.“, sagte ich zu ihm und umarmte ihn so fest, als wäre es das letzte Mal. „Du kennst mich noch nicht gut genug um zu wissen, wie sehr mir die Tiere des Waldes am Herzen liegen. Ich muss ihnen helfen, ich muss einfach! Ich würde niemals von dir verlangen, dass du mich verstehen sollst, oder mir diesbezüglich sogar beistehen sollst, aber bitte halte mich nicht auf. Bitte!“ Ich richtete meine Worte aus vollstem Herzen an Casey. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen und wusste nicht, was soeben in ihm vorging, aber als er mir sanft den Rücken zu streicheln begann, wusste ich, dass er mich verstand. „Ich liebe dich Justin… ich könnte es nicht ertragen, noch mal einen Menschen zu verlieren, der mir so viel bedeutet. Deswegen werde ich dich begleiten.“ Ich löste die Umarmung und blickte meinem Freund dankbar und glücklich ins Gesicht. Wir küssten uns noch kurz und dann folgten wir der vorausfliegenden Krähe in den Schattenwald.
Wir kehrten zur großen Lichtung mit den Beerensträuchern und den Obstbäumen zurück. Es war ein wahrhaft furchterregender Anblick. Das Wildschwein hängte aufgespießt auf vier Ästen in der Krone eines Apfelbaumes und auf der ganzen Lichtung lagen weitere tote Waldtiere. Wie viele wohl dem Schatten noch entkommen konnten? Casey ließ sich zu einer unsensiblen Bemerkung hinreißen. „Aufgespießt auf einem Apfelbaum… Er hat dich zwar unfair behandelt, aber so einen Tod hab ich ihm nicht gewünscht. Na wenigstens wurde er nicht mit einem vergifteten Apfel umgebracht.“ Ich sah mich weiter auf der Lichtung um und entdeckte ein verletztes, aber noch lebendes Reh, das auf der Wiese lag. Ich beugte mich zu es hinunter und legte meine Hand auf dessen Körper. Es zitterte furchtbar, seine Augen waren verengt und er zuckte mehrmals mit den Beinen. „Psssscht. Ganz ruhig. Ich bin bei dir, liebes Reh.“, sagte ich in der Tiersprache und versuchte es damit ein wenig zu beruhigen. Ich konnte für das arme Reh leider nichts mehr tun, doch konnte ich ihm seinen Tod so angenehm wir nur möglich gestalten. Es schloss seine Augen und starb im Herzen der Natur. „Ich verstehe das nicht.“, sagte Casey schließlich betrübt. „Ich dachte die Tiere des Waldes wären auf dieser Lichtung vor dem Schatten in Sicherheit. Wie konnte er also hier eindringen?“ Eine berechtigte Frage und kurzerhand beschloss ich, der Sache auf den Grund zu gehen. Ich rannte zu einem der Obstbäume und kletterte hastig an dessen Stamm hinauf. „Pass bitte auf dich auf!“, rief Casey mir vom Boden aus zu. An den Zweigen hingen saftige Kirschen, die äußerst appetitanregend auf mich wirkten, doch dies war sowohl der falsche Ort, als auch der falsche Zeitpunkt um ans Essen zu denken. „Und? Kannst du was erkennen?!“, fragte Casey mich. Ich wusste, dass die Lichtung einst von einer Art magischen Barriere umgeben war, die die Waldtiere vor dem Schatten beschützte, doch war diese nun nicht mehr zu sehen. Plötzlich verlor ich den Halt und ich stürzte in die Tiefe. Casey reagierte blitzschnell. Er zog seine Phönixfeder hervor, flog mir entgegen und fing mich in seinen Armen auf. „Hey, du bist ja federleicht.“, grinste er mich fröhlich an. „Ich wollte schon immer mal einen Jungen auf Händen tragen, aber das das nicht zur Gewohnheit wird, klar?!“ Als wir wieder festen Boden unter den Füßen hatten, sagte ich zu ihm: „Die Barriere wurde allem Anschein nach durchbrochen. Ohne Zutun eines Tieres aus dem Inneren der Lichtung konnte der Schatten dies aber unmöglich bewerkstelligen.“, erklärte ich ihm. „Moment mal… soll das etwa heißen, unter den Tieren gab es einen Verräter?“, harkte Casey nach. „Ihr dummen Menschen!“ Die zerzauste Krähe von vorhin setzte sich auf einen Ast im Kirschbaum und starrte von oben auf uns herunter. „Liebe, Freundschaft, Zusammenhalt, Hoffnung, Glaube… das ist doch alles ausgemachter Blödsinn und wenn euch der Tod ereilt, werdet auch ihr es endlich begriffen haben. Zeit für mich, zu meiner alten Stärke zurück zu gelangen!“ Die Krähe öffnete ihren Schnabel und ein dunkler Schatten kam daraus zum Vorschein. Ich schluckte einmal kräftig und verfluchte mich. Der Schatten hat uns in eine Falle gelockt.
77. Showdown im Schattenwald – Teil 2 Als die Krähe ihren Schnabel öffnete und daraus der Schatten hervorkam, wich ich augenblicklich zwei Schritte zurück. Wie konnte ich nur so dumm sein? Wie konnte ich so dumm sein und in seine Falle tappen? „Ich glaube die Krähe ist in Wirklichkeit gar keine Krähe.“, zischte Casey mir ins Ohr. „Was du nicht sagst Blitzmerker. Bist du da von selbst drauf gekommen?“, erwiderte ich ungewohnt sarkastisch. Ich war nicht der Typ für schlechte Witze in Notsituationen, aber auch ich mach hin und wieder einmal eine Ausnahme. „Weglaufen oder Kämpfen?“, fragte ich Casey anschließend noch. Der Schatten wurde zunehmend größer, bis von der Krähe nichts mehr übrig war. Er baute sich vor uns auf und wuchs sogar über die Baumkronen hinaus. Ein grauenhaftes Grollen ging daraus hervor und die Antwort auf meine Frage lag klar auf der Hand. „Weglaufen! Eindeutig weglaufen!“ Casey und ich spurteten gleichzeitig los. Ich sprang über einen Beerenstrauch, was mich selbst ein wenig überraschte. Dass ich so hoch und soweit springen konnte, wusste ich noch gar nicht. Naja…, da ich aber auch nie wirklich zur Schule ging, hatte ich natürlich auch kein Leistungssport. Trotzdem war ich doch recht gut gebaut für meine Dauerträgheit. Herr im Himmel hilf‘! Wieso gehen einem in den gefährlichsten Situationen die dümmsten und aktuell irrelevantesten Gedanken durch den Kopf? Ich rannte und folgte Casey, der vor mir lief. Hinter mir hörte ich das Brüllen des Schattens. Er verfolgte uns und zerstörte dabei alles, was ihm in die Quere kam. Ich hörte das Rascheln der Blätter und das Knacksen von Bäumen, die umstürzten. Es war für uns kein leichtes, auf dem mit Moos bedeckten Boden, vor dem Schatten zu flüchten. Der Boden war weich und jeder Schritt musste einwandfrei sitzen, denn ansonsten… argh… ich übersah eine Wurzel und fiel bäuchlings zu Boden. Casey kam sofort zum Stillstand, machte kehrt und versuchte mir hastig auf die Beine zu helfen. Doch da holte uns der Schatten auch schon ein und ich sah unser Ende kommen. Zuerst hörte ich sanfte Schritte im Moos, dann kam ein mir unbekannter Junge aus einem Gebüsch heraus und blickte sich orientierungslos um. „Entschuldigung, aber wo befinde ich mich hier gerade? Ist Nick hier irgendwo? Welches Jahr schreiben wir?“, fragte der Junge uns und schien dabei gar keine Notiz vom Schatten zu nehmen, der sich bedrohlich vor uns aufbaute. „Äh… h-Hast du gerade Nick gesagt?“, gab ich verwirrt als Gegenfrage zurück. „Ja, ich war mit ihm zusammen unterwegs. Er müsste hier eigentlich irgendwo in der Nähe sein.“, antwortete der Junge mir. „Sagt schon. Welches Jahr schreiben wir?“ „2017 natürlich?!“, antwortete Casey ihm dieses mal, ebenso verwirrt wie ich. „Ach verdammt.“, fluchte der Junge und schlug mit seiner Faust gegen den ihm am nahe liegenden Baumstamm. „Dieser verflixte Zeitstrudel. Ich will endlich wieder nach Hause. Moment mal… das Jahr 2017? Das würde bedeuten, dass Nick endlich wieder daheim wäre. Ich freu mich für ihn…“ Der Schatten stieß ein entsetzliches Brüllen aus, denn er mochte es gar nicht, so ignoriert zu werden. Endlich bemerkte der Junge auch ihn endlich, doch zeigte er keine Spur von Angst oder Panik. „Ja, was ist denn?“, fragte der Junge ihn ganz genervt und meine Augen weiteten sich vor Entsetzen. Wollte er unbedingt getötet werden? „Ich hab die Schnauze gestrichen voll, wie Nick so schön von sich gab. Andauernd ist irgendwas! Ich muss wegrennen, mich verstecken, oder erfahre, dass ich diese nervige Krähe von Agathe in der Zukunft heiraten werde. Geht mir also nicht auf den Senkel!“ Woher zum Teufel nahm dieser mir unbekannte Junge nur dieses unerschütterliche Selbstvertrauen? Kurz nachdem er seine Worte laut ausstieß, geschah etwas Unglaubliches. Der Junge trug ein Amulett, aus dem ein schattenhafter Lichtstrahl schoss. Der Lichtstrahl traf mitten ins Schwarze und bohrte ein gigantisches Loch in den Schatten. Der Schatten brüllte lauter denn je, aus Zorn und aus Qualen. Das war die Gelegenheit für uns ihn eventuell zu besiegen. Den Jungen schickte uns der Himmel. „Schnell, mach das noch einmal!“, bat ich den unbekannten Jungen, der mich jedoch nur perplex anstarrte. Er schien selber nicht zu wissen, was da soeben geschehen ist. Der Schatten brachte die Erde zum Beben, als würde er kräftig mit nicht erkennbaren Füßen aufstampfen. Nun war er richtig wütend. „Oh, oh, ich glaube das gibt Ärger…“, meinte Casey. „Kannst du das von soeben wirklich nicht noch einmal wiederholen?“, fragte ich den unbekannten Jungen noch einmal. Als dieser verneinte, sah es düster für uns aus. Der Schatten brüllte, wütete um sich und schlug alles kurz und klein, was ihm in die Quere kam. Nun bekam ich es richtig mit der Angst zu tun. Sollte sich der Schatten auf uns stürzen, dann wären wir mit einem Schlag tot. Der Schatten formte sich zu einer gigantischen Faust, holte weit aus und kam dann wütend auf uns zu gedroschen. Hätte ich doch nur mein vorlautes Mundwerk gehalten. Mit einem Hechtsprung auszuweichen, damit war es dieses Mal leider nicht getan. Zwei Arme packten mich von hinten unter den Achseln und kurz darauf stieg ich in den Himmel empor. Ich drehte mich um und sah zu meiner großen Erleichterung in Caseys Gesicht, dessen himmelblaues Haar vom Sommerwind verweht wurde. Ob wir in den Lüften dem Schatten entkommen konnten? Ich blickte hinunter und entdeckte den Jungen mit dem magischen Amulett, wie er rücklings auf allen Vieren vor dem Schatten davon kroch. „Wir müssen dem Jungen helfen!“, rief ich Casey zu. „Wir dürfen ihn keinesfalls dort unten im Stich lassen!“ Casey schien darüber alles andere als erfreut, doch setzte er zum Sinkflug an, um dem Jungen das Leben zu retten. Der Schatten war kurz davor, sich auf den Jungen zu stürzen, doch da leuchtete dessen Amulett erneut auf und ein zweiter Lichtstrahl trat heraus und traf den Schatten im Kern. Jetzt oder nie. Casey flog mit mir gemeinsam nah über der Erdoberfläche und wich Bäumen und Sträuchern aus, als der Junge in unser Blickfeld kam. Ich streckte ihm meine Hand entgegen und er packte sie ohne zu zögern. Dann flogen wir zu Dritt über den Schattenwald und jeder von uns war froh, dem Schatten mit knapper Not entkommen zu sein. „Oh nein, bitte nicht jetzt!“, hörte ich Casey plötzlich schreien. Er verlor wieder einmal die Kontrolle über die Phönixfeder. „Bereitet euch auf eine unsanfte Landung vor!“, warnte er uns, während er erneut zum Sinkflug ansetzte. Es wirbelte uns unkontrolliert durch die Lüfte und ich konnte den Jungen nicht mehr länger an der Hand festhalten. Der Junge stürzte in die Tiefe, wurde aber zum Glück von einem Ginsterstrauch aufgefangen. Casey verlor die Kontrolle über die Feder zunehmend, die ihm schlussendlich sogar aus der Hand glitt. Ich klammerte mich panisch an meinen Freund und er an mich, während wir in die Tiefe stürzten. Doch prallten wir nicht auf der Erdoberfläche auf, sondern stürzten in ein tiefes Loch, das uns tief unter die Erde führte. Um uns herum verdunkelte sich alles und dann verlor ich mein Bewusstsein.
78. Das Puzzle fügt sich – Teil 1 Nachdem der blonde und der blauhaarige Junge in ein Loch unter die Erde stürzten, verschanzte ich mich erst einmal in den Büschen, damit mich dieser durchgeknallte Schatten nicht als Mahlzeit verzehrte. In was für einer verrückten Welt Nick lebte… mörderische Schatten, fliegende Jungs und dazu auch noch blauhaarig. Zu meiner Zeit unvorstellbar! Ich wartete noch eine Weile, ehe ich wieder aus meinem Versteck kroch. Wo war Nick nur abgeblieben? Ich schlenderte vorsichtig durch den Wald, immer auf der Hut vor dem Schatten. Ich kam schließlich auf einen Waldweg und begegnete dort einem sehr athletischen Jungen. „Guten Tag.“, begrüßte er mich. „Haben wir einen kleinen Waldspaziergang unternommen?“ „Äh ja… so in etwa.“, antwortete ich lediglich. Ich war irre nervös. „Hast du dich etwa verlaufen?“, quetschte mich der Junge weiter aus. „Ich bin gerade auf dem Weg zurück ins Schlosshotel. Du darfst mich gerne begleiten. Ich heiße übrigens Tyler!“ Ich zog es sicherheitshalber vor, ihm meinen Namen nicht zu nennen. Sofia warnte uns schließlich mehr als nur einmal vor einem Super-GAU. Stattdessen schüttelte ich ihm netterweise die Hand und bekam anschließend eine Gänsehaut am Rücken. Komisch… Tyler schien doch ganz nett zu sein. Tyler ging voraus und führte mich zu dem Schloss, das ich im Jahre 1957 zusammen mit meinen Freunden erkundete. Ich staunte nicht schlecht, als ich sah, dass es zu einem modernen Hotel umgerüstet worden war. Meine Augen wurden noch größer, als ich der Hotellobby stand. „Na sieh mal einer an, wer da vom Pilze sammeln zurückgekehrt ist.“, sagte ein breit grinsender Mann hinterm Tresen. „Hast du die Pilze etwa im Amazonas gesucht, oder warum hat das so lange gedauert? Hallo, ich rede mit dir… Frau Temperini ist schon ganz ungeduldig…“ „Halt die Klappe, du ahnungsloser Dummkopf!“, blaffte Tyler den Mann an. Dem Mann blieb vor Schreck die Zunge im Halse stecken und auch bei mir löste dieser Tyler langsam Unbehagen aus. „Wir haben einen neuen Gast. Geben sie Nicolas doch bitte ein Zimmer, Herr Wilfred.“ „Mo-Moment mal…“, sagte ich nun mehr als nur leicht irritiert. „Ich kann mich nicht erinnern, dir meinen Namen gesagt zu haben…“ Ich schaute Tyler verwirrt an und ein eiskaltes Lächeln fuhr über seine Lippen. Ich wich drei Schritte zurück, während Tyler mit langsamen Schritten auf mich zukam. Doch dann folgte ein heller grüner Lichtblitz, der Tyler mitten auf der Brust traf. Er wurde rücklings zu Boden gerissen, wo er ohne Bewusstsein liegen blieb. Ich starrte entsetzt zu Herr Wilfred, der eine antike Feuerwaffe in seinen Händen hielt. Sein breites Grinsen war verschwunden. Stattdessen starrte er ernst zu Tyler auf den Boden. Dann packte er mich an den Arm und zog mich mit sich. „Keine Zeit für große Erklärungen, aber du bist in großer Gefahr. Tyler wurde von einem bösartigen Schatten infiziert, der es auf das Amulett um deinen Hals abgesehen hat. Ich bringe dich zu Sofia, der Magierin. Sie wird dich beschützen.“ Herr Wilfred ließ mir keine Chance meine Meinung zu äußern. „Wir müssen in Erfahrung bringen, wem von meinen Hotelangestellten ich noch trauen kann. Wenn wir Pech haben, dann hat der Schatten bereits das gesamte Hotel durchwandert.“ Wir blieben vor einer Tür stehen, an der Herr Wilfred anklopfte. Ohne auf eine Antwort zu warten, stürmte er mit mir zusammen in das Zimmer, das wie ein Büro aussah. Sofia saß in ihrem Lederstuhl und unterhielt sich gerade mit einem älteren und dicklichen Mann. „Frau Temperini…, Tyler ist vom Schatten besessen.“ „Danke Herr Wilfred, das ist mir bereits zu Ohren gekommen. Regina und Gisela haben mich heute Morgen bereits davon in Kenntnis gesetzt, nachdem sie den verwundeten Max im Vorratslager auffanden und…, aber das ist doch Nicolas!“ Sofia stand aus ihrem Ledersessel auf, kam auf mich zugestürmt und nahm mich kräftig in ihre Arme. „Aber wie kommst du denn in diese Zeit?“ „Das ist eine lange Geschichte.“, entgegnete ich kurz und mein Blick fiel auf ein Foto im Bücherregal, dass Sofia Arm in Arm mit dem Zirkusdirektor Graziano abbildete. „Krass. Dann waren sie die Frau von der der Mann gesprochen hat, als wir im Jahre 1997 waren.“ „Nicolas konzentriere dich bitte. Wir schweben alle in großer Lebensgefahr!“, ermahnte der ältere Mann mich eindringlich. „Wir müssen wissen, was mit Nick geschehen ist? Ist er auch hier?“ „Und wer sind sie?“, fragte ich verwirrt. „Rufus Frenzel, ehemaliger Mathematik-Lehrer an Nicks Schule.“, antwortete mir der Mann. „Das ist doch nun vollkommen egal. Wo ist Nick?“, stellte Sofia die Frage nochmals. „Wenn ich das nur wüsste…“, antwortete ich ihr und berichtete über die Geschehnisse im Jahre 1993, als Nick seine jüngeren Eltern traf und in eine wilde Schlägerei geriet.
Im Jahre 1993: Nach der Schlägerei auf dem Schulhof, saßen Bernd, Leopold, Dietmar und Nick im Büro des Schuldirektors und durften sich eine saftige Standpauke anhören lassen. Woher ich das wusste? Ich hörte ihn durch die Türe hindurch plärren. Nach etwa einer halben Stunde entließ er die Jungs aus seinem Büro – bis auf einen. Er hielt Nick zurück, da es über ihn keine Akte im Schulverzeichnis gab. Das war gar nicht gut. Doch es wurde noch sehr viel schlimmer… „Wie oft hab ich dir schon gesagt, dass man seine Probleme nicht mit den Fäusten klärt?!“, fragte die Mutter von Bernd ihren Sohn, die vom Sekretariat in die Schule gerufen wurde. „Das ist einzig und allein die Schuld deines Vaters. Dieser Taugenichts hat dich vollkommen verdorben!“ Die Krähe! Ich glaube, mich laust der Affe... Bernd ist also mein Sohn? Dann ist Bernd Nicks Vater?! Ich werde hier noch irre… Die erwachsene Agathe erblickte mich und mit einem Mal wurde ich ganz klein. Allerdings schien sie in keiner Weise überrascht zu sein. Stattdessen klopfte sie an der Tür des Schulrektors und betrat das Zimmer hinterher. „Guten Tag. Verzeihen sie vielmals die Unannehmlichkeiten, die ihnen mein Sohn heute bereitet hat. Ich werde dafür Sorge tragen, dass dies nicht wieder vorkommt, Dieser Junge hier…“, Agathe deutete mit ihrer Hand auf den versteinerten Nick, „…ist ein entfernter Cousin meines Jungen. Er ist gerade auf Besuch bei uns und wollte unbedingt die Schule sehen, in der Bernd jeden Tag so eifrig lernt.“ Wie auch immer sie es fertigstellte, der Schulrektor ließ Gnade vor Recht walten und Nick kam mit einem blauen Auge davon. Bernd, Leopold und Dietmar waren inzwischen wieder in ihre Klassenräume zurückgekehrt, als Nick und ich, der erwachsenen Agathe in der Aula gegenüber standen. „Respekt Krähe, dass hätte ich dir gar nicht zugetraut. Du hast Nick und uns alle vor einem großen Schlammassel bewahrt.“, sagte ich zu ihr und zollte ihr damit auch wirklich Respekt. „Bedank dich nicht bei mir du Taugenichts in Junggestalt.“, krächzte Agathe in gewohnter Manier. „Mein Mann… dein zukünftiges Ich, hat mich hergeschickt, weil er wusste, dass ihr hier seid. Er selber wollte nicht kommen, um keinen Super-GAU auszulösen. Doch nun sollten wir uns überlegen, wie wir euch schnellstmöglich wieder in eure Zeiten zurückschicken.“ „Ich hoffe der Zeitstrudel befindet sich noch im Handarbeitszimmer.“, meinte ich und betete, dass keine Schulklasse gerade Unterricht darin hatte und den Zeitstrudel entdeckte.
79. Das Puzzle fügt sich – Teil 2 Im Jahre 1993: Das Handarbeitszimmer befand sich im Untergeschoss des Schulgebäudes. Mehrere große Holztische standen nebeneinander, auf denen Nähmaschinen positioniert waren und in den Schubladen lagen Werkutensilien, die die Schüler fürs Verarbeiten von Holz, Metall und Stoffen benötigten. Wir hatten Glück das sich keine Schulklasse in dem Raum befand, denn das machte vieles einfacher. Der Zeitstrudel schwebte wie gewohnt leicht über der Erdoberfläche und leuchtete strahlend hell. „Ihr müsst euch beeilen.“, sagte die erwachsene Agathe zu uns. „Ich hoffe, dass dieser Zeitstrudel euch in eure Zeiten zurückbringt, aber was rede ich denn da… natürlich tut er das. Schließlich sind wir Beide doch verheiratet.“ Agathe wandte sich an mich und zeigte mir den Ehering an ihrem Ringfinger. „Mir wird immer noch übel bei dem Gedanken, dass wir Beide…“, äußerte ich mich lediglich dazu. Ich rechnete schon damit, dass Agathe wieder eine abfällige Bemerkung über mich verlor, doch ihre weiteren Worte überraschten mich: „Mein lieber Nicolas…,“ Sie legte ihre linke Hand auf meine Wange, was mich zugleich in Verlegenheit brachte, „…du bist durch und durch ein ziemlicher eigensinniger junger Mann, aber gerade deswegen habe ich mich in dich verliebt und ich liebe dich immer noch, weil du einen guten Kern in dir trägst, der zu blühen beginnt, sobald man ihn mit ein wenig Liebe und Zuneigung füttert.“ „W-Was krächzt du denn da vor dich hin? Ist ja nicht auszuhalten!“, entgegnete ich unruhig. „Na wer wird denn da rot im Gesicht?“, fragte Nick und lachte mich dabei genüsslich aus. „Ich nicht!“, schrie ich ihn an und versuchte mich irgendwie zu wehren. Da mir dies nicht gelang, sagte ich schnell: „Los, gehen wir Nick. Bevor uns hier doch noch jemand entdeckt.“ Mit einem Hechtsprung sprang ich in den Zeitstrudel. Die bunten Schmetterlinge flogen um meinen Kopf herum und versprühten ein sonnig warmes Gefühl, das ein Lächeln in mein Gesicht zauberte…, oder waren es in Wirklichkeit Agathes Worte, die dieses Glücksgefühl in mir auslösten?!
Nachdem ich Sofia die Geschichte erzählt hatte teilte sich unsere Gruppe auf. Der seltsame Hotelmanager Herr Wilfred und dieser als Lehrer getarnte Herr Frenzel, trommelten Nicks Freunde zusammen, während ich mich mit Sofia auf die Suche nach Nick begab, der hier schließlich irgendwo sein müsste. „Und das Schloss haben wirklich sie zu diesem prachtvollen Hotel umgerüstet?“, fragte ich die Magierin, während wir durch die einzelnen Gänge ihres Hotels schlurften. „Ja… Nach unseren Erlebnissen im Zeitstrudel war ich der festen Überzeugung das der Tag kommen wird, an denen wir hier alle zusammen kommen und gemeinsam gegen den Schatten antreten.“, antwortete sie mir. Auf die Frage hin, woher sie das wusste, antwortete sie mir augenzwinkernd: „Ganz einfach Nicolas, weil du es mir erzählt hast. Also dein zukünftiges Ich!“ Ich stellte keine weiteren Fragen, denn die Komplexität von Zeitreisen schien meinen geistigen Horizont zu übersteigen. Stattdessen fragte ich: „Wissen sie überhaupt, wo wir hingehen?“ „Wir sind zwar auf der Suche nach Nick, aber befinden uns auf dem direkten Weg zu der Suite von Leon Schopp, einem wirklich begnadeten jungen Künstler, der sich im Besitz der magischen Kunstutensilien befindet.“, antwortete Sofia mir. „Ich habe ihn darum gebeten, einen Feuerphönix zu zeichnen. Wenn ihm dieses Meisterwerk gelungen ist, dann haben wir eine reelle Chance dem Schatten beizukommen, andernfalls… „Sprechen sie den Satz nicht zu Ende, ich kann´s mir auch so denken.“, erwiderte ich unruhig. „Da fällt mir ein, dass zwei Jungs in ein Loch unter die Erde stürzten, nachdem uns der Schatten attackiert hat. Ich weiß leider ihre Namen nicht, aber der eine Junge hatte wasserblaue Haare.“ „Himmelblau… du meinst sicher Casey und Justin…“, meinte Sofia. „Wie auch immer. Sie scheinen einen Plan entwickelt zu haben, der uns allen das Leben rettet, wie mir scheint, aber vergessen sie bei ihren Überlegungen bitte nicht, dass wir den Zeitstrudel finden müssen, der auch mich wieder nach Hause bringt.“, sagte ich zu ihr. „Keine Sorge. Ich vergesse nicht, dass wir dich wieder ins Jahr 1957 zurück schicken müssen, denn wenn wir es nicht täten, würde dass deine Zukunft und unsere Vergangenheit verändern.“ Mir brummte der Schädel von diesem Vergangenheit- und Zukunfts-Wirrwarr. „Wir sind da!“ Sofia und ich kamen in einem Gang an, der völlig verwüstet war. Ein Ölgemälde lag am Boden und überall befanden sich die Scherben einer Ming-Vase. Sofia starrte erschüttert auf den Scherbenhaufen. Sie versuchte Haltung zu bewahren und marschierte mit großen Schritten zu einer Tür, an der sie dreimal anklopfte. „Leon bist du da? Bitte melde dich! Leon!“, rief sie besorgt durch die Tür hindurch. Es kam keine Antwort. Ich blickte mich noch einmal im Gang um. Es sah ganz danach aus, als wäre es hier zu einem Kampf gekommen. „Was ist denn hier geschehen?“, fragte uns ein sehr attraktiver Junge, der auf einmal hinzukam und sich ebenfalls erschüttert im Gang umsah. „Zack, hast du einen Zweitschlüssel zu der Suite?“, fragte Sofia den Jungen nervös und unruhig. „Äh nein…“, erwiderte der Junge verwirrt, „aber woher kennen sie überhaupt meinen Namen?“ Sofia ignorierte die Frage des Jungen. Zur selben Zeit ging die Tür zur Suite doch noch auf und ein Junge mit schulterlangem schwarzem Haar stand vor uns. Das musste wohl Leon sein. „Was macht ihr hier draußen denn für einen Krach?“, fragte Leon uns. „Leon, Gott sei Dank! Hast du die Phönix-Zeichnung fertig?“, fragte Sofia ihn, deren Lippen sich wie ein Mundfeuerwerk auf und zu bewegten, da sie keine Sekunde mehr verlieren wollte. „Kennst du diese Frau?“, fragte Zack seinen Freund und zeigte mit dem Zeigefinger auf Sofia. Leon lächelte seinen Freund an, doch irgendetwas störte mich daran. Es war kein Lächeln das in jemanden ein warmes Gefühl auslöste. Dieses Lächeln fühlte sich kalt und boshaft an. „Natürlich. Das ist Sofia Temperini, die Chefin dieses Hotels.“, antwortete Leon ihm. Dann wanderten seinen Augen zu mir und mir lief es kalt den Rücken runter. „Und wer ist dieser junge Mann?“ „Jungs, wir können gerne alle einen Sitzkreis bilden und uns nacheinander einander vorstellen, aber erst nachdem wir Seraphiel ein für alle Mal losgeworden sind.“ „Und wer ist Seraphiel?“, fragte Zack nun völlig irritiert. „Nicolas du klärst diesen unwissenden Schönling auf, während Leon mir die Zeichnung überreicht.“, sagte Sofia weiterhin im schnellen Tonfall. „Unwissender Schönling? Ich weiß nicht, ob ich das als Beleidigung oder als Kompliment empfinden soll.“, meinte Zack dazu. Ich rollte mit den Augen, packte ihn am Arm und zog ihn zur Seite, damit ich ihm eine Kurzfassung über Seraphiel abliefern konnte – sofern das überhaupt möglich war. „Leon, die Zeichnung bitte. Heute ist Abgabefrist!“ Sofia streckte ihre Hände aus und schien sichtlich nervös. Doch Leon hatte keine allzu guten Neuigkeiten für sie. „Tut mir Leid, aber ich habe keine Zeichnung. Sie ist einfach nichts geworden.“, erklärte er ihr. Sofia starrte Leon erschrocken an. „Aber was redest du denn da?“, fragte Zack seinen Freund, der mir gar nicht richtig zuhörte und sich wieder von mir abwandte. „Du hattest die Zeichnung doch schon fast fertig und es sah einfach brillant aus.“ „Ja, aber ich hab mich um entschieden. Ich fand sie einfach grauenvoll und hab sie zerrissen.“, erwiderte Leon daraufhin ohne mit der Wimper zu zucken, was mir wieder sehr komisch vorkam. „Ze-zerrissen…?“ Sofia war sprachlos. War unsere letzte Hoffnung nun etwa zunichte?
80. Das Puzzle fügt sich – Teil 3 „Alles vorbei. Du hast ja keine Ahnung, was du damit angerichtet hast, Leon!“, hörte ich Sofia schluchzen, während sie sich aufs Bett in Leons Suite fallen ließ und ich mich ein wenig umsah. Auf dem Tisch entdeckte ich eine Schatulle, die offen lag und darin befanden sich ein Zeichenstift und ein Pinsel. Ich rief mir diesen Gegenstand aus meiner Zeitebene noch in Erinnerung – das Kellergewölbe! „Tja… es tut mir wirklich leid.“, entschuldigte Leon sich bei ihr, doch glaubte ich ihm kein Wort. Seine Gesichtszüge zeigten keinerlei Anzeichen von Reue und seine Stimme klang fast schon gelangweilt. „Was ist da draußen im Gang vorgefallen?“, fragte ich ihn schließlich neugierig und mit einem schuldigen Blick. „Da sieht es ja aus, wie auf einem Schlachtfeld.“ „Oh ja, jetzt wo du es sagst. Waren wohl ein paar Kinder, die da rumgetobt haben.“, meinte Leon, der so tat, als wüsste er von nichts und hätte das Chaos eben erst bemerkt. „Könnte mich vielleicht mal jemand aufklären, was dieser Zirkus mit der Zeichnung eigentlich soll?“, fragte Zack ahnungslos in die Runde. „Sie tun ja gerade so, als wäre diese Zeichnung lebenswichtig gewesen.“, sagte er zu Sofia. Nun gut, was es mit der Zeichnung auf sich hatte, war mir selber nicht so ganz klar, doch als der Junge Zack das Wort „Zirkus“ in den Mund nahm, beschlich mich ein ungutes Gefühl. Dieser Leon benahm sich eigenartig, genauso wie dieser Tyler vorhin in der Hotellobby. Hat der Schatten etwa auch von ihm Besitz ergriffen? Würde er auch gleich Feuer speien wie dieser blinde Messerwerfer? Ich sollte ihn auf jeden Fall im Auge behalten. Ich sollte nichts überstürzen. Zudem beschäftigte mich immer noch die Frage, wo sich Nick zum gegenwärtigen Augenblick aufhielt. Er war nicht im Wald und bisher auch im Schloss nicht aufzufinden. Könnte es vielleicht sein, dass er… „Sofia, wir sollten in die Bibliothek gehen. Dort gibt es einen Geheimgang, der in den Keller führt und bestreiten sie das erst gar nicht, denn ich bin bereits im Jahre 1957 dort gewesen!“ „Ja gut, aber ohne die Phönix-Zeichnung hat das doch alles ohnehin keinen Zweck mehr.“, meinte Sofia, die die Hoffnung wirklich aufgegeben zu haben schien. „Der Glaube kann Berge versetzen. Uns wird schon noch was einfallen…“, sagte ich frohen Mutes. „… und bis dahin, nehmen wir die Schatulle mit den magischen Kunstutensilien einfach mit. Vielleicht stoßen wir in der Zwischenzeit auch auf Nick und dann haben wir zwei kraftvolle Amulette auf dieser Zeitebene.“ „Ohne Prinz Phönix sind die Amulette aber wirkungslos.“, meinte Sofia zu mir. „Deshalb sollte Leon ja auch den Phönix zeichnen, damit wir den Prinzen wieder ins Leben zurückrufen können.“ „Wow, wow, wow!“, stieß Zack plötzlich laut aus. „Nick? Nick ist wieder da und du kommst aus dem Jahre 1957? Wollt ihr mich veräppeln? Und wer zum Henker soll Prinz Phönix sein?!“ „Du meine Güte, wenn du nicht so wichtig für unser Vorhaben wärst, dann würde ich dich auf der Stelle mit einem Verwandlungszauber belegen und dich in einen dummen Esel verwandeln.“, sagte Sofia mies gelaunt und doch nicht böse gemeint zu Zack, der nun wie ein Trottel dastand. „Leon nimm‘ deine Kunstutensilien und dann folgt ihr mir bitte alle. Nicolas hat Recht. Ich habe so viele Jahrzehnte auf diesen Tag gewartet. Noch ist nichts verloren!“
Wir folgten Sofia aus dem Zimmer und ich bildete hinter Leon die Nachhut. Ich konnte ein eisiges Grinsen in seinem Gesicht erkennen und war mir nun sicher, dass er nicht der war, der er vorgab zu sein. Ich könnte ihn angreifen, aber ich war nur ein wehrloser Junge und er würde mich töten. Ich musste mich also weiterhin in Geduld üben und wenn möglich, die Anderen vor ihm warnen. Auf dem Weg in die Bibliothek trafen wir wieder auf den Hotelmanager Herr Wilfred, sowie Herrn Frenzel. „Schlechte Nachrichten, Frau Temperini.“, sagte Herr Wilfred, der äußerst gestresst wirkte. „Ich kann die Jungs einfach nicht auffinden. Keinen von ihnen.“ „Herrgott, ich vertrage heute keine schlechten Nachrichten mehr Ignatius!“, erwiderte Sofia aufgewühlt. „Sie hatten die Aufgabe, die Jungs im Auge zu behalten. Nur diese eine simple Aufgabe!“ „Mit Verlaub gnädige Frau, aber diese Jungs sind ungestüm und machen was sie wollen. Einer von ihnen kann sogar fliegen!“, entschuldigte sich der Hotelmanager bei ihr. „Schon gut. Leon und Zack haben wir hier, Justin und Casey müssen sich bereits unter der Erde irgendwo befinden. Wir werden sie suchen und finden. Max ist bei Gisela und Regina, bedeutet, uns fehlen noch Bobby, Tobias und Nick für das bevorstehende Ereignis.“ „Max treibt sich also bei zwei Mädels herum…, hätte ich ihm gar nicht zugetraut.“, gluckste Zack vor sich hin, während wir weiterhin auf die Bibliothek zumarschierten. „Naja, aber eines will ich hier mal noch loswerden: Das ist nämlich kein Hotel zum Entspannen mehr, sondern das reinste Irrenhaus!“ „Haha, du hast ja keine Ahnung.“, lachte ich gequält. „Schon einmal durch die Zeit gesprungen?“ „Genug jetzt!“, rief Sofia uns fordernd auf und wir stellten unsere Unterhaltung ein. Als wir die Bibliothek betraten erwartete uns eine Überraschung. Das Buch „Ewiges Leben“ wurde bereits herausgezogen und der Geheimgang war offen gelegt. „Oookay…“, sagte ich schließlich betont langsam und ich zog nicht als Einziger ein überraschtes Gesicht. „Ich würde sagen, dass wir nicht die Ersten sind, die nach unten wollen. Eine Idee, wer oder was uns da unten erwartet?“ „Wer außer dir weiß noch von dem Geheimgang?“, fragte Sofia mich mit einem bedrohlichen Blick. „Naja, mein bester Freund Justus, dann die Krähe Agathe und vor Nick hab ich den Geheimgang glaube ich auch einmal erwähnt.“, antwortete ich ihr nun doch leicht verängstigt. „Wer oder was auch da unten sein mag, wir haben keine andere Wahl, als ebenfalls dort hinunter zu steigen.“, sagte Herr Frenzel fest entschlossen. Wer war dieser Mann eigentlich? „Sie haben Recht Rufus. Wir haben dem Tod schon so oft ins Auge geblickt und sind ihm dennoch immer wieder von der Schippe gesprungen. Lasst uns hinuntersteigen!“, sagte Sofia und machte daraufhin den ersten Schritt auf die erste Stufe einer langen Treppe. Mir war nicht ganz wohl bei der Sache und am liebsten wäre ich hier oben geblieben, da ich ja nur ins Jahr 1957 zurück wollte. Doch vielleicht befand sich mein Zeitstrudel ja dort unten und ich wollte Nick auch nicht so einfach im Stich lassen. Ich wollte mich von meinem zukünftigen Enkel wenigstens noch verabschieden!
In der Zeit, als wir die Treppe hinunter stiegen, klärte Herr Frenzel Zack über alles auf. Er erzählte ihm von Prinz Phönix, den magischen Kräften und auch von Seraphiel, der als tödlicher Schatten in der Welt sein Unwesen trieb. Zack horchte ihm zu und unterbrach ihn kein einziges Mal. Auch für mich war das sehr interessant, da ich nun Nicks Handlungen besser nachvollziehen konnte. Dennoch hatten wir immer noch ein „kleines“ Problem… „Ach Leon, darf ich vielleicht mal einen Blick in die Schatulle werfen und mir die Kunstgegenstände ein wenig genauer ansehen?“ „Warum?“, fragte Leon mich mit tiefer Stimme, während er mich finster ansah. „Naja, wenn der Zeichenstift und der Pinsel wirklich magisch sind, dann finden wir vielleicht doch noch einen Weg, eine Zeichnung des Phönixes herzustellen. Mit Magie ist schließlich alles möglich, oder?!“ Ich versuchte mein Glück und betete, dass Leon – oder was auch immer er war – mir die Schatulle überreichte. Leon zögerte allerdings und erstmals warf auch Sofia einen skeptischen Blick auf ihn. Ich versuchte so zu tun als wäre nichts und lächelte Leon einfach nur entgegen. Schließlich streckte Leon seinen Arm zu mir aus und überreichte mir die Schatulle mit den magischen Kunstutensilien. Soweit ging mein Plan also schon einmal auf. Wir marschierten weiter und kamen schließlich zu dem runden Kellergewölbe, in dem sich vier Türen befanden. Wir standen davor und keiner rührte sich. In einem unbemerkten Moment zog ich den Zeichenstift aus der Schatulle heraus und tat etwas sehr Mutiges…, oder etwas sehr Dummes! Mein Großvater hat mir einmal erzählt, dass böse Geister und Dämonen Angst vor kirchlichen Ritualen haben. Also malte ich schnell ein Kreuz auf Leons Hals. An derselben Stelle fing Leon plötzlich zu glühen an. Dann schrie er! „Was tust du denn da?!“, brüllte Zack mich erschrocken an und alle drehten sich zu uns um, als Leons Schrei an den kahlen Wänden widerhallte und sich sein ganzer Körper in einen Schatten verwandelte.
81. Vom Schatten besessen – Teil 1 Nach den Ereignissen vor drei Jahren in der Universität und Leons Erzählung über seine magischen Kunstutensilien, hatte ich beschlossen, das Ganze nicht so ernst zu nehmen. Ich wollte es schnell wieder vergessen, oder zumindest weit von mir schieben, da ich mit all dem nichts zu tun haben wollte. Doch dann war da ja noch Max Kompass, der angeblich ebenfalls magische Kräfte besaß und mir wurde klar, dass wenn ich mit Max und Leon befreundet, oder zusammen sein wollte, diese Dinge ein Teil meines Lebens sein würden. Als Max mir schließlich vorschlug, in dieses Schlosshotel zu fahren, um Urlaub zu machen, da war mir von vornherein klar, dass es zu Problemen kommen würde. Doch jede Erkenntnis meinerseits, konnte mich nicht auf das vorbereiten, was sich nun vor mir abspielte. Mein Freund Leon schrie wie eine Art Monster. Aus seinen Augen, Ohren und seinem Mund drang ein dunkler Schatten heraus und hüllte seinen ganzen Körper damit ein. „A-Aber… L-Leon…!“, stieß ich laut aus, während die Angst Besitz von mir ergriff. „Zack, das ist nicht Leon.“, sagte die Hotelbesitzerin Sofia Temperini neben mir, während all unsere Augen auf Leon, beziehungsweise den Schatten gerichtet waren, der noch unter Schmerzen litt. „Heilige Krähe!“, hörte ich Nicolas laut fluchen, der die Schatulle mit den Kunstutensilien noch immer in der Hand hielt und ebenfalls ängstlich zurück wich. „Wie viele von diesen Schattenwesen gibt es eigentlich?“, fragte er, als er zu mir, Sofia, Herrn Wilfred und Herrn Frenzel trat. „Tja, das ist schwer zu sagen. Ein Schatten kann schließlich überall sein und was noch viel schlimmer ist, je mehr Energie er hat, desto mehr Menschen kann er kontrollieren.“, antwortete Sofia ihm. „Ich verstehe nicht. Ist das jetzt der echte Leon oder nicht?“, fragte ich verängstigt, aber ich musste in Erfahrung bringen, was mit Leon geschehen ist. Ich darf ihn nicht noch einmal verlieren! „Ich muss gestehen, dass ich mit meiner Weisheit am Ende bin.“, klärte Sofia uns auf. „U-Und was sollen wir jetzt tun?“, fragte Nicolas mit zittriger Stimme. „Wegrennen und zwar schnell, ehe der Schatten sich wieder unter Kontrolle hat und euch hinterher verschlingt!“, antwortete Sofia und keinem von uns musste das zweimal gesagt werden. Rennen war früher eine meiner größten Stärken, doch seitdem ich meinen Fuß nicht mehr so stark belasten konnte, erwies sich das als weitaus schwieriger. Dennoch rannte ich zusammen mit den Anderen los und ohne lang nachzudenken öffnete ich die mir am nächsten liegende Tür. Ich konnte zwei andere Türen zufallen hören und mir war klar, dass wir voneinander getrennt wurden und nun jeder auf sich gestellt war. Vor mir lag ein schmaler Tunnel, denn ich entlang rannte. An den steinernen Wänden hingen Fackeln, die hell aufloderten, als würden sie mir den Weg weisen. Doch wer hat sie entzündet? Eine Frage, die mir im Angesicht des Todes als unwichtig erschien. Ob mir der Schatten auf den Fersen war? Ich warf einen kurzen Blick nach hinten und konnte nichts sehen. Prima! Ich spürte ein Brennen in meinen Beinen und ein Stechen in meiner Brust. Ich war überhaupt nicht mehr in Topform, seitdem ich in die Firma meines Vaters eingestiegen bin und nur noch im Ledersessel saß. Sport war meine Leidenschaft…, Kunst war meine Leidenschaft…, jetzt bin ich zu einem Bürohengst mutiert. Ich hab sogar meine eigene Sekretärin – was für eine alte Schachtel! Der Tunnel machte eine starke Rechtskurve und ich fand mich an einer Kreuzung wieder. Welchen Weg sollte ich nun einschlagen? Jetzt wünschte ich, ich hätte den Kompass von Max zur Hand. „Hilfe!“ Eine Frau. Aus dem rechten Tunnel hörte ich den verzweifelten Hilferuf einer Frau. „Hilfe! So hilft mir doch bitte einer!“ Da schon wieder. Es war definitiv die Stimme einer Frau. Ohne groß nachzudenken, bog ich in den rechten Tunnel ab und rannte der Stimme entgegen. Doch mit jedem weiteren Hilferuf wurde ich langsamer und langsamer. Was wenn das in Wirklichkeit eine Falle war? Die Hotelbesitzerin hat selber gesagt, dass der Schatten von jedem Besitz ergreifen konnte. „Warum hört mich denn nur keiner?! Hilfeee!“, schrie die Frau erneut. Ich langte mir an den Kopf. Im Tunnel war es stickig warm und ich konnte nicht mehr klar denken. Dennoch hatte ich eine Entscheidung zu treffen: Eine Frau war in Nöten und wenn es keine Falle war, dann würde ich es mir im Leben nicht verzeihen, ihr nicht zur Hilfe geeilt zu sein. Ich rannte also weiterhin den Tunnel entlang und kam schließlich in einen kleinen runden Raum. Im ganzen Raum, hingen von den Wänden eiserne Ketten herunter. Dies musste eine Art Gefängnis früher gewesen sein. An zwei dieser Ketten hing eine Frau mit lockigem Haar – Astrid Würzinger, die Barkeeperin aus dem Schlosshotel! Sie war mit beiden Armen an den Ketten gefesselt, während ihr Körper in der Luft baumelte und ihre Füße den Boden gerade so berührten. Ihre Augen waren verbunden und ihre Haut und Kleidung war verdreckt. Ich konnte ein paar Schürfwunden an ihrem Körper entdecken und an ihrer rechten Wange hatte sie eine Schnittwunde, dessen Blut allerdings schon getrocknet war. „Hilfe!“ „Keine Sorge. Hilfe ist schon da.“, sagte ich im ruhigen Ton zu ihr und nahm ihr erst einmal die Augenbinde ab, damit sie wieder etwas sehen konnte. „Was ist passiert? Wie bist du hier runter gekommen?“, fragte ich sie, um in Erfahrung zu bringen, wer ihr das angetan hat. „Theo…, der Hotelpage.“, antwortete mir Astrid völlig erschöpft. Als der Name fiel, musste ich automatisch einmal kräftig schlucken. Maria war doch nun mit diesem Kerl zusammen. „Ich versuch dich jetzt erstmal von diesen Ketten zu befreien.“, sagte ich, während ich mir inzwischen Sorgen um all meine Freunde machte. Leon, Max, Maria…, sie alle waren in höchster Gefahr! Ich sah mich in dem kleinen runden Raum ein wenig um und suchte nach einer Möglichkeit, die Ketten zu zerschlagen. Doch das Glück war auf meiner Seite, denn an der Wand gegenüber hing ein Schlüssel. Der Schlüssel passte zu den Ketten, an denen Astrid angekettet war, und ich konnte sie kurzum davon befreien. Doch im selben Moment, als die Ketten sich von ihren Handgelenken lösten, wurde mir mulmig zumute. Dieser Theo hat den Schlüssel einfach hier gelassen? Das ist doch eigentlich dumm… Ich wollte nicht unhöflich erscheinen, dennoch nahm ich ein wenig Abstand zu Astrid, um nicht ein Opfer eines kranken Spiels zu werden. Konnte ihr ihr vertrauen? Andererseits konnte sie sich ja schlecht selbst festketten und den Schlüssel wieder an die Wand gegenüber hängen. „Ich danke dir.“, hörte ich Astrid mir zuflüstern. „Keine Ursache.“, erwiderte ich dennoch etwas misstrauisch. „Wir sollten zurückgehen und einen anderen Weg einschlagen. Ich muss meine Freunde finden. An deiner Stelle würde ich mich erst einmal begleiten, da du im Hotel nicht wirklich sicher bist.“ Die Frage, ob es bei mir dafür sicherer sei, stellte sich mir natürlich, doch wenn Astrid wirklich unschuldig ist, dann würde ich sie unter Einsatz meines Lebens beschützen, wie ich es immer tat. Eine Bedingung stellte ich trotzdem: „Das ist zwar jetzt nicht sehr männlich, aber würdest du bitte vorausgehen.“ Astrid sah mich schief an und stufte mich als Feigling ein, doch wollte ich es lediglich vermeiden, ein Messer in den Rücken gerammt zu bekommen.
82. Vom Schatten besessen – Teil 2 Wir kehrten zu der Kreuzung zurück, an der ich erstmals den Hilfeschrei von Astrid vernahm. Ich war ständig auf der Hut vor einem Überraschungsangriff ihrerseits, doch ging sie ruhig und verängstigt voraus. „Welchen Weg sollen wir nun einschlagen?“, fragte sie mich aufgelöst. „Ich bin von links gekommen und dort liegt auch der Ausgang.“, erklärte ich ihr, doch dass sich dort vielleicht noch ein böser Schatten aufhielt, der die Gestalt meines Freundes angenommen hat, verschwieg ich ihr. „Ich schlage vor, wir gehen nach rechts. Mein Bauchgefühl sagt mir, dass das der richtige Weg sein könnte.“ Ohne ein weiteres Wort zu verlieren, bog ich nach rechts ab und ging somit nun selber voraus, denn ich glaubte, dass die Barkeeperin wirklich unschuldig sei. Wir marschierten also den Tunnel entlang, der wie alle anderen kein Ende zu nehmen schien. Ich fühlte mich, als würde ich mich in einem Labyrinth befinden. Doch irgendwann nahm auch dieser Tunnel ein Ende und wir kamen in einen größeren, quadratischen Raum. In der Mitte des Raumes stand ein Holztisch, auf dem ein weiteres Mädchen lag und an Händen und Füßen mit Schnüren gefesselt war. Das blonde Haar, der helle Teint ihrer Haut und das Kleid das sie trug, ich erkannte sie sofort, auch wenn sie eine dünne Strickjacke über ihr Kleid angezogen hatte! „Maria.“ Ich rannte zu ihr und schaute ihr von oben ins Gesicht. Sie hatte ihre Augen geschlossen, doch hörte sie meine Stimme und öffnete ihre Augen ganz langsam. „Keine Sorge Maria, jetzt bist du in Sicherheit.“ „Zack? Wo bin ich hier? Wie bin ich hierhergekommen?“, fragte Maria verwirrt und verängstigt. Im Gegensatz zu Astrid schien sie aber keinerlei Verletzungen davon getragen zu haben. Zack befreite sie von ihren Fesseln. „Woran kannst du dich noch erinnern?“ Maria hielt sich die rechte Hand an die Stirn, als verspürte sie Kopfschmerzen. „Ich erinnere mich nur noch daran, wie ich am Pool gelegen bin. Da ist auf einmal dieser Tyler aufgetaucht. Er wollte mir den Rücken mit Sonnencreme einreiben, damit ich mir keinen Sonnenstich holte. Dann…, dann weiß ich nicht mehr. Ich glaube ich wurde bewusstlos.“ „Dann muss er dich bewusstlos geschlagen haben.“, meinte Astrid zu ihr und erstmals bemerkte Maria, dass ich nicht alleine bei ihr war. „Genauso wie Theo mich bewusstlos schlug, doch glaube ich mich zu erinnern, dass ich ihm zuvor noch mit einem Glas am Oberarm traf und dieses daraufhin zu Bruch ging.“ „Theo? Mein Theo?“, erwiderte Maria perplex. „Tyler und Theo müssen von dem Schatten besessen sein.“, schlussfolgerte ich. „So langsam wünschte ich, wir wären alle niemals hierhergekommen.“ Noch während ich das sagte, hörte ich laute und schnelle Schritte aus der Ferne. Jemand kam den Tunnel entlang gerannt und bewegte sich geradewegs auf uns zu. War es der Schatten in der Gestalt von Leon? Wenn ja, wie lange könnte ich die Mädchen dann noch beschützen, ehe auch ich eines seiner Opfer wurde? „Da-Da-Da kommt jemand!“, stieß Astrid verängstigt aus. „Da hinten ist ein Ausgang!“, rief Maria uns zu und zeigte uns einen weiteren Tunnel. „Wenn wir uns beeilen, dann sind wir weg, ehe die Person – wer auch immer sie sein mag – hier aufkreuzt.“ Ich versuchte Ruhe zu bewahren und nicht überstürzt zu handeln. Vielleicht war es ja auch gar kein Feind. Andererseits…, wenn es ein Feind war und wir jetzt die Flucht ergreifen, dann haben wir noch eine reelle Chance zu überleben. Was sollten wir tun? „Ich bleibe.“, entschied ich mich schließlich. „Aber zu eurer eigenen Sicherheit solltet ihr in Deckung gehen.“ „Wenn du bleibst Zack, dann bleibe ich auch.“, sagte Maria fest entschlossen und ich bewunderte sie für ihren Mut. Sie und Astrid warfen sich gegenseitig Blicke zu und waren sich einer Meinung. Ich lächelte. „Gut, wie heißt es doch so schön: Einer für alle, alle für einen!“ Die Schritte kamen unaufhaltsam näher und irgendwann konnte ich die Silhouetten zweier Personen sehen. Doch erst als sie den Raum betraten und das Licht der Fackeln ihre Körper beleuchteten, konnte ich erkennen, wer es war: Nicolas… und Theo! „Maria!“, stieß Theo überglücklich und allem Anschein nach auch sehr erleichtert aus. Er wollte auf Maria zu laufen, doch die wich einen Schritt zurück, während ich mich schützend vor sie stellte. „A-Aber Maria, was ist denn los? Ich bin es doch. Jetzt wird alles wieder gut! Ich bin jetzt bei dir.“ „Zack pass auf, die Frau ist ein Schattenwesen!“, rief Nicolas mir zugleich zu und zeigte mit dem Finger auf Astrid. Maria und ich nahmen Abstand von der Barkeeperin, die uns alle nur verstört ansah. „Sie hat Theo angegriffen und ihn in eine Grube geworfen. Ich habe ihn gerade vorhin dort gefunden und mithilfe eines Seils herausgezogen.“, erklärte Nicolas mir, während ich Theo genauer in Augenschein nahm, der wirklich von oben bis unten mit Erde verdreckt war. „Ehrlich gesagt weiß ich nicht, wem ich noch Glauben schenken soll.“, sagte ich misstrauisch und versuchte dabei möglichst alle im Auge zu behalten. „Astrid hat erzählt, dass Theo sie angegriffen hat. Ich fand sie vorhin angekettet in einem Raum. Sie kann sich unmöglich selbst angekettet haben. Vielleicht sind ja auch Beide von einem Schatten besessen. Theo hat Astrid angekettet und ist hinterher selber in die Grube gesprungen. Vielleicht lügen Beide, um uns in die Irre zu führen.“ „Nein, ich lüge nicht! Bitte, ihr müsst mir glauben!“, schrie Astrid uns flehend entgegen, während sich Tränen in ihren Augen bildeten. „Ich weiß ja noch nicht einmal, wovon ihr da redet. Bitte!“ „Zack, was sollen wir jetzt tun?“, fragte Maria, die sich schützend an meinen Rücken klammerte. Nicolas ging auf Abstand zu Theo, der ebenfalls reichlich verwirrt zu sein schien. „Maria, Schatz, ich liebe dich. Glaub ihnen kein Wort. Ich bin nicht… besessen, von was auch immer.“ „Okay, entweder lügen Beide, oder nur Einer.“, sagte ich, während meine Augen von Astrid zu Theo wanderten und wieder zurück. „Leider kann mir das magische Amulett uns auch nicht weiter helfen. Seitdem wir hier unten sind, nimmt es nämlich nur noch negative Schwingungen auf.“, klärte Nicolas uns auf. „Ich kann nicht mehr unterscheiden, wer Gut und wer Böse ist. Wer sagt mir, dass du noch zu den Guten gehörst Zack? Ich wünschte Nick wäre hier und ich könnte endlich wieder in meine Zeit zurück!“ Astrid schluchzte und ich fragte mich, ob ihre Tränen nur gespielt, oder echt waren. „Was geht hier eigentlich vor sich?! Von Schatten besessen, magisches Amulett – ich versteh rein gar nichts mehr!“ Ich hatte schließlich eine Idee. „Nicolas, die magischen Kunstutensilien – Können die uns helfen?“ „Das könnte vielleicht klappen.“, sagte Nicolas begeistert und legte die Schatulle auf den Boden, die er die ganze Zeit über in den Händen gehalten hat. „Die Kunstutensilien sind mit Magie versehen. Nicht mit irgendeiner Energie, sondern mit der Kraft des Feuerphönix. Wenn ich euch damit also berühre, dann muss sich der Schatten zu erkennen geben, sofern er Besitz von euch ergriffen hat.“ „Okay, er als Erstes.“, sagte ich und deutete mit dem Kopf auf Theo. „Warum ich als Erstes?!“, fragte Theo aufgewühlt in die Runde. „Vertraut ihr mir weniger als ihr?“ „Wenn du nicht von einem Schatten besessen bist, der uns töten will, dann vertrauen wir dir!“, entgegnete Nicolas ihm daraufhin und kam ihm mit dem Pinsel bedrohlich nahe. Doch als Nicolas ihn mit dem Pinsel berühren wollte, wich Theo einen Schritt zurück. Zuerst starrte er nur auf den Boden, doch dann blickte er auf und ich konnte seine Augen erkennen, die von der Dunkelheit umhüllt waren. Theo war tatsächlich von einem Schatten besessen! „Also schön, ihr habt mich erwischt.“, sagte Theo nun breit grinsend, während er uns teuflisch anstarrte. „Zuerst hab ich Maria bewusstlos geschlagen und dann die dumme Kuh hinter dem Bartresen. Ich bin hier runter gegangen und hab beide festgekettet. Danach bin ich selber in die Grube gesprungen, damit es so aussah, als wäre ich auch angegriffen wurden.“ Ich bäumte mich nun schützend vor den Mädels auf, indessen sich Theo zu einem wahrhaft bösen und angriffslustigen Hünen entwickelte. „Okay…“, sagte Nicolas, dessen Gedanken nicht wirklich auszumachen waren. „Die gute Nachricht ist, der Trick mit dem Pinsel hat funktioniert. Die schlechte Nachricht ist, wir sind gleich alle tot!“
83. Vom Schatten besessen – Teil 3 „Ich hab euch doch gesagt, dass Theo mich angegriffen hat! Wieso habt ihr mir nicht geglaubt?!“, schrie Astrid mir hysterisch ins linke Ohr, während sich Maria an meinen rechten Arm festklammerte. Wie sie sich wohl gerade fühlte? Gerade fand sie heraus, dass ihr neuer Freund von einem bösen Schatten besessen ist, der uns alle umbringen will. Maria hat aber auch so gar kein Glück in der Liebe. Ihre letzte Beziehung mit Fiona nahm leider auch kein schönes Ende. Die Beiden waren eines Abends auf einer Geburtstagsfeier eingeladen, wo Fiona etwas zu viel vom Alkohol abbekam. Als es dann darum ging wer nach Hause fahren sollte, bestand Fiona darauf, dass sie fuhr. Maria konnte dies natürlich nicht zulassen und nahm ihr den Schlüssel aus der Hand. Auf der Heimfahrt beschwerte sich Fiona dann immer wieder, dass Maria sie bevormunden würde, obwohl sie sehr gut auf sich selber aufpassen könne. Fiona war so hacke dicht, dass sie Maria schließlich ins Lenkrad reinlangte und ihr Auto daraufhin von der Spur abkam. Sie knallten gegen einen Laternenpfosten. Zum Glück kamen beide lediglich mit einem Schock davon, doch da Maria am Steuer saß, wurde ihr daraufhin der Führerschein entzogen. Deshalb musste Max sie auch heute in die Ortschaft fahren, weil sie ja nicht mehr selber fahren darf. Maria war stinksauer auf Fiona, die sich stets aufs Neue bei ihrer Freundin entschuldigte, doch es half nichts. Maria trennte sich von ihr und seitdem dürfen Max und ich uns das Gejammer von Fiona anhören. „Hab keine Angst, Maria.“, versuchte ich aufmunternd auf sie einzureden. „Vielleicht können wir ihn ja wieder vom Schatten befreien. Maria warf mir einen traurigen Blick zu und nickte lediglich. „Was wird er nun mit uns anstellen?“, fragte Astrid zu meiner Linken ängstlich. „Wer weiß das schon. Vielleicht macht er uns zu seinen Untertanen, aber wahrscheinlich tötet er uns… qualvoll… elendig… bis nichts mehr von uns übrig ist.“, antwortete Nicolas ihr ehrlich. Alle Augen im Raum richteten sich daraufhin auf Nicolas, der nur dumm aus der Wäsche sah. „Jetzt kommt mal alle wieder runter!“, rief eine weibliche Stimme auf einmal in den Raum und als wir uns umdrehten, stand eine Frau mit dunkelblondem Haar vor uns, mit einer Waffe auf Leon und Nick gerichtet! Allem Anschein nach kamen sie aus dem anderen Tunnel zu uns. „Glaubt ihr nicht auch, dass wenn wir euch hätten töten wollen, es nicht schon längst getan hätten?!“ „Zack!“, Leon warf mir einen besorgten Blick zu und ich wusste sofort, dass er der echte Leon war. Er war mein Leon! Mein Leon… haha, das klingt süß. Okay, falscher Ort für solche Gedanken. „Pass auf! Die Frau ist zu allem fähig. Sie war es auch, die meine Bilder im französischen Museum verbrannte. Die wollen uns psychisch fertig machen.“ „Halt die Klappe, oder ich erschieße dich doch noch!“, warnte die Frau meinen Freund. „Du bist nicht so wichtig für mich, da es von dir noch einen Doppelgänger gibt.“ „Ähm... Irrtum.“, korrigierte Nicolas sie frech. „Dem bösen Leon hab ich seinen eigenen Stift in den Hals gerammt. Der tut keiner Fliege mehr was zur Leide.“ Die Frau wirkte überrascht, aber sie machte nicht den Eindruck, als fühlte sie sich in die Ecke gedrängt. „Du dummer Junge. Einen Schatten besiegt man nicht so einfach. Dazu gehört schon mehr.“ „Seraphiel, warum tust du das alles?“, fragte Nick nun die Frau, während er seine Hände ständig oben behielt, da sie mit einer Knarre auf ihn zielte. „Ich bin durch die Zeit gereist und habe gesehen, wie du und Prinz Phönix gegeneinander gekämpft habt. Prinz Phönix ist daraufhin verschwunden. Du hast gewonnen. Was willst du also mehr?“ „Ich will meinen Körper wieder haben!“, schrie die Frau ihn erklärend an. „Glaubst du etwa, mir macht es Spaß mich in diesem Körper einzunisten? Zuerst dieser blinde alte Mann vom Zirkus und nun diese französische Reporterin, aber irgendwie musste ich mich ja an euch heran wanzen. „Ja aber wozu das Ganze? Wozu brauchst du uns?“ fragte Nick die Frau weiter aus. „Das wirst du noch früh genug erfahren.“, antwortete sie ihm und ihre Augen funkelten ebenso bedrohlich, wie die von Theo. „Doch genaugenommen…“ Die Frau schaute sich im Raum um, als wäre sie geistig verwirrt, ehe sie den Lauf ihrer Pistole auf eine andere Person richtete. „… brauche ich nicht alle von euch, für mein Vorhaben.“ Sie betätigten den Abzug und eine Kugel flog durch den Raum. Sofort wurde ich von einer eiskalten Angst gepackt, die meinen gesamten Körper durchflutete. Wen würde die Kugel treffen? Leon würde es nicht verkraften, wenn ich vor seinen Augen erschossen werden würde. Das wäre eindeutig zu viel für ihn. Ich hörte meinen Freund laut schreien, als sich die Kugel durch das Herz einer unschuldigen Person bohrte. Neben mir sackte die Barkeeperin zu Boden und ich konnte ihr Blut aus ihr heraussprießen sehen. Ihre Augen waren ganz weit offen, ehe sie die letzten Atemzüge machte und schließlich auf dem kalten Boden verstarb. Ich konnte nur fassungslos daneben stehen. Sie war tot. Astrid war tot! Auf einmal fühlte ich mich so nutzlos. Hätte ich doch nur eine Möglichkeit gefunden, ihr das Leben zu retten. „Ups, da ist wohl meine Hand abgerutscht.“, sagte die Reporterin mit einer bitterbösen süßlichen Stimme. Waren es ihre Worte, oder ihr schadenfroher Gesichtsausdruck, der mich zu meiner nächsten Tat bewegte? Ich wusste es leider nicht. Jedenfalls kochte es in mir gewaltig und ich wollte meiner ganzen Wut freien Lauf lassen. Zunächst trat ich nur einen Schritt vor, dann noch einen und noch einen. Dann wurden meine Schritte schneller und ehe ich mich versah, stürmte ich auf die Frau zu, die Astrid soeben das Leben nahm. Leon schrie mir noch etwas entgegen, doch vernahm ich keine Worte mehr und konnte nur sein angstverzerrtes Gesicht erkennen. Dann fiel ein zweiter Schuss und ich glaubte schon, dass mein Ende gekommen war. Doch die Kugel bohrte sich nur in den Boden vor meinen Füßen und zwar genau an der Stelle, wo ich vor Schreck stehen blieb. „Das solltest du lieber sein lassen.“, sagte die Frau mit gezielter Waffe auf mich. „Z-Zack.“ Leon war den Tränen nahe. Er war nervlich am Ende, dass konnte ihm von den Augen ablesen. Ich darf jetzt nicht sterben. Ich muss ihn beschützen! „Ich bewundere deinen Mut Zack, aber wir sollten tun was sie sagen.“, meinte Nick schließlich zu mir und deutete mit seinem Kopf auf eine Stelle hinter mir. Als ich mich wieder umdrehte, sah ich, wie Theo Maria als Geisel nahm und seinen massiven Arm unter ihre Kehle legte. Maria versuchte sich aus dem Klammergriff zu befreien, doch vergebens. Er ließ sie zum Glück am Leben, jedoch mit der Bedingung, dass ich nun folgsam wurde und ihnen keine Scherereien mehr bereitete. „Schön. Jetzt wo wir das geklärt hätten, können wir ja zum Altar marschieren. Er ist nicht weit von hier, also los!“ Nicolas, Nick, Leon und ich gingen vorweg in den nächsten Tunnel, während die Frau uns von hinten mit der Waffe bedrohte und Theo Maria fest bei der Hand hielt. Leider mussten wir die Leiche von Astrid zurück lassen, doch wenn das überstanden war – und ich glaubte ganz fest daran, dass es so kommen wird – dann würde ich sie holen gehen und anständig beerdigen. „Geht es dir gut?“, fragte Leon mich mit einem sorgenvollen Blick. Ich nickte und hielt schützend seine rechte Hand. „Jetzt wo du wieder bei mir bist, geht es mir wieder besser.“, antwortete ich ihm. „Hier Leon, ich glaube die gehören dir.“, sagte Nicolas, der Leon seine Kunstutensilien wieder zurückgeben wollte. „Tut mir Leid, aber der Zeichenstift ist ein wenig beschädigt worden.“ „Ich hab gehört du bist Nicks Großvater.“, sagte Leon zu ihm. „Ihr tragt also dasselbe Blut in euch, da wundert es mich nicht mehr, dass Nick so eine Nervensäge geworden ist.“ „Pff… dem rette ich noch einmal das Leben.“, meckerte Nick leise vor sich hin.
84. Der Gebieter über die sieben Tugenden – Teil 1 Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas Sinn hat, egal wie es ausgeht. Hoffnung ist ein Licht in der Dunkelheit!
Ich wollte Bobby doch „nur“ einen Heiratsantrag machen, weil ich ihn so sehr liebe. Deswegen bin ich hier hergekommen und nun befinde ich mich in einem unterirdischen Labyrinth, weil der gealterte Nick, der sich nun Alexander Kinimod nannte, meinte, dass hier des Rätsels Lösung für all unsere Probleme läge. Und Probleme hatten wir reichlich. Als Erstes wäre da mal zu erwähnen, dass uns dieser Schwarzmagier Seraphiel um jeden Preis den Gar ausmachen will. Hat sich bisher eigentlich noch gar keiner Gedanken darum gemacht, warum er das überhaupt möchte? Egal, zweites Problem bestand darin, wie wir unseren Nick aus der Vergangenheit wieder in die Zukunft holen können. Laut Herrn Kinimod wäre dies unmöglich und er muss es ja wissen, schließlich ist er ja der gealterte Nick. Problem Nummer drei und für mich wohl das größte Problem von allen: Bobbys Gehirntumor! Es muss doch einen Weg geben, wie er wieder gesund werden kann. Bobby hat sich mit seinem Schicksal bereits abgefunden, doch ich werde weiter kämpfen – für uns Beide! Natürlich gab es noch viele weitere Probleme, die uns derzeit auf Schritt und Tritt verfolgten, aber meine Gedanken blieben bei Bobby haften. Ich ging hinter ihm und behielt ihn ständig im Auge, während er sich mit David unterhielt, der sich große Sorgen um Nick machte. Vorne weg gingen Herr Kinimod und Herr Blum, der Eine mit einer Taschenlampe und der Andere mit einer Pistole bewaffnet. Bobby warf einen kurzen Blick nach hinten, um sicherzugehen, dass ich überhaupt noch da war. Wir lächelten uns kurz gegenseitig zu, ehe er sich wieder umdrehte und sich weiter mit David unterhielt. „Hätten wir nicht doch besser Frau Temperini davon in Kenntnis setzen sollen, dass wir hier runter gegangen sind?“, fragte Bobby bei David nach, dessen schlechtes Gewissen ihn plagte. „Hätten wir tun können, aber ich vertraue ihr nicht. Als ich sie damals kennen lernte, war sie mir schon suspekt.“, begründete David seine Entscheidung. „Also ich vertraue ihr.“, warf Herr Kinimod seine Meinung nach hinten und fing sich daraufhin einen bösen Blick von David ein. Ich glaube David hat ein Problem damit, dass dieser erwachsene Mann sein bester Freund Nick sein soll. Die Beiden hatten irgendwie so gar nichts mehr gemeinsam. Ich stellte mir die Frage was wohl mit Herrn Kinimod passieren würde, wenn unser Nick leibhaftig wieder in unsere Zeit zurückkehrte. Würden dann zwei Nicks in dieser Zeitebene existieren? „Wenn Beate wüsste, was hier vor sich geht… und was aus ihrem Sohn geworden ist.“, sagte Herr Blum, der die ganze Geschichte recht gefasst aufgenommen hat. „Wenn wir Glück haben, wird sie es nie erfahren.“, sagte David daraufhin hoffnungsvoll zu ihm. Bobby blieb kurz stehen und ging erst wieder weiter, als er mit mir auf gleicher Höhe war. „Worüber denkst du nach?“ Bobby war nicht dumm. Er wusste ganz genau, was in mir vorging. „Hey, ich liebe dich, hörst du.“ Bobby drückte mir einen Schmatzer auf die linke Wange und ich musste unweigerlich schmunzeln. Der Junge wusste einfach immer, wie er mich am besten um den Finger wickeln konnte. „Wofür war der?“, fragte ihn dennoch. „Einfach dafür, dass du da bist. Du bist der Mensch den ich am meisten liebe und der mir die meiste Hoffnung schenkt. Einen besseren Menschen wie dich gibt es nicht.“ Bobbys Worte machten mir Mut und ich lächelte ihm dankbar entgegen. Wir nahmen uns an den Händen und ließen nicht mehr los. „Bleibt alle auf der Stelle stehen!“, rief uns Herr Blum zu, als sich der Weg zweimal gabelte. Der rechte Weg führte in einen weiteren unendlichen Tunnel, doch der Weg geradeaus endete bereits nach wenigen Metern. In einer kleinen Mulde konnten wir die Schatten zweier Personen ausmachen. Da dort keine Fackel brannte, konnten wir deren Gesichter nicht erkennen, doch irgendetwas schien blau zu schimmern. Herr Blum ging mit gezückter Waffe langsam vorwärts, immer auf der Hut vor einem Überraschungsangriff. Doch dann rief Bobby: „Halt warten Sie!“ Er rannte nach vorne und ich konnte ihn nicht zurückhalten. „Da-Das sind Justin und Casey!“, rief er uns schließlich zu, als er direkt vor ihnen stand. Er hatte Recht. Es waren Justin und Casey, doch beide schienen bewusstlos zu sein. „Justin, hörst du mich? Justin!“ Bobby redete auf seinen Ex-Freund ein, während ich nur tatenlos daneben stand und auf die Beiden hinabblickte. „Was ist mit ihnen geschehen?“, fragte David rätselhaft in die Runde. Herr Blum sah sich ein wenig um und konnte weiter oben das Tageslicht erkennen. „Da oben muss eine Öffnung ins Freie sein. Die Zwei müssen hier runter gestürzt sein und dabei ihr Bewusstsein verloren haben. Allerdings müssen sie vor etwas weggelaufen sein, denn das Loch ist viel zu breit, als das sie das einfach übersehen hätten können.“ „Und vor was sind sie weggelaufen?“, fragte ich daraufhin. „Seraphiel.“, antwortete Herr Kinimod, hinter dessen Bart nun Angst und Verzweiflung zu Tage kamen. „Mit Sicherheit wurden sie von Seraphiel gejagt, denn er will uns alle umbringen. Vermutlich ist er hinter der magischen Kraft her, die Justin in sich trägt – Die Gabe mit Tieren zu sprechen. Auch hinter Leons Kunstutensilien und meinem, also Nick seinem Amulett wird er her sein.“ „…und hinter dem Schwert!“, fügte eine andere Stimme hinzu und wir drehten uns alle gleichzeitig erschrocken um. Doch zu unserer aller Erleichterung und auch Freude, war es Max, der auf zwei Krücken ging. Doch er war nicht allein, denn er wurde von zwei Frauen begleitet. Eine der beiden Frauen erkannte ich als die Ärztin, die Leon vor ein paar Tage versorgte, nachdem dieser in den Pool gestürzt war. Max sah die verwirrten Gesichter und wollte vorstellen: „Darf ich vorstellen, das sind…“ „…Gisela und Regina.“, beendete Herr Kinimod den Satz. „Moment, sie sind doch die Krankenschwester aus dem Krankenhaus.“, sagte David verwirrt. „Ja die bin ich. Damit wir unter eurem Volk nicht auffallen, haben wir diverse Jobs angenommen. Da wir jedoch nicht altern, mussten wir stets in Bewegung bleiben, damit uns niemand auf die Schliche kam. Es war nicht leicht, unsere geheime Identität zu verbergen, doch Sofia half uns sehr dabei.“ „Dann sind sie Beide also die Bediensteten von Prinz Phönix.“, schlussfolgerte ich. „Können sie uns dann vielleicht mal erklären, wieso dieser Spinner Seraphiel es auf uns abgesehen hat?“ Gisela und Regina tauschten Blicke miteinander aus, doch eine Antwort erhielt ich nicht auf meine Frage. Dafür schien Justin zu sich gekommen zu sein, der eine Antwort darauf wusste: „E-Er will uns alle umbringen, we-weil er die Homosexualität verabscheut!“, gab er flüsternd von sich, während Bobby seinen Kopf hielt und sich um ihn kümmerte.
Ein Jeder definiert die Liebe anders. Doch für mich ist Liebe eine Zauberkraft, die ohne Willen Wunder erschafft. Kümmere dich um die, die du liebst und dein Herz wird Zeuge dieser Zauberkraft!
85. Der Gebieter über die sieben Tugenden – Teil 2 Mäßige deinen Zorn und bleib besonnen, dann wirst auch du das Glück finden, dass dich stets bereichert und dir stets aufs Neue ein Geschenk im Leben bringt!
Als ich Bobby bei Justin kauernd sah, kamen alte Erinnerungen in mir hoch, an die Zeit, als er noch mit ihm zusammen war. Für mich war das damals eine furchtbare Zeit, denn ich glaubte nicht nur meinen besten Freund verloren zu haben, sondern auch noch die Liebe meines Lebens. Doch am Ende hat sich für mich alles zum Positiven entwickelt und ich konnte Bobby in meine Arme schließen.
Ende Juni 2013: Nina, Bobby und ich machten einen kleinen Einkaufsbummel durch das neue Kaufhaus in unserer Ortschaft, um uns ein wenig von den erlebten Geschehnissen abzulenken. Eine Woche war seit dem Brand in Dr. Gold´s Villa vergangen, bei dem Justin, Bobby und ich beinahe ums Leben gekommen wären. Ich muss zugeben, dass ich mit diesem Erlebnis sehr viel besser zu Recht kam, als es bei Bobby der Fall war. Ich musste ihm nur in die Augen sehen, um zu erkennen, dass etwas tief in ihm drinnen zu Bruch gegangen war. Sein Freund Vince hat sich als Verräter herausgestellt und seine große Liebe Justin wurde beinahe von jenem umgebracht. Auch Bobby blickte dem Tod ins Auge, als Dr. Gold den Lauf seiner Pistole auf ihn richtete. Doch zum Glück kam ich gerade noch rechtzeitig, konnte Dr. Gold mit seinen eigenen Waffen schlagen und Bobby vor dem Tod bewahren. Es war natürlich das erste und bis dato das letzte Mal, dass ich eine Waffe in der Hand hielt und damit einen Menschen tötete. Doch was hatte ich für eine Wahl? Es war schließlich Notwehr, denn ansonsten wäre Bobby tot gewesen. Diesen Gedanken durfte ich gar nicht weiter ausführen, so schrecklich klang das für mich. „So ich muss jetzt nach Hause.“, sagte Nina zu uns, als wir das Kaufhaus verließen. „Verwandte kommen zu Besuch, die natürlich alles über meinen bisherigen Aufenthalt in San Diego und meine Gastfamilie wissen wollen. Und was habt ihr zwei Hübschen heute noch so geplant?“ „Ich besuche Justin heute Nachmittag noch im Zoo.“, erzählte Bobby uns und schlagartig wurde mir mulmig ums Herz. „Ich mache mir Sorgen um ihn und möchte nachsehen, ob es ihm gut geht.“ „Tja dann werde ich wohl auch nach Hause gehen und ein paar Videospiele zocken.“, sagte ich heiter, doch bildeten sich nun doch graue Wolken in meinem Oberstübchen. Das sich Bobby wieder mit Justin traf, rief die Eifersucht in mir hervor. Ich ließ mir aber natürlich nichts anmerken, auch wenn das nur bei Bobby funktionierte, denn Ninas Augen richteten sich auf mich und sprachen Bände. „Also bis dann.“, sagte ich schnell und schlug den Weg zu mir nach Hause ein. Zuhause erwarteten meine Eltern mich bereits mit dem Mittagessen. Es war ein komisches Gefühl nach Hause zu kommen, da ich mich am Abend des Abschlussballs und auch der Geschehnisse in der Villa bei meinen Eltern als bisexuell outete. Nun wussten sie über mich Bescheid und noch mehr, denn ich hatte ihnen auch erzählt, dass ich in Bobby verliebt sei! Jedes Mal wenn meine Eltern dieses Thema nun auch nur ansatzweise anschnitten, wich ich galant aus und zog mich auf mein Zimmer zurück. So fand ich mich auch heute wieder kurze Zeit später in meinem Zimmer wieder als mein Vater mich fragte: „Zukünftig möchten wir übrigens vorher in Kenntnis gesetzt werden, sollte Bobby wieder einmal bei dir übernachten. Zwei Jungs in einem Zimmer, ist nun nicht mehr ganz so einfach…“ „Aber Victor, unser Sohn und Bobby sind bereits achtzehn, da können wir ihnen doch schwer Vorschriften machen. Das geht uns eigentlich nichts mehr an.“, meinte meine Mutter dazu. „Wenn ES unter meinem Dach stattfindet, dann geht es uns sehr wohl etwas an, Winifred.“, erwiderte mein Vater und legte ganz besonderen Wert darauf, das „ES“ zu betonen. „Du meine Güte Dad, ja ich bin in Bobby verliebt, aber zunächst einmal müsste Bobby auch in mich verliebt sein, damit ES, wie du es nennst, überhaupt stattfindet!“, sagte ich und ging daraufhin natürlich auf mein Zimmer. Ich warf mich auf mein Bett und grübelte vor mich hin. Gerade zu diesem Zeitpunkt, befand sich Bobby vermutlich schon bei Justin. Ob sie wieder zusammen kommen? Ich glaube, ich würde es nicht ertragen, die Beiden eng umschlungen und küssend zu sehen. Nicht nach allem was geschehen ist. Ich schloss meine Augen und versuchte auf andere Gedanken zu kommen. Ich trug meine Sportkleidung und rannte durch einen Wald. Der Schweiß tropfte mir bereits von der Stirn, doch rannte ich unentwegt weiter, der Abendsonne entgegen. Irgendwann hörte ich eine Stimme… „Tobias? T-o-b-i-a-s!“ Meine Mutter rief mich. Ich öffnete meine Augen und rannte schnell die Treppe runter. Meine Mutter stand im Eingangsbereich… zusammen mit Bobby. „Hast du wieder Musik mit deinen Kopfhörern gehört, dass du mich nicht gehört hast? Du hast Besuch. Macht es euch gemütlich, aber nicht zuuu gemütlich. Wir wollen doch nicht, dass dein Vater einen Herzinfarkt erleidet.“ Meine Mutter schmunzelte, während Bobby verwirrt drein sah und mir die Situation peinlich wurde. „Du hast mir ja noch gar nicht erzählt, dass du dich bei deinen Eltern geoutet hast.“, sagte Bobby überrascht zu mir, als wir in mein Zimmer zurückgingen. Ich ignorierte seine Aussage und fragte ihn stattdessen: „Wieso bist du hier? Wolltest du nicht zu Justin in den Zoo?“ „Da war ich bereits und wir haben geredet.“, erklärte Bobby mir, während ich so tat, als würde ich das Durcheinander an Papierkram auf meinem Schreibtisch in Ordnung bringen. „Und… seid ihr zwei nun wieder zusammen?“, fragte ich weiter, mit leicht gereizter Stimme. Ich konnte Bobby nicht sehen, aber dafür klar und deutlich hören: „Nein, sind wir nicht!“ Nun musste ich mich doch wieder zu ihm umdrehen, nur damit er mein überraschtes und erleichtertes Gesicht sah. Bobbys Mundwinkel zogen sich nach oben und ein sanftes Lächeln breitete sich in seinem Gesicht aus. „Aber ich dachte du liebst ihn noch immer.“, sagte ich schließlich doch etwas verwirrt. „Justin wird immer einen Ehrenplatz in meinem Herzen innehaben und das weiß er, aber er weiß auch, dass mein Herz schon längst für einen ganz anderen Jungen schlägt.“, erklärte Bobby mir, während ich ihn nach wie vor mit offenem Mund und völlig verwirrter Miene anstarrte. Bobby schritt langsam auf mich zu und ich spürte mein Herz deutlich schneller klopfen. „Ich liebe dich Tobi und ich will zu jedem Zeitpunkt meines Lebens mit dir zusammen sein.“ Bobby beugte sich zu mir nach vorne und presste seine Lippen auf die meinigen. Dabei musste er leicht auf Zehenspitzen stehen, um auf einer Höhe mit mir zu sein. Ich schlang schließlich meine Arme um ihn und genoss den Kuss in vollen Zügen.
Es war ein wundervoller Moment, dennoch blieb immer das Gefühl an mir haften, ob sich Bobby damals richtig entschieden hat. Wenn er mit Justin zusammen war, wirkte er immer so glücklich und in mir erschien der Eindruck, als fühlte er sich bei ihm frei wie ein Vogel. War ich letzten Endes vielleicht doch der Falsche für Bobby? Ich liebe ihn und ich weiß auch, dass er mich von ganzen Herzen liebt, doch was wenn das Schicksal uns nun wieder auseinander riss? Vielleicht stirbt heute einer von uns im Kampf gegen Seraphiel, oder aber auch wir Beide. Vielleicht überleben wir aber auch den heutigen Tag und trotzdem würde ich Bobby verlieren, aufgrund seines tödlichen Gehirntumors. Ich könnte platzen vor Frustration!
Ruf deinen starken Willen hervor und bleib auch weiterhin tapfer, denn dann beweist du Mut und Loyalität zu den Menschen, die dir am Wichtigsten sind und die du zu beschützen versuchst!
86. Der Gebieter über die sieben Tugenden – Teil 3 Glaube an Wunder, Liebe und Glück. Blicke nach vorne und niemals zurück. Alles ist möglich, wenn du daran glaubst. Tu was du willst und stehe dazu, denn dieses Lieben das lebst nur du!
„Hey Tobias, kannst du ihm bitte helfen?“, fragte Bobby mich und sah mich dabei mit einem flehenden Ausdruck in seinem Gesicht an. Ich sollte Justin auf meinem Rücken tragen, da er nicht im Stande war, auf zwei Beinen zu stehen. Casey hingegen schien es besser zu gehen und er konnte sich sogar auf zwei Beinen halten, wenn auch nur mit der Unterstützung von Herr Blum. „Sie könnten auch mal was tun.“, nörgelte David an Herr Kinimod herum, doch schien dieser anderer Auffassung zu. „Da war noch ein anderer Junge.“, sagte Casey, nachdem wir uns alle gemeinsam wieder auf den Weg machten. Wohin, das wussten wohl nur Gisela und Regina, denen wir blind vertrauten und bedingungslos folgten. „Wir haben ihm das Leben vor den Schatten gerettet.“, erzählte Casey uns. „Wenn der Schatten ihn erwischt hat, dann ist er so gut wie tot.“, meinte Justin daraufhin, der sich langsam zu erholen schien, während ich ihn auf meinem Rücken trug. Ich tat das nur für Bobby, weil er mich darum gebeten hat. Es war auch keine große Sache für mich, denn Bobby hab ich auch schon das ein oder andere Mal auf dem Rücken getragen, zumal Justin sehr viel leichter als Bobby war. Fast könnte man meinen, ich hätte einen großen Schmetterling auf meinen Rücken. Justin schlang seine Arme um mich, damit er nicht herunter fiel und erstmals konnte ich Bobbys Beschreibung über Justin nachvollziehen. Er hatte wirklich eine ausgesprochene sanfte Babyhaut und fühlte sich weich an. Wir waren uns das erste Mal so nah und so langsam verstand ich, was Bobby an Justin so anziehend fand. Nicht dass ich mich jetzt selber in Justin verlieben würde, ich liebe nur Bobby, aber ich konnte verstehen, dass Bobby nicht selten hin und her gerissen zwischen uns Beiden war. „Danke, dass du mich auf deinen Rücken trägst.“, hörte ich Justin mir dankbar ins Ohr flüstern. „Das ist doch selbstverständlich.“, erwiderte ich etwas trocken, doch konnte ich es nicht vermeiden, dass meine Gesichtsfarbe ein dezentes Rosa annahm, das auch Bobby nicht entging. „Ich bin so nutzlos.“, hörte ich Justin leise in meinen Rücken nuscheln. „Was redest du denn da? Du bist nicht nutzlos.“, erwiderte ich daraufhin aufmunternd. „Doch bin ich. Eigentlich bin ich hierhergekommen, um die Tiere des Waldes zu retten. Doch ich habe es nicht geschafft und nun sind sie alle tot.“, sagte Justin sichtlich frustriert und traurig. „Keine Hasen mehr die durch den Wald hoppeln, kein Vogelgezwitscher mehr und keine Rehe mehr die auf einer Wiese grasen.“ „Mach dich nicht selber fertig Justin. Ich bin mir sicher du hast dein Bestes gegeben.“, sagte Bobby. „Ja das hat er, ich bin Zeuge, und gegen einen Schatten kommt man nun mal nicht mit Füßen und Händen an.“, meinte Casey zu dem Thema, der wohl gut verstand, wie sich Justin fühlte. „Aber ich bin der Tierflüsterer. Wozu besitze ich denn die Fähigkeit mit Tieren zu reden, wenn sie mir nichts bringt um die Tiere auch zu retten.“, sagte Justin wütend auf sich selbst, der seine Gabe inzwischen innerlich verfluchte. Schluss damit! Justin auf meinem Rücken zu tragen, war für mich schon nicht sonderlich reizvoll, mir jetzt aber auch noch sein Gejammer anzuhören, wie er in Selbstmitleid badet, war mir aber nun doch zu viel. Also ließ ich ihn los und sachte zu Boden fallen. Dann drehte ich mich zu ihm und blickte ihn von oben herab böse an. Justin hatte feuchte Augen, doch riss er sich am Riemen und nun sah er mich völlig verdattert an. „Und du willst ein Mann sein?“, fragte ich ihn aufgebracht. Bobby stand neben mir und sagte kein Wort. Bestimmt fragte er sich, was das nun sollte. Auch Casey und die Anderen blieben stehen und warfen ihre neugierigen Blicke auf uns. „Hör auf dich wie ein kleines Kind zu benehmen, dass man den Schnuller weggenommen hat. Wie auch Menschen, müssen auch die Tiere eines Tages sterben. So ist nun einmal der Lauf des Lebens. Und das du die Gabe besitzt, dich mit Tieren zu verständigen, solltest du als Geschenk ansehen und deshalb zu jedem Augenblick dankbar dafür sein. Was glaubst du wie viele Menschen sich gerne wünschen würden, mit ihren Haustieren zu reden? Bestimmt würden sie dann zu hören bekommen, dass sie das dumme Stöckchen dann gerne selber holen können, wenn sie so scharf darauf sind, aber ich schweife ab…! Was ich dir damit sagen will ist…, leb dein Leben so wie es ist und nimm es hin so wie es ist, denn du hast nur dieses eine Leben und das kann schneller vorbei sein, als du oder andere es dir wünschen!“ Justin blickte mich wortlos an und auch alle anderen im Tunnel schauten mich an, ohne auch nur ein Wort von sich zu geben. Bobby ließ sich schließlich zu einem traurigen Lächeln hinreißen. Hoffentlich bin ich nicht zu sehr auf der Schiene „Bobby´s Leben ist bald zu Ende“ gefahren, denn das war nicht meine Absicht. Justin versuchte schließlich vom Boden aufzustehen, auch wenn es ihm ein wenig schwer fiel. Zuerst wollte ich ihm noch zu Hilfe eilen und ihm eine Stütze sein, doch dann sah ich, wie sehr er sich zusammen riss und mit sich selbst kämpfte. Insgeheim feuerte ich ihn an und als er endlich aufrecht vor mir stand, applaudierte ich innerlich und schenkte ihm ein Lächeln. „Du hast Recht.“, sagte Justin schließlich. „Ich hab nur dieses eine Leben und ich sollte das Beste daraus machen. Ich werde kämpfen… bis zum bitteren Ende!“ „Nein, nicht zum bitteren Ende.“, korrigierte ich ihn anschließend und auch bewundernd für seine Willenskraft. „Wir werden alle bis zum Ende kämpfen…, doch es wird ein glückliches Ende sein!“ Und wieder gelang es mir, dass Justin mich völlig verdattert ansah. Dabei sah er ehrlich gesagt ausgesprochen süß aus, doch noch viel niedlicher war Bobby, der plötzlich auf mich zu ging, seine Hand um meine Hüfte legte und mir einen hingebungsvollen Kuss auf den Mund drückte. Es fühlte sich wie unser allererster Kuss an, den, den wir an unserem Geburtstag schenkten. Als Bobby den Kuss wieder von mir löste, fragte ich ihn: „Wofür war das?“ „Dafür, dass ich den tollsten Freund auf Erden habe.“, antwortete Bobby mir lächelnd. „Und mach dir um mich bitte keine allzu großen Sorgen mehr. Ich werde weiter kämpfen – um unser beider Willen!“ Für diese Worte war ich Bobby sehr dankbar und ich schenkte ihm ein zufriedenes Lächeln. „Du meine Güte, können wir dann jetzt endlich weiter gehen?“, fragte David uns leicht genervt und daraufhin setzten wir unseren Weg fort.
Lass mich dir etwas sehr Weises mit auf deinen Weg geben: Du und dein Freund – Eure Herzen sind auf ewig miteinander verbunden, auch wenn einer von euch vielleicht eines Tages nicht mehr da ist!
87. Der Gebieter über die sieben Tugenden – Teil 4 Wer Gerechtigkeit möchte, der muss auch lernen zu teilen. Nur dann kann der Frieden auf Erden bewahrt und die Zukunft der Menschheit gerettet werde!
Der Tunnel nahm noch immer kein Ende und allmählich bekam ich auch Blasen an den Füßen, vom ständigen rumlatschen. „Wo führt ihr uns Beide eigentlich hin?“, fragte Max die beiden Damen, während er sich vorsichtig auf seinen Krücken fortbewegte. Bisher kam noch gar Keiner dazu, ihn zu fragen, wie es dazu eigentlich gekommen ist. Ein schlechtes Gewissen plagte mich auf einmal. „Zu einem Altar.“, antwortete Regina uns. Ihre Schwester Gisela führte die Antwort sogar noch detaillierter aus: „Dieser Altar ist jedoch etwas ganz Besonderes, da unser geliebter Prinz Phönix dort immer in Flammen aufging, ehe er aus seiner Asche zu neuem Leben erwachte. Wir nennen ihn deshalb auch den „Altar der Wiedergeburt“.“ „Ich wusste es.“, sagte Herr Kinimod schließlich, der uns wegen dieser Vorahnung überhaupt hier runter geführt hat. „Dann gibt es also eine Möglichkeit Prinz Phönix wieder zu erwecken?“ „Ja, die gibt es und deshalb seid ihr heute auch alle hier.“, antwortete Gisela ihm. „Max, was ist eigentlich mit dir geschehen?“, fragte ich in der Zwischenzeit, da mich die Geschichte über Prinz Phönix und dessen Wiedergeburt allmählich langweilte. Vielleicht wollte ich mich auch einfach ablenken, um nicht ständig an Bobbys Krankheit denken zu müssen und mir zu wünschen, dass er ebenfalls wieder neu geboren wurde. Max erzählte mir und allen anderen, was in den Bergen vorgefallen ist. Über Tyler, der von einem Schatten besessen ist und ihn angeschossen hat, bis hin zu seinem magischen Kompass, der nun in tausend Einzelteile zerlegt ist. „Dieser Poolboy ist also auch von einem Schatten besessen? Oje, der Tag wird von Minute zu Minute schlimmer.“, sagte ich wenig erfreut. „Ich kenne mich mit diesem Zauberkrimskrams ja nur wenig aus, aber hätte dann nicht Nicks Amulett Alarm schlagen und ihn vor Tyler warnen müssen?“ Meine Augen richteten sich unweigerlich auf Herr Kinimod und auch Bobby und David blickten den Mann fragwürdig an. Dieser ließ sich jedoch zu keiner Antwort hinreißen, dafür aber Gisela: „Ich nehme mal an, dass Tyler bei eurer Wanderung in die Berge noch gar nicht vom Schatten besessen war. Er hat sich vermutlich erst nachträglich in dessen Körper geschlichen. Nachdem Nick bei der Wanderung von einer Klippe stürzte, hatte er nichts mehr vor ihm oder seinem Amulett zu befürchten. Ich denke, so könnte es sich abgespielt haben. „Der Kompass hat mir nichts als Unheil gebracht.“, jammerte Max vor sich hin. „Wieso führt er mich in diese blöde Höhle, wo sich sowieso nichts befindet, außer diesem schmalen Loch im Felsen. „Sagtest du gerade ein schmales Loch im Felsen?“ Herr Kinimod blickte Max erstaunt an, der ihm auf seine Frage hin nur zunickte. „Das Schwert. Dort muss das Schwert drinnen gesteckt haben.“ „Okay und wer hat es herausgezogen?“, fragte ich daraufhin verwirrt. „Das ist eine gute Frage, die uns vielleicht die beiden Damen beantworten können.“, erwiderte Herr Kinimod daraufhin und seine Augen richteten sich wieder auf Gisela und Regina, die erstaunlich schweigsam waren. Amulett, Kompass, Schwert… - nur gut, dass ich mit all diesem Humbug nicht so viel zu tun habe. Ich war nur hier um meine Freunde zu beschützen und das war alles. „Wir wissen, dass ihr viele Fragen an uns habt, aber wir können euch auch nur das erzählen, von dem wir wissen, dass es der Realität entspricht.“, erzählte Gisela. „Auch wir vermögen es nicht, jedes Rätsel oder Geheimnis zu lösen, dass mit Magie zu tun hat.“ „Na das sind ja heitere Aussichten…“, sagte ich daraufhin und verlor dabei jegliche Hoffnung, dass wir alle aus der ganzen Sache unbeschadet herauskamen. Doch wenigstens neigte sich der Tunnel dem Ende zu. Nach etwa fünfzig Metern war ein größerer Raum zu erkennen. Je näher wir diesem Raum kamen, desto besser konnte ich erkennen, was sich inmitten dieses Raumes sich befand: ein Altar! Doch war das nicht alles, was ich dort zu sehen bekam: Inmitten des Raumes standen Leon, Zack, Maria, Theo und Nick – ja es war tatsächlich Nick – sowie ein Junge und eine Frau, die ich noch nicht kannte. „Willkommen! Wir haben euch bereits erwartet!“, rief die Frau hocherfreut, aber mit einem Lächeln im Gesicht, dass mir einen kalten Schauer über den Rücken jagte. „Seraphiel?!“, entgegnete Regina und blickte die Frau an, die eine Waffe auf Leon und die anderen richtete, während Theo seine bullige Hand um Marias Hals gelegt hatte und diese nur wimmerte. „Leibhaftig, wenn auch im falschen Körper!“, antwortete Seraphiel und lächelte unentwegt weiter. „Nick, du lebst!“, rief zwischenzeitlich David seinem besten Freund glücklich zu. „Ja. Da ist man mal für fünf Minuten in einer anderen Zeit gefangen und das ganze Schlosshotel ist von Irren bevölkert, die uns umbringen wollen.“, sagte Nick in seiner gewohnt lockeren Art. „Ach du Schreck. Max, was ist denn mit dir geschehen?“, fragte Zack seinen Freund schockiert. „Halb so wild. Ich wurde „nur“ angeschossen.“, erklärte Max, als wäre es das Normalste auf der Welt. „Hey Moment mal, kenne ich diesen alten Knacker nicht von irgendwoher?“, fragte Nick, als ihm Herr Kinimod ins Auge stach. Dieser blickte sein jüngeres Ich mit großen Augen an. Nick wusste ja noch gar nicht, dass sein älteres Ich sich ebenfalls in dieser Zeitlinie befand. „Ist jetzt dann mal gut mit dem Smalltalk? Wir haben schließlich nicht ewig Zeit.“, beschwerte sich die Frau mit erhobener Waffe, in der offensichtlich der böse Magier Seraphiel steckte, von dem in dem Buch „Der Schattenphönix“ bereits zu lesen war. „Legen sie ihre Waffe nieder, wer auch immer sie sein mögen!“, befahl Herr Blum der Frau, während er langsam auf Seraphiel zusteuerte, ebenfalls mit erhobener Waffe. „Legen sie die Waffe weg und lassen sie die Geiseln frei. Ich bin mir sicher, wir können über alles in Ruhe sprechen.“ Skeptisch blickte ich zu Seraphiel, der Herr Blum mit überraschter Miene anstarrte. Dann lächelte er von neuem, richtete den Lauf seiner Waffe an die Decke und feuerte einen Schuss ab. Es folgte ein Knall und ein dunkler Schatten breitete sich an der Decke aus. Zugleich feuerte Herr Blum ebenfalls einen Schuss ab und traf die Frau am rechten Bein, woraufhin diese in sich zusammensackte. Zack und Leon wollte eine Befreiungsaktion von Maria starten, wurden jedoch zugleich wieder in ihre Schranken gewiesen, als Theo seine Hand fester um Marias Hals legte. In der Zwischenzeit ertönte ein mächtiges Gebrüll aus dem Schatten, der sich an der Decke versammelt hatte. Nach nur wenigen Sekunden hatte er eine ungeheure Größe angenommen und startete einen Angriff. Der Schatten kam bedrohlich auf meine Freunde und mich zu, prallte jedoch an einer unsichtbaren Barriere ab.
Überrascht, aber heilfroh, atmeten wir erleichtert aus. „Na da sind wir ja gerade noch rechtzeitig gekommen.“, sagte eine weibliche Stimme. Aus einem anderen Tunnel waren Frau Temperini und Herr Frenzel zu uns gestoßen. „Sofia und Rufus!“, stießen die Schwestern Gisela und Regina glückselig aus. „Scheint als wären endlich alle versammelt. Na schön dann wollen wir dem Spuk mal ein Ende bereiten.“, sagte Sofia, die anfing mit ihrer Hand herumzuwedeln, aus der alsbald funkelnde Sterne herauskamen. Frau Temperini flüsterte eine Zauberformel vor sich hin und wie aus dem Nichts erschien ein großer Stein, in dem ein Schwert steckte. „Trete hervor, Gebieter der siebenden Tugenden!“ Keiner von uns rührte sich vom Fleck und jeder schien sich die Frage zu stellen, wen sie den gerade ansprach. Des Rätsels Lösung überraschte jeden: „Tobias Harding, du bist gemeint!“
Nur der Besitzer der sieben Tugenden, vermag es, dass Schwert herauszuziehen! Glaube, Liebe, Mäßigung, Hoffnung, Weisheit, Tapferkeit & Gerechtigkeit – mit all ihrer Kraft wird ein neues Licht erscheinen, das die dunklen Schatten bekämpft und für alle Zeiten beseitigt!
88. Das Opfer – Teil 1 Als Frau Temperini den Namen meines Freundes sagte, war er nicht der Einzige, der darüber sehr überrascht war. Ich glaubte mich zu verhören. Tobias soll der Gebieter der sieben Tugenden sein, um ein magisches Schwert aus einem Stein zu ziehen? Sollte ich das jetzt witzig finden? Am Ende war Tobias auch noch Prinz Phönix, denn die ganze Angelegenheit erinnerte mich sehr an die Sage „Artus und das magische Schwert Excalibur“, bei dem eben besagter ein Schwert aus einem Stein zog und daraufhin zum König von England gekrönt wurde. War Prinz Phönix etwa in Tobias wiedergeboren?! „Sie machen Scherze.“, sagte Tobias zu der Hotelbesitzerin und sprach damit aus, was ein jeder von uns dachte. „Ich soll der Gebieter über die sieben Tugenden sein? Das ist unmöglich!“ „Ist es das?“, entgegnete Frau Temperini skeptisch. „Ich hab euch alle beobachtet, doch nur du wusstest alle sieben Tugenden vorzuweisen. Du bist tapfer, denn du beschützt deine Freunde mit deinem Leben, du mäßigst dich und stellst die Wünsche deiner Freunde vorne an, du bist gerecht und niemals feindselig, du glaubst an das Gute im Menschen, du bist weise ohne es überhaupt zu wissen, du trägst viel Liebe in dir und hoffst auf ein Wunder, dass dein Freund seine schlimme Krankheit überleben wird. Das sind die sieben Tugenden!“ „Da-Das ist unmöglich…“, wiederholte Tobias nun etwas unsicherer, während er Justin noch immer auf seinem Rücken trug und dieser Tobias leicht anstarrte. Auch ich starrte natürlich meinen Freund an und kam nicht umhin zuzugeben, dass Frau Temperini mit ihrer Aussage Recht behielt. Tobias tauschte kurz Blicke mit mir aus, wurde dann ganz still, bis ich ihm aufmunternd zunickte. Er schien noch mit sich zu hadern, doch nach nur wenigen Sekunden, gab er sich seinem Schicksal hin. „Also schön, was muss ich tun? Einfach das Schwert aus dem Stein ziehen?“ Frau Temperini nickte und Justin kletterte vorsichtig von dem Rücken meines Freundes. Casey reichte ihm einen Arm, um ihn noch ein wenig zu stützen, während meine Augen gebannt auf Tobias gerichtet waren. Was würde geschehen, wenn Tobias das Schwert herauszog. Etwas mulmig war mir schon dabei. Tobias schritt langsam auf das Schwert im Stein zu, ohne seinen Blick davon abzuwenden. Ich streckte kurz meinen Arm nach meinem Freund aus, zog ihn aber schnell wieder zurück, denn ich konnte ihn nicht mehr davon abbringen, das Schwert aus dem Stein zu ziehen. Alle Augen waren gebannt auf Tobias gerichtet, während an der Decke der Schatten auf der Lauer lag, unfähig die Barriere aus Magie zu durchbrechen. Tobias stand nun direkt vor dem Schwert und musterte dieses prachtvolle Stück aus der Nähe. Das silberne Schwert hatte einen goldenen Griff, in dem sogar Rubine eingraviert waren. Es sah sehr wertvoll und königlich aus. Tobias legte beide Hände um den besagten Griff, hielt kurz inne, um noch einen letzten klaren Gedanken zu fassen und etwas Mut für die bevorstehende Tat aufzubringen und dann zog er es mit einem Ruck aus dem Stein heraus. Ich hatte mit etwas Großem, gar Übernatürlichen gerechnet, doch nichts dergleichen geschah, außer dass der Stein wieder im Sternenlicht verschwand. „Das war alles?“, fragte der Junge, der sich uns kurz darauf als Nicks Großvater aus der Vergangenheit vorstellte, enttäuscht. „Ich hab jetzt mit einem Feuerwerk aus Magie gerechnet, der uns diesen Schatten vom Hals schafft!“ „Ganz so einfach ist es dann doch nicht.“, meinte Frau Temperini. „Tobias hat zwar das Schwert aus dem Stein gezogen, aber er muss es auch im Kampf gegen Seraphiel führen.“ „Was?!“, stießen Tobias und ich gleichzeitig aus und dachten wohl dasselbe, doch war es Tobias, der unsere Gedanken auch aussprach. „So hatten wir aber nicht gewettet. Ich hab noch nie mit einem Schwert gekämpft, gegen einen Schatten gleich dreimal nicht. Wo soll ich da überhaupt hinzielen? Der Schatten hat ja nicht einmal einen Körper, den ich verwunden kann!“ „Mein lieber Junge, das ist ein magisches Schwert und der Schatten ist keineswegs unverwundbar!“, erklärte ihm Frau Temperini mit einem Lächeln im Gesicht. „Wenn es so magisch ist, kann es dann nicht von alleine in den Kampf ziehen?“, fragte Tobias Scherzes halber, was den Humor von Nick gleichkam, der der gleichen Ansicht zu sein schien. „Ich will euch ja wirklich nicht die gute Laune verderben, aber ihr wisst schon, dass wir hier noch immer in großer Gefahr schweben?“, fragte Herr Blum zwischenzeitlich mal, der von den aktuellen Ereignissen zwar ebenfalls erstaunt war, aber den Schatten keine Sekunde aus den Augen ließ. „Hinzu kommt, dass das Mädchen noch immer in deren Gewalt ist.“ Ich blickte zu Maria, die noch immer von Theo festgehalten wurde. Er machte keine Anstalten, sie gehen zu lassen. Auch wirkte er nicht sonderlich beeindruckt, von Tobias und dem Schwert in seinen Händen. „Jetzt mal im Ernst? Soll Tobias allen Ernstes allein gegen den Schatten kämpfen?“, fragte ich und klang dabei ein wenig zornig. „Was ist, wenn er das allein nicht schafft?!“ „Er wird nicht allein sein.“, sagte Frau Temperini und blickte zu dem Altar in der Mitte des Raumes. „Ihr seid alle nicht ohne Grund hier, denn nur mit eurer Hilfe können wir Prinz Phönix wieder zum Leben erwecken! Dazu benötigen wir das Amulett von Nick, die Phönixfeder von Casey, den Kompass von Max, die Kunstutensilien von Leon, die Gabe mit Tieren zu sprechen von Justin und natürlich das Schwert in Tobias Händen.“ „Was auch immer von Nöten ist, wir sollten uns beeilen.“, meinte Herr Frenzel, dessen Augen auf einer der Tunnel gerichtet waren, aus dem nun auch noch Tyler kam und sich Theo anschloss. „Kein Problem, ich bin fertig!“, rief Leon plötzlich und ich drehte mich verwundert zu ihm um. Leon lag kauernd auf dem Boden, vor sich ein Blatt Papier, neben ihm Pinsel und Stift, und schien eine Zeichnung angefertigt zu haben. „Das ist wohl nicht der richtige Zeitpunkt, um zu malen!“, rief Nick ihm entgegen. „Ach sei still, du kleine Nervensäge. Diese Zeichnung rettet uns allen das Leben.“, entgegnete Leon, der ein breites Lächeln im Gesicht vorzuweisen hatte. „Sehr schön.“, sagte Frau Temperini. Wir haben alles Nötige beisammen, außer…“ Außer? Außer klang nicht gut! „Einer von euch muss sich opfern, damit wir Prinz Phönix wiedererwecken können.“
89. Das Opfer – Teil 2 „Um Prinz Phönix wieder ins Leben zu rufen, müssen wir eine magische Zeremonie abhalten. Dazu benötigen wir das Amulett von Nick, die Phönixfeder von Casey, den Kompass von Max, die Kunstutensilien von Leon, die Gabe mit Tieren zu sprechen von Justin und natürlich das Schwert in Tobias Händen. Allerdings muss sich einer von euch opfern, um die Zeremonie zu vervollständigen!“ „Das ist ein Scherz oder?“, fragte Nick die Hotelbesitzerin schockiert. „Nein, ich beileibe nicht zu scherzen. Das ist eher dein Metier.“, erwiderte Frau Temperini. „Na gut, dann nehmen wir eben die Reporterin da auf dem Boden.“, meinte Nick daraufhin. „Ich fürchte das ist nicht möglich.“, meinte Frau Temperini. „Prinz Phönix war ein Junge mit speziellen Vorlieben… und ich rede natürlich von seiner Vorliebe für das männliche Geschlecht.“ „Das Opfer muss also homosexuell sein, ist es das was sie uns sagen wollen?“, fragte Zack, der wie jeder im Raum zu demselben Entschluss kam… naja außer Nick vielleicht. Frau Temperini antwortete nicht, doch war ein leichtes Nicken ihrerseits erkennbar, was Antwort genug war. „Nehmen wir Nick, der hat Erfahrung damit zu sterben.“, meinte Leon, der seine Aussage natürlich nicht ernst meinte, aber eine gewisse Liebfeindschaft mit Nick verband. Nick guckte Leon böse an. „Nur über meine Leiche! Außerdem bin ich nicht wirklich gestorben, sondern nur in der Vergangenheit gelandet. Jetzt bin ich aber wieder hier, wie ihr sehen könnt.“ „In der Tat, ich sehe dich sogar doppelt.“, ließ sich David zu einer Bemerkung hinreißen, während Herr Kinimod neben ihm stand und sein jüngeres Ich in Augenschein nahm. Der gegenwärtige Nick wusste noch immer nicht, wer Herr Kinimod war und vermutlich war das gerade auch besser so. „Doch damit das klar ist: Ich lasse dich nicht sterben!“ David packte seinen besten Freund am linken Arm und drückte ganz fest zu, damit dieser keine Dummheiten anstellte. „Ich weiß, dass sich einer von euch opfern muss, aber das darfst nicht du sein. Was wird denn dann aus mir… und Marcus?!“ Nick lächelte seinen kleinen Freund an und fuhr ihm mit der Hand durch die Haare. Ich beobachtete die innige Freundschaft aus unmittelbarer Nähe und hoffte, dass Tobias und Justin nicht auch auf solch einen dummen Gedanken kamen, um sich zu opfern. „Es stellt sich nicht nur die Frage, wer sich von uns opfert, sondern auch, ob dieser Plan überhaupt durchführbar ist.“, sagte Max in die Runde. „Der Kompass ist nämlich zu Bruch gegangen, als Tyler auf mich geschossen hat. Er ist irreparabel beschädigt und nicht mehr zu gebrauchen.“ „Hm…“ Frau Temperini kam ins Grübeln. Mit dieser unvorhergesehenen Entwicklung der Ereignisse hatte sie nicht gerechnet, doch kam ihr schnell eine glorreiche Idee: „Die Amulette! Es gibt zwei davon in dieser Zeitlinie. Das von Nick und das von Nicolas. Somit hätten wir wieder genügend magischer Gegenstände beisammen, um die Zeremonie durchzuführen. „Wenn das geht, dann helfe ich gern.“, meinte Nicolas dazu. „Aber opfern werde ich mich nicht!“ „Wäre auch nicht vorteilhaft, da ich mich sonst vermutlich in Luft auflösen würde, weil es mich dann gar nicht gäbe.“, hörte ich Nick seinem jungen Großvater ins Ohr flüstern. „Ich werde mich opfern!“, rief plötzlich eine Stimme. Es war Max! „Was warum?!“, fragte Zack seinen Freund schockiert und auch Leon stand der Schock ins Gesicht geschrieben, war er doch erst seit kurzer Zeit wieder mit Max zusammen. „Das der Kompass zerstört wurde, ist allein meine Schuld. Um diese Schuld zu begleichen, melde ich mich freiwillig und opfere mich für das Leben von euch allen!“ „M-Max…“, sagte Leon mit zittriger Stimme. „Du meldest dich hier nicht für die Freiwillige Feuerwehr an, ist dir das bewusst? Du wirst sterben und das lasse ich nicht zu!“ „Leon, bitte, so versteh mich doch…“, erwiderte Max, doch wurde er unterbrochen. „Hör auf solch einen Stuss zu reden Max. Natürlich opfere ich mich!“, rief Zack, der felsenfest entschlossen zu sein schien. „Wenn ich das richtig sehe, dann bin ich hier mehr oder weniger der einzige homosexuelle Single weit und breit. Ich hab nichts zu verlieren, ihr anderen schon.“ „Ja dich, du Dummkopf!“, entgegnete Max trotzig. „Du wirst dich nicht opfern, sondern ich!“ Zack starrte seinen Freund nun wütend an, während Leon nicht mehr länger an sich halten konnte und die beiden Jungs anschrie: „Hört auf, alle Beide! Keiner von euch wird sich opfern! Ich brauche euch! Ich liebe euch!“ Nach dieser Liebesbekundung von Leon an gleich zwei Jungs wurde es erst einmal sehr still im Raum – eine peinliche Stille! „Also ich äh…, was ich meine ist…, interpretiert da jetzt weil bloß nicht so viel rein. Ich finde es nur gemein, dass ihr die Einzigen seid, die sich opfern wollen. Vielleicht will ja auch ich mich opfern, oder doch Nick?!“ „Danke verzichte, opfert ihr euch mal lieber!“, entgegnete Nick beiläufig. „Muss sich denn wirklich einer von uns opfern?“, fragte ich Frau Temperini im ruhigen Ton. „Es muss doch einen anderen, besseren Weg geben, als diesen!“ „Das sehe ich auch so. Ein Menschenleben zu opfern, kommt überhaupt nicht in Frage!“, rief Herr Blum, während sich die Gemüter bei allen allmählich wieder beruhigten. „Ich fürchte es gibt keinen anderen Weg Robert Forster.“, antwortete Frau Temperini, die mich bei meinem richtigen Namen nannte, was schon seit vielen Jahren keiner mehr getan hat. Schweigen trat in die versammelte Runde, denn ein jeder schien in seine eigenen Gedanken versunken zu sein. Leon umklammerte fest die Zeichnung in seiner Hand und ließ Zack und Max nicht mehr aus den Augen, damit sie keine Dummheit begingen. Casey und Justin sahen sich tief in die Augen und verstanden auch ohne Worte, was der jeweils andere soeben dachte. Nick wurde noch immer von David in Beschlag genommen, während er nun teils interessiert, teils verwirrt zu Herrn Kinimod blickte, dem dies sichtlich unangenehm zu sein schien. Und während Tobias das Schwert in seinen Händen betrachtete, dass wohl schwerer war als es aussah, traf ich eine eigene Entscheidung. „Dann opfere ich mich eben!“, rief ich laut durch den Raum, so dass mich ein jeder hören konnte. Tobias Augen sahen von dem Schwert auf und zu mir rüber. Ich erwiderte seinen Blick und konnte die Angst in seinem Gesicht deutlich erkennen. Jedoch wirkte er nicht sonderlich überrascht über meine Worte, denn bereits als das erste Mal das Wort „Opfer“ fiel, musste er an meine unheilbare Krankheit denken und das ich ohnehin irgendwann sterben würde. Wieso also nicht selber entscheiden, wann und wie ich sterbe. Wenn ich dadurch meine Freunde retten konnte, dann war mir das allemal wert. Die Frage war: Würde Tobias das zulassen und wenn ja, würde er es verkraften? Letztendlich war es aber meine Entscheidung, mein Leben und irgendjemand musste sich nun einmal opfern. Wieso also nicht der ohnehin Sterbenskranke? „Ich werde mich opfern…“, sagte ich von neuem, diesmal etwas leiser und eine Spur unsicherer, „…auch wenn ich Angst habe.“ Tobias ließ das Schwert in seinen Händen sinken, stürmte auf mich zu und umarmte mich so fest wie er nur konnte. Ich konnte sein Gesicht nicht erkennen, aber ich vernahm ein Schluchzen und winzige Wassertropfen auf meinem Nacken, das ohne jeden Zweifel Tobias Tränen waren.
90. Das Opfer – Teil 3 Ich spürte Tränen auf meiner Haut. Es waren die Tränen des Menschen, den ich auf der ganzen Welt am meisten liebte und die ich am wenigsten mitansehen konnte. Tobias Arme hielten mich fest umklammert, so als hätte er Angst, ich würde verschwinden, wenn er mich loslassen würde. Seine Gefühle übertrugen sich auch auf mich und schon bald war auch ich den Tränen sehr nahe. Als ich dann auch noch zu dem bestürzten Justin blickte, konnte auch ich nicht mehr länger an mich halten und eine einzelne Träne bahnte sich ihren Weg an die Oberfläche. „Könnte ich vielleicht einen kurzen Moment mit meinen Freunden allein haben bitte?“, fragte ich, auch wenn mir bewusst war, dass uns die Zeit davon lief und ein tödlicher Schatten über unseren Köpfen lauerte und auf eine Chance zum Angriff wartete. Doch ich wollte – nein falsch – ich musste mir die Zeit einfach nehmen, um mich von den Menschen zu verabschieden, die mir am Wichtigsten im Leben waren. Tobias löste sich leicht von mir und erstmals konnte ich sein Gesicht erkennen, das von Tränen übersät war und dessen Gesichtsfarbe sich schon leicht rötlich färbte. „Natürlich, aber bitte beeile dich!“, antwortete Frau Temperini mir verständnisvoll. Anschließend wandte sie sich von mir ab und blickte zum Schatten empor, der erneut versuchte, durch die magische Barriere zu stoßen. Herr Blum und Herr Frenzel gaben ihr Rückendeckung, während alle anderen anfingen, sich langsam von mir zu verabschieden. Nicht jeder war mit meiner Entscheidung einverstanden, aber akzeptieren sie dennoch, weil sie wussten, dass ich nicht mehr davon abzubringen war und da selbst Tobias meine Entscheidung respektiere, blieb auch ihnen nichts anderes mehr übrig. Während der Abschied bei Zack und Max recht schnell vonstattenging, da ich beide erst seit ein paar Tagen kannte, musste ich mir bei den anderen ein wenig mehr Zeit einräumen. Leon stand mir gegenüber und wusste nicht was er sagen sollte. Er schien innerlich mit sich zu kämpfen, wie zu jener Zeit, als er sich darüber im Klaren wurde, dass er auch auf Männer stehen könnte. Schließlich war ich es, der meine Arme nach ihm ausstreckte und ihn fest umarmte. „Pass auf dich und deine zwei Jungs gut auf.“, flüsterte ich ihm ins Ohr. „Egal wie die Sache für euch ausgeht, ich hoffe, dass du am Ende glücklich sein wirst.“ Leon bedankte sich bei mir für die beherzten Worte und ich wandte mich Nick zu, der wohl als Einziger gegen meine Entscheidung protestierte. „Ich verabschiede mich ganz sicherlich nicht von dir! Ich will nicht, dass du stirbst! Niemals! Das lasse ich nicht zu!“ „Jetzt mach es mir doch bitte nicht so schwer, Nick.“, sagte ich schwer atmend zu ihm. „Falsch, du machst es dir zu leicht, wenn du denkst, du könntest uns einfach so allein lassen.“, erwiderte Nick, der wie ein bockiges Kind die Arme verschränkte und mir den Rücken zudrehte. Was musste dieser Dickkopf gerade jetzt so stur und kindisch sein? „Gib ihm einen Tritt in den Hintern, das bewirkt meistens Wunder.“, riet David mir. Ich folgte der Anweisung zwar nicht, aber ich tat etwas anderes, was ich für gewöhnlich bei keinem anderen Menschen tat, außer bei Tobias. Ich stellte mich hinter Nick, legte meine Arme um seine Taille und drückte ihm einen zärtlichen Kuss auf die linke Wange. „Lebewohl, wunderbarer und unter allen Menschen einzigartiger Nick.“, sagte ich zu ihm, ehe mich wieder von ihm löste. Der nächste Abschied fiel mir besonders schwer, denn nun war Justin an der Reihe. Ich versuchte emotionslos an die Sache heranzugehen, aber das war natürlich leichter gesagt als getan, um nicht zu sagen unmöglich: „Lass es uns bitte kurz machen Justin, denn wenn du zu weinen anfängst, dann weine ich auch und ich weiß nicht, ob ich das jetzt packe.“ Justin kniff seine Augen zusammen, als müsste er seine Tränen unterdrücken, um mir meinen Wunsch zu erfüllen. Doch als ich auch ihm eine innige Umarmung zum Abschied schenkte, konnte ich ihn ganz klar hinter meinen Rücken schluchzen hören. Ohne die Umarmung zu lösen, sagte ich zu ihm: „Du wirst immer meine erste große Liebe bleiben. Unsere erste Begegnung im Wald war Schicksal. Alles was uns widerfahren ist, war ein Test für den heutigen Tag. Ich weiß du bist jetzt sehr traurig, aber ich weiß auch, dass du in naher Zukunft glücklich sein wirst, denn du hast jetzt einen neuen Freund an deiner Seite, der gut zu dir passt und dich so liebt, wie ich es damals getan habe, nur dass er für immer bei dir bleiben wird!“ „Ich werde dich immer lieben, Bobby.“, hörte ich Justin sagen und ein Lächeln breitete sich in meinem Gesicht aus. Ich löste die Umarmung und gab auch ihm einen letzten Kuss, nicht auf den Mund oder die Wange, sondern auf die Stirn, um ihn mit viel Glück und Liebe zu segnen. Als Letztes war natürlich Tobias an der Reihe, der still und zurückhaltend daneben stand und in seinen eigenen Gedanken zu versinken drohte. Schnell packte ich ihn bei der Hand und zog ihn in einen der Tunnel zurück, um ein paar Minuten allein mit ihm zu sein. Ich drückte ihn leicht gegen die Wand und wir küssten uns lange und voller Hingabe, denn es sollte schon bald nicht mehr so sein. Nachdem wir Beide aufgehört hatten uns zu küssen, musste ich noch ein paar letzte Worte loswerden: „Mein Handy hat hier unten leider keinen Empfang. Nina wird stinksauer sein, wenn sie hiervon erfährt und sie sich nicht mehr von mir verabschieden durfte. Kannst du…?“ „Natürlich.“, sagte Tobias, der bereits von neuem mit Tränen zu kämpfen hatte. „Und wenn es nicht zu viel verlangt ist, dann würde ich dich gerne darum bitten, dass du dich um meine Eltern kümmerst. Ich weiß, sie werden meine Entscheidung respektieren, aber auch sie werden in tiefer Trauer versinken. Anni… egal wie tapfer sie sich geben mag, sie wird sich die Schuld geben, doch in Wirklichkeit wird sie auf mich sauer sein, weil ich sie allein gelassen habe. Kümmere dich bitte auch gut um meinen leiblichen Vater und um meine Halbschwester Caro. Ich weiß, ich verlange viel von dir, aber es würde mir helfen zu wissen, dass sie bei dir in guten Händen sind.“ Tobias zwang sich zu einem Lächeln und nickte, schloss kurz darauf aber auch seine Augen, weil ihm bereits wieder nach Weinen zumute war. Ich streichelte zärtlich mit meiner Hand über sein Gesicht und versuchte dem Ganzen etwas Gutes abzugewinnen. „Sehen wir es mal von der Seite. Ich sehe endlich meine Oma wieder. Vermutlich sitzt sie gerade auf einer Wolke, betrinkt sich und schaut zu uns herunter, wie wir hier in einem Meer aus Tränen ertrinken.“ Tobias Lächeln wurde breiter und auch ich ließ mich zu einem kleinen Lächeln durchringen. Meine letzten Worte richtete ich an Tobias persönlich: „Ich liebe dich Tobias, von ganzen Herzen! Du bist nicht nur die Liebe meines Lebens, sondern auch mein bester Freund, der mich in und auswendig kennt und immer für mich da war. Ich… ich wäre nur allzu gerne dein Ehemann geworden, denn jemand der so wundervoll ist wie du, den muss man einfach heiraten. Ich bin mir sicher, eines Tages wirst du auch heiraten, einen Jungen, der dich genauso liebt, wie ich es getan habe und noch mehr. Egal wo ich auch sein werde, ich werde immer an dich denken und dich auf deinem Weg begleiten. Du wirst um mich trauern und noch viele Tränen im Leben vergießen, aber du wirst niemals allein sein, das verspreche ich dir!“ Ich beugte mich noch ein letztes Mal leicht vor, sodass unsere Köpfe sich leicht berührten, während ich seine beiden Hände fest umklammerte, selbst nicht in der Lage, ein für alle Mal loszulassen. Doch… „Ich liebe dich!“ Ich riss mich los und ging in großen Schritten in den Raum zu den Anderen zurück. Tobias blieb zurück, erinnerte sich zurück an unsere schönsten Erlebnisse und vergoss letzte Tränen. „Ich bin soweit!“, rief ich der Hotelbesitzerin zu, als ich den Raum wieder betrat.
Fünfzehn Minuten später war die Zeremonie vollbracht. Eine eisige Kälte umhüllte meinen Körper und ich fühlte nichts mehr – keinen Schmerz, keine Trauer, aber auch keine Geborgenheit und Wärme mehr. Ich war überrascht, überhaupt noch in der Lage zu sein, meine Augen wieder zu öffnen, doch irgendwie auch erleichtert, dass es nach dem Tod doch noch weiterging. „Oder war ich am Ende gar nicht tot? Ich sah mich um. Ich war ganz allein und um mich herum war alles weiß. „Also eigentlich wollte ich dich ja erst in etwa siebzig Jahren wiedersehen und hier oben begrüßen, mein lieber Enkelsohn!“ Verdutzt drehte ich mich um und entdeckte zu meiner großen Freude meine Oma. „Jetzt guck nicht so bedröppelt aus der Wäsche. Hast du etwa den lieben Herrgott erwartet, um dich hier oben zu begrüßen? Damit eins klar ist: Ich lass nicht zu, dass diese Geschichte so endet! Dein Tobias wird gar nicht erst die Gelegenheit bekommen, sich in einen neuen Jungen zu verlieben. Ich wäre nicht Oma Forster, wenn ich hierbei nicht noch ein Wörtchen mitzureden hätte!“
91. Die Wiedergeburt – Teil 1 Es fiel mir schwer, Justin so traurig zu sehen. Der Abschied von seinem Ex-Freund ging ihm sehr zu Herzen und ich konnte sehr gut nachempfinden, wie er sich gerade fühlte. Ich hatte leider nie die Gelegenheit mich von Oliver zu verabschieden. Sein Tod kam so unerwartet und unverhofft…, er wurde mir quasi mit Gewalt aus den Händen gerissen. Ich blickte zu Frau Temperini, der ich die Schuld an dem Tod meines Freundes gab, da sie es war, die ihm einst die Phönixfeder überreicht hatte. Mein Zorn ihr gegenüber machte mich blind und unberechenbar, aber inzwischen wurden mir die Augen geöffnet. Rache ist keine Option – eine Erkenntnis, die Seraphiel nie erlangt hat! Sein Zorn und sein Neid gegenüber Prinz Phönix machten ihn zu dem war er nun war – ein Schatten seiner selbst und das im wahrsten Sinne des Wortes! „Okay, ich bin soweit!“, rief Bobby, der in den Raum zurückkehrte und sich für uns alle opfern wollte, damit wir Prinz Phönix wieder erwecken konnten, der als Einziger dazu in der Lage war, den Albtraum ein für alle Mal zu beenden. „Was muss ich tun?“, fragte Bobby die Magierin. „Der Altar steht inmitten des Raumes. Dort müssen wir uns hinbegeben, nur leider befindet sich dort auch Seraphiel.“, erklärte Frau Temperini uns allen. „Der einzige Grund warum er noch keinen stärkeren Versuch wagte, durch die Barriere zu kommen, ist, weil er genau weiß, was wir vorhaben und früher oder später zu ihm müssen. Dazu muss ich die Barriere auflösen und dann muss alles ganz schnell gehen. Zunächst müssen wir uns Seraphiels Lakaien entledigen, damit sie uns nicht in die Quere kommen. Zack, darum wirst du dich kümmern müssen, denn Max ist ja gehandicapt!“ „Ach kein Problem, ich hau Tyler einfach meine Krücken in die Eier!“, warf Max frohen Mutes ein. „Bist du sicher, dass du das schaffst?“, fragte Leon ihn besorgt. „Ich frag nicht nur aus Sorge um dich, denn es geht hier schließlich auch um Marias Leben!“ „Keine Sorge. Ich gebe den Jungs Rückendeckung.“, sagte Herr Blum. „Schön. Während Rufus, Gisela und Regina Seraphiel in Schach halten werden, stellen sich Leon, Nick, Nicolas, Justin, Casey und Tobias im Kreis um den Altar auf. Dabei müsst ihr natürlich die magischen Gegenstände bei euch haben, was in Justins Fall nicht weiter schwer sein dürfte.“ „Klingt doch eigentlich ganz einfach, aber ich dachte Tobias beschützt uns mit dem Schwert vor Seraphiel und nun sind wir dem Schatten doch schutzlos ausgeliefert?“, fragte Nick verwirrt. „Unterschätze uns nicht.“, sagte Herr Frenzel. „Ich kann mehr als nur Mathematik unterrichten und Gisela und Regina haben über die vielen Jahre hinweg auch so einiges von Sofia gelernt. Sie können zwar nicht zaubern, aber ein paar Tricks haben sie auch drauf. „Und was mache ich?“, fragte David, der sich allmählich nutzlos fühlte. „Verstecken und beten!“, antwortete Frau Temperini ihm und Nick fand, dass das die erste gute Idee ihrerseits war, die sie bis jetzt geäußert hatte. „Ich werde dafür Sorge tragen, dass dem Kleinen nichts zustößt.“, sagte Herr Kinimod. „Nenn mich noch einmal Kleiner und ich trete dir in den Allerwertesten, Ni…“ David verstummte jäh, damit er nicht Gefahr lief zu viel zu sagen. „Kommen wir nun zu dem entscheidenden Teil.“, sagte Frau Temperini unaufhaltsam. „Robert, du musst dich all deiner Klamotten entledigen und dich mit dem Rücken auf den Altartisch legen. Dann wird Leon die Zeichnung des Phönix auf dir ablegen und ich spreche die Zauberformel.“ „Ich glaube, mich gerade verhört zu haben.“, sagte Bobby leicht panisch. „Ich glaubte zu hören, sie hätten gesagt, ich soll mich nackt ausziehen…“ Frau Temperini zog die Augenbrauen hoch, woraufhin Bobby die Kinnlade runterkippte. „Schön… trete ich eben mit rosarotem Kopf ab!“ „Hey Leon, wie kommt es eigentlich, dass du so schnell eine neue Zeichnung anfertigen konntest?“, fragte ich, denn von den Anderen hatte ich erfahren, dass die erste Zeichnung von einem bösen Leon, seine zweiten Ich, zerrissen wurde. „Keine Ahnung. Ich war plötzlich so voller Tatendrang, dass ich binnen weniger Minuten eine neue Zeichnung anfertigen konnte.“, erklärte Leon mir. „Vielleicht hab ich zumeist selber an mir zu viel Druck ausgeübt, dass ich keine vernünftige Zeichnung mehr zustande gebracht habe. Ich wollte allen anderen immer beweisen, wie gut ich im Zeichnen bin, dabei muss ich gar nichts beweisen.“ „Genug jetzt geschwafelt!“, rief Frau Temperini dazwischen. „Das arme Mädchen da drüben, hat ja schon einen ganz roten Hals, vom dem Würgegriff, mit dem man sie festhält. Jeder von euch, weiß was er zu tun hat?! Robert, bist du soweit?“ Bobby hatte sich zwischenzeitlich seiner gesamten Kleidung entledigt. Selbst seine Boxershorts hatte er abgelegt und nun stand er gänzlich nackt in unserer Mitte. Ihm fror es ein wenig, denn er verschränkte seine Arme vor seiner Brust, während sich seine Armbehaarung leicht aufstellte. Wir Jungs versuchten uns zu mäßigen und ihn nicht zu sehr anzugaffen, um ihm die Sache nicht noch unangenehmer zu machen, als ohnehin schon. Wobei mir sowieso nur recht wenig zu sehen bekamen, da sich Tobias, groß und breit wie ein Schrank wie er war, sich schützend vor ihn stellte. „Los geht es!“, rief Frau Temperini und der Gegenangriff begann. Die magische Barriere löste sich in Luft auf und wir stürmten alle gleichermaßen in die Mitte des Raumes, während sich David zusammen mit Herrn Kinimod in einem der Tunnel verschanzt hatte. Der Schatten zögerte natürlich keine Sekunde um uns anzugreifen, doch bis die anderen und ich uns in die richtige Position brachten, bot Frau Temperini ihm mit ihren magischen Kräften Paroli. Die Schwestern Gisela und Regina halfen ihr dabei, so gut sie konnten, während Herr Frenzel sich leise an die Wand schlich und dort einen kleinen geheimen Spalt öffnete, indem er einen Stein in die Wand drückte. Er zog eine antike Feuerwaffe hervor und auf Giselas Zeichen, feuerte er einen Schuss ab. Ein grünes Feuer kam heraus und setzte den Schatten für kurze Zeit außer Gefecht. In der Zwischenzeit positionierten wir anderen uns wie abgesprochen um den Altar herum. Tobias half Bobby auf den Altartisch und hielt ein letztes Mal seine Hand, ehe er sich widerwillig von ihm löste und sich mitsamt dem Schwert ebenfalls auf seinen Platz begab. Leon legte die Phönix-Zeichnung auf Bobby ab und stellte sich ebenfalls auf. Ich musste die tote Reporterin ein wenig zur Seite schieben, um mich am Altar richtig zu positionieren. In den Augenwinkeln sah ich, wie Zack und Max auf Theo und Tyler losgingen, um Maria zu befreien. Alles verlief ordnungsgemäß nach Plan und auch Frau Temperini stieß endlich dazu, als der Schatten lichterloh brannte und den Raum mit einem ohrenbetäubenden Schrei durchhallte. „Wir haben nur wenig Zeit. Das Drachenfeuer, welches wir ihm auferlegt haben, wird ihn nur für binnen paar Sekunden außer Gefecht setzen.“, erklärte die Magierin uns, kurz bevor sie ihre Hände hob und eine Zauberformel sprach, um die Wiedergeburt von Prinz Phönix einzuleiten. Doch leider wurde unser Vorhaben jäh unterbrochen, als mich die Hand der totgeglaubten Reporterin am rechten Beingelenk packte und mich zu Fall brachte. Ich fiel mit dem Körper nach vorne und schlug mir den Kopf am Altartisch an. Ich verlor mein Bewusstsein und das letzte was ich vernahm, war Justins entsetzter Schrei und ein Schuss.
92. Die Wiedergeburt – Teil 2 „Casey! Casey, bitte wach auf!“ Langsam öffnete ich wieder meine Augen und sah ein warmes Licht, an das ich mich zunächst einmal gewöhnen musste. Als meine Augen dann endlich ganz offen standen, sah ich ein Poster von Schwertwalen an der gegenüberliegenden Wand hängen. Ich erkannte das Poster sofort, denn ich hatte es damals selbst in meinem Zimmer aufgehängt. „Na endlich bist du aufgewacht.“, sagte eine Stimme zu mir. „Willst du etwa den ganzen Tag pennen?“ „Justin, bist du das?“, fragte ich verwirrt, doch war ich mir bereits bewusst, dass es sich bei der Person, die zu mir sprach, unmöglich um Justin handeln konnte. Ich drehte mich im Bett leicht um und entdeckte Oliver am Fuße meines Bettes stehen. „Justin? Wer zur Hölle ist Justin? Du bist mir doch wohl nicht etwa fremdgegangen, oder?“ „Oliver… du… du lebst?“, stieß ich weiterhin verwirrt aus. Mein totgeglaubter Freund blickte mich nun ebenfalls verwirrt an. „Was soll der Scheiß? Natürlich lebe ich! Du hast schlecht geträumt Casey. Jetzt steh endlich auf und zieh dir was an, oder hast du vergessen, dass wir heute ins SeaWorld gehen wollten. Wale, Delfine, Haie… darauf hast du dich doch bereits die ganze Woche gefreut. In der Schule hast du von nichts anderem mehr geredet.“ „SeaWorld?“ Dieses Wort ließ es in mir klingeln und auf einmal saß ich kerzengerade im Bett. „Welcher Tag ist heute?“ Ich warf einen Blick zum Kalender. „Juli 2012? Wir haben 2012?!“ „Natürlich, was denkst du denn? Mensch Casey, du benimmst dich heute echt eigenartig.“, sagte Oliver zu mir, der mir die Bettdecke wegzog und mir meine Jeans zuwarf. „Jetzt steh auf, oder ich geh ohne dich zur Bushaltestelle. Dann fahr ich allein ins SeaWorld und du guckst in die Röhre.“ „Da-Das ist unmöglich. Das kann nicht sein.“, nuschelte ich vor mich hin. „Was hast du gesagt?“, fragte Oliver mich. „Casey du Träumer. Was immer du glaubst, diese Nacht durchlebt zu haben, es war nur ein Traum! Was auch immer passiert sein mag, es war nicht real. Du bist hier, bei mir und es gibt keinen Justin! Vergeude deine Zeit nicht mit wertlosen Träumen!“ Ich war gerade wirklich dabei, mir die Jeans überzustreifen, als ich plötzlich inne hielt und über Olivers Worte nachdachte. Sie kamen mir komisch, gar unrealistisch vor. Oliver war selbst immer der größte Träumer und riet mir stets dazu, meinen Träumen zu vertrauen und ihnen zu folgen. „Du Oliver…“, sagte ich leicht betrübt und den Kopf sinkend. „Soll ich mir meine Haare rot färben?“ „Häää, bist du übergeschnappt? Schwarz steht dir doch gut.“, meinte Oliver, während ich immer trauriger wurde. „Rot erinnert mich an Feuer und das mag ich nicht.“ „Hm ja… kann ich mir denken…, wo du doch Prinz Phönix umbringen wolltest!“, entgegnete ich, denn ich hatte mein Gegenüber durchschaut. Die Person die mit mir sprach, war nicht Oliver, sondern in Wirklichkeit Seraphiel. Ich erhob mich vom Bett und blickte Oliver an, dessen Augen nun schwarz funkelten. „Du kannst mich nicht täuschen. Dasselbe hast du bereits einmal bei Justin versucht!“ „Du dummer Junge.“, erwiderte Seraphiel im Körper meines verstorbenen Freundes und am liebsten hätte ich ihn dafür verprügelt, den Körper meines Freundes zu schänden. „Ich hab dir hier die Chance auf einen Neuanfang gegeben, aber du willst offenbar sterben.“ „Ich weiß, was du damit bezwecken wolltest.“, sagte ich. „Du wolltest mich in dieser Alternativwelt gefangen halten, damit wir die Zeremonie nicht durchführen können und Prinz Phönix nicht wieder zum Leben erweckt wird, aber nicht mit mir, da hast du dir den Falschen ausgesucht!“ Ich stürmte los, packte Seraphiel und schlug ihn gegen die Wand. Oliver löste sich in einer schwarzen Rauchwolke auf und mein Zimmer verschwand in einem Meer aus Dunkelheit. Zwar konnte ich Seraphiels falsches Spiel durchschauen, war aber dennoch sein Gefangener. Zum Glück war auf Justin Verlass: „Casey, hörst du mich? Komm bitte zu uns zurück!“ Ich konnte ihn nicht sehen, aber seine Stimme hallte in meinem Kopf und ich brauchte ihr nur zu folgen. Ich rannte durch das Meer aus Dunkelheit, unaufhaltsam, mit nur einem Ziel vor Augen. Seraphiel setzte alles daran, mich in seiner Schattenwelt gefangen zu halten, doch gab ich nicht auf und kämpfte mich mit eisernem Willen durch ihn hindurch. Am Ende sah ich ein Licht. Die Dunkelheit verschwand und ich lag am Boden vor dem Altartisch. Justin beugte sich zu mir hinunter. Ein erleichtertes Lächeln war in seinem Gesicht abzuzeichnen, als ich meine Augen aufschlug und zärtlich mit der Hand über seine Wange streichelte. „Danke, dass du mich gerettet hast.“ „Du hast mein Leben gerettet und ich deins. Dafür sind Freunde da!“, erwiderte Justin glücklich. „Alles okay bei ihm?!“, rief Frau Temperini Justin fragend zu, während sie alle Hände voll damit zu tun hatte, Seraphiel von uns fern zu halten. Ich tastete meinen Kopf mit meiner rechten Hand ab und stellte eine Beule am Kopf fest. Zudem fühlte ich etwas Klebriges – Blut, aber zum Glück nicht allzu viel. „Kein Kampf ohne Verwundete.“, stellte ich ernüchternd fest. „Keine Sorge, halb so schlimm. Mir geht es gut.“ Justin reichte mir seine Hand und half mir wieder auf die Beine. Ich blickte mich um und sah viele besorgte und verängstigte Gesichter. Die Zeit wurde knapp. Mit jeder Minute die verstrich, wurde Seraphiel mächtiger und wir schwächer. Die Reporterin, die mich zu Fall gebracht hatte, lag leblos auf dem kalten Boden, ihre Augen weit aufgerissen. „Ist sie tot?“ „Ja, Herr Blum hat sie erschossen, nachdem sie dich angegriffen hatte und du dir den Kopf am Altartisch angeschlagen hast. Er hatte keine Wahl…“, erklärte Justin mir, während er nach wie vor meine Hand hielt, aus Sorge, meine Verletzung könnte doch schlimmer sein, als angenommen. „Verstehe.“, sagte ich und blickte trotz alledem traurig zu der Frau. Sie war nur eine Marionette in Seraphiels perfidem Spiel und hatte den Tod nicht verdient. Kein Mensch hatte den Tod verdient, aber er gehörte zum Leben dazu. Trotzdem… sterben wollten sie heute alle nicht und um das zu verhindern, musste die Zeremonie endlich vollbracht werden! „Jetzt oder nie!“, rief Herr Frenzel uns zu. „Ich weiß nicht, wie lange wir Seraphiel noch in Schach halten können. Fangt an!“ Frau Temperini wandte sich schnell von Seraphiel ab, während Justin und ich uns wieder im Kreis der um den Altar stehenden einfanden. Bobby lag noch immer nackt auf dem Altartisch. Die Anspannung war ihm ins Gesicht geschrieben und auch Tobias Schmerz war deutlich zu erkennen. Frau Temperini begann die Zauberformel aufzusagen: „Et septem viros esse, componit septem virtutes. Fortitudo, iustitia, fides, spes, temperantia, prudentia et caritate. Transtulit ad Phoenix virtutes Natus, nunc et in hora, et in saecula saeculorum. Lucidius inlustret lumine viventium, fœtus ignis, et cinis, nunc, circulus Heros de lumine!“ Frau Temperini schien mit ihrer Zauberformel fertig zu sein, hielt ihre Hände ausgestreckt in die Höhe und schloss ihre Augen, als ob sie auf ein Wunder wartete. Nervös blickte ich mich zu den Anderen um, denen es nicht anders zu ergehen schien. Tobias Augen waren starr auf Bobby gerichtet, dessen Herzschlag langsamer wurde, bis es zum tatsächlichen Stillstand kam. Tobias schien den Boden unter seinen Füßen zu verlieren und konnte sich nur mit letzter Kraft auf den Beinen halten, um die Zeremonie nicht zu gefährden. Bobbys Opfer darf nicht vergebens sein. Plötzlich ging die Phönix-Zeichnung auf dessen Brustkorb in Flammen auf. Das Feuer übertrug sich auch auf Bobbys Körper und wir standen alle schockiert um ihn herum. Tobias und Justin waren den Tränen nahe, als ich den Klang eines Phönix vernahm.
93. Die Wiedergeburt – Teil 3 Bis vor wenigen Sekunden hatte ich noch keine Ahnung, welche Geräusche ein Phönix von sich gab. Ich hatte mir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, da es mir nicht wichtig erschien, aber jetzt, wo ich den Klang eines Phönix vernahm, war ich einfach hin und weg. Die himmlische Melodie einer Harfe durchflutete den Raum und auf einmal fühlten sich mein Körper schwerelos und meine Seele rein an. Während der ganzen Zeit, hielt ich die rote Phönixfeder fest in meinen Händen. Doch kurz bevor die Zeremonie vollendet werden konnte, so erschien es mir zumindest, durchbrach der Schatten jegliche Verteidigungslinie. Mit all seiner Kraft und seinem grenzenlosen Hass, zerstörte er den Altartisch, auf dem bis vor kurzem noch Bobby lag. Seine verbrannte Asche wirbelte in der Luft herum und bei diesem Anblick konnte Tobias sich nicht mehr länger auf den Beinen halten. Er ließ das Schwert zu Boden fallen, kniete sich daneben hin und weinte bittere Tränen. Auch wir anderen waren entsetzt und fühlten uns bewegungsunfähig. Von Prinz Phönix fehlte bislang jede Spur. War die Zeremonie tatsächlich fehlgeschlagen? Wenn nicht, wo war der Prinz denn nun dann? Ein grauenhaftes Lachen ertönte aus der Dunkelheit der Schatten und selbst Frau Temperini schien mit ihrem Latein am Ende zu sein. Nun zog der Schatten aus allen Registern. Die Schonfrist war vorbei und der Schatten flog direkt auf die Magierin zu. Er traf sie mitten ins Herz. Frau Temperini schrie aus voller Kehle auf und Giselas, Reginas und Herr Frenzels Augen öffneten sich vor Entsetzen. Das Grauen war unumstößlich. Frau Temperini hatte keine Chance und verschwand im Inneren des Schattens. Kurz darauf nahm der Schatten die Form eines Menschen an. Ich ging stark davon aus, dass es sich hierbei um Seraphiel handelte, wenngleich er noch immer ein Schattenwesen war. „Irgendwas muss schief gegangen sein!“, hörte ich Nicolas laut rufen. „Und wie da was schief gegangen sein muss.“, bestätigte Nick. „Hier geht gerade alles gründlich schief. Seraphiel hat Sofia auf dem Gewissen, Bobby ist ebenfalls tot und von Prinz Phönix fehlt bislang jede Spur.“ Seraphiel richtete sich auf und startete sofort einen weiteren Angriff. Nun waren wir seine Zielobjekte, diejenigen, die ihm ständig in die Quere kamen. Zuerst versuchte er mich anzugreifen, doch war ich noch immer im Besitz der Phönixfeder und konnte ihm spielend leicht ausweichen, indem ich mich in die Lüfte empor hob. Ich flog über Seraphiel hinweg, streckte meine Arme nach Justin aus und brachte auch ihn schnellstmöglich in Sicherheit. Als Nächstes hatte Seraphiel es auf Nick abgesehen, der vor Angst wie gelähmt war und sich nicht von der Stelle rührte. Zum Glück tauchte David aus seinem Versteck auf und zog ihn in letzter Sekunde zur Seite. „Spinnst du?!“, schrie Nick seinen kleinen Freund an. „Du solltest doch in deinem Versteck bleiben!“ „Wie wäre es mit ein wenig Dankbarkeit? Ich hab dir gerade deinen süßen kleinen Hintern gerettet, den ich so gerne trete.“, entgegnete David, dem seine Aktion keineswegs leid tat. Seraphiel bäumte sich von neuem auf, doch schien er zu überlegen, wen er sich als Nächstes vorknöpfen sollte. In der Zwischenzeit kam Tobias wieder mehr oder weniger zu sich. Seine Trauer um seinen verstorbenen Freund, wich einer unbeschreiblichen Wut. Tobias packte das Schwert vor seinen Füßen und attackierte Seraphiel frontal. Ich hielt diesen Angriff für zwecklos und zu gefährlich, doch Tobias überraschte uns alle, denn er konnte Seraphiel tatsächlich eine schwerwiegende Wunde zufügen. Tobias verfehlte ihn zwar um Haaresbreite, aber traf ihn dennoch am linken Arm. Seraphiel heulte auf vor Schmerz und fluchte laut vor sich hin. Seine Worte gaben uns Klarheit darüber, welche geheimen Kräfte das Schwert verbarg: „Dieses verdammte Schwert wurde im magischen Phönixfeuer geschmiedet. Ich verfluche es! Ich verfluche euch alle!“ Seraphiel stürmte wutentbrannt auf Tobias zu, doch dieser schien nicht minder wütender zu sein und bot seinem Feind Paroli. Seraphiel versuchte ihn in seine Schattenwelt zu ziehen, doch das Schwert beschützte Tobias. In der Zwischenzeit tobte in einem anderen Teil des Raumes ein erbitterter Kampf zwischen vier Jungs: Zack und Max gegen Theo und Tyler! Zack und Max versuchten Maria aus den Klauen ihrer Feinde zu befreien. Wie angekündigt, scheute sich Max nicht davor, im Kampf von seinen Krücken Gebrauch zu machen. Doch Tyler grinste nur böse und kickte ihm die andere Krücke weg, so dass Max zu Boden stürzte. Daraufhin stürmte Zack auf Tyler zu und schlug ihn mit der Faust ins Gesicht. Geballte Muskelkraft steckte hinter diesem Angriff und Tyler flog rücklings zu Boden, wo er letztendlich auch erst einmal liegen blieb. Danach widmete sich Zack Theo, der noch immer Marias Hals fest umschlossen hielt. Eine falsche Bewegung von Zack und Theo würde zudrücken. „Na komm doch her, wenn dir das Leben deiner kleinen Freundin egal ist.“, sagte Theo herausfordernd. Zack wollte wirklich liebend gern angreifen und dem Bastard eine verpassen, aber es stand zu viel auf dem Spiel. Plötzlich, ohne Sinn und Verstand, zuckte Zack mit den Schultern, als ob ihm Marias Leben egal wäre. Maria blickte Zack schockiert an und Theo schien sich ebenfalls zu wundern. Kurz darauf tauchte Leon hinter Theo auf und rammte ihm die spitze Rückseite der Phönixfeder in die Hand, mit der er Marias Hals fest umschlungen hielt. Theo ließ los und begutachtete seine verwundete Hand, die zum Bluten anfing. Zack sah seine Chance gekommen und gab Theo den Gnadenstoß. Leon grinste vor Freude. „Da war die Feder wohl wirklich einmal mächtiger als das Schwert.“, sagte er, als Maria ihm vor Dankbarkeit auch schon um den Hals fiel. „Hey und was ist mit mir. Hab ich etwa nicht zu deiner Rettung beigetragen?!“, fragte Zack verärgert, der ebenfalls eine Umarmung von Maria abstauben wollte. Die Drei waren so in Freudenstimmung, dass sie nicht bemerkten, dass Tyler wieder zu sich gekommen war und einen weiteren Angriff plante. Doch wurde sein Vorhaben von Max vereitelt, der ihm dieses Mal wirklich eine Krücke von hinten durch die Beine schlug. „Das war für meinen Kompass, du Arsch.“ Tyler jaulte auf vor Schmerz, brach dann aber endgültig zusammen, als Max ihm die Krücke auch noch gegen den Kopf schlug. „Und das für die Schussverletzung.“ Ende gut, alles gut…, naja fast. Ich widmete mich wieder dem Hauptgeschehen. Seraphiel und Tobias kämpften noch immer gegeneinander und je länger die Konfrontation der Beiden andauerte, desto glühend heißer wurde das Schwert, bis Seraphiel sich daran verbrannte und zum Rückzug antreten musste. „Yeah! Tobi unser Mann, zeigt der Schattenfresse was er kann!“, rief Nick mit strahlendem Gesicht, doch freute er sich zu früh, denn nun hatte Seraphiel es wieder auf ihn abgesehen. „Ups.“ Nick rannte schreiend davon, während er von Seraphiel verfolgt wurde. Tobias versuchte Seraphiel aufzuhalten, doch Seraphiel war schneller als er. Er formte seine Schattenhand zu einem tödlichen Speer, mit dem er Nick aufzuspießen versuchte. David konnte Nick dieses Mal nicht mehr aus seiner misslichen Lage befreien und warf einen letzten entsetzten Blick zu seinem besten Freund, ehe er sich die Hände vors Gesicht hielt und die Augen verschloss. Auch ich konnte mir den Ausgang nicht mitansehen und so drehte ich mich leicht weg und hörte nur noch, wie eine Person tatsächlich von dem Speer aufgespießt wurde. Es war Justin, der mich dazu aufforderte, wieder hinzusehen, denn der Speer traf nicht Nick! Alexander Kinimod hatte sich im letzten Moment dazwischen geworfen und sich für sein jüngeres Pedant geopfert. Nick lag am Boden und blickte fassungslos zu dem Mann, der ihm sein Leben gerettet hatte. Etwas Blut klebte an der Speerspitze und tropfte auf Nick herab.
94. Die Wiedergeburt – Teil 4 „Seraphiel, du mieses Schwein!“, schrie Nick den Schatten an, dessen Schattenspeer sich wieder aus dem durchbohrten Körper von Alexander Kinimod zurückzog. „Keine Sorge. Dich erwische ich früher oder später auch noch.“, hörte man Seraphiel erwidern. „Oh mein Gott…“, hörte ich David neben mir sagen. „Was bedeutet das jetzt für Nick? Wenn sein älteres Ich stirbt, was wird dann aus Nick?“ In Davids Gesicht konnte ich Tränen entdecken und auch ich musste einmal kräftig schlucken. Alles schien für mich auf einmal so sinnlos und zwecklos. Egal was wir unternahmen um Seraphiel aufzuhalten, er war uns immer einen Schritt voraus. Seine Macht schien grenzenlos und ich hatte das beklemmende Gefühl, als würde er die ganze Zeit nur mit uns spielen. Er hätte uns schon längst alle töten können, aber seine sadistische Ader brachte ihn dazu, uns zu quälen. Es schien, als würde er sich vom Leid der Anderen ernähren. Vom Leid der Anderen… „Aber natürlich!“, rief ich plötzlich, als wäre der Groschen endlich bei mir gefallen, dabei überkam mich eher nur eine Vermutung. Justin blickte mich verwundert an, weil ich so frohen Mutes zu sein schien, obwohl gerade wieder einer von uns der Tod ereilt hat. „Was ist los Casey? Ist dir eine Idee gekommen, die uns alle rettet?“ Ich drehte mich zu Justin, griff nach seinen Händen und küsste sie vor Glück und Dankbarkeit. „Hey ihr zwei Turteltauben! Das ist wohl kaum der geeignete Augenblick für sowas!“, rief uns Nicolas zu. „Casey, was soll das, was ist denn los?“ fragte Justin nach wie vor verwundert und zugleich besorgt. „Jetzt ist noch nicht der richtige Augenblick um aufzugeben.“, erklärte ich Justin. „Ich hab Seraphiel durchschaut. Er quält uns nur deshalb so lange, um sich von unserem Leid zu ernähren. Je mehr wir leiden, desto stärker und mächtiger wird er. Wir spielen ihn mit unserer Trauer und unserer Hoffnungslosigkeit direkt in die Hände und genau deshalb dürfen wir jetzt nicht aufgeben.“ „Du meinst…“, erwiderte Justin und seine Augen wurden ganz groß. Ein neuer Hoffnungsschimmer machte sich in seinen leuchtenden Augen bemerkbar. „Die Zeremonie, Bobbys Opfer, die Phönix-Zeichnung – all das war nicht vergebens.“, sagte ich und führte meine Erklärung weiter aus, während auch die Anderen mir inzwischen interessiert zuhörten. „Wir dachten nur deshalb, die Zeremonie wäre fehlgeschlagen, weil Seraphiel kurz darauf Frau Temperini umbrachte und wir daraufhin unter Schock standen. Seraphiel hat schon immer den Gegenpart von Prinz Phönix eingenommen. Wenn Seraphiel sich also von unserem Leid ernährt…“ „…dann bringt die Hoffnung und die Liebe Prinz Phönix vielleicht doch noch zurück.“, beendete Justin meinen Satz und ein strahlendes Lächeln bildete sich in seinem Gesicht. Er beugte sich zu mir nach vorne und drückte mir einen liebevollen Kuss auf den Mund, der in etwa fünf Sekunden andauerte. „Also sollen wir uns jetzt alle etwa in den Armen liegen oder wie?“, fragte Nicolas etwas skeptisch. „Du musst daran glauben, dass das funktioniert. Nur so, können wir Prinz Phönix wieder zum Leben erwecken.“, sagte ich schnell. „Bobbys Asche fliegt noch immer hier im Raum herum und woraus wird ein Phönix für gewöhnlich geboren?“ Nicolas schien nun auch davon überzeugt zu sein und nickte eifrig. „Na dann wollen wir Seraphiel mal den Hintern versohlen.“ Justin und ich stutzten bei dieser Übereifrigkeit und es war wirklich deutlich erkennbar, woher Nick seine Charaktereigenschaften herhatte. „Hey Serapfel oder wie du dich auch immer nennen magst!“, rief er dem Schatten plötzlich herausfordernd entgegen, der sich in der Zwischenzeit über Alexander Kinimod und den noch immer schockierten Nick beugte, um seine Tat zu vollenden. „Bist du wirklich so feige, dass du dich über Schwächere hermachen musst?“ Nicolas Provokation zeigte Wirkung. Ein tobendes Brüllen trat aus dem Schatten heraus. „Deshalb musst du ihn doch nicht gleich beleidigen.“, sagte ich sofort zu Nicolas, doch sein Plan ging auf, denn Seraphiel wandte sich von Nick ab und kam nun langsam auf uns zu. „Er wird das auskosten wollen.“, sagte ich und blickte noch ein letztes Mal in Justins Augen. „Lass meine Hand nicht los, egal was geschieht.“ Justin nickte. Ich konnte sein Herz ebenso laut pochen hören wie meins, doch dafür konnten wir unsere Angst überwinden und dem Tod ins Auge blicken. Plötzlich fühlte ich, wie eine andere Hand meine noch freie Hand packte und sie festhielt. Ich blickte zu meiner Rechten und sah Leon, der mich entschlossen ansah. Auch er hielt noch eine weitere Hand, die von Max, der gleichzeitig die Hand von Zack hielt. Inzwischen reichte Tobias Justin seine rechte Hand, der sie lächelnd entgegennahm. Als Letztes schloss sich uns Nicolas an, der nach Tobias linker Hand griff. Am Ende waren wir alle Sieben miteinander verbunden. „Ihr abscheulichen Kreaturen. Ich vernichte euch alle!“, brüllte Seraphiel uns entgegen. Er beschleunigte sein Tempo und flog rasant auf uns zu, doch machten wir keine Anstalten, uns auch nur für einen Millimeter fortzubewegen. Wir alle gaben die Hoffnung nicht auf! Seraphiel kam unaufhaltsam näher. Sollte er uns mit voller Wucht erwischen, würden wir das womöglich nicht überleben. Doch unser eiserner Wille wurde belohnt. Auf einmal erhoben wir uns zu siebt in die Höhe und konnten Seraphiel so in letzter Sekunde ausweichen. „Woah!“, stieß Leon neben mir überrascht aus. „Das war ganz schön knapp. Danke, dass du uns gerettet hast Casey!“ „Danke, aber die Lorbeeren gebühren nicht mir.“, entgegnete ich nicht minder erleichtert. Die rote Feder war verschwunden, ebenso wie die magischen Amulette und die Kunstutensilien, die bis vor kurzem noch in einer Ecke des Raumes lagen. Ein roter Schleier verteilte sich im gesamten Raum. „Was ist das?“, fragte Nicolas, während mir der Mund vor Verwunderung offen stand. Ich blickte nach unten. Der rote Schleier hat uns in die Lüfte empor heben lassen. Eine angenehme Wärme breitete sich im gesamten Raum aus und mir wurde klar, dass mein Plan funktioniert hat. Prinz Phönix wurde soeben wiedergeboren! Die roten Schleier manifestierten sich zu einer festen Gestalt, so wie es die Schatten in Form von Seraphiel vorhin getan hatten. Ein sagenhaftes rotes Feuer bildete sich vor unseren Augen und aus diesem Feuer erschien letzten Endes Prinz Phönix! „Mein Herr, endlich!“, rief Herr Frenzel vom Boden herauf überglücklich und auch Giselas und Reginas Augen funkelten vor Glückseligkeit. „Phööööönix!“, brüllte Seraphiel laut, dessen Zorn nun gewaltig war. „Seraphiel.“, sagte Prinz Phönix leise, doch so, dass wir ihn alle verstehen konnten. „Was hast du nur angerichtet. Mit deinem grenzenlosen Hass, hättest du beinahe die ganze Welt vernichtet. Doch ich werde dich mit all meiner Kraft daran hindern, denn das bin ich diesen Jungs hier schuldig.“ Der Prinz sah kurz zu uns rüber und lächelte uns an. Schamröte schoss mir ins Gesicht, denn er sah unerwartet gut aus, einfach sagenhaft. „Lass es uns hier und jetzt zu Ende bringen, Seraphiel!“, rief Prinz Phönix nun etwas lauter, ehe er auf Seraphiel zuflog. Seraphiel kam ihm entgegen geflogen und schon bald prallten Feuer und Dunkelheit aufeinander. Ein magischer Kampf tobte in der Luft, während wir langsam wieder zum Boden herabschwebten. „Es hat tatsächlich funktioniert. Wir haben es geschafft!“, rief ich stolz. „Ja…“, sagte Justin, wirkte dabei aber leicht sentimental. „Ich glaube, ich habe auch meine Fähigkeit verloren, mit Tieren zu sprechen.“ Ich blickte Justin mitfühlend an, doch schien ihm diese Tatsache nicht sonderlich viel auszumachen. Dennoch nahm ich ihn kurz in den Arm, um für ihn da zu sein. Auch ich würde nun nie wieder im Leben durch die Lüfte gleiten können. „Äh…, schön und gut, aber das sieht nicht besonders gut aus.“, sagte Zack, der seine Augen starr auf den Kampf in der Luft gerichtete hatte. „Prinz Phönix scheint noch nicht über das volle Ausmaß seiner Kräfte zu besitzen. Seht nur! Er verteidigt sich nur, während Seraphiel unerbittlich angreift.“ Ich blickte nun ebenfalls wieder nach oben und musste Zack leider Recht geben. Prinz Phönix schien noch nicht im vollen Besitz seiner Kräfte zu sein. Seraphiel hatte genug Zeit, sich seine alte Kraft von früher wieder zurückzuholen, aber Prinz Phönix war soeben erst wiedergeboren. „Aber was können wir tun, um ihn zu helfen?“, fragte Justin neben mir besorgt. „Indem wir ihm das geben, was ihm rechtmäßig zusteht.“, antwortete Tobias, der das Schwert emporhob und dann in die Luft warf. „Prinz Phönix, fangt!“ Der Prinz reagierte sofort und nahm das Schwert dankbar entgegen. Nun war es wieder bei seinem rechtmäßigen Besitzer und der Kampf schien nicht mehr so unausgewogen zu sein, wie noch vor wenigen Sekunden. Prinz Phönix holte mit dem Schwert mehrmals aus, verfehlte Seraphiel aber leider immer wieder. Doch versuchte er es stets aufs Neue und schließlich traf er doch noch mitten ins Schwarze. Seraphiel schrie vor Schmerzen auf, während seine Kraft rapide abnahm. Jetzt oder nie, dachte ich mir. Prinz Phönix zögerte keine Sekunde länger und gab Seraphiel den Gnadenstoß. Das Schwert kämpfte sich durch all die Schatten hindurch und traf Seraphiel mitten in sein verkorkstes Herz, das gänzlich schwarz war. Seraphiel verlor all seine Schattenkraft und nahm seine wirkliche Gestalt wieder an. Schwarzes Blut tropfte aus seinem Brustkorb, während er sich an der Klinge des Schwertes festhielt. „Warum...?“, fragte er leise und stieß seine letzten Atemzüge aus. „Warum war ich nicht in der Lage, dich zu besiegen? Wieso besitzt du nach all den vielen Jahren noch immer so viel Macht?“ Prinz Phönix blickte sein Gegenüber ernst, aber auch leicht melancholisch an. „Weil ich im Gegensatz zu dir verstanden habe, was wirklich wichtig im Leben ist: Der Glaube an Liebe und Freundschaft!“ Seraphiel weinte eine bittere Träne über diese Worte, ehe er im schwarzen Höllenfeuer sein Ende fand und nie wieder gesehen wurde. Der Krieg war zu Ende!
Da dieser Post zu lang war, muss ich ihn splitten ..., aber hier das große Finale der "Mystic Love"-Tetralogie!
95. Abschied – Teil 1 Prinz Phönix: Unzählige Gefühle prasselten gleichzeitig auf mich ein. Zunächst war da das Gefühl von neuerwachter Kraft. Dank der Jungs hier im Raum, konnte ich endlich wiedergeboren werden. Danach verspürte ich Hass auf die Person, der wir all das Leid zu verdanken hatten: Seraphiel. Doch im Kampf gegen ihn, versuchte ich besonnen und schlau vorzugehen und das mit Erfolg. Seraphiel wurde endlich besiegt und er löste sich im schwarzen Höllenfeuer auf. Ich verspürte Freude und Erleichterung, dass dieser schlimme Albtraum endlich ein Ende fand, doch zugleich überkam mich auch eine seltsame Leere, die sich unbemerkt und leise in mir ausbreitete. Nachdem Seraphiel besiegt war, konnte ich meine alten Freunde endlich wieder in die Arme schließen. Kaum hatte ich wieder festen Boden unter meinen Füßen, schlangen sich vier schlanke Arme um meinen Körper. Gisela und Regina weinten vor Glückseligkeit, so sehr hatten sie mich in all den Jahren vermisst. Ich lächelte glücklich und als ich dann auch noch meinen Butler Rufus auf mich zukommen sah, konnte auch ich nicht mehr länger an mich halten und gab vereinzelt ein paar Tränen preis. „Mein Herr, es ist so schön euch wiederzusehen.“, sagte Rufus zu mir, der seine Haltung zu bewahren versuchte und mir lediglich die Hand schüttelte. Doch ich zog ihn an mich heran, umarmte ihn vor Freude und klopfte ihm zum Dank auf den Rücken. Ich blickte mich im Raum um, musterte meine Retter und all jene, die ihnen im Kampf gegen Seraphiel unterstützt haben. Doch eine Person ging mir ab: „Wo ist Sofia?“, fragte ich verwirrt. „Oh mein Prinz, es tut uns Leid, aber Sofia… sie ist… Seraphiel hat sie…“, versuchte Regina mir zu erklären und kämpfte bereits erneut mit den Tränen. Ich verstand auch ohne viele Worte und fühlte mich nach dieser Erkenntnis leicht niedergeschlagen. Doch… „Einen Moment! Ich bin nicht tot!“, rief plötzlich die Stimme der Magierin vom anderen Ende durch den Raum, von der Stelle, an der Seraphiel vor wenigen Minuten sein Ende fand. Sie sah schwer in Mitleidenschaft gezogen aus, aber ansonsten schien sie kerngesund zu sein. Erneut stürmten Gisela und Regina auf eine Person im Raum zu und drückten sie vor Freude fest an sich. „Uff, Mädels, ihr erdrückt mich ja.“, krächzte Sofia. „Wenn Seraphiel es nicht geschafft hat, mich umzubringen, dann gelingt es euch ja vielleicht.“ Danach erklärte uns Sofia, wie sie Seraphiels Angriff überleben konnte: „Der Bastard wollte mich in seine Schattenwelt ziehen und dort vergammeln lassen, aber dank meiner magischen Fähigkeiten… und natürlich eurer Hilfe mein Prinz, konnte ich zurückkehren.“ „Hey, hey, vergesst uns nicht!“, rief Nicolas laut. „Ohne uns, wäre Prinz Phönix nicht wiedergeboren worden.“ „Du hast Recht.“, pflichtete ich dem Jungen bei und blickte nun der Reihe nach in die Gesichter der Jungs, den ich mein neues Leben zu verdanken hatte. Ich wusste, wer sie alle waren, denn ein Teil von mir steckte in den magischen Gegenständen und nachdem ich wiedergeboren wurde, hat sich auch ein Teil von ihnen auf mich übertragen. So wusste ich, was jeder Einzelne von ihnen durchlebt hat und konnte nachempfinden, welche Gefühle sie nun in sich trugen. „Und weil ihr mir mein Leben zurückgegeben habt und die Welt vor Seraphiels Schattenwelt bewahrt habt, werde ich mich dafür auch erkenntlich zeigen.“ „Die Erhaltung der Tierwelt?“, fragte Justin zugleich. „Ein neuer amerikanischer Präsident?“, fragte Casey hoffnungsvoll. „Neue Beine?“, fragten Max und Zack mich gleichermaßen. „Ihr könnt mich in meine Zeit zurückschicken?“, fragte Nicolas. „Moment!“, rief ich und lachte dabei, denn in all der dunklen Zeit, hatten manche von ihnen nie ihren Sinn für Humor verloren. „Ich will nicht sagen, dass eure Wünsche nicht von Belang sind, aber ich hab da eher an was anderes gedacht. Was war das größte Opfer was ihr für diese Schlacht gebracht habt?“ Ich blickte die Jungs an und jeder schien scharf nachzudenken. „Gegenstände können ersetzt werden, aber keiner kann euch einen Freund ersetzen.“ Ich lächelte sanft und blickte zu Tobias, der mich mit offenem Mund ansah und sichtlich mit den Tränen kämpfte. „Meine Freunde, ich denke das größte Geschenk was ich euch machen kann, ist Bobby zurückzuholen.“
Bobby: „Meine Freunde haben Seraphiel besiegt, nicht wahr?“ Ich wandte mich an meine Oma und auch wenn ich nicht wusste, was auf der Erde vor sich ging, so glaubte ich dennoch ganz fest daran, dass sie den Kampf gegen Seraphiel gewonnen hatten. „Schade, aber meine Reise endet hier…“ „Bullshit!“, entgegnete meine Oma laut, woraufhin ich sie erschrocken, aber belustigt ansah. „Deine Reise fängt gerade erst an. Du bist noch jung und es gibt noch so viel, was ich mir für meinen Enkel wünsche. Länder, die du gesehen haben musst. Gefühle, die du durchleben haben musst. Menschen, die in dein Leben treten und dich vor neuen Herausforderungen stellen. All das und noch mehr, das wünsche ich mir für dich und das natürlich an der Seite deines Freundes.“ „Aber Oma…“, sagte ich lächelnd und traurig zugleich, denn ich vermisste Tobias so sehr und konnte mir gut vorstellen, wie elendig er sich nun fühlen musste, weil ich nicht mehr bei ihm war. „Glaubst du, ich würde das alles nicht auch für mich selber wünschen, aber wie soll das gehen, wenn ich tot bin? Prinz Phönix mag wiederauferstanden sein, aber bei mir geht das nicht so leicht.“ „Bist du dir da sicher?“, erwiderte meine Oma und blickte mich fragend an. Auf einmal tat sich ein helles Licht unter meinen Füßen auf, das mich langsam zurück zur Erde zog. „Prinz Phönix und ich hatten ein Abkommen.“, erklärte meine Oma mir, während ich verwundert über das Geschehen war. „Ich musste ihm schließlich sein Lebenselixier zurückgeben, damit er wiedergeboren werden konnte, was zur Folge hatte, dass ich das Zeitliche segnen musste. Somit wurde das eigentliche Opfer schon vor Monaten gebracht, bevor du und deine Freunde überhaupt von all dem hier wusstet. Das machte dein Opfer aber nicht weniger sinnlos, denn nur so konnte Tobias seine wahre Bestimmung finden und auch akzeptieren. Er ist ein guter Junge und er hat es verdient, dass du „Ja“ zu ihm sagst. Also enttäusche mich nicht, oder ich such dich in deinen Träumen heim!“ „Oma ich…“ Mir fehlten die Worte, so froh war ich darüber, was hier gerade geschah. Das Licht zog mich langsam ins Reich der Lebenden zurück. „Warte! Ich will mich noch von dir verabschieden!“ Meine Oma lächelte mich an: „Das hast du doch schon, damals auf meiner Beerdigung. Es tut nicht gut wenn du noch länger in der Vergangenheit lebst. Blick nach vorne, auf dich wartet eine glorreiche Zukunft! Ich werde immer bei dir sein und grüß Nick und Nicolas lieb von mir!“ Mit diesen letzten Worten verschwand meine Oma im hellen Licht. Bis vor kurzem hatte ich nie an ein Leben nach dem Tod geglaubt, doch das hatte sich nun geändert. Doch werde ich mich daran überhaupt erinnern können, wenn ich wieder lebte? Ich fühlte mich frei und schwerelos. Das Licht hauchte mir neues Leben ein und ich glaubte, eine sanfte Stimme zu hören. Das Gesicht von Prinz Phönix tauchte vor meinen Augen auf und bereits nach wenigen Sekunden konnte ich wieder jede einzelne Faser meines Körpers spüren – mehr noch! „BOBBY!“ Tobias‘ kraftvolle Arme schlagen sich um meine Körper und nahmen mich vollends in Besitz. Ich fühlte mich noch leicht benebelt und je länger ich wieder unter den Lebenden weilte, desto blasser wurden die Erinnerungen an das soeben Erlebte bei meiner Oma. Ich streckte meine Arme aus und umarmte meinen Freund heiß und innig. Ich wollte ihn nie wieder loslassen und für immer bei ihm sein. Er war der Mensch, mit dem ich den Rest meines Lebens verbringen wollte. „Ja!“, kam es schließlich aus mir heraus, was zur Folge hatte, dass Tobias die Umarmung auflöste und mich mit verquollenen Augen verwirrt ansah. „Ja, ich will dich heiraten!“ Tobias blickte mich zunächst verdutzt an, doch dann bildete sich ein breites Lächeln im Gesicht. Er schlang seine Arme erneut um mich und hob mich vor Freude in die Luft. Auch ich strahlte vor Glück. „Willkommen zurück im Reich der Lebenden, Robert Forster.“, sagte die sanfte Stimme von vorhin zu mir und erstmals stand ich Prinz Phönix leibhaftig gegenüber. „Ich habe mein Versprechen gegenüber deiner Oma gehalten und entschuldige mich für all die Unannehmlichkeiten, die ich dir bereitet habe. Als kleine Entschädigung hab ich das hier für dich aufbewahrt.“ Prinz Phönix zog eine kleine Ampulle aus seinem Königsgewand hervor, in der sich ein Rest vom Lebenselixier befand. „Das sollte genügen, um deiner tödlichen Krankheit Einheilt zu gebieten. So kannst du ein sorgenfreies Leben führen und musst dir keine Gedanken darüber machen, deinen Freund jemals alleine lassen zu müssen.“ Ich könnte dem Prinzen vor Freude um den Hals fallen. Ach was heißt könnte? Ich tat es auch! Prinz Phönix war so perplex, dass er die Ampulle fast fallen ließ, aber Tobias fing sie gerade noch rechtzeitig auf. Wir konnten unser Glück kaum fassen. Jetzt wird alles wieder gut!
96. Abschied – Teil 2 Nicolas: Der Albtraum namens Seraphiel hatte endlich ein Ende…, zumindest für die meisten von uns. Auch nach dem Tod des dunklen Magiers, konnten einige von uns noch nicht mit der Sache abschließen. So lag zum Beispiel noch immer ein dunkler unsichtbarer Schatten über mir und Nick. In seinen letzten Atemzügen, gab Alexander Kinimod Nick seine Identität preis. Das war natürlich ein großer Schock für Nick, zu erfahren, dass sein älteres Ich gerade im Sterben lag. Was würde nun mit ihm geschehen? Eine Frage, die uns alle beschäftigte, aber zum Glück gab uns Frau Temperini, als wir wieder auf dem Weg zurück zur Oberfläche waren, Entwarnung: „Du musst dir keine Sorgen machen Nick. Die Zeitlinie wurde längst verändert, da du es wieder in deine Zeitebene zurückgeschafft hast. Dies war deinem älteren Ich nicht möglich und so kam er im Kampf gegen Seraphiel ums Leben. Da du aber hier bist und Seraphiel nie wieder zurückkehren wird, kann er dich auch nicht umbringen.“ „Ooookay, ich krieg davon leichte Kopfschmerzen.“, sagte Nick, der sich schwer tat, dem zu folgen, was Frau Temperini ihm erklärte. Die Zeitreisen waren aber auch verflixt kompliziert. „Aber wenn Nick hier ist, dann kann er doch später in der Zukunft seinem zukünftigen jüngeren Ich nicht vor Seraphiel beschützen, oder irre ich mich da?“, harkte David weiter nach. „David, bitte, ich hab schon Kopfschmerzen!“, rief Nick ihm jammernd zu. „Ich gebe zu, mir ist das auch zu hoch.“, sagte ich. „Mir ist nur eines wichtig: Wie komme ich wieder nach Hause? Bisher konnten wir meinen Zeitstrudel nicht ausfindig machen.“ „Keine Sorge. Notfalls ziehst du eben bei mir Zuhause ein.“, verkündete Nick mir. „Meine Mum wird Augen machen, wenn sie dich sieht!“ „Danke, aber ich bin ehrlich gesagt nicht sonderlich scharf darauf, mir und der alten Krähe… äh also ich meine Agathe…, als alte Tattergreise zu begegnen.“, entgegnete ich, woraufhin sich Nick und David ein paar komische Blicke zuwarfen, die ich nicht so recht einzuordnen wusste. Danach versanken wir alle in unsere eigenen Gedanken. Während ich mir Gedanken über meine Zukunft machte, die ich wohl oder übel in dieser Zeitlinie verbringen musste, und Nick noch immer Kopfschmerzen plagten, unterhielten sich die anderen aufgeregt über Bobbys Rückkehr von den Toten und der bevorstehenden Hochzeit, die sie schnellstmöglich durchführen wollten. Eigentlich traf es mich hier auch gar nicht so schlecht, denn ich hatte viele neue Freunde gefunden. Nick war sogar ein sehr guter Freund geworden, wenngleich ich auch wusste, dass er mein Enkel war. Ich hatte mich schon mit dem Leben hier abgefunden, als das Schicksal doch noch eine Wendung parat hielt: „Frau Temperini, ihr seid am Leben, wie schön!“, rief der Hotelmanager Herr Wilfred heilfroh, als wir alle aus der Bibliothek im Erdgeschoss, in die Lobby traten. „Ich habe mir schon die allergrößten Sorgen gemacht. Selbstverständlich habe ich ihre Anweisungen in der Zwischenzeit befolgt und das Hotel zur Sicherheit evakuieren lassen. Den Hotelgästen haben wir aufgetischt, dass kurzfristige Renovierungsarbeiten vorgenommen werden müssen. Als Entschädigung haben wir sie auf einen kleinen Wanderausflug in die Berge eingeladen. Natürlich unter bester Führung!“ „Naja, hoffentlich nicht wieder so ein Spinner, wie dieser Tyler.“, gluckste Max verächtlich. „Oh und da wäre noch was.“, sagte Herr Wilfred schnell und beachtete Max‘ Bemerkung gar nicht. „Als sie weg waren, ist im Hotelpool etwas Mysteriöses aufgetaucht.“ Herr Wilfred ging voran und wir folgten ihm hinaus ins Freie. Ein Blick in den Pool genügte, um zu erkennen, was sich dort befand. Ein erleichtertes Lächeln trat in mein Gesicht. „Der Zeitstrudel!“ Mir fiel ein schwerer Stein vom Herzen, denn nun konnte ich doch wieder nach Hause. „Das ist gut und ich sollte mich beeilen, ehe er verschwindet und ich hier in dieser Zeitlinie für immer festsitze.“ „Soll das heißen, du verlässt uns?“, fragte Nick mich, der plötzlich ganz traurig zu sein schien. Ich blickte der Reihe nach in die Gesichter von Nick und seinen Freunden, die ich allesamt in der kurzen Zeit in mein Herz geschlossen hatte. Doch als ich sah, wie glücklich sie miteinander waren, wurde mir auch klar, dass ich meine Freunde von Zuhause aufs schmerzlichste vermisste. „Ich will nicht, dass du gehst.“, meinte Nick, der nach meiner Hand griff und sie festhielt. „Und ich will dich nicht verlassen, Nick.“, beteuerte ich. „Doch genauso wie du in deine Zeit wieder zurück wolltest, will ich auch wieder in meine Zeit zurück.“ Ich schritt leicht auf Nick zu und legte zum Abschied einen Arm um ihn. „Es tut mir in der Seele weh, dich zu verlassen, aber wir wissen Beide, dass das kein Abschied für immer ist. Ich werde dich in der Zukunft sehen, Lieblingsenkel!“ Nick lächelte plötzlich. „Sag das nicht zu laut, denn du hast noch einen Enkel, wenn auch noch sehr jung, aber er wäre gar nicht froh, wenn er das hören würde.“ „Okay das reicht jetzt!“, rief Frau Temperini augenblicklich. „Nicolas weiß schon zu viel von seiner Zukunft, da musst du ihm nicht auch noch die letzten Geheimnisse anvertrauen. Es wird Zeit, Nicolas. Um in deine Zeit zurückzugelangen, musst du in den Pool springen.“ Ich nickte und trennte mich schweren Herzens von Nick. Auch den anderen winkte ich zum Abschied noch einmal zu. „Lebt wohl!“, waren meine letzten Worte zu ihnen, ehe ich in den Pool sprang und der Zeitstrudel mich zurück in das Jahr 1957 brachte. Um mich herum befand sich nichts als Wasser. Ich schwamm langsam wieder an die Oberfläche und tauchte in der Mitte des Sees wieder auf, an dem wir unsere Zelte aufgebaut hatten. Die Sonne schien glühend heiß vom Himmel herab. Ganz offensichtlich war die Sonnenfinsternis vorüber und somit auch die Erstarrung all meiner Mitschüler, die bereits feuchtfröhlich im kühlen Nass herumplantschten und Spaß hatten, darunter auch Joachim und Peer, die sich im Wasser gegenseitig einen aufblasbaren Ball zuwarfen. Ich schwamm unbemerkt zum Ufer am Waldrand und ließ mich erst einmal rücklings ins Gras fallen, so erschöpft war ich, von diesem anstrengenden Tag. Ich schloss für einen kurzen Moment meine Augen, als ich eine krächzende Stimme über mir vernahm. „Da bist du ja!“ Ich öffnete meine Augen und sah Agathe, die sich mit dem Kopf über mich gebeugt hatte. „Justus, ich hab ihn gefunden!“ Mein bester Freund kam aus dem Wald herbei geeilt und nahm mich sofort in die Arme, kaum stand ich wieder auf zwei Beinen. „Wir hatten uns schon große Sorgen um dich gemacht.“, sagte er. „Was heißt hier bitteschön wir?“, fragte Agathe krächzend. „Ich hab mir keine Sorgen gemacht!“ „Ach nein? Wer hat denn den halben See nach ihm abgesucht, aus Sorge, er könnte darin ertrunken sein?“, erwiderte Justus und blickte Agathe schadenfroh an, die sofort rosa im Gesicht anlief. „Naja…, wie dem auch sei. Wir wollen alles wissen, wo du warst, was du erlebt hast, einfach alles!“ „Ja, aber zuerst laufe ich schnell ins Camp zurück und berichte Frau Sauerbach, dass wir dich gefunden haben.“, meinte Agathe. „Die arme Frau kommt schon fast um vor Sorge.“ Ich gluckste. „Glaub mir, die Frau bringt so schnell nichts um!“ Agathe wollte schon losrennen, als ich noch ein paar Worte an sie richtete: Ach übrigens: Ich würde mir wünschen, dass wir ab sofort etwas freundlicher miteinander umgehen könnten. Das ständige Ankeifen strapaziert meine Nerven und ich glaube, du bist gar kein so schlechter Mensch. Ich werde dich auch nicht mehr „Krähe“ nennen!“ Agathe war zu perplex, um darauf zu antworten, doch war mir ein Lächeln ihrerseits Antwort genug. Sie rannte voraus, während Justus und ich langsam am Seeufer nebeneinander hergingen. Justus war auf einmal ganz ruhig und ich glaubte den Grund dafür zu kennen, doch wollte ich nicht derjenige sein, der das Thema ansprach: „Du Nicolas…“ Justus ergriff wie erhofft, als erster das Wort. „Ich bin wirklich froh, dass dir nichts passiert ist. Du bist mir wichtig…, schließlich bist du mein bester Freund!“ Justus drückte seine Schulter leicht gegen meine und lächelte mich verlegen an. Mir war inzwischen klar, dass ich für ihn mehr als nur ein Freund war und vermutlich sollte ich ihm sagen, dass ich seine Gefühle niemals erwidern werden könne, aber das hatte Zeit. Ich wollte mir nicht so viele Gedanken über die Zukunft machen, vor allem über Nick. Ich war einfach nur froh, endlich wieder Zuhause zu sein, bei meinen Freunden und in meinem gegenwärtigen Leben.
Max: „Kannst du das Bein ganz leicht anheben?“, fragte Gisela mich, während ich auf dem Bett in meinem Zimmer saß und mir unter Schmerzen meine Schusswunde untersuchen ließ. Nach einer Weile sagte Gisela: „Zum Glück war das nur ein Streifschuss. Das verheilt, aber du musst dein Bein weiterhin schonen. Das bedeutet, keine Tritts gegen Idioten und kein Rumturnen auf dem Bett!“ „Was denn für ein Rumturnen?“, fragte ich unschuldsbewusst. „Das mit den Idioten kann ich ihnen aber nicht versprechen. Sollte ein Tyler 2.0 auftauchen, muss ich mich schließlich wehren!“ „Oh nein, das lässt du schön bleiben!“, rief Leon, der plötzlich mit Zack das Zimmer betrat und mich ernst anblickte. „Keine Sorge Gisela, wir werden gut auf Maxchen Acht geben. Der wird das Zimmer so schnell nicht verlassen, dafür sorge ich höchstpersönlich.“ Ich bekam es leicht mit der Angst zu tun und sagte leise: „Hilfe?!“
97. Abschied – Teil 3 Justin: Ich streifte leise durch den Wald, der von dem Schatten zerstört worden war. Wir hatten über Seraphiel gesiegt, doch fühlte es sich in meinen Augen nicht wie ein Sieg an. Seraphiel tötete die Tiere des Waldes und ich konnte sie nicht retten. „Ich habe versagt.“ „Das stimmt nicht. Du hast nicht versagt!“, widersprach mir Casey zu meiner Rechten. „Es ist nicht deine Schuld. Du konntest nichts tun, um sie zu beschützen.“ „Wenn ich doch nur stärker gewesen wäre, dann…“ Ich versank in Selbstmitleid, als Casey plötzlich im Dickicht verschwand und mir nicht mehr zuhörte. Es schien, als hätte er etwas entdeckt und wahrlich, denn als er wieder aus den Büschen auftauchte, hielt er etwas in seinen Händen festumschlossen. Skeptisch blickte ich meinen Freund an, doch als er seine Hände langsam öffnete, strahlten meine Augen vor Freude. „Zwei kleine Igelbabys.“, sagte Casey zu mir und beäugelte die zwei kleinen Tierchen in seinen Händen ebenfalls vor Freude. „Warte, ich bring sie besser wieder zu ihrer Mama zurück.“ Casey verschwand erneut im Dickicht, doch dieses Mal folgte ich ihm. In einem kleinen Bau unter der Erde, lag das Nest einer Igelmutter. „Hier meine Kleine, da hast du deine Babys wieder. Wir tun ihnen nichts, versprochen!“ Casey legte die zwei Igelbabys wieder behutsam zurück ins Nest, wo sie zugleich von ihrer Mutter versorgt wurden. „Siehst du.“, sagte Casey glücklich. „Der Schatten hat nicht alle Tiere des Waldes getötet. Es gibt bestimmt mehr Überlebende, als du denkst. Einige von ihnen, haben sich sicherlich unter der Erde versteckt: Maulwürfe, Dachse, Füchse,… und wenn du zum Himmel hinauf schaust, kannst du sehen, wie bereits die ersten Vögel in diesen Wald zurückkehren.“ Ich blickte zum Himmel empor und tatsächlich, konnte ich ein kleines piepsendes Rotkehlchen auf einen Ast landen sehen. Zugleich kam ein süßes Eichhörnchen von demselben Baum runtergeklettert, um auf Nahrungssuche zu gehen. „Hallo, liebes Eichhörnchen.“, sagte ich, doch das Eichhörnchen reagierte nicht auf meine Begrüßung und suchte den Boden nach Nüssen ab. „Es freut mich, dass du dem Schatten entkommen konntest.“, sprach ich weiter, doch wurde ich weiterhin ignoriert. Traurig musste ich mir eingestehen, dass meine Gabe mit Tieren zu sprechen, tatsächlich für immer fort war. Plötzlich hörte ich ein Rascheln hinter uns im Gebüsch und als Casey und ich uns umdrehten, erblickten wir Bobby, der sich leise an uns herangeschlichen hatte. „Verzeiht, ich wollte euch nicht stören.“, entschuldigte er sich und blickte zunächst zu mir, dann zu Casey und zuletzt wieder zu mir. „Kein Problem. Ich lass euch mal alleine und geh schon einmal voraus, zurück ins Hotel.“, sagte Casey, der ganz locker auf Bobbys unerwartetes Auftauchen reagierte. Als Casey fort war, schlenderte ich mit Bobby langsam und leise durch den Wald. Wir genossen die Ruhe, doch unterhielten wir uns natürlich auch ein kleinwenig. „Ich hatte gerade ein Déjà-vu.“, sagte ich und lachte dabei ein wenig. „Weißt du noch, unsere erste Begegnung im Wald? Damals hast du dich ebenfalls von hinten an mich herangeschlichen, bist dann allerdings im Laub ausgerutscht und hingefallen. Ich bin damals panisch davon gerannt, weil ich in jenem Moment ein Eichhörnchen in meinen Händen gehalten und mit ihm gesprochen habe…, das werde ich nie vergessen!“ „Ich auch nicht.“, meinte Bobby dazu, der sich ebenfalls ein Lachen nicht verkneifen konnte. „Meine Mutter hat mich ziemlich angeschissen, weil meine Jeans so verdreckt war. Sie hat mich gefragt, ob ich mich mit Tobi im Schlamm gewälzt habe.“ Ich hörte auf zu Lachen, doch sah ich Bobby weiterhin glücklich und zufrieden an. „Ihr werdet jetzt also wirklich heiraten…“, sagte ich, denn das alles hier, fühlte sich noch immer wie ein Traum an. „Er wird dich glücklich machen. Du und Tobias, ihr seid füreinander bestimmt!“ „Danke.“, sagte Bobby leicht beschämt. „Du warst meine erste große Liebe und es tut mir noch heute Leid, dass ich dich damals verlassen habe…“ „Ach, das ist doch Schnee von gestern.“, sagte nun ich leicht beschämt. „Es ist schon gut so, wie alles gekommen ist. Immerhin bin ich jetzt mit Casey zusammen und er macht mich wirklich glücklich. Er ist für mich da und weiß immer, wie ich mich fühle und wie er damit umzugehen hat. Ich habe manchmal das Gefühl, als würden wir uns blind verstehen.“ Bobby lächelte und dachte über meine Worte nach. „Vielleicht brauchst du auch bei den Tieren keine Worte, damit sie dich verstehen. Ich bin mir sicher, sie wissen was du für sie getan hast und sind dir dafür auf ewig dankbar!“ Ich bedankte mich bei diesen netten Worten von Bobby und gemeinsam marschierten wir ein letztes Mal händchenhaltend durch den Wald, zurück ins Hotel.
Casey: Ich wusste, dass Justin und Bobby noch einiges miteinander zu bereden hatten, also ließ ich sie alleine. Zudem hatte auch ich noch ein paar Dinge zu klären… Als ich zurück im Hotel war, kam ich an der halboffenen Bürotür von Frau Temperini vorbei. Sie und Prinz Phönix führten gerade ein Gespräch miteinander. „Tobias und Bobby haben mich darum gebeten, ihre Hochzeit hier im Hotel abzuhalten.“, hörte ich Frau Temperini sagen. „Ich konnte ihnen diese Bitte natürlich nur schwerlich abschlagen, nachdem was die Beiden für uns getan haben.“ „Gut, aber danach sollten wir wirklich wieder in unsere eigene Welt zurückkehren.“, hörte ich Prinz Phönix anschließend sagen. „Diese Welt hier ist noch nicht bereit für die Magie, die ich besitze.“ „Ja leider.“, pflichtete die Magierin dem Prinzen bei. „Ich musste mit meinen eigenen Augen mitansehen, was die Magie in dieser Welt angerichtet hat. Menschen kamen ums Leben… und auch ich kann mich nicht von meiner Schuld reinwaschen.“ „Wir sind alle nur Menschen und machen Fehler.“, sagte Prinz Phönix, während ich bei Frau Temperinis Worten zuvor wieder an Oliver denken musste. „Ich bin mir sicher, sie haben alles Mögliche getan, um so wenige Menschen wie nur möglich in Gefahr zu bringen.“ Ich hatte genug gehört. Ich schlich leise weiter und kehrte in meine Suite zurück. Ich blieb kurz zwischen Tisch und Bett stehen, ehe ich mich dazu entschloss, eine bestimmte Person anzurufen. Auf dem Weg zum Balkon, zog ich mein Handy heraus und gab eine Nummer ein. Ich blickte noch kurz auf meine Armbanduhr und stellte erleichtert fest, dass es in Amerika bereits kurz vor Mittag war. „Ja guten Tag, Dr. Voth.“, begrüßte ich meinen ehemaligen Therapeuten. „Casey, schön mal wieder von dir zu hören.“, antwortete Dr. Voth erfreut. „Wie geht es dir?“ „Ich werde es kurz machen, Dr. Voth.“, sagte ich, während ich mich auf das Balkongeländer setzte und einmal nach unten blickte. Ich befand mich im vierten Stockwerk des Schlosshotels und es ging sehr tief hinunter! „Dies ist das letzte Telefonat, welches ich mit ihnen führen werde, denn ich muss mich von ihnen verabschieden!“ „Casey…, was hast du vor…?“, fragte Dr. Voth besorgt, der von meiner Vergangenheit und meinem Groll gegen Frau Temperini Bescheid wusste. „Du hast doch nicht etwa eine Dummheit begangen?“ Ich schmunzelte. „Machen sie sich keine Sorgen Doktor. Frau Temperini geht es gut und ich hab meinen Frieden mit der ganzen Sache von damals geschlossen. Ich weiß, Oliver hätte es nicht gewollt, dass Rache mein Leben bestimmt. Ich muss nach vorne sehen und das kann ich nur, wenn ich mir ein neues Leben aufbaue. Ich hab hier einen Jungen kennengelernt, der mir sehr wichtig geworden ist und dem ich vertraue. Wir haben uns unter den schwersten Bedingungen kennengelernt, weswegen ich herausfinden möchte, ob wir uns auch dann noch mögen, wenn wir nicht gerade durch die Lüfte gleiten, oder im Wald vor Monstern davonlaufen.“ „Vor Monstern davonlaufen?“, hörte ich Dr. Voth am anderen Ende der Leitung verwirrt fragen. „Zerbrechen sie sich mal nicht ihren klugen Schädel. Mir geht es gut und nur das zählt! Ich danke ihnen wirklich von ganzen Herzen, was sie in letzter Zeit für mich getan haben. Vielen Dank!“ Dr. Voth wollte protestieren, doch war ich schneller und legte auf. Ich wusste, er würde meine Entscheidung nicht gutheißen, aber dennoch respektieren. Ich blickte in den strahlend blauen Himmel und war leicht betrübt, dass ich nun wohl nie mehr durch die Lüfte gleiten würde. Das Gefühl, frei und schwerelos wie ein Vogel zu sein, würde mir fehlen. „Du bist mir auch wichtig.“, flüsterte auf einmal eine Person mir ins Ohr. Ich neigte meinen Kopf leicht nach rechts und entdeckte Justin, der seine schlanken Arme liebevoll um mich legte. „Du bist schon zurück? Wie lange stehst du da schon?“, fragte ich verwundert. „Lange genug, um zu hören, wie gern du mich hast.“, antwortete Justin mir lächelnd. „Tut mir leid, ich wollte wirklich nicht lauschen, aber ich wollte dich bei deinem Telefonat auch nicht stören.“ „Schon in Ordnung.“, erwiderte ich sorgenfrei. „Es ist so ein sonniger Tag. Wollen wir zum Pool?“ „Hm, vielleicht später.“, antwortete Justin mir und biss sich dabei leicht auf die Unterlippe. „Ich hätte jetzt viel lieber Lust, ein wenig mit dir allein zu sein und zu kuscheln.“ „Nur kuscheln?“, fragte ich keck, woraufhin wir beide zum Grinsen anfingen.