"Aura - Licht und Schatten" ist eine indirekte Fortsetzung zu "Der Tierflüsterer" und "Die Kunst der Magie". Es treten Charaktere aus beiden Geschichten auf, wenngleich die Protagonisten und die Hauptstory völlig neu sind. Naja fast neu, denn Nick, der Hauptprotagonist dieser Geschichte, hatte bereits einen Kurzauftritt in "Die Kunst der Magie". Ich werde wieder versuchen, immer montags, mittwochs und freitags je ein Kapitel hochzuladen. Dann liegt auch diese Geschichte nach acht Wochen komplett hier vor - in der Originalfassung! "Aura - Licht und Schatten" hatte bei Boypoint übrigens fast 33.000 Klicks. Bei "Der Tierflüsterer" waren es 25.000 und bei "Die Kunst der Magie" knapp über 28.000 Klicks. Ein Aufwärtstrend war also deutlich sichtbar. Hier die 24 Kapitel:
1. Willkommen in meinem Leben (1+2) 2. Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich eine andere (1-3) 3. Manege frei! (1-4) 4. Sehnsüchte und Erinnerungen (1-3) 5. Ein Tag im Zirkus (1-3) 6. Familienverhältnisse (1-3) 7. Ein Date zu siebt (1-3) 8. Der Winterball (1-4) 9. Weihnachtszauber (1-5) 10. Stille Gebete (1-3) 11. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! (1-5) 12. Freitag der 13. (1-5) 13. Am Rande des Abgrunds (1-4) 14. Seifenblasenträume – Vorsicht Platzgefahr! (1-4) 15. Der Karaoke-Abend! (1-4) 16. Alles zu spät? (1-3) 17. Die Geheimnisse des Amuletts (1+2) 18. Tatsächlich… Liebe (1-3) 19. Die Haus-Party (1-5) 20. Einsatz für die Gerechtigkeit! (1-4) 21. Sonnenfinsternis (1-3) 22. Ein Licht am Ende des Tunnels (1-4) 23. David gegen Goliath (1+2) 24. Leben und Tod (1+2)
Diese Geschichte entstand am 11.Oktober 2013, also vor über fünf Jahren. Hier hab ich einen leicht anderen Schreibstil angewendet, indem ich die Gedanken von Nick immer in Klammern hinzugefügt habe.
Aura – Licht und Schatten
1. Willkommen in meinem Leben - Teil 1 „Dominik und Sebastian – Hört sofort damit auf, euch wie kleine Kinder im Schlamm zu prügeln!“, rief Frau Augustin, eine unserer Lehrerinnen zu. Wenn ich vorstellen darf: Das bin ich! Man sieht mich nicht so gut, weil ich mit Schlamm verdreckt bin, aber vielleicht wird dadurch ja meine Haut schöner (Ich und meine dummen Witze). Ich bin übrigens nicht der große Kerl, mit dem athletischen Körper und der gut-gestylten Frisur. Das ist nämlich Sebastian, der Held aller Jungs und Mädchen in dieser unglaublich langweiligen Schule (Er ist so ein Trottel…). Mein Name ist Dominik. Wenn ihr mich erst einmal ein wenig besser kennt, dann dürft ihr auch gerne Nick zu mir sagen, denn meine besten Freunde tun das auch. Sicher fragt ihr euch gerade, warum ich mich mit Sebastian im Schlamm wälze und prügle. Das hat einen einfachen Grund: Er hat mich angerempelt (Ihr braucht gar nicht so zu schauen, ich mein das ernst -.-)! Ich wollte eine Entschuldigung von ihm, doch dafür war er sich offenbar zu schade und lachte mich stattdessen mit seinem besten Kumpel Lars aus (Auch so ein Trottel...). Kurzum schlug ich ihm mit meiner Faust auf die Nase. Er jaulte wie ein kleines Mädchen auf und hielt sich die Hand vors Gesicht. Dann sah er mich mit zornigen Augen an und meinte, dass er mir es jetzt so richtig zeigen würde. Leute ich sage euch, der Kerl jault nicht nur wie ein Mädchen, der schlägt auch wie eines zu. Frau Augustine, die Pausenaufsicht hatte, gefiel das natürlich ganz und gar nicht. Quasi an den Ohren ziehend, schleppte sie uns mit in das Büro des Direktors, wo uns eine saftige Standpauke erwartete. Aus Trotz schüttelte ich den Schlamm von mir auf den Teppich, als wir zur Tür reinmarschierten. „Herr Dominik Rottbach und Herr Sebastian Zobel…, sie Beide schon wieder.“, sagte Herr Sakamoto wenig erfreut und legte seinen Füller beiseite. Herr Sakamoto kam zum Schulbeginn an unsere Schule und stellte sich gleich als neuer Direktor vor. Einige der unterbelichteten Schüler und Eltern waren natürlich wenig begeistert, als sie einen Japaner als Direktor vor die Nase gesetzt bekamen, aber mit stark erhobener Stimme und einen standhaftem Stehvermögen bewies er sich fürs Erste. „Es ist mir immer wieder eine Freude, sie Beide hier in meinem Büro zu sehen.“, sagte Herr Sakamoto zu uns. „Das Schuljahr geht gerade nicht einmal einen Monat und schon haben sie Beide schon an die fünf Schulbucheinträge. Meinen Respekt an sie. Wie machen sie das nur?“ „Jahrelange Übung Sir.“, antwortete ich ihm sarkastisch und mit einem Lächeln im Gesicht. „Ihnen wird das Lachen gleich vergehen Herr Rottbach. Sie Beide werden nämlich einen Monat lang Toilettendienst quittieren. Herr Zobel das der Jungs und Herr Rottbach das der Mädchen. Da können sie Beide nämlich am wenigsten Schaden anrichten. Ach ja, beinahe hätte ich vergessen euch zu sagen das ich schwul bin (Ich stell mir gerade eure schockierten Gesichter vor. Wie die Augäpfel aus dem Kopf schießen und ihr panisch durch die Gegend rennt, bis der nächste Baum, die nächste Wand, oder das nächste Auto euren Weg kreuzt). Ich bin Einzelkind und sechszehn Jahre alt (Werde aber bald siebzehn) und weiß schon seit meinem 14.Lebensjahr, dass ich auf Jungs stehe. Bei meinen Eltern hab ich mich vor etwa einem Jahr geoutet, die es sehr gut aufnahmen. Ich zitiere meine Mutter: „Wie schön, ich hab doch eine Tochter als Kind bekommen!“ Daraufhin folgt das Zitat meines Vaters: „Wie jetzt? Eine Schwuppe? Der Schuhschrank ist wegen deiner Mutter ohnehin schon so überfüllt, dann wird er ja jetzt explodieren!“ Sind meine Eltern nicht cool? (Nein, die Frage müsst ihr mir nicht beantworten, denn ich hab die besten Eltern der Welt! Ach was sag ich – die besten Eltern der ganzen Galaxis!) „Dominik, hören sie mir eigentlich zu?“, fragte mich Herr Sakamoto nach einer Weile, in der ich mit meinen Gedanken in die Vergangenheit abdriftete und Sebastian alleine mit Herrn Sakamotos ellenlanger Standpauke hielt (Hat er auch mehr nötig als ich). „Ich höre ihnen zu.“, antworte ich ihm. „Meine Ohren hängen an ihnen, wie meine Kronjuwelen an meinem… na sie wissen schon.“ Hinter mir konnte ich das leise Kichern von Frau Augustine vernehmen, während ich Sebastians verdutzen Blick von der Seite abbekam und Herr Sakamoto wortlos der Mund aufklappte. „Schön sie sind fertig, dann können wir ja gehen. Ich hab nämlich noch ein Date mit meinem Freund wissen sie.“, erklärte ich und stand ohne Erlaubnis auf. „Der hängt ebenfalls an meinen Kronjuwelen.“ Ich lachte und verließ mit bleibendem Eindruck das Büro. Im Korridor wartete bereits mein bester Freund David, der dastand, als würde er sich vor Ungeduld und Nervosität gleich in die Hosen machen (Wäre nicht das erste Mal, aber psssst…). David und ich kennen uns bereits seit der Grundschule. Waren wir damals noch etwa gleichgroß, so wuchs ich über mich hinaus und David… naja… er blieb so klein (Lacht). Allerdings sollte ich mich nicht lustig über ihn machen, denn er ist der Geistreichste unseres Jahrgangs, dafür aber auch wieder sehr ängstlich. Warum, erklär ich euch aber lieber ein andermal. „Hey David. Wo hast du Jasmin gelassen?“, begrüßte ich ihn und frage nach unserer besten Freundin. „Sie probt sicher für ihren großen Auftritt.“, antwortete David mir und kurz darauf hörte man ein lautes Poltern und eine Anzahl von Papierblätter flog kreuz und quer durch die Luft. Wir rannten schnell zur Treppe, von wo aus das unschöne Geräusch kam und entdeckten unsere beste Freundin Jasmin auf dem Boden, die sich mit ihrer rechten Hand schmerzlich den Kopf hielt. „Hast du dich verletzt Jasmin?“, fragte ich sie schnell und besorgt. „Es geht schon. Ist nichts schlimmes passiert.“, antwortete sie mir. Ich atmete erleichtert auf und half ihr wieder vorsichtig auf die Beine. „Ich und meine zwei linke Füße mal wieder.“ „Du bist und bleibst unser kleiner Tollpatsch.“, sagte ich grinsend zu ihr. „Jetzt ärgere sie doch nicht auch noch.“, sagte David zu mir und schaute mich böse an. „Was sind das eigentlich für Blätter die hier durch die Luft wirbeln?“, fragte ich schließlich. „Verdammt und zugenäht!“, fluchte eine Stimme laut und ich schluckte, als ich unseren etwas dicklichen Lehrer Herr Frenzel die Treppe runterstolzieren sah. „Mädchen, was hast du angerichtet? Du solltest die Proben doch nur ins Rektorat bringen und nicht in der gesamten Schule verstreuen.“ „Es tut mir so unendlich leid Herr Frenzel.“, entschuldigte sich Jasmin und wir halfen ihr alle dabei, die Proben wieder einzusammeln und sie unserem Lehrer zu überreichen. „Schon gut Jasmin. Sie und ihre Freunde können jetzt gerne nach Hause gehen.“, sagte Herr Frenzel und übernahm die Aufgabe letztendlich selber, die Proben ins Rektorat zu bringen. „Vielen Dank.“, sagte Jasmin, der das Chaos unheimlich peinlich war. „Schön, dann kann ich ja jetzt zu meinem Freund Marcus und mit ihm rumknutschen.“, sagte ich grinsend, denn ich freute mich tierisch auf das Treffen mit ihm.
2. Willkommen in meinem Leben – Teil 2 Ich lag zusammen mit meinem Freund Marcus auf einer Decke, die wir auf einer grünen Wiese im Wald ausbreiteten. Wir lagen Hand in Hand nebeneinander und blickten zum Nachthimmel hoch und beobachteten die Sterne. Es war zwar schon Oktober, doch noch relativ angenehm im Freien. Wir trugen beide einen Pullover und zusätzlich hielten wir uns noch mit einer Decke kuschlig warm, die wir bis zu unserer Brust hinaufgezogen haben (Und Körperwärme soll ja bekanntlich auch helfen). „Siehst du diese Sternenkonstellation da oben rechts?“, fragte Marcus mich und zeigte mit dem Finger an die Stelle, die er meinte. Ich schüttelte den Kopf. „Das sieht aus wie ein Alien.“, erklärte er mir und grinste dabei. „Bei dir sehen alle Sternenkonstellationen wie Aliens aus.“, sagte ich und kicherte in die Decke hinein. „Weil kein Mensch weiß, wie Aliens eigentlich aussehen, sollten sie wirklich existieren.“ „Stimmt auch wieder.“, sagte Marcus lächelnd und drückte mir einen Kuss auf die Wange. „Du und deine Träumereien.“, sagte ich schmunzelnd. „Irgendwo da draußen sind sie und vielleicht beobachten sie uns sogar.“, sagte Marcus. „David hat Recht. Du bist ein Spinner.“ Ich lachte, denn David und Marcus gerieten öfters aneinander. Jetzt nicht ernsthaft oder so, aber David war der Intellektuelle, der alles in Frage stellt, und Marcus eben der Träumer, der nichts hinterfragt und einfach durchs Leben pirscht. „Werde ja nicht frech.“, warnte Marcus mich grinsend. Er beugte sich rüber zu mir und fing an mich am ganzen Körper auszukitzeln. Ich lachte laut und flehte ihn an damit aufzuhören, doch liebte er es mich zu ärgern. Irgendwann hörte er zum Glück doch auf und ließ mich kurz nach Luft schnappen, ehe er seine Lippen langsam auf meine presste und anfing mich zärtlich zu küssen. Es war noch genauso wunderschön ihn zu küssen, wie beim ersten Mal. Ich hatte schon seit längerer Zeit ein Auge (oder auch zwei) auf Marcus geworfen. Seine große Statur, sein braunes Haar, sein doch recht ansehnlicher Körper, seine honigbraunen Augen und seine weiche Babyhaut (Was nicht bedeutet, dass er keinen knackigen Hintern hat!) raubten mir immer wieder sämtliche Sinne. David oder Jasmin mussten mit ihren Fingern vor meinem Gesicht herumschnipsen, damit ich aus meiner Trance erwachte und meine Aufmerksamkeit ihnen wieder zu Teil werden ließ. In den Sommerferien, vor rund drei Monaten, trafen wir uns schließlich durch Zufall im Schwimmbad (Natürlich war es Zufall, oder glaubt ihr etwa ich bin ihm hinterhergelaufen und hab ihn nachspioniert? Tse, unverschämte Unterstellung!). Ich – oben ohne und in meiner lila-grün-gestreiften Badehose und er – ebenfalls oben ohne in seiner schwarz-cool-aussehenden Badehose. Plötzlich standen wir von Angesicht zu Angesicht und ich wusste gar nicht was ich sagen sollte. Ich wollte wegrennen, rutschte allerdings auf dem nassen Boden aus und plumpste ins nächstbeste Becken. Marcus sprang mir rettend hinterher, fischte mich aus dem Wasser und ergriff sofortige Wiederbelebungsmaßnahmen, indem er seine Lippen auf meine drückte (Ich tat nur so als wäre ich bewusstlos. Nicht die feine Art, aber der Zweck heiligt die Mittel). Ich öffnete meine Augen und Marcus sah mich besorgt an. Anschließend trug er mich auf Händen zu einer der herumstehenden freien Liegen und rubbelte mit einem Handtuch meine Haare trocken. Er war so unglaublich süß zu mir damals und auch jetzt ist er es noch. „Es ist schon spät. Wir sollten wohl langsam mal nach Hause gehen, oder was meinst du?!“, fragte Marcus mich und ich blickte auf meine Armbanduhr. „Ja gehen wir. Bevor die Aliens hier landen und dich mir entreißen.“, sagte ich und grinste. „So schön und liebenswert können die gar nicht sein, dass ich dich für die verlasse.“, erwiderte Marcus, grinste und gab mir noch einmal einen Kuss auf den Mund, den ich erwiderte.
„Ich bin wieder da!“, rief ich durch den Hausflur und betrat hinterher das Wohnzimmer, indem meine Mutter in dem roten Sessel saß und sich ihre Lieblingsfernsehsendung ansah (Tarot – Die Macht des Wahrsagens). „Pssst leise. Nicht so laut.“, flüsterte meine Mutter mir zu. „Dein Vater hat morgen doch sein wichtiges Vorstellungsgespräch und schläft ergo schon, damit er morgen ausgeschlafen ist.“ „Und wo ist Grandpa?“, fragte ich sie nun in einem leiseren Ton. „Auf dem Dachboden wiedermal. Er kommt einfach nicht davon los.“, antwortete meine Mutter mir. Ich wünschte ihr eine gute Nacht, doch zog ich vor dem Schlafen gehen vor, meinem Opa noch einen Besuch abzustatten. Wie erwartet, krempelte er auf dem Dachboden nach wertlosem Ramsch rum, den er vor noch nicht allzu langer Zeit in seinem Laden, dem Mystic-Shop, an gutgläubige Menschen weiterverkaufte. „Opa was tust du denn da? Wieso wühlst du hier wieder in diesen Gegenständen herum“, fragte ich ihn und vermied es tunlichst, seine Schätze vor ihm als wertlosen Ramsch zu bezeichnen. „Ich habe mein Schlafpulver gesucht.“, erklärte mein Opa mir. „Seit geraumer Zeit kann ich so schlecht einschlafen. Ich glaub irgendwas Ungewöhnliches ist im Anrollen.“ (Nehmt es meinem Opa bitte nicht übel, aber er redet öfters so wirres Zeug. Dabei ist er eigentlich noch bei klarem Verstand, aber hin und wieder…) „Jetzt wo du dein Pulver hast, können wir ja wieder hinunter und ins Bett gehen.“, versuchte ich mit ihm in einen vernünftigen Ton zu reden. „Einen kurzen Moment noch.“, sagte mein Opa und hob seinen rechten Zeigefinger in die Höhe. „Ich möchte dir nämlich noch etwas überreichen, aber ohne, dass deine Eltern davon erfahren. Ich konnte es vor Spannung und Freude kaum erwarten (Ich verdrehte innerlich genervt die Augen), während mein Opa an seinem Hals rumfuchtelte und schließlich eine alte Kette mit Anhänger über seinen Kopf zog und sie mir behutsam überreichte. „Was ist das?“, fragte ich verwirrt (und angewidert, denn es war ziemlich rostig). „Das mein Junge, ist deine Zukunft.“, antwortete mein Opa mir mit einem Lächeln und ich sah ihn nur noch verwirrter an. Der Anhänger sah wie ein Amulett aus und ich versuchte es zu öffnen, doch vergebens. Bevor wir ins Bett gingen, sagte mein Opa noch: „Trage es immer bei dir und eines Tages, wenn du es am wenigsten erwartest, wird es sich von alleine für dich öffnen.“ Ich wünschte meinem Opa eine gute Nacht und als ich in mein Zimmer ging, warf ich die Kette in die nächstbeste Ecke.
3. Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich eine andere – Teil 1 Meine Mutter warf mich Samstag sehr früh aus dem Bett (12 Uhr) und so hing ich quasi mit meinem Kinn in der Müslischüssel und guckte verträumt vor mich hin. „Wieso hat Dad eigentlich an einem Samstag ein Vorstellungsgespräch?“, fragte ich meine Mutter, die damit beschäftigt war, den Gewürzschrank zu säubern, während mein Opa am Küchentisch die Samstagzeitung las. „Das war sehr kurzfristig. Alle anderen hatten eine Absage erhalten und so rückte er nach. Mit ein wenig Glück kann er dann womöglich sogar schon montags anfangen.“, erklärte meine Mutter mir. „Als Angestellter in einer Bank? Braucht man dazu nicht eine gewisse Ausbildung?“, harkte ich nach. „Es ist ja kein großer Posten für den er sich bewirbt und dein Vater ist vielleicht vieles, aber gewiss nicht dumm.“, antwortete meine Mutter mir und fing aufgrund des Pfeffers an zu nießen. „Naja wie dem auch sei. Ich muss los. Bin mit David und Marcus zum Skateboarden verabredet.“, sagte ich, stand von meinem Stuhl auf und stellte die leere Müslischüssel in die Spülmaschine. Gerade als ich die Küche verlassen wollte, lugte mein Opa hinter der Zeitung hervor und sah mich durch seine Lesebrille eindringlich an. „Du vergisst hoffentlich nicht, was ich dir sagte!“ Ich dachte kurz darüber nach was er meinte, dann fielen mir wieder seine Worte über die Kette mit dem Amulett ein – Das ich es immer bei mir tragen sollte. „Hab ich nicht vergessen.“ Ich zwinkerte meinem Opa zu, verließ die Küche und rannte die Treppe rauf in mein Zimmer. Ich machte mich ein wenig frisch und ansehnlich (Sonst denkt Marcus noch ich wäre ein Penner). Dann kratzte ich mich am Kopf und überlegte wo ich doch gleich die Kette hingelegt habe. Letztendlich war es mir gleichgültig und ich verließ das Haus ohne die Kette.
Der Skatepark befand sich neben einem riesigen Parkplatz an einem Kaufhaus, dass vor über einem Jahr fertiggestellt wurde. Es war ein sehr großes Gelände, so dass sich die Skater hier so richtig austoben konnten. Marcus und David warteten bereits auf mich. Sie saßen hinter einer Rampe und unterhielten sich gerade darüber, ob es einen Mann auf dem Mond gab. „Ich glaub daran.“, sagte Marcus zu David. „Du glaubst wahrscheinlich auch daran, dass der Mond aus Käse besteht.“, erwiderte David augenrollend. „Wenn das so wäre, würde man zumindest nicht verhungern.“, entgegnete Marcus. „Hey ihr Beiden.“, begrüße ich sie, umarmte David und gab Marcus einen Kuss auf den Mund. „Meine Rettung!“, rief David freudig. „Lust zu skaten?“, fragte ich ihn und deutete auf mein Skateboard. „Ne du lass mal. Macht ihr ruhig.“, antwortete David mir und setzte sich wieder, um uns vom Rand aus zuzuschauen. Marcus und ich legten los und begannen zugleich mit coolen Stunts wie einen Flip und einen Grind. Doch waren wir bei weitem nicht so gut wie die Hansen-Zwillinge. Patrick und Michael Hansen waren eineiige Zwillinge, haben eine normale Statur, schwarze kurze Haare und dunkelblaue Augen. Sie gehen auf dieselbe Schule wie ich, waren allerdings ein Jahrgang drüber. Sie wohnten in meiner Nachbarschaft und Marcus war zudem sehr gut mit ihnen befreundet. „Wow Jungs! Ihr habt es echt drauf.“, lobte Marcus die Beiden, nachdem sie einen unglaublichen Sprung über die Rampe hinlegten. „Yeah! Wir sind ja auch die Besten der Besten.“, erwiderte Michael angeberisch und mit einem Grinsen im Gesicht. „Vielleicht werden wir irgendwann Profi-Skater.“ „Ich werde Profi-Skater! Mein Bruder nur drittklassiger Skater.“, scherzte Patrick und lachte. Wir alberten und skateten im Park noch den ganzen Nachmittag herum. Doch die Tage wurden wieder kürzer und die Dunkelheit brach früher herein. „Kommst du noch mit zu mir?“, fragte ich Marcus. „Dann können wir uns zusammen noch eine DVD anschauen.“ „Klar gerne. Ich muss vorher nur schnell noch mit zu Michael und Patrick. Die Beiden wollten mir eine CD zusammenstellen und brennen. Dauert auch nur dreißig Minuten oder so.“, sagte Marcus. „Kein Problem.“, erwiderte ich und wir marschierten zu fünft los. An einer Straßengabelung verabschiedete ich mich von David. Danach gingen wir weiter in die Straße in der wir wohnten. Ich trennte mich von den anderen Drei und ging schon einmal voraus, um Film, Getränke und etwas zu knabbern für mich und Marcus herzurichten. Ich setzte mich auf meine braun-graue Couch und wartete die Rückkehr von meinem Freund ab. Doch er kam nicht… Ich blickte auf meine Armbanduhr. Die dreißig Minuten waren längst vorbei. Ich überlegte ob ich bei den Hansen Zuhause vorbeischauen sollte. Sollte ich oder sollte ich nicht (Was würdet ihr tun)? Schlussendlich sprang ich von meiner Couch auf, zog mir Schuhe an und watschelte zur Tür hinaus (Nein ich bin keine Ente, aber das sagt man so). Als ich am Haus der Hansen ankam, klingelte ich und die Mutter der Zwillinge ließ mich herein. Ich ging alleine in den Keller, indem die Zwillinge ihr eigenes Zimmer samt Tonstudio hatten. Neben dem Skaten waren sie nämlich auch noch musikalisch tätig. Allerdings hatte ich noch nie eines ihrer Lieder gehört. Ihr Zimmer war mit Schallwänden abgesichert, damit die laute Musik nicht ihre Eltern, oder Nachbarn störte. Ich klopfte erst gar nicht, denn sie würden es ja doch nicht hören. Ich betrat also unerlaubterweise das Zimmer, indem eine rockige Musik über die Stereoanlage lief, und was ich dort sah zog mir regelrecht die Schuhe aus (Nein nicht wirklich, aber das ist wieder so ein Spruch, denn man so sagt. Muss ich euch denn alles erklären?). Marcus lag zusammen mit Michael und Patrick nackt in deren Bett, wo sie es ordentlich krachen ließen (Aus Jugendschutzgründen und aus Sensibilität mir gegenüber, werde ich nicht näher auf dieses Thema eingehen. Ich bitte um euer Verständnis. Vielen Dank!). „Ich glaub das jetzt nicht.“, sagte ich laut und entsetzt. Die Drei bemerkten mich auf der Stelle und Marcus sah mich schockiert an. „Nick…“ Eine Welt brach für mich zusammen und mit Tränen in den Augen stürmte ich wieder aus dem Zimmer.
4. Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich eine andere – Teil 2 In Windeseile rannte ich wieder zu mir nach Hause, verbarrikadierte meine Zimmertür und warf mich auf mein weiches Bett, wo ich tief in mein Kissen hineinschluchzte. Das konnte nicht sein. Das durfte nicht wahr sein! Das war nichts weiter als ein Traum, eine Täuschung, eine Einbildung! Ja genau so musste das sein und nicht anders. Vermutlich würde Marcus gleich zur Tür reinmarschiert kommen und mich fragen, warum ich hier so flenne wie ein Mädchen, weil doch alles in Ordnung wäre. Mit glasigen Augen schaute ich auf und blickte zur Zimmertür. Er würde nicht kommen, dafür kannte ich ihn zu gut. Er würde sich schämen für das was er mir angetan hat (zu Recht) und außerdem hat er nicht den Mumm dazu mir in die Augen zu sehen und sich bei mir zu entschuldigen. Was mich ebenfalls überraschte (und zugleich schockierte) war die Tatsache, dass die Zwillinge somit mindestens bisexuell sein müssten. Das war mir neu, allerdings hatte ich auch noch nie allzu viel mit den Beiden zu tun. Mein Handy vibrierte. Mit meiner Hand griff ich danach und entdeckte eine Nachricht von Marcus, in der geschrieben stand: „Es tut mir Leid!“ Es tut ihm Leid? Will der mich verarschen?! Er betrügt mich und alles was er dazu zu sagen hat, ist dass es ihm Leid tut?! Dann auch noch per SMS…. (Könnt ihr mir einen Gefallen tun und diesen Idioten ins Weltall zu seinen Alien schießen? Danke!). Meine Mutter klopfte an meiner Zimmertür. Sie wartete ab, ob ich herein sagte, denn sie wusste genau, dass ich es nicht mochte, wenn man mein Zimmer ohne Einwilligung einfach so betrat. Einmal stürmte sie einfach so in mein Zimmer, um meine dreckige Wäsche einzusammeln, während ich gerade an mir Hand anlegte (Wenn ihr versteht…). Herr im Himmel war das peinlich! „Dominik, ist alles in Ordnung?“, hörte ich meine Mutter durch die Tür hindurch fragen. „Du bist so schnell zur Haustür hereingestürmt und in dein Zimmer verschwunden.“ „Alles bestens.“, murmelte ich in mein Kissen und wiederholte es noch einmal klar und deutlich, da sie es beim ersten Mal nicht verstand. „Wenn was ist, du weißt ja wo ich bin. Du kannst immer mit mir reden.“, sagte meine Mutter durch die Tür hindurch und hinterher hörte ich, wie sie die Treppenstufen wieder hinabging. Ich wollte nicht reden – mit niemand (Ihr seid eine Ausnahme. Also bleibt hier, aber esst nicht meine Chips auf!). Ich schluchzte wieder in mein Kissen und versuchte mich zu beruhigen. Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, doch war mir dies unmöglich. Die Bilder hatten sich in meinen Kopf gebrannt und würden so schnell nicht wieder verschwinden (Hm… vielleicht kann ich mit einem Bohrer ein Loch in meinen Schädel bohren und…äh… blöde Idee). Stundenlang lag ich einfach so da. Inzwischen brach die Nacht vollständig herein und der Mond und die Sterne erhellten den Nachthimmel. Die Nächte an denen ich zusammen mit meinem Freund die Sterne beobachte, waren zunächst einmal vorbei. Ich schloss meine Augen und während sich die Wunde tief in mein Herz und in meine Seele bohrte, schlief ich in aller Ruhe ein.
Ich hasste den Montag. Dieses Mal sogar noch mehr als sonst. Normalerweise hasste ich ihn nur, weil er der erste Tag nach einem schönen Wochenende war, doch dieses Mal hasste ich ihn, da ich heute mit größter Wahrscheinlichkeit Marcus wiedersehen würde. Den Sonntag verbrachte ich damit, Videospiele in meinem Zimmer zu zocken. Irgendwann besuchten mich David und Jasmin und an meinem aggressiven Spielverhalten merkten sie natürlich sofort, dass mit mir irgendetwas nicht stimmte. Ich erzählte ihnen von Marcus Betrug und auf beste Freunde war natürlich Verlass, denn sie verstanden es sofort, wie sie mich trösten und aufheitern konnten. Ich zitiere David: „Diesen verdammte Alien-Spinner katapultier ich ins All zu seinen Artgenossen!“ Und ich zitiere Jasmin: „Oh komm her und lass dich fest drücken!“ Daraufhin folgte eine zarte Streicheleinheit meiner besten Freundin und hinterher zockte ich zusammen mit David Videospiele. Mit zittrigen Beinen schritt ich durch die Schulkorridore und lugte vorsichtig um jede Ecke. Ich war nicht scharf darauf Marcus über den Weg zu laufen. Seine Entschuldigungen konnte er sich sonst wohin stecken (Um es für euch verständlicher zu machen: Er kann sie sich in den Arsch schieben). Ich schien Glück zu haben. Von Marcus weit und breit keine Spur. Mit zufriedenem Lächeln schritt ich weiter voran, doch war dies Lächeln nur von kurzer Dauer. Auf der gegenüberliegenden Seite der Aula entdeckte ich zu meiner Bestürzung die Zwillinge Michael und Patrick. Ganz locker standen sie da und lachten ausgelassen mit ein paar anderen Jungs über etwas. Ob sie sich über mich lustig machten? Weil ich so dumm war, mich auf Marcus (diesen verdammten Bastard) einzulassen. Ohne sie eines weiteren Blickes zu würdigen, setzte ich meinen Weg fort und erreichte schließlich mein Klassenzimmer. In der ersten Stunde hatten wir Kunst bei unserer Klassenlehrerin Frau Augustine. Noch ein Grund warum ich den Montag hasste (Nein, nicht wegen Frau Augustine, denn die ist eigentlich ganz in Ordnung): Ich war mies im Malen und Zeichnen, ergo hasste ich das Fach Kunst. Wenigstens war Marcus in der Parallelklasse, so dass ich hier meine Ruhe vor ihm hatte. Jasmin setzte sich vor mich an ihren Platz und ich fragte sie: „Wo ist David?“ „Er hat mir vorhin eine Nachricht aufs Handy geschickt, dass er Kopfschmerzen hat und das er heute nicht in die Schule kommt.“, antwortete sie mir und drehte sich nach vorne, als der Schulgong zum Unterrichtsbeginn läutete. Frau Augustine verspätete sich. Was war denn mit der los? Sonst war sie bekanntermaßen immer pünktlich. Nach etwa fünf Minuten kam sie zur Tür reingeschneit und hatte einen uns allen unbekannten Jungen im Schlepptau. Der Junge hatte etwa dieselbe Statur wie ich (also recht normal, denn wie ein Bodybuilder sah ich gewiss nicht aus) und trug rotbraunes, kurzes Haar, das allerdings in alle Himmelsrichtungen abstand (Da gäbe es ja diese neumodische Erfindung, die sich Kamm nennt). „Dürfte ich um eure Aufmerksamkeit bitten!“, rief Frau Augustine durchs Klassenzimmer. „Das hier ist Samuele Colei. Er ist neu in dieser Ortschaft und wird eine Weile auf unsere Schule gehen. Seid bitte freundlich zu ihm und zeigt ihm alles, damit er nicht so alleine ist.“ Samuele Colei? Was ist das denn für ein eigenartiger Name? Ist das ein Franzose? Könnte aber auch ein Spanier sein. „Das ist ja doof. Wir haben gar keinen freien Platz mehr für dich.“, sagte Frau Augustine, als sie sich im Klassezimmer umsah. „Dann wirst du eben erst einmal den freien Platz neben Dominik nehmen, denn sein Tischnachbar ist heute krank. In der Pause werde ich mich dann um einen neuen Tisch für dich bemühen.“ Auch das noch, dachte ich mir. Jetzt darf ich mich auch noch um einen Neuling kümmern. Der Montag wurde von Sekunde zu Sekunde unerträglicher. Samuele näherte sich mir und nahm unsicher neben mir Platz. Wir warfen uns kurz gegenseitige Blicke zu und ich bemerkte, dass er strahlend blaue Augen hatte, die mich kurzerhand in seinen Bann zogen. „Hallo, ich heiße zwar Samuele, aber du kannst mich Sam nennen. Meine Familie stammt aus Italien.“, stellte er sich bei mir mit einem Lächeln vor (Okay, er ist weder Franzose noch Spanier).
5. Wenn sich eine Tür schließt, dann öffnet sich eine andere – Teil 3 Im Prinzip bin ich ein toleranter und aufgeschlossener Mensch, doch nach diesem schrecklichen Wochenende, lag meine gute Stimmung im Keller. Normalerweise würde es mir also gar nichts ausmachen einen neuen Schüler in der Schule herumzuführen, wie zum Beispiel ihm die Mädchentoiletten von innen zu zeigen. Sam kam mir heute aber einfach ungelegen (Tut mir Leid, das klingt furchtbar ich weiß). Der Kunstunterricht trug auch nicht zur Aufmunterung bei. „Ich liebe Kunst.“, sagte Sam gutgelaunt zu mir. „Und ich liebe Tiere (Wie schön für ihn).“ „Dominik ist das ein Huhn?“, fragte Frau Augustine und sah mich rätselnd an. „Äh nein? Das soll ein Adler sein.“, erklärte ich ihr verständnislos auf ihre Frage. „Du meine Güte, das sieht ja grauenvoll aus.“, meinte Frau Augustine. „Bitte entsorg das Bild und fang noch einmal von vorne an.“ Ich warf meiner Lehrerin einen grimmigen Blick zu, tat aber wie mir geheißen, knüllte die Zeichnung zusammen und warf sie im hohen Bogen in den Papiereimer. „Beim zweiten Mal wird es bestimmt besser. Nur Mut.“ Sam zwinkerte mir aufbauend zu und ich erwiderte es mit einem schmunzelnden Lächeln. Eigentlich ist er ja ganz nett… „Was meinte Frau Augustine, als sie sagte, dass du eine Weile auf unsere Schule gehen wirst?“, fragte ich ihn schließlich, um ein angenehmes Gespräch zu beginnen. „Meine Familie arbeitet in einem Zirkus als Akrobaten. Vor der Winterpause werden wir hier unsere letzten Vorstellungen geben und dann auch hier überwintern.“, erklärte Sam mir und er konnte mir dabei zusehen, wie sich mein Mund immer weiter vor Verwunderung öffnete. „Wow wie cool. Ein Zirkus bei uns? Da muss ich hin!“, stieß ich begeistert aus. „Das Zelt steht dir am kommenden Wochenende offen.“, erwiderte Sam mir grinsend. „Das trifft sich gut, denn ich hab am Samstag Geburtstag und vielleicht kann ich meine Eltern dazu bewegen, dass wir meinen Geburtstag im Zirkus feiern.“, sagte ich fröhlich (Wenn ihr jetzt mein Gesicht sehen könntet. Wie das eines sechsjährigen kleinen Jungen). „Für Geburtstagskinder bis zum 18.Lebensjahr gibt es Freikarten.“, sagte Sam zu mir und ich freute mich gleich noch mehr. „Ich würde mich freuen wenn du kommst.“ „Danke, das ist lieb von dir.“, entgegnete ich ihm lächelnd und war über sein freundliches Entgegenkommen sehr überrascht. Der Montag mauserte sich langsam zu einem sehr schönen Tag! „Hey, hast du Lust, dass ich dir in der Pause die Schule zeige?“, fragte ich ihn mit einem Lächeln im Gesicht und zu meiner Freude sagte Sam ja. Dann wies uns Frau Augustine an, das ständige Gequatsche einzustellen und wir arbeiteten wieder leise an unseren Zeichnungen.
Als die Schule zu Ende war, verließen Sam und ich das Schulgelände zusammen. Er erklärte mir, wo das Zirkuszelt stand und wir stellten fest, dass wir einen Teil des Nachhauseweges zusammen bestreiten konnten. Darüber freute ich mich sehr, denn der Rundgang durch die Schule mit ihm war sehr unterhaltsam und aufschlussreich. Ich zeigte ihm zuerst den Handarbeitsraum und dann die Schulküche. Ich zitiere Sam: „Ist gut zu wissen, für den Fall das ich mal Hunger bekomme. Ich stopfe nämlich so einiges in mich hinein!“ Ich lachte und zeigte ihm hinterher das schwarze Brett, an dem unter anderem die Lehrersprechstunden, zukünftige Veranstaltungen und Plakate von entlaufenen Spinnen aushingen. Als Sam mir einen fragenden Blick zuwarf, erklärte ich ihm, dass dies ein Scherz der Jungs sei, um die Mädchen in Panik zu versetzen. Herr Sakamoto war allerdings alles andere als darüber begeistert und setzte ein Verbot aus (Das natürlich nicht eingehalten wurde. Seht mich nicht so an. Ausnahmsweise bin ich mal unschuldig). Als ich ihm die Mädchentoilette präsentieren wollte, winkte Sam ab und meinte, dass ihn die Jungentoilette mehr interessiert. Dabei hatte er so ein schelmisches Grinsen im Gesicht, das in mir einen Verdacht aufkeimen ließ. War Sam schwul? Um nicht mit der Tür ins Haus zu fallen, hielt ich die Frage erst einmal noch zurück. Zudem wollte ich erst noch mehr Beweise sammeln, um so einen Verdacht zu äußern. „Wenn deine Familie im Zirkus als Akrobaten arbeitet, bist du dann auch ein Akrobat?“, fragte ich Sam neugierig auf dem Nachhauseweg, doch ich erhielt keine Antwort. Jasmin stürmte hinter uns heran und quetschte sich zwischen uns, indem sie uns an den Schultern packte und auseinanderschob. Schwer schnaufend sagte sie: „Könnt ihr nicht auf mich warten? Ich muss doch in dieselbe Richtung (Ups, hab ich doch glatt vergessen – vor lauter Sam…). Hallo, ich bin übrigens Jasmin, seine beste Freundin.“, stellte sich Jasmin bei Sam vor und streckte ihm die Hand entgegen. Während die Beiden sich aneinander vorstellten und für mich uninteressante Details miteinander austauschten, kam in mir ein eigenartiges Gefühl hoch. Es fühlte sich fast wie Eifersucht an. Dies ist natürlich unsinnig, denn auf wen sollte ich eifersüchtig sein. Vor allem bin ich mit Marcus zusammen. Bin ich überhaupt noch mit Marcus zusammen? War Sam schwul? Woher kommen auf einmal all diese Fragen in meinem Kopf? Jasmin stieß mich mit ihrem Ellenbogen an und ich war kurz wütend und fragte mich, was das denn nun sollte. Ihre Augen waren nach vorne gerichtet und als ich ihrem Blick folgte, entdeckte ich Marcus, angelehnt an einer Laterne, die an einer Straßenkreuzung stand. „Kennt ihr den Jungen?“, fragte Sam uns verwirrt. Ich warf Jasmin einen flüchtigen Blick zu und sie verstand sofort, dass ich mit Marcus alleine reden wollte. Sie ging mit Sam voraus, der mir noch einen letzten Blick über die Schulter zuwarf. „Wer war das?“, fragte mich Marcus. „Ein neuer Schüler.“, antwortete ich ihm kühl (Das geht ihn gar nichts an). „Okay.“, sagte Marcus lediglich und ich fragte mich, ob da noch mehr aus seinem Mund käme. Nach längerem Warten sagte er: „Hast du meine SMS bekommen?“ „Du meinst diese jämmerliche und feige Nachricht auf meinem Handy? Ja hab ich.“, entgegnete ich nun noch kühler. Marcus wollte zu einem neuen Satz ansetzen, doch war ich schneller, da ich dem ganzen Trauerspiel nur noch ein Ende setzen wollte. „Es ist aus Marcus. Du und ich – das ist vorbei!“ Marcus Augen spiegelten meine Verzweiflung und Trauer wieder, doch musste ich einen Schlussstrich setzen, ehe er mich noch mehr verletzte. „Mach´s gut Marcus.“, sagte ich, folgte den Anderen so schnell ich nur konnte und ließ Marcus alleine an der Kreuzung stehen.
6. Manege frei! – Teil 1 Die Trennung von Marcus setzte mir natürlich zu. Doch hatte ich eine andere Wahl? Was hättet ihr an meiner Stelle getan? Hättet ihr ihm noch einmal eine zweite Chance gegeben? Er hat mir die große Liebe vorgegaukelt und dann hinter meinem Rücken sich mit anderen Jungs vergnügt. Noch immer schwirrte mir das Bild im Kopf herum, wie ich Marcus mit den Hansen-Zwillingen im Bett erwischte. Ob ich dieses Bild jemals wieder aus meinem Kopf kriege? Ich fühlte mich so traurig! Zu meinem Glück hatte ich eine sympathische Ablenkung in der Gestalt von Sam. Ich wusste zwar noch immer nicht, ob er jetzt ebenso wie ich schwul war, doch war mir das ehrlich gesagt auch gar nicht so wichtig. Ich hatte viel Spaß mit ihm, er brachte mich zum Lachen und die erste Woche verbrachten wir viel Zeit zusammen in der Schule. Nach der Schule allerdings hatte er keine Zeit mehr für mich, da er immer sofort zum Zirkus zurück musste, seine Hausaufgaben machen und dann hinterher noch am Training für die Akrobaten teilnehmen musste. Sein Zirkus interessierte mich, und so stellte ich ihm alle möglichen Fragen, die mir zu dem Thema einfielen. „Habt ihr auch Löwen, Pferde und Elefanten?“ „Ja haben wir. Wir haben auch noch Zebras, Kamele und einen großen braunen Bär!“, antwortete Sam mir voller Begeisterung und ich sah ihm an, dass er seinen Zirkus über alles liebte. „Klingt cool. Ich freu mich schon auf Morgen.“, sagte ich. „Dann hast du also mit deinen Eltern geredet?“ schlussfolgerte Sam aus meinen Satz heraus. „Ja hab ich und sie waren damit einverstanden.“, antwortete ich ihm und ich erinnerte mich an die Unterhaltung mit meinen Eltern zurück. Ich zitiere meine Mutter: „Wenn du dir das wünscht können wir da gerne hingehen.“ Daraufhin sagte mein Vater: „Haben die auch Affen? Vielleicht können wir dich gegen einen Affen eintauschen. Die sind wenigstens intelligent.“ „Deine Eltern scheinen cool drauf zu sein oder?“, fragte Sam mich neugierig. „Sie sind eigentlich ganz locker drauf.“, erwiderte ich (Nur mein Vater halt mit seinen doofen Sprüchen, aber jetzt wisst ihr wenigstens, woher ich meinen speziellen Humor habe). Der Schulgong ertönte und wir packten unsere Sachen zusammen. Wir verließen die Schule und ich verabschiedete mich von Sam mit einer Umarmung (In Sams Armen fühlte ich mich irgendwie richtig geborgen und eine warme Ausstrahlung besaß er überdies auch noch). „Dann sehen wir uns morgen.“, sagte ich ihm mit einem Grinsen im Gesicht. „Ich werde vom Seil oben Ausschau nach dir halten.“, entgegnete Sam lachend.
Es war Wochenende (Ja schon wieder! Bei mir geht das Ganze eben einfach etwas schneller…) und wie jeden Samstag hoffte ich in Ruhe ausschlafen zu können. Doch wie jeden Samstag, wurde ich auch heute wieder geweckt. Nicht einmal an meinem Geburtstag erfüllte sich mein Wunsch vom Ausschlafen und so stürmten meine Eltern und mein Opa um zwölf Uhr mittags in mein Zimmer und trällerten mir ein Geburtstagsständchen. Vielleicht lag es an der warmen und einladenden Atmosphäre, die mein Zimmer versprühte. Ich ließ es nämlich afrikanisch einrichten. Auf meiner grau-braunen Couch lagen Kissen im Leopardenmuster und auf dem Boden lag ein ausgerollter Teppich, mit einem Leoparden bestickt. Auf meiner Bettwäsche wiederrum waren Löwen abgebildet und ich besaß sogar ein Tigerfell, dass weich und kuschlig war. Eine afrikanische Maske, Elefantenständer mit Teelichtern, ein afrikanisches Musikinstrument, ein Gemälde mit einer Tigermutter und ihrem Jungtier, eine kleine Palme und Giraffenstatuen sorgten für den zusätzlichen Flair, der mein Zimmer afrikanisch wirken ließ. Ich zog mir mein Kissen über den Kopf und murmelte selbst für mich unverständliches Zeug vor mich hin. „Aufstehen mein Großer. Heute ist dein Geburtstag.“, flüsterte meine Mutter mir ins Ohr, nachdem sie endlich aufgehört hatten zu singen. „Deine Freunde kommen später und du möchtest dich ihnen doch bestimmt nicht im Pyjama und mit verstrubbeltem Haar präsentieren.“ „Aufstehen mein Junge!“, rief mein Vater ganz laut. „Deine Mutter hat dir dein Lieblingsessen zubereitet – Rahmschnitzel mit Spätzle und Buttergemüse.“ Sofort saß ich kerzengerade in meinem Bett. „Gibt es aber erst, wenn du frischgeduscht und angezogen bist.“, fügte mein Vater hinzu. Ich nickte müde, während sich meine Augen erst an das Tageslicht gewöhnen mussten. Mein Opa ging zur Fensterecke des Zimmers und zog hinter dem Blumentopf, indem eine kleine Palme stand, die Kette mit dem Anhänger hervor, die er mir vor einer Woche schenkte. „Du solltest ordentlicher mit deinem Hab und Gut umgehen.“, meinte er und legte mir die Kette aufs Nachtkästchen. „Diese Kette ist sehr wertvoll!“ (Wertvoll? Dieses rostige Ding? Vielleicht kann ich es auf dem Flohmarkt verkaufen…Scherz!) „Ich werde ab sofort besser darauf aufpassen.“, versprach ich meinem Opa. Am Nachmittag besuchten mich meine Freunde Jasmin und David und gemeinsam setzen wir uns alle an den Küchentisch, tranken Tee oder Kaffee und aßen von meiner Geburtstagstorte, die meine Mutter mit viel Liebe backte. Jasmin schenkte mir zwei weibliche afrikanische Skulpturen, die gut in mein Zimmer passten, während David mir die neuste CD meiner Lieblingsband schenkte. Der Abend näherte sich und ich freute mich zunehmend auf den Zirkus. „Wir sollten dann langsam aufbrechen.“, meinte meine Mutter. „Um zwanzig Uhr beginnt die Vorstellung.“ Als wir alle hintereinander zur Tür rausmarschierten, packte mein Opa mich sachte am Ärmel und fragte mich: „Trägst du die Kette um deinen Hals?“ Ich schaute ihn etwas genervt an, antwortete ihm aber mit einem Lächeln. „Es ist in meiner Hosentasche. Es ist mir peinlich mit dem Ding um den Hals rumzulaufen.“ „Hauptsache du trägst es bei dir.“, erwiderte mein Opa und ging an mir vorbei, Richtung Auto. Plötzlich fühlte ich etwas ganz Eigenartiges. Eine negative Energie durchflutete mich und als ich aufblickte, wusste ich auch warum. In der Einfahrt stand Marcus, der mir lächelnd zuwinkte. Ich erwiderte das Lächeln nicht, dennoch ging ich zu ihm hin – wenn auch zögernd. „Ihr wollt fort?“, fragte er mich und ich nickte. „Ich will dich auch gar nicht lange aufhalten. Ich wollte dir nur zum Geburtstag gratulieren und dir das hier überreichen.“ Marcus zog einen Brief aus seiner Jackentasche. Er war leicht zerknittert, doch ansonsten unversehrt. Ich bedankte mich lediglich und nahm den Brief entgegen. „Ich les ihn mir durch, sobald wir wieder vom Zirkus zurück sind.“ „Ihr fahrt zum Zirkus? Dann wünsche ich dir viel Spaß.“, sagte Marcus zu mir und in seinen Augen sah ich einen Anflug von Traurigkeit. Ich überlegte ob ihn mitnehmen sollte…
7. Manege frei! – Teil 2 Das Zirkuszelt stand auf einer riesengroßen Wiese am Rande der Ortschaft. Damit keine ungebetenen Gäste reinkamen, ließ man ringsherum einen Stacheldrahtzaun errichten. Wir parkten mit dem Auto in der Wiese, doch mussten wir beim Aussteigen aufpassen, wo wir unsere Füße absetzten, da das ganze Gelände durch den vielen Regen ein wenig schlammig geworden war. Als wir gemeinsam auf den Eingang des Zirkusgeländes zumarschierten, entdeckte ich ein Banner mit gut lesbaren Buchstaben. „Herzlich Willkommen im Zirkus Graziano!“, stand darauf geschrieben und als wir drunter hindurch gingen, erwarteten uns bereits die ersten Kassiererinnen. „Sechs Karten bitte.“, bat mein Vater die junge Dame am Schalter. „Entschuldigen sie bitte.“, sagte ich zu der jungen Dame und stellte mich neben meinem Vater. „Ein Freund von mir meinte, dass ich eine Freikarte erhalte, da ich heute Geburtstag habe.“ Die junge Frau lächelte mich an. „Du bist also Sams besagter Freund.“ „Sie wissen wer ich bin?“, fragte ich verblüfft. „Sam hat die Woche oft von dir geredet und es war schwer ihn wieder zum Schweigen zu bringen (Oh, ich werde rot im Gesicht).“, erklärte mir die junge Frau. „Ich bin Alice, Sams große Schwester.“ Alice überreichte mir das Freiticket und ich bedankte mich ganz herzlich bei ihr und lächelte sie an. Sam hat mir nie erzählt, dass er eine Schwester hat (Ich hab ihn allerdings auch nie danach gefragt). Dabei sah Alice Sam sogar recht ähnlich. Auch sie hatte strahlend blaue Augen und rotbraunes Haar. Allerdings war ihr Haar sehr viel länger und reichte ihr bis zur Brust, das einen beachtlichen Vorderbau zu verzeichnen hatte (Wenn ihr versteht). Als jeder seine Karte in der Hand hatte, zogen wir weiter, damit die wartenden Leute hinter uns auch ihre Karten bekamen. Inzwischen ragte vor uns das gigantische Zirkuszelt, das in den Farben weinrot und dunkelblau schimmerte, aber in der Dunkelheit nur schwerlich zu erkennen war. In der Ferne hörte ich einen Elefanten trompeten und merkte gar nicht, wie Jasmin mich beim Namen rief. „Was läuft da eigentlich zwischen dir und dem Rotschopf?“, fragte sie mich. „Rotschopf? Sein Name ist Sam, außerdem sind seine Haare rotbraun!“, erwiderte ich bestürzt. „Tut mir Leid, aber ich verteile gerne Spitznamen.“, lachte Jasmin. „Du bist ja auch mein Nicki und David…ist David.“ Ich warf Jasmin einen grimmigen Blick zu, als sie diese Verniedlichung an meinen Namen dranhängte (Nicki klingt furchtbar. Wehe ihr nennt mich auch so!) „Zwischen mir und Sam läuft außerdem nichts.“, fügte ich hinzu. „Wir verstehen uns nur gut.“ „Also hast du dich nicht in ihn verguckt?“, harkte Jasmin nach. „Nein!“, antwortete ich ihr etwas lauter und die Leute um uns herum, beäugelten mich erschrocken. „Außerdem hab ich mich gerade erst von Marcus getrennt.“, fügte ich hinzu, nun aber etwas leiser. „Den du vorhin eiskalt stehen lassen hast.“, mischte sich nun David in unser Gespräch ein. „Als ich seinen traurigen Blick sah, hab ich auch überlegt ob ich ihn mitnehmen soll, aber dann wurde mir bewusst, dass er mich verletzt hat und nicht andersrum.“, erklärte ich den Beiden. „Du hast vollkommen richtig gehandelt.“, sagte Jasmin schnippisch. „Also mir tat er ein wenig Leid.“, meinte David. Ich wollte das Thema an meinem Geburtstag nicht weiter vertiefen, also schwieg ich dazu und betrat hinter meinen Eltern und meinem Opa das Zirkuszelt. Im Inneren war es nicht viel heller als draußen. Ein riesiger Scheinwerfer beleuchtete das Zentrum der Manege, während dutzende kleinere Scheinwerfer die Tribünen beleuchteten, damit die Zuschauer ihre Plätze fanden. Nach fünf Minuten fanden wir unsere Plätze und nahmen sie zugleich ein. Ich sah mich ein wenig im Zelt um und entdeckte an der Decke mehrere Seile, Trapeze und Netze. Ich war ganz schön aufgeregt, denn dies war mein erster Besuch in einem Zirkus. Ein Mann lief an der Tribüne vorbei und verkaufte Popcorn, Chips und Getränke. David, Jasmin und ich besorgten für uns alle was zu Knabbern und zu Trinken. Dann warteten wir ab, bis alle Zuschauer ihre Plätze einnahmen und die Vorstellung begann. Mit fünf Minuten Verspätung begann die Vorstellung endlich. Es wurde ganz dunkel im Zelt und das Geräusch von hämmernden Trommeln erklang in unseren Ohren. Mit einem Mal ging der große Scheinwerfer an und leuchtete auf das Zentrum der Manege, wo ein Mann mit Schnauzer, Zylinder, Frack und weißen Handschuhen stand. „Meine sehr verehrten Damen und Herren!“, rief der Mann voller Enthusiasmus. „Ich heiße sie alle ganz herzlich im Zirkus Graziano willkommen!“ Das Publikum klatschte lauten Beifall. „Mein Name ist Giovanni Graziano – Ich werde sie heute Abend durch diese atemberaubende Vorstellung begleiten!“ Wieder klatschte das Publikum und ich war vor lauter Aufregung schon ganz zappelig und rutschte auf meinem Sitz hin und her (Der soll keine langen Reden schwingen und endlich anfangen). „Ladys und Gentleman, lehnen sie sich bitte zurück und genießen sie die einmalige Show von Zirkus Graziano!“, rief der Zirkusdirektor Giovanni und dann begann die Vorstellung auch schon und der Klang von Trompeten hallte in meinen Ohren wieder. Durch den roten Bühnenvorhang stampfte eine Horde Elefanten herein. Auf dem vordersten Elefanten stand eine sehr galante Frau mit langen schwarzen Haaren. Sie hielt sich an einem Zügel fest, damit sich nicht runterfiel und winkte dem Publikum freudestrahlend zu und verbeugte sich sogar. Die Elefanten stellten sich in einer Reihe auf und hoben anschließend ihre Vorderbeine. Was für ein enormes Gewicht dachte ich mir und klatschte wie die anderen Zuschauer. Inzwischen stieg die Frau leichtfüßig von dem Elefanten ab. Es wirkte fast so, als würde sie schweben. Dann stellte sie sich dem Publikum vor: „Meine sehr verehrten Damen und Herren, mein Name ist Sofia Graziano und ich werde ihnen nun ein paar Zaubertricks präsentieren. Im Gegensatz zum ungläubigen David, der das alles für faulen Zauber hielt, war ich gespannt auf die Zaubertricks. Sofia bekam zwei Assistenten zur Seite gestellt und zusammen begeisterten sie das Publikum mit verschiedenen Zauberkunststücken. So richtig begeistern konnte mich zuerst allerdings auch keiner davon. Dann zeigte uns Sofia einen leeren Ring am Boden und zog anschließend einen schwarzen Vorhang rings herum. Als sie diesen wieder fallen ließ, blieb meiner Familie, meinen Freunden, dem Publikum und auch mir der Atem stehen.
8. Manege frei! – Teil 3 Der schwarze Vorhang fiel zu Boden und zum Vorschein kam ein prachtvoller Löwe, der ein lautes Brüllen durch das Zirkuszelt stieß. Das kleine Mädchen, dass eine Reihe vor mir saß, zuckte vor Schreck zusammen. Die Mutter des Mädchens versicherte ihr, dass sie keine Angst haben bräuchte. „Einen herzlichen Applaus für Leon den Löwen!“, rief Sofia mit einem Lächeln durch die Manege. Ich fing wie alle anderen zu klatschen an und in der Zwischenzeit betrat ein Mann mit grauem Haar und mürrischem und ernstem Blick die Manege. Er hielt eine Peitsche in den Händen und mir war auch ohne Vorstellung klar, dass dies der Dompteur sein musste. Der Dompteur knallte einmal mit der Peitsche laut auf und der Löwe sprang durch einen Ring der lichterloh brannte. Auf einem rädernden Käfig wurden weitere Raubkatzen in die Manege gebracht. Darunter zwei Tiger, ein Puma und eine Löwin. Der Dompteur namens Maurice zeigte mit den Raubkatzen weitere Kunststücke, doch konnte ich diese Art der Show nicht in vollen Zügen genießen, da ich das ungute Gefühl in mir trug, dass dies Tierquälerei war. Die Tiere taten mir Leid… „Kommen wir nun zu Filippo unserem Clown, samt seiner reizenden, aber sehr haarigen Assistentin Lola!“, rief Zirkusdirektor Giovanni voller Stolz und Tatendrang durchs Mikrofon. Haarige Assistentin? Wer ist sie, die Frau mit dem Bart? Meine Frage wurde zugleich beantwortet, als der Clown Filippo auf einem Bären angeritten in die Manege stolzierte (Das musste der Bär sein, von dem Sam mir berichtete). Der Clown winkte uns zu und bewarf kleine Kinder mit Konfetti, die das natürlich besonders freute. Filippo trug ein knallbuntes Kostüm, eine lockige Perücke, die alle dreißig Sekunden ihre Haarfarbe veränderte und natürlich eine rote Knollennase, die bei einem lustigen Clown keinesfalls fehlen durfte! „Ich mag Clowns nicht.“, sagte David leise neben mir. „Die machen mir Angst.“ „Du hast ja selbst noch vor kleinen Hamstern Angst.“, erwiderte Jasmin schadenfroh und spielte damit auf eine vergangene Situation an (Darüber werde ich euch ein andermal ausführlich berichten. Ich möchte mir die Zirkusvorstellung ansehen, also fragt mir keine Löcher in den Bauch). Als Filippo vom Bären abstieg, quietsche es einmal laut auf. Mit jedem Schritt den er machte quietschte es wieder und wieder. Filippo versuchte herauszufinden, wo das Geräusch herkam. Er sah unter seinen Schuhen nach, die bestimmt die dreifache Größe eines normalen Schuhes hatten. Danach kroch er unter den Bären und sah dort nach. Die kleinen Kinder lachten und als sich Lola die Bärin unverschämterweise auf Filippo niederließ und dieser panisch um Hilfe flehte, brachen auch die Erwachsenen in schallendes Gelächter aus. Als sich Filippo endlich aus seiner misslichen Lage befreite, stampfte er wütend auf und mit jedem Hüpfer den er machte, quietschte es. Außerdem schien sich seine Hose mit Helium oder Ähnlichem zu füllen, denn mit jedem Hüpfer den machte, dehnte diese sich weiter und weiter aus. Irgendwann platzte seine Hose und der Clown war von oben bis unten klatschnass. Inzwischen konnte sich selbst David das Lachen nicht mehr verkneifen. Zehn Minuten später kündigte der Zirkusdirektor die wagemutigen Akrobaten an. „In schwindelerregender Höhe werden unsere Akrobaten ihnen Kunststücke sowohl am Trapez, als auch am Schlappseil vorführen. Versuchen sie nicht zu atmen, den jeder noch so kleine Windhauch könnte unseren Akrobaten das Leben kosten!“ Das was Giovanni Graziano da sagte war natürlich blanker Unsinn, da er seine Artisten niemals in Gefahr bringen würde. Ein Netz war unterhalb der Trapeze und des Schlappseils aufgespannt worden, so dass wenn einer das Gleichgewicht verlor und in die Tiefe stürzte, von dem Netz aufgefangen wurde. Dennoch war ich sehr aufgeregt, denn nun würde ich auch erstmals Sam in Aktion erleben. Mit gebannten Augen wartete ich ab was geschehen würde. Sam und seine Familie ritten auf weißen Pferden in die Manege. Seine Familie bestand aus seinen Eltern, Antonio und Elena, sowie seinen beiden älteren Geschwistern, Diego und Alice. Sie alle trugen einen engen, aber flexiblen Anzug in Blau (Der Anzug sah lächerlich und peinlich aus, dass ich allein vom Hingucken schon rot wurde). Bevor es in die Lüfte ging, führten sie auf den Pferden ein paar Kunststücke vor. Unter anderem ließen sie sich seitwärts vom Pferd runterhängen, oder legten einen Kopfstand auf dem Pferd hin. Meine Augen galten natürlich nur Sam und er machte seine Sache außerordentlich gut (Um nicht zu sagen fantastisch). Anschließend stiegen sie von den Pferden ab und kletterten die Leiter hinauf zur Zirkusdecke. Lediglich Alice blieb unten und führte die Pferde wieder hinaus aus der Manege. Sams Eltern zeigten dem Publikum dann Kunststücke am Trapez. Nachdem sie genug Schwung hatte, ließ Sams Mutter ihr Trapez los und wurde in der Luft von ihrem Mann aufgefangen. Das Publikum klatschte vor Begeisterung und zollte ihnen Respekt. Im Anschluss daran wagte sich Sams großer Bruder Diego auf das Schlappseil und legte sowohl einen Hand- als auch Kopfstand hin, die ziemlich gefährlich von hier unten aussahen. Diego hatte äußerlich große Ähnlichkeiten mit Sam. Den einzigen Unterschied den ich entdeckte, war das Diego sehr viel kräftiger gebaut war, als sein kleiner Bruder. Die Kraft in seinen Armen musste enorm sein. Nachdem Diego das Schlappseil wieder verließ, bereitete sich Sam auf seinen großen Auftritt vor. Ich atmete einmal tief durch und betete, dass ihm nichts geschehen würde. Doch wie wollte er die gezeigten Kunststücke eigentlich noch toppen? Ich musste nicht lange auf die Antwort meiner Frage warten, denn Sam stieg auf ein kleines Einrad und fuhr damit langsam und vorsichtig auf das Schlappseil drauf. Ein Raunen ging durch die Tribünen der Zuschauer und jeder sah gebannt nach oben. Mir tat bereits der Nacken weh vom ständigen hinaufblicken, aber das war mir gleichgültig. Ich versuchte auch nicht zu Blinzeln, denn ich wollte keine einzige Sekunde von Sams glorreichem Kunststück verpassen. Diego warf seinem kleinen Bruder drei Softbälle in unterschiedlichen Farben zu, als sich dieser in der Mitte des Schlappseils befand. Ich war sprachlos! Sam saß auf einem Einrad, balancierte auf dem Schlappseil und jonglierte nebenbei auch noch mit Bällen. Für mich glich das einem Wunder! „Dein Rotschopf ist fantastisch!“, stieß Jasmin vor Begeisterung aus, doch erwiderte ich daraufhin nichts (Mein Rotschopf? Spinnt die? Erstens heißt er Sam und nicht Rotschopf und zweitens ist er nicht Meiner…! Jasmin konnte froh sein, dass ich gerade voll und ganz auf Sam fixiert war). Diego warf Sam einen vierten Softball zu und nach zehn Sekunden noch einen Fünften. Das Publikum (einschließlich mir) war aus dem Häuschen und klatschte so laut es nur konnte. Als Sam und seine Familie wieder festen Boden unter ihren Füßen hatten, konnte ich endlich wieder aufatmen. Doch meine Erleichterung war nur von kurzer Dauer… Giovanni Graziano bat um Ruhe im Zelt und rief: „Jetzt meine sehr verehrten Damen und Herren, wird der Jüngste unserer Akrobaten sich noch bereitwillig unserem gefährlichen Messerwerfer und Flammenspucker Lorenzo zur Verfügung stellen. Es geht um Leben und Tod!“
9. Manege frei! – Teil 4 Ich schluckte. Wieso musste sich ausgerechnet Sam dieser Gefahr aussetzen? Konnte das nicht dieser lächerliche Clown von vorhin übernehmen (Das fände ich lustig)? „Einen großen Applaus für Lorenzo unseren Messerwerfer und Feuerspucker!“, rief Zirkusdirektor Giovanni durchs Mikrofon und das Publikum tat wie ihm geheißen. Lorenzo war ein normalgebauter Mann mit braunem kurzem Haar, der dem Publikum freudig zuwinkte – außerdem war er blind! „Du meine Güte, dass könnte durchaus spannend werden.“, sagte mein Opa schadenfroh. „Der Mann ist blind, wieso darf der dann Messer nach meinem Freund werfen?“, fragte ich aufgebracht und verständnislos. Meine Freunde sahen mich von der Seite schmunzelnd an und als mir klar wurde, was ich da soeben von mir gab, versuchte ich zu retten was zu retten war: „A-Also ich meine nicht das Lorenzo nicht dürfte u-und Sam ist ja auch g-gar nicht m-mein F-Freund…!“ Sams Vater Antonio und sein Bruder Diego banden ihn an eine drehende Holzscheibe fest. Sowohl an den Armen, als auch an beiden Beinen konnte sich Sam nun nicht mehr vom Fleck bewegen. Ich fing wieder an auf meinem Stuhl hin und her zu rutschen. Zusätzlich kaute ich vor Nervosität an meinen Fingernägeln, während Lorenzo sich Wurfbereit machte. Als es endlich begann wurde es wieder mucksmäuschenstill im Zirkuszelt. Lediglich das ein oder andere kleine Kind hörte man plärren oder kichern. Dann warf Lorenzo das erste Messer und es bohrte sich direkt unter Sams rechten Oberarm. Ein zweiter Wurf, dieses Mal landete das Messer zwischen beiden Beinen (unter seinen Kronjuwelen…). Sams Mutter Elena kam herbeigeschlurft und drehte einmal an der Holzscheibe, an der ihr Sohn festgebunden war. Lorenzo grinste heimtückisch, was mir eine Gänsehaut auf dem Rücken verursachte. In meinem Magen breitete sich ein mulmiges Gefühl aus. Lorenzo warf drei Messer direkt hintereinander. Das erste Messer bohrte sich über Sams Kopf in das Holzbrett, das Zweite links neben der Hüfte und das Dritte neben das rechte Ohr. Das Publikum klatschte Beifall. Zum einen wegen dem Können das uns Lorenzo trotz seiner Behinderung präsentieret und zum anderen wegen Sams großen Mut. Ich klatschte ebenfalls und lächelte erleichtert, als Sams Familie ihn wieder von der Drehscheibe befreite. Dann dröhnte das laute Geräusch von Trompeten, Trommeln und Becken in unseren Ohren und Giovanni Graziano kündigte das spektakuläre Finale an. Fünf weiße Pferde rannten gleichzeitig in die Manege. Auf dem mittleren Pferd stand Alice, die die Zügel aller Pferde festhielt. Filippo kam nochmal reingewatschelt und schenkte kleinen Kindern Bonbons und andere Süßigkeiten. Sofia beeindruckte die Zuschauer ein letztes Mal mit ihrer Magie und ließ das Zirkuszelt in verschiedenen Farben erstrahlen. Lorenzo spie Feuer und heizte uns noch einmal gehörig ein, während Maurice mit der Bärin Lola noch ein paar Ballstücke präsentierte und die Akrobaten am Vertikalseil, einem tauähnlichem Seil, das von der Decke herabhängt, Kunststücke vorführten. Zum Schluss verneigten sich alle Zirkuskünstler, samt dem Zirkusdirektor und Sofia zauberte zum krönenden Abschluss noch ein weißes Kaninchen aus dem Zylinder von Giovanni heraus.
Am Zeltausgang entdeckte ich das kleine Mädchen wieder, dass eine Reihe vor mir saß. „Mama ich will auch so ein kleines süßes Kaninchen.“, bat sie ihre Mutter und setzte einen Welpenblick auf. Doch ihre Mutter schlug ihre Bitte aus, mit der Begründung, dass sie sich erst einmal besser um ihren Hund Timo kümmern sollte, bevor sie ein weiteres Haustier möchte. „Die Zirkusvorstellung war überraschenderweise gut.“, meinte David zu Jasmin, die vor mir hergingen. „Warum? Weil der Clown dich widererwarten zum Lachen brachte und du auch die Zauberkünstlerin nicht schlecht fandst?“, fragte Jasmin ihren Freund und grinste (Die Beiden sind so süß zusammen, doch außer Freundschaft empfinden die glaube ich nichts für den jeweils anderen). Urplötzlich packte mich eine Hand am Ärmel und zog mich links hinter die Zeltplane, wo uns keiner sehen konnte. „Sam!“, stieß ich erschrocken und überrascht, aber auch erfreut aus. Sam hielt seinen rechten Zeigefinger an die Lippen und machte mir klar, leiser zu sein. Er hatte immer noch das körperbetonte Outfit von der Vorstellung an und war zudem leicht verschwitzt. Unsere Körper waren sehr eng aneinandergepresst, da es hier sehr eng war und ich wurde extrem nervös und auch rot im Gesicht (Wie so oft an dem heutigen Abend). „Na hat dir die Vorstellung gefallen?“, fragte mich Sam leise und lächelte mich dabei breit an. „Sie war großartig!“, antwortete ich ihm ebenfalls leise und fügte hinzu: „Du warst großartig!“ Sams Lächeln wurde noch breiter und ich hörte sein Herz wie wild klopfen. Das Gefühl ihm so nahe zu sein war sehr schön. Von außerhalb des Zeltes hörte ich meine Mutter nach mir rufen. „Ich glaube ich sollte jetzt gehen.“, meinte ich und Sam tat sich schwer, seine Enttäuschung zu verbergen. „Wir sehen uns am Montag in der Schule.“ Mit einem Lächeln ließ ich seine Hand los und ging davon.
Während der Heimfahrt gab es natürlich eine ganze Menge zu diskutieren. Ich zitiere meinen Opa: „Diese Sofia hat vielleicht wunderhübsche Beine.“ Ich zitiere meine Mutter: „Dad ich bin entsetzt und das in deinem Alter! Also ich fand den Clown ja ganz amüsant, oder was meint ihr Kinder?“ Ich zitiere Jasmin: „David hatte Schiss vor dem Clown!“ Ich zitiere David: „Halt den Mund du doofe Kuh!“ Ich zitiere meinen Vater: „Schade das sie keine Affen hatten…(Meine Augen verdreh).“ Als wir wieder bei mir Zuhause ankamen, bedankte ich mich bei meinen Freunden für diesen wunderschönen Geburtstag. Anschließend machten sie sich auf den Weg nach Hause und ich hörte sie noch bis zur nächsten Straßenbiegung darüber streiten, ob der Clown nun lustig war oder nicht. Als ich ins Haus ging und mir die Jacke auszog, erinnerte ich mich wieder an Marcus Brief, den er mir vor der Abfahrt überreichte. Ich beschloss, den Brief in meinem Zimmer zu öffnen. Ich wünschte meinen Eltern und meinem Opa eine gute Nacht und ging nach oben. Ich warf mich rücklings auf mein Bett und starrte den Brief eine lange Zeit an, ehe ich mich dazu durchrang ihn zu öffnen. Als ich den Brief durchlas bildeten sich Tränen in meinen Augen, die langsam meine Wange hinunter flossen. Dieser Dummkopf (Ich meine natürlich Marcus)! Ich las mir den Brief mehrmals durch, ehe ich ihn mir unters Kopfkissen schob und noch genau darüber nachdachte. Ich legte mich zur Seite und spürte einen Schmerz am Oberschenkel. Die Ursache dafür, kam von der Kette mit dem Amulett, die sich in meiner Hosentasche befand. Ich zog die Kette raus und begutachte das Amulett. Wieso ich das wohl immer bei mir tragen sollte? Ist doch heute gar nichts passiert…
10. Sehnsüchte und Erinnerungen – Teil 1 Herr Berthold, unser Sportlehrer, pfiff einmal in seine Trillerpfeife und gab uns somit das Startsignal zum Wettschwimmen. Der Herbst hielt Einzug ins Land und es wurde kühl im Freien. Doch das hielt uns nicht davon ab, unseren Sport-Unterricht im Hallenbad des örtlichen Schwimmbads zu verbringen. „Los Jungs, ich will dass ihr euer Bestes gebt und mir euer Können unter Beweis stellt!“, rief Herr Berthold uns zu, während wir unsere Bahnen schwammen. Dabei wandten wir von Bahn zu Bahn einen anderen Schwimmstil an. Einmal Kraulschwimmen, dann Rückenkraulen, gefolgt von Schmetterlingsschwimmen und das Ganze jeweils zweimal (Ächz, ich kann jetzt schon nicht mehr -.-). Einen Vorteil hatte das Ganze hier ja: Es gab heiße Jungs in Badeshorts zu bestaunen (Sabbert). Okay, ich sollte mich vielleicht auf den Sportunterricht konzentrieren, aber ich war mit meinen Gedanken auch einfach ganz wo anders. Marcus Brief beschäftigte mich nämlich immer noch und das wir uns heute an jenem Ort aufhielten, wo er mich im Sommer vor dem Ertrinken rettete (Das klingt so schön romantisch, dabei hätte mich bestimmt der unattraktive und haarige Bademeister aus dem Becken gefischt, wenn Marcus ihm nicht zuvor gekommen wäre), trug nicht gerade zur Ablenkung bei. Während ich im Wasser schwamm, lugte ich so oft es mir möglich war zur Seite. Marcus schwamm in der Bahn direkt neben mir (Zufall oder Schicksal?) und schien hochkonzentriert zu sein. Natürlich musste er sich konzentrieren, denn sein großer Traum war schon immer Profischwimmer zu werden, weshalb ihm der heutige Tag sehr wichtig war. Ob er nebenbei an mich dachte? Ich könnte ausflippen! Der Kerl hat mich betrogen und ich mach mir Gedanken um ihn, die er gar nicht verdient hat. Lag vielleicht daran, dass er mich immens beeindruckte, als wir uns das erste Mal begegneten…
Vor etwa einem Jahr: „Hey Dominik, wir haben gehört du hast dich neulich bei deinen Eltern als schwul geoutet. Sollen wir dich dann ab sofort Dominica nennen?“, fragte mich Sebastian provozierend und lachte mich zusammen mit seinem besten Kumpel Lars aus. „Halt doch die Klappe Sebastian.“, erwiderte ich säuerlich. „Sag mal, wie redest du denn mit mir?“, fragte mich Sebastian und kam drohend auf mich zu. „Ich bin der Sohn des Bürgermeisters und du hast mir gar nichts zu sagen.“ „Ja dann renn doch heim zu deinem Papi und heul dich bei ihm aus.“, entgegnete ich nun ebenfalls provozierend, denn ich wollte mich keineswegs von ihm unterkriegen lassen. „Du kleine Schwuchtel jetzt pass mal gut auf…“, sagte Sebastian erzürnt und packte mich fest am Kragen, während ich ihn mit einem hasserfüllten Blick anstarrte. Ohne es zu bemerken, näherte sich uns eine weitere Person. Sie griff nach Sebastians Arm und zog ihn kraftvoll von mir weg. Er drückte Sebastian gegen die Wand und sagte: „Wenn ich noch einmal sehe, wie du den Jungen oder auch andere wegen ihrer sexuellen Orientierung angehst, dann garantiere ich für nichts mehr!“ Sebastian war sprachlos und als Herr Frenzel den Aufruhr bemerkte und auf uns zukam, ließ der Junge ihn wieder los. Sebastian warf dem Jungen einen bösen Blick zu, ehe er zusammen mit Lars stumm davon marschierte. „Ich hatte die Situation unter Kontrolle.“, sagte ich zu dem Jungen undankbar. „Natürlich deshalb hast du ihn ja auch soweit provoziert, dass er dir die Fresse einschlagen wollte.“, entgegnete der Junge mir. „Sei froh, dass ich dich gerettet habe.“ „Es hat dich keiner darum gebeten.“, sagte ich bockig. Der Junge lächelte mich an (Er sieht süß aus, wenn er lächelt…). Wieso zum Henker lächelte er jetzt? „Bist du zu jedem so freundlich, der dir helfen will?“, fragte mich der Junge, doch wartete er meine Antwort nicht ab, da er eilig zu haben schien. „Naja wie auch immer. Muss weiter, aber falls man sich noch einmal sehen sollte – Ich heiße Marcus!“
„Kommt jetzt alle aus dem Becken!“, rief Herr Berthold uns vom Seitenrand aus zu. „Ihr habt eure Sache sehr gut gemacht. Ab unter die Duschen mit euch!“ Wir kletterten alle aus dem Becken und während alle zu den Duschen rannten, bestellte unser Sportlehrer Marcus noch zu ihm. Ich tat so. als würde ich mich erst einmal mit dem Handtuch abtrocknen, damit ich ihrer Unterhaltung lauschen konnte. „Das war heute sehr gute Arbeit Marcus.“, lobte Herr Berthold ihn. „Wenn du so weiter machst, dann dürfte deinem Stipendium nichts mehr im Wege stehen. Du willst doch noch Profischwimmer werden oder?“ „Und wie ich das möchte!“, sagte Marcus freudestrahlend. „Na dann leg dich ins Zeug. Ich glaub an dich.“, sagte Herr Berthold freundlich. Die Beiden beendeten ihre Unterhaltung und als Marcus sich auf den Weg zu den Duschen begeben wollte, bemerkte er mich. Wir sahen und gegenseitig in die Augen und ich überlegte kurz, ob ich ihn auf den Brief ansprechen sollte, doch traute ich mich nicht (ich feiges Huhn). Marcus trabte schließlich mit leicht betrübtem Gesicht ab. Vermutlich dachte er, dass ich in Ruhe gelassen werden will. Ich machte mich anschließend auch auf den Weg zu den Duschen, doch kam ich zu nah an den Beckenrand, rutschte aus und stürzte ins Wasser (Wie vor etwa vier Monaten).
Vor etwa 4 Monaten: Als ich wieder zu mir kam, war mir leicht schwindlig und ich sah alles recht verschwommen. Mit der Zeit legte sich dies jedoch und ich sah in zwei honigbraune Augen, die mich besorgt anstarrten. „Alles okay, du bist in Sicherheit.“, erklärte mir eine sanfte und liebevolle Stimme. Als meine Augen wieder klar sehen konnten, erkannte ich das Gesicht von Marcus. „H-Hast du…,“ Ich sah ihn verwundert an, „hast du mir das Leben gerettet?“ „Zum zweiten Mal schon wie es scheint.“, antwortete Marcus mir mit einem Grinsen im Gesicht. „Das erste Mal zählt nicht.“, sagte ich noch leicht benebelt. „Ach ja stimmt. Du hattest ja damals alles unter Kontrolle.“, erinnerte sich Marcus und grinste mich nur noch mehr an. Herr im Himmel ,wie ich sein Grinsen und Lächeln liebte… „Nerv mich nicht Dummkopf.“, erwiderte ich mürrisch (Ich bin eine kleine Zicke sorry). „Dankbarkeit ist für dich ein Fremdwort oder?“, fragte mich Marcus nun leicht verärgert. „Du willst ein Danke von mir?!“, fragte ich ihn selbstsicher und ehe mich mein Mut wieder verließ, stütze ich mich mit beiden Händen ein wenig von der Liege ab, auf der ich lag, und küsste Marcus auf den Mund. Er erwiderte meinen Kuss und so verharrten wir bis in die Ewigkeit (Träume werden wahr).
11. Sehnsüchte und Erinnerungen – Teil 2 Als ich meine Augen wieder öffnete, sahen mich zwei honigbraune Augen besorgt an. Mir war natürlich sofort bewusst, dass diese wunderschönen Augen zu Marcus gehörten. Ebenso war mir aber auch klar, dass ich schon wieder ausgerutscht und ins Becken gefallen bin. „Machst du das eigentlich mit Absicht?“, fragte mich Marcus mit dezentem Grinsen im Gesicht. „Ja klar, hab ja nichts Besseres zu tun, als Ertrinken zu spielen.“, erwiderte ich mürrisch. „Hat dir schon einmal jemand gesagt, dass du eine kleine Zicke bist?“, fragte er mich daraufhin. „Ja Du.“, antwortete ich ihm und ein Lächeln zauberte sich auf mein Gesicht. „Deinen ungewöhnlichen Humor hast du von deinem Vater. Deine Schlagfertigkeit hast du allerdings von deinem Großvater.“, sagte Marcus zu mir. „Du musst es ja wissen.“, erwiderte ich. „Du hast meine Familie ja bereits kennengelernt.“
Vor etwa 3 Monaten: „Du bist also dieser Marcus. Freut mich sehr dich kennenzulernen.“, sagte mein Vater ein klein wenig verkrampft zu meinem Freund und schüttelte ihm zur Begrüßung die Hand. „Freut mich ebenfalls Herr Rottbach.“, erwiderte Marcus ihm freundlich. „So setzt euch alle bitte.“, wies meine Mutter uns alle an. „Das Essen ist fertig.“ Nachdem der Start etwas verkrampft ablief, legte sich dies beim gemeinsamen Essen und auch meine Nervosität fiel gänzlich von mir ab. „Und was machst du beruflich so?“, fragte mein Vater Marcus beim Essen neugierig und ich schaute ihn nur verdutzt an. Genauso wie mein Opa, meine Mutter und Marcus. „Ich gehe doch noch zur Schule Herr Rottbach.“, antwortete Marcus ihm leicht verwirrt (Manchmal schämte ich mich richtig für meinen Vater. Diese Frage war mehr als peinlich…) „Beachte ihn einfach nicht weiter.“, meinte meine Mutter zu Marcus. „Mein Mann redet gerne einmal dumm daher. Diese Eigenschaft hat er auch an Dominik abgetreten (Gar nicht wahr).“ „Das habe ich bereits bemerkt.“, sagte Marcus grinsend und ich warf ihm einen bösen Blick zu. „Seit wann weißt du, dass du homosexuell bist?“, fragte mein Opa Marcus schließlich. Ich hielt die Frage ja für den ersten Tag ein wenig unangebracht, aber schwieg ausnahmsweise. „Ich bin seit gut zwei Jahren offen bei meinen Eltern geoutet.“, antwortete Marcus ihm. „Das ist aber reichlich früh. Wie alt waren sie da? Vierzehn?“, fragte mein Opa ihn und Marcus nickte. „Und haben ihre Eltern das von Anfang an akzeptiert, oder gab es Probleme?“ „Es war nicht ganz leicht, aber meine Eltern haben mich deswegen nicht gleich rausgeworfen. Sie lieben mich so wie ich bin und haben damit gelernt umzugehen.“, erklärte Marcus ihm, während ich ihn bewundernswert ansah, weil er so offen über dieses Thema redete. „Ich hoffe du wirst meinen Enkel glücklich machen.“ Ich warf meinem Opa nach diesen Worten einen warnenden Blick zu. „Er hat das Beste verdient, wenn man bedenkt, was ihm alles noch bevorsteht.“ (Was mir alles bevorsteht? Das klingt ja beängstigend…) „Ich werde Nick so glücklich machen, wie es nur in meiner Macht steht.“, sagte Marcus und wir lächelten uns gegenseitig zu. „Das will ich auch hoffen, sonst kriegst du es mit mir zu tun.“, warnte mein Opa ihn, während er sich seinen Mund mit einer Serviette abwischte. „Ich bin nicht so alt und gebrechlich wie ich aussehe.“ „Grandpa das langt jetzt.“, warf ich dazwischen und schaute ihn mit großen Augen an. „Hat jemand Hunger auf eine kleine Nachspeise?“, fragte meine Mutter um das Thema zu wechseln.
Am Nachmittag saß ich zusammen mit David und Jasmin in einem kleinen Café am Park und gönnte mir eine heiße Schokolade, während David sich einen vorzüglichen Kürbis-Muffin gönnte. Ich berichtete ihnen von meinem kleinen Unfall im Schwimmbad und wie Marcus mir abermals das Leben rettete. „Vielleicht war das Schicksal.“, schlussfolgerte ich. „Der Kerl hat dich zutiefst verletzt. Du wirst dich doch wohl hoffentlich nicht wieder auf ihn einlassen.“, meinte David zu dem ganzen Thema, während Jasmin in einer Zeitung blätterte. „Du meine Güte.“, sagte sie auf einmal, ohne aufzublicken. Wir beendeten unsere Diskussion und sahen fragend zu Jasmin. „Offenbar kam es seit einer Woche zu mehreren Raubüberfällen.“, erklärte sie uns. „Hier steht, dass ein Mann, der eine Clown-Maske trägt, Passanten in der Nacht anfällt und ihnen ihr ganzes Hab und Gut klaut.“ „Ich hab schon immer gesagt, dass Clowns gruselig sind.“, meinte David dazu. „Seltsam finde ich nur, dass die Raubüberfälle dann begonnen zu haben scheinen, als der Zirkus in unsere Stadt kam.“ „Was willst du denn damit jetzt sagen? Nur wegen der Clown-Maske?“, fragte ich ihn verwirrt. „Darf ich euch noch etwas zum Trinken bringen?“, fragte uns die Bedienung des Cafés. „Danke Schwesterherz.“, sagte David lächelnd zu ihr und sie trabte wieder davon. „Wieso ist deine Schwester zurück?“, fragte ich David. „Ich dachte sie studiert…“ „Keine Ahnung. Das weiß keiner so wirklich. Agnes war schon immer etwas komisch und flexibel.“, antwortete David mir, während ich seiner Schwester hinterherstarrte. Sie hatte eine sehr hübsche Model-Figur, lange blonde Haare und ein echter Männerschwarm (Beziehungsweise Heteroschwarm, denn ich stand natürlich nicht auf sie und ihre zwei Berge an vorderster Front). „Was würdet ihr an meiner Stelle tun?“, fragte ich Jasmin und David schließlich in Bezug auf Marcus. „Ich finde, du solltest den Kerl in den Wind schießen.“, meinte Jasmin. „Aber es ist offensichtlich, dass du noch Gefühle für ihn hast und noch nicht über ihn hinweg bist. Kein Wunder. Marcus hat die ein oder andere gute Eigenschaft. Sein Gerechtigkeitssinn gefällt mir!“
Vor über einem Monat: „Das neue Schuljahr wird fantastisch und ich verspreche euch allen, dass ich als neuer Direktor dieser Schule viele positive Veränderungen mitbringe.“, sagte Herr Sakamoto in seiner Ansprache zum Schulbeginn, während sich Lehrerschaft und Schüler in der Aula versammelten. „Das Schlitzaugengesicht wird hoffentlich nicht eine Teezeremonie abhalten.“, sagte Sebastian zu seinem besten Kumpel Lars, die eine Reihe vor uns saßen. „Halt die Klappe Sebastian.“, warnte Marcus ihn und sah ihn mit drohenden Augen an. „Du und deine ständigen Vorurteile gehen mir nämlich auf den Sack (Was nicht schön ist, da ich seinen Sack sehr lieb hab. Mit dem kann man(n) so viele schöne Dinge anstellen). „Marcus ist ein Prinz in einer schimmernden Rüstung.“, sagte Jasmin lächelnd zu mir und ich lächelte ebenfalls, denn ich wusste, dass Marcus mir ganz allein gehört – Er ist mein Prinz!
12. Sehnsüchte und Erinnerungen – Teil 3 Das Schöne am Herbst ist die ausgesprochene Vielfalt an Farben der herabfallenden Blätter. Ich stand unter einem großen Ahornbaum und lugte hinauf zur Baumkrone, von der aus dezente Sonnenstrahlen durchschimmerten. „Hey Nick.“, begrüßte mich Sam in der Schulpause, doch nahm ich ihn nur entfernt war, da ich mich mit meinen Gedanken in weiter Ferne befand. „Oh hey Sam.“, begrüßte ich ihn nach einer Weile ebenfalls, in der sich nur neben mich stellte und mich genauestens beobachtete. „Was ist eigentlich los mit dir?“, fragte Sam mich besorgt. „Seit einiger Zeit bist du…komisch.“ (Was Sam noch nicht wusste: Ich war schon immer komisch!) „Es geht mir gut.“, antwortete ich ihm und versuchte ihn damit auch zu beruhigen. „Das glaube ich dir nicht. Es ist wegen deinem Exfreund oder? Du hast mir erzählt was er dir angetan hat und das er dir hinterher diesen sentimentalen Brief schrieb.“, sagte Sam zu mir. „Der Brief war keineswegs sentimental.“, entgegnete ich. „Und wieso weinst du dann jetzt?“, fragte Sam mich und musterte mich genau. Er hatte Recht. Ein paar kleine Tränen kullerten meine Wangen hinab. Ich bemerkte sie gar nicht. Schnell wischte ich sie mir mit dem Handrücken weg und versuchte stark zu bleiben (Ich hasse es, das ihr mich so sehen müsst. Tut mir Leid!). „Es ist okay.“, sagte Sam zu mir und tröstete mich, indem er mir meinen Arm und meine feuchte Wange streichelte. Wieso? Wieso fällt es mir so schwer, mich von Marcus zu lösen? Lag es vielleicht daran, dass er mir bis auf diesen einen Betrug immer ein treuer Freund war? Mich immer zum Lachen brachte und sich vor keiner noch so großen Herausforderung versteckte? Er war eben meine erste große Liebe…!
Vor knapp einem Monat (Bevor diese Geschichte begann): „Ich glaube nicht, dass das erlaubt ist.“, sagte ich zu Marcus, als er mit mir nachts ins Schwimmbad ging, wo sich außer uns Beiden selbstverständlich keiner mehr aufhielt. „Seit wann bist du so ein Spießer?“, fragte mich Marcus grinsend. „Muss doch Vorteile haben, der Sohn eines Bademeisters zu sein und jederzeit Zutritt zum Schwimmbad zu haben.“ „Und wenn uns einer erwischt?“, fragte ich ihn unsicher. „Um diese Uhrzeit? Hast du etwa Angst mit mir alleine zu sein?“ Marcus grinste mich an (Herr im Himmel, danke dass du ihm dieses wunderschöne Lächeln geschenkt hast! Es ist göttlich!). „Sei kein Dummkopf. Ich könnte mir nichts Schöneres vorstellen, als mit dir alleine zu sein.“, sagte ich zu ihm, nachdem wir die Schwimmhalle betraten und uns erst einmal sicherheitshalber umschauten. „Na dann los.“, sagte Marcus weiterhin grinsend zu mir. Dann zog er sich seine Schuhe, Socken und sein Shirt aus (Awww dieser Sixpack *-*), öffnete seine Hose und zog sie runter, und als würde das noch nicht reichen, zog er sich auch noch die Boxershorts aus. Splitterfasernackt stand er vor mir, so dass ich sein bestes Stück erstmals bestaunen konnte (Und Staunen konnte ich wirklich, denn er war…ähm…hust…Hat mal jemand ein Hustenbonbon?). „Kommst du?“, fragte er mich, drehte sich um, so dass ich seinen knackigen Hintern ebenfalls bewundern konnte und rannte daraufhin zum Becken, in das er mit einem Hechtsprung reinsprang. Ich wollte ihn nicht lange zappeln lassen und entblößte mich ebenfalls. Bei meiner Boxershorts hielt ich kurz inne, obwohl ich sonst eigentlich immer ein sehr selbstsicherer Typ war. Letztendlich zog ich sie mir aber ebenfalls herunter und folgte meinem Freund ins Wasser. „Du hast mir deinen besten Freund ja noch gar nicht vorgestellt.“, sagte Marcus zu mir im Wasser, während er sich mir ganz langsam näherte. Ich war kurz verwirrt, denn David kannte er doch. Bis der Groschen fiel und mir klar wurde, dass er meinen anderen besten Freund meinte (Der Anhängliche). „Du zitterst ja.“, sagte Marcus überrascht. „Das Wasser ist etwas kalt“, erklärte ich ihm, „aber es geht schon.“ Marcus lächelte mich sanft an und legte im Wasser seine Arme um meine Hüfte. Dann zog er mich an sich, so dass sich unsere Körper im Wasser berührten. Er schaute mir tief in die Augen und küsste mich anschließend, während das helle Mondlicht durch die Glasfenster der Schwimmhalle fiel. Es fühlte sich ungewohnt an, einem anderen menschlichen Körper im Wasser so nahe zu sein, doch Marcus nahm mir jede Sorge, jede Angst und jedes Gefühl von Kälte. Ich fand meinen Mut wieder und legte meine Arme ebenfalls um ihn. Nach einer kurzen Zeit, ließ ich meine rechte Hand ein wenig sinken und griff nach seinem strammen Hintern (Ich konnte einfach nicht widerstehen). Wir küssten uns weiterhin – auch mit Zunge. Ich lehnte mich an den Beckenrand und freute mich bereits auf das, was nun gleich kommen würde. Marcus schien meine Gedanken zu lesen, denn kurz darauf spürte ich seine Hand an meinem Genital. Es fühlte sich so befriedigend an. Ich legte meine Hand flach auf seine Brust und küsste seinen Hals. Marcus flüsterte mir ins Ohr, dass ich mich umdrehen soll und dies tat ich dann auch. Ich spürte wie er tief in mich eindrang und unsere Verbundenheit besiegelte. Was folgte war die aufregendste und schönste Nacht meines Lebens.
Ich griff mir ans Herz und schob Marcus kurz vor dem Nachhause gehen zur Seite. „Dein Brief hat mich sehr berührt.“, sagte ich zu ihm. Marcus guckte vor Scharm zu Boden. „Die paar Wörter?“ Ich sagte den Brief laut auf, dessen Wörter sich in meinen Kopf gebrannt hatten: „Lieber Nick. Für das was ich dir sagen möchte, gibt es keine Worte. Doch sollst du wissen, dass egal wie sehr du mich im Moment auch hasst, weil ich dich so verletzt hab, dass ich immer für dich da sein werde. Du bist der Halt in meinem Leben. Ohne dich ist ein Tag nur halb so schön, denn wenn ich bei dir bin, dann empfinde ich pure Lebensfreude. Ich liebe dich so unbeschreiblich sehr und schäme mich für das was ich dir angetan hab. Es tut mir Leid! Ich wünsch dir trotzdem alles Liebe zum Geburtstag. Marcus.“ „Jedes Wort davon mein ich ernst.“, sagte Marcus und guckte traurig zu Boden. „Ich kann nicht mit dir zusammen sein.“, sagte ich schließlich zu ihm. „Nicht momentan, aber ich danke dir von Herzen und hoffe, dass du uns so schnell nicht aufgibst.“ „Niemals.“, sagte Marcus und lächelte mich nun leicht an, was ich erwiderte.
13. Ein Tag im Zirkus – Teil 1 Die wunderschöne Herbstsonne schien durch die Fenster des Klassenzimmers und schimmerte auf mein Herbstbild, das ich gerade im Kunstunterricht von Frau Augustine fertiggestellt habe. Ich meldete mich, damit Frau Augustine sich mein Bild ansehen und bewerten konnte. „Das sieht wirklich sehr schön aus Dominik.“, lobte sie mich (ausnahmsweise mal). „Du hast die Farben Rot, Gelb und Braun sehr schön miteinander kombiniert und einen Herbstzauber hervorgebracht. Sehr gut, weiter so!“ Ich lächelte zufrieden und schaute zur Seite, auf die Zeichnung die David bewerkstelligte. „David, was soll das denn sein?“, fragte Frau Augustine meinen besten Freund. „Erkennen sie das nicht? Das ist ein Drache der in den Himmel steigt.“, erklärte David ihr. Ich musste grinsen und bekam ein Déjà-vu, da Frau Augustine erst neulich meine Zeichnung eines Adlers nicht erkannte. „Das sieht ja grauenvoll aus. Mach das bitte noch einmal.“, sagte sie zu David. Jasmin drehte sich zu uns um und kippte mit ihrem Stuhl nach hinten. Sie begutachte Davids Zeichnung und musste sich das Lachen verkneifen. David warf ihr einen bösen Blick zu und verbot ihr zu sagen, was sie soeben dachte. In der Zwischenzeit schaute ich eine Bankreihe weiter, an der nun Sam saß und lächelte ihm zu. Er erwiderte mein Lächeln mit einer dümmlich aussehenden Grimasse und ich fing an zu lachen. „Habt ihr dieses Wochenende schon was vor?“, fragte Sam mich, David und Jasmin in der Schulpause. „Wenn nicht, dann würde ich euch gerne zu uns in den Zirkus einladen.“ „Danke, haben wir schon gesehen.“, sagte David. „Nicht in die Vorstellung! Backstage! Ihr lernt meine Familie kennen, dürft zu den Tieren und wer weiß, vielleicht gibt Sofia euch eine magische Privatvorstellung.“, erklärte Sam uns und sofort war ich hellauf begeistert von dieser Idee und nahm die Einladung dankend an. „Wir kommen gerne, das wird sicher lustig.“, sagte Jasmin lächelnd.
Der Samstag war graubewölkt und es schien fast so, als könnte es jederzeit zum Regnen anfangen. Als wir am Zirkusgelände ankamen, entdeckte ich Sam, der bereits auf uns wartete. Mit einer Umarmung begrüßte er mich erfreut (Sein warmer Körper fühlte sich so einladend an…) „Folgt mir einfach, dann müsst ihr auch keine Angst haben, das Lola euch aufisst.“, scherzte er. Sam brachte uns in den Bereich, der für Zuschauer strengstens verboten war. Männer und Frauen liefen umher, um die letzten Vorbereitungen für die Abendvorstellung zu treffen. „Ospiti Indesiderati?“, sagte jemand von der Seite, doch verstand ich nicht was er sagte. Allerdings bekam ich ein mulmiges Gefühl im Magen und griff nach dem Amulett in meiner Hosentasche. „Das sind meine Gäste Filippo.“, erklärte Sam ihm. Ich war überrascht, denn beinahe hätte ich den Clown gar nicht wieder erkannt. Er trug ganz normale Straßenkleidung, keine roten Knollennase und Perücke, und ungeschminkt war er zudem auch. Allerdings schien er leichte rote Wangen zu haben und wankte hin und her. Ob er betrunken war? Filippo marschierte wieder davon und Sam erklärte uns, dass Filippo zwar Deutsch verstand, aber keins sprechen konnte (oder wollte?). Sam führte uns zu den Tiergehegen, da er glaubte, dass uns dies am Meisten gefallen dürfte – und er hatte absolut Recht! Es war ein überwältigendes Gefühl, den Elefanten so nahe zu sein, oder ein Zebra zu streicheln. „Wenn ihr wollt, dürft ihr mir bei der Fütterung helfen.“, sagte eine Stimme hinter uns, und als ich mich umdrehte, erblickte ich Sams große Schwester Alice. Jasmin war sofort Feuer und Flamme und half Alice bei der Fütterung der Zebras, während ich Sam bei der Fütterung der Kamele behilflich war. David indessen, hielt sich ein wenig ängstlich zurück. „Du musst keine Angst haben Kleiner, die Tiere sind handzahm.“, sagte Sams großer Bruder Diego, als er dazu trat, um nach dem Rechten zu sehen. In Davids Augen konnte ich Empörung sehen, als er als Kleiner betitelt wurde. Diesen Spitznamen hört er so gar nicht gern! „David hat so ziemlich vor allem und jedem Angst.“, erklärte Jasmin Diego und lächelte ihn erfreut an. „Hallo ich bin Jasmin, freut mich sehr dich kennenzulernen.“ Nanu, was ist denn in die gefahren? So förmlich benimmt sie sich doch sonst nicht und wie ihre Augen strahlen… (Ist das eine Frauenkrankheit?). „Dein Oberteil.“, sagte Diego und Jasmin starrte ihn verdutzt an. „Dein Oberteil.“, wiederholte sich Diego und grinste schelmisch. „Wenn du nicht aufpasst, dann isst das Zebra es dir weg.“ Erschrocken drehte sich Jasmin um. Eins der Zebras fing an, an Jasmins Oberteil rumzukauen, ohne dass sie etwas davon bemerkte. Vor lauter Schreck fiel sie rücklings ins Heu und wurde rot im Gesicht. Diego grinste sie weiterhin an, reichte ihr aber eine Hand und half ihr wieder auf die Beine. „Wie peinlich.“, sagte David schadenfroh zu Jasmin, um sie zu ärgern. „Klappe Angsthase.“, erwiderte Jasmin nun wütend, doch musste sie nach kurzer Zeit ebenfalls wie wir alle anderen zu lachen anfangen. Meine gute Laune wurde jäh unterbrochen, als ich sah, wie uns ein Mann aus der Entfernung anstarrte. Ich erkannte in ihm den Dompteur Maurice wieder. Er trug graues Haar und schaute uns mürrisch an. Zudem entdeckte ich eine lange Narbe, die seine linke Gesichtshälfte kennzeichnete. Aus irgendeinem Grund, bereitete er mir eine Gänsehaut am Rücken (Na toll. Mutiere ich zu so einem Schisser wie mein kleiner Freund David? Bitte nicht!). Als Maurice wieder davonging, berichtete ich Sam von ihm. „Mach dir um den keine Gedanken.“, meinte Sam zu mir. „Der schaut immer so mürrisch und redet auch sonst mit niemanden ein Wort.“ „Woher hat er diese lange Narbe im Gesicht?“, fragte ich Sam neugierig. „Es gab vor etwa zwei Jahren einen Zwischenfall. Ein Tiger geriet während einer Vorstellung außer Kontrolle. Maurice versuchte ihm mithilfe seiner Peitsche in den Käfig zu locken, als dieser ihn mit seinen scharfen Krallen anfiel und sein Gesicht aufschlitzte. Es war grauenvoll sag ich dir. Der Tiger musste schließlich mit einem Betäubungspfeil ruhig gestellt werden und Maurice wurde sofort ins örtliche Krankenhaus eingeliefert. Seitdem trägt er diese Narbe und ohne es böse zu meinen… sie steht ihm sogar!“ Mir blieb der Mund offen stehen, nachdem Sam mir diese Geschichte erzählte und ich musste an einen alten Zeitungsartikel zurückdenken, den ich vor über einem Jahr las. Darin ging es um eine skrupellose Tierschützer-Organisation namens „Animal Welfare“, die alles dafür taten um Tiere ihre Freiheit zurückzugeben. Vielleicht waren ihre Methoden rechtswidrig, aber mit einem hatten sie wahrscheinlich Recht: Tiere gehören nicht in Gefangenschaft!
14. Ein Tag im Zirkus – Teil 2 „Darf ich vorstellen.“, sagte Sam, als wir alle gemeinsam den Wohnwagen der Familie Colei betraten. „Das ist mein starker Dad und meine liebevolle Mum.“ Mir fuhr ein Lächeln übers Gesicht, als mir Sam voller Stolz seine Eltern vorstellte. Er schien sie sehr zu lieben. „Kommt herein.“, bat uns Herr Colei freundlich. „Sam hat uns schon erzählt, dass ihr uns besuchen kommt.“ „Und das Essen ist auch gleich fertig!“, rief Sams Mutter uns aus der Küche zu. „Ist es hier nicht ein wenig eng zum Speisen?“, fragte David verwirrt und guckte sich wie ich und Jasmin im Wohnwagen um, das mit jede Mengen bunten Tüchern, winzigen Tierskulpturen und unterschiedlichen Zirkusutensilien ausgestattet war. „Ob du es glaubst oder nicht, aber wir haben hier sogar ein Donnerbalken.“, erwiderte Herr Colei lächelnd. „Ein was?“, fragte nun Jasmin, während Sam und Diego schelmisch grinsten. „Das ist ein Klo.“, erklärte David Jasmin, der dieses Wort mal aus einem Buch aufschnappte. „Setzt euch bitte. Es gibt Linseneintopf. Tut mir Leid, aber was anderes kann ich euch heute nicht anbieten.“, sagte Frau Colei, was für uns aber völlig in Ordnung war. Die Gastfreundschaft der Coleis ließ nicht zu wünschen übrig und es war eine sehr gesellige Runde. David löcherte Herr Colei aus, wie lange sie für diese Akrobatik-Nummern geübt haben, bis sie es einwandfrei konnten. Jasmin unterhielt sich mit Alice angeregt über die neuste Mode, doch waren ihre Augen ganz auf Diego gerichtet (Wenn sie ihn weiterhin so anstarrt, dann würde sie ihn mit ihren Augen förmlich aufsaugen und er würde im Donnerbalken wieder erscheinen…). In der Zwischenzeit berichtete ich Sam und seiner Mutter von dem Zeitungsartikel den ich las und was sie zu dem Thema „Tiere in Gefangenschaft“ hielten. „Zu einem Zirkus gehören nun aber einmal Tiere.“, erklärte Sam mir und allein dieser Einwand klang eigentlich schon logisch. „Der Streitpunkt, ob Tiere in Käfigen und Gehege gehalten werden dürfen, kommt immer wieder aufs Neue auf.“, sagte Frau Colei zu mir. „Laut Gesetz ist es noch erlaubt.“ „Ja, aber ist dies auch Tieren zumutbar?“, fragte ich. „Verstehen sie mich bitte nicht falsch. Ich bin auch der Meinung, dass zu einem Zirkus auch gute Tiereinlagen gehören, aber mir tun die Tiere auch leid, weil sie hinterher wieder in ihre Käfige oder Gehege zurückmüssen.“ „Wir sorgen sehr gut für unsere Tiere.“, meinte Alice, die unsere Unterhaltung von der Seite aus mitbekam. „Kein Mensch wird gezwungen einen Zirkus zu besuchen.“ Offenbar traf ich einen wunden Punkt bei Alice, die mich nun mit ganz anderen Augen ansah als bisher. Ich blickte zu Sam, der mir jedoch auswich und zum Boden starrte. „Dominik hat das bestimmt nicht abwertend oder böse gemeint Alice.“, verteidigte Herr Colei mich netterweise. „Ich lebe in diesem Zirkus seitdem ich denken kann, ich liebe die Tiere und ich hab mich immer sehr gut um sie gekümmert.“, sagte Alice selbstbewusst. „Es ist meine Aufgabe für die Tiere zu sorgen und ihnen die Schmerzen zu lindern, sollten sie welche bekommen.“ „D-Du meinst sie einschl-läfern?“, harkte David leicht ängstlich nach. „Wir sollten uns jetzt erst einmal alle wieder etwas beruhigen.“, meinte Frau Colei sanftmütig. „Wir schläfern die Tiere nur im äußersten Notfall ein und sind bestimmt nicht so abgedreht wie diese Tierschützer-Organisation, die Käfigtiere einschläferten, um sie aus der Gefangenschaft zu befreien.“ „Du redest von diesem „Animal Welfare“-Typen?“, fragte Herr Colei seine Frau und sah sie skeptisch an. Ich hielt mich inzwischen dezent zurück und lauschte dem Ganzen. „Genau.“, antwortete Frau Colei ihrem Mann. „Erinnerst du dich an diesen einen Mann der vor über einem Jahr hier war? Der war auch von dieser Organisation und fragte uns, ob wir nicht Interesse daran hätten, ihnen beizutreten und ihnen zu helfen. „Stimmt, da war was.“, erinnerte sich Herr Colei. „War das nicht ein Doktor oder so was in der Art?“ Auf einmal sprang die Tür des Wohnwagens auf und Zirkusdirektor Giovanni Graziano stürmte herein. „Antonio, Elena, ihr müsst schnell mit mir kommen, bitte!“, flehte er die Beiden an. „Was ist denn passiert Giovanni?“, fragte Herr Colei verwirrt. „Es ist wegen Filippo. Er hat sich in seinem Wohnwagen eingesperrt und möchte nicht mehr herauskommen!“, erklärte Giovanni ihm. „In einer Stunde beginnt die Vorstellung und auf euch Beiden hört er als Einziger. Bitte helft mir!“ Natürlich halfen Sams Eltern ihm und zusammen rannten wir alle zu Filippos Wohnwagen, dessen Tür von innen abgeschlossen war. „Filippo komm sofort raus!“, rief Herr Colei eindringlich. „No!“, kam als Antwort zurück und wenn mich nicht alles täuschte, dann war der Clown hacke dicht! „Ist er betrunken?“, fragte Herr Colei Giovanni, der lediglich mit den Schultern zuckte. „Filippo komm bitte heraus.“, bat Frau Colei ihn freundlich. „Wir können doch über alles reden.“ „Non riesco a uscire.“, sagte Filippo. „Was hat er gesagt?“, fragte Jasmin Diego. „Das er nicht rauskommt.“, antwortete er ihr und ich beobachte Jasmin mit Interesse, wie sie Diego verliebte Blicke zuwarf und dieser es gar nicht wahrnahm. „Das ist eine Katastrophe!“, rief Giovanni und sein Gesicht war fuchsteufelswild. „Filippo ist unser einziger Clown und wenn er nicht herauskommt, gehen wir in die Geschichte ein, als der einzige Zirkus ohne Clown.“ „Wieso möchtest du nicht rauskommen?“, fragte Frau Colei Filippo durch die Wohnwagentür hindurch und gab nicht auf. „Sono un pagliaccio schifoso.“, schluchzte Filippo, der offensichtlich weinte (Ich komm mir hier langsam wie in einer schlechten Vorabend-Telenovela vor). Jasmin blickte Diego fragend an und dieser übersetzte kurz und bündig: „Er findet sich mies.“ „Filippo du bist nicht mies, du bist ein sehr lustiger Clown!“, rief Herr Colei ihm zu, doch in seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass er ihn alles andere als gut fand und ihm nur was vorlog. „Vaffanculo!“, schrie Filippo und Herr Colei trat einen Schritt zurück. „Was hat er gesagt?“, fragte Jasmin erneut. „Ähm…, das wir gehen sollen.“, antwortete Diego ihr unsicher und log, denn Sam flüsterte mir die wahre Bedeutung des Wortes ins Ohr und mir verschlug es die Sprache (So ein böser Clown). „Der ist weder lustig noch zum Fürchten, der ist einfach nur peinlich.“, sagte David. „Wenigstens kann er dann nicht dieser Raubmörder mit Clown-Maske sein.“, erwiderte ich lachend.
15. Ein Tag im Zirkus – Teil 3 „Wovon redet ihr?“, fragte Sam mich und während ich ihm alles über die aktuellen Raubmorde erzählte, stritten sich Herr Colei und der Zirkusdirektor über die aktuelle Situation. „Bringen sie das in Ordnung Antonio!“, rief Giovanni. „Ich muss die Vorstellung vorbereiten. Alice, was machst du noch hier? Scher dich raus zur Kasse! Die ersten Zuschauer treffen bereits ein.“ Alice warf Giovanni einen bösen Blick zu, ging aber ohne ein Wort der Widerrede hinaus. „Was machen wir jetzt ohne Clown?“, fragte Diego seinen Vater. „Die Vorstellung absagen?“, scherzte Herr Colei. „Wir müssen natürlich einen Ersatz finden!“ „Ja, weil hier auch so massig viele lustige oder unlustige Gestalten rumlaufen.“, erwiderte Diego. Jasmin schaute zu Herr Colei, dann zu Diego und zuletzt schließlich zu… „Ich weiß jemanden!“, sagte sie laut und jedermann drehte sich zu ihr um. „Du kennst jemand, der einen Clown spielen könnte?“, fragte Diego sie hoffnungsvoll. „J-Jaaa vielleicht.“, antwortete Jasmin unsicher und ich fragte mich, was sie vorhatte. „David! David könnte ich mir sehr gut als Zirkusclown vorstellen.“ Alle Blicke richteten sich nun auf David, der klein und unschuldig dastand und Jasmin mit entsetzen Augen anstarrte. „Hast du noch alle Tassen im Schrank? Wie kommst du auf so eine bescheuerte Idee?!“, fragte er sie außer sich. „Bescheuerte Idee? Sieh dich doch mal an, du bist… klein, süß und auch unfreiwillig lustig.“, erklärte Jasmin ihm und ich wusste, dass dies David im Innersten kränkte, was sie da soeben sagte. „Und was ist mit dir?“, fragte David Jasmin, die ihn verdutzt ansah. „Du bist doch der größte Tollpatsch weit und breit. Erinnere dich nur mal an das Zebra von vorhin. Da haben wir alle gelacht.“ „D-Das spielt doch jetzt überhaupt keine Rolle.“, versuchte sich Jasmin aus ihrer misslichen Lage zu befreien und wurde plötzlich wieder kleinlaut, während ich nur grinsen konnte. „Ich find die Idee gut.“, meinte Herr Colei plötzlich. „Wir haben drei Clown-Kostüme, dann könnt ihr alle Drei zusammen auftreten.“ Mit einem Mal verschwand das Grinsen aus meinem Gesicht. Sam sah mich schmunzelnd an und ich verdrehte die Augen, doch konnte ich schlecht nein sagen.
„Kommen wir nun zu unserem einmaligen und bei uns noch nie dagewesen Clown-Trio!“, rief Giovanni Graziano am Abend der Vorstellung durch die Manege und ich spürte, wie sich meine Beine nur noch wie Pudding anfühlten. David, Jasmin und ich sahen so lächerlich in den Clown-Kostümen aus, aber so konnte uns wenigstens keiner darin erkennen, falls im Publikum jemand saß, den wir kannten. Jasmin betrat mit erhobenem Lächeln als Erste die Manege (Sie tat dies bestimmt nur Diego zuliebe), gefolgt von David, der ängstlich auf der Bärin Lola saß. Kurz bevor wir rausmarschierten, erklärte Alice ihm, dass Lola ein ganz sanfter Bär ist. Ich zitiere: „Lola beißt nicht, die will nur spielen!“ Den Abschluss bildete ich und hätte mir am Morgen noch irgendjemand gesagt, ich würde heute als Clown enden, den hätte ich ausgelacht. Als ich die Manege betrat, musste ich mehrmals blinzeln, so grell war es hier. Die Lichter der Scheinwerfer waren nun auf uns gerichtet und das Publikum wartete gespannt ab, was passieren würde. Ich tat es Filippo schließlich gleich und bewarf kleine Kinder mit Konfetti. Unterdessen versuchte David von Lola abzusteigen, doch stellte er sich dabei so dämlich an, dass er auf seinem Hintern landete und das Publikum unfreiwillig zum Lachen brachte. Jasmin lief aufgeregt in der Manege umher und mit jedem Schritt, quietschten ihre Schuhe, die ihr viel zu lang waren. Es kam wie es kommen musste: Jasmin stolperte und fiel vorneweg hin. Lola nutzte die Gelegenheit und kaute an ihrem Kostüm herum. Ich musste mir das Lachen verkneifen, denn dies war nun schon das zweite Mal, dass sich Jasmin in so einer Lage befand. „Hörst du wohl auf, an mir rumzukauen!“, schimpfte Jasmin den Bären. Ich versuchte Jasmin aus ihrer misslichen Lage zu befreien und wollte Lola von ihr wegzerren. Es gelang mir nicht und ich fiel ebenfalls versehentlich zu Boden. Zu meinem Bedauern, setzte sich Lola auch noch auf mich und das Publikum war völlig aus dem Häuschen. „Du machst eine gute Figur unter dem Bären.“, meinte David und lachte mich aus. „Hör auf zu lachen und hilf mir lieber.“, bat ich ihn verärgert. David lockte Lola schließlich mit ein wenig Honig von mir weg und während ich mich wieder aufraffte, hörte ich es laut Platschen. Ich drehte mich um und sah Jasmin klatschnass in ihrem Clown-Kostüm dastehen. Das Publikum klatschte begeistert und während ich mich ein wenig im Zirkuszelt umsah, entdeckte ich meinen Schuldirektor Herr Sakamoto in Begleitung eines… anderen Mannes?! Verblüfft starrte ich zu ihm hinauf, doch als dieser meinen Blick erwiderte, schaute ich schnell weg und folgte den Anderen wieder aus der Manege hinaus. „Fantastico!“, lobte Giovanni uns. „Ihr habt die Vorstellung gerettet. Ihr wart einmalig!“ „Wirklich eine urkomische Aufführung.“, sagte Sam zu mir und grinste mich an, während er wieder in seinem hautengen Anzug vor mir stand und sich auf seinen Auftritt vorbereitete. „Hast du mal Lust mit mir auszugehen?“ Es kam über mich, ehe ich darüber nachdachte, was ich soeben von mir gab (Doch bereue ich es nicht). Sam grinste mich überrascht an und antwortete: „Na endlich! Dachte schon, du frägst mich nie.“ Danach stand der Auftritt der Akrobaten auf dem Plan und Sam ritt zusammen mit seiner Familie auf Pferden in die Manege. Ich schaute mich um. David und Jasmin waren verschwunden. Bestimmt sind sie schon einmal vorgegangen, um sich von den Strapazen zu erholen. Ich ging ebenfalls und kam in einen dunklen Teil des Zeltes. Es war sehr still hier und in der Ferne hörte man das Applaudieren des Publikums. Ich fühlte mich auf einmal verloren und spürte, dass etwas Böses auf mich zukam. „Ganz alleine unterwegs?“, fragte mich eine weibliche und erotische Stimme. Giovannis Frau Sofia trat aus der Dunkelheit in einen kleinen Lichtstrahl, der durch einen Zeltschlitz drang. „I-Ich suche meine Freunde.“, erklärte ich ihr etwas scheu (Ich mutier zu David und hab jetzt sogar Schiss vor einer Frau… wie peinlich ich doch bin!). „Dann solltest du schnell zu ihnen.“, sagte Sofia zu mir. „Du wirst deine Freunde noch brauchen.“ „Brauchen?“, fragte ich verwirrt. Sofia lächelte mich geheimnisvoll an und ich bekam es mit der Angst zu tun. Dann schnippte sie mit ihren Fingern und das Licht sprang an. Ohne ein weiteres Wort marschierte ich schnell davon. Inzwischen hat es draußen angefangen zu regnen und als ich zu dem Wohnwagen marschierte, in dem wir uns umzogen und schminkten, kam ich an Wohnwagen des blinden Messerwerfers vorbei. Lorenzo trat aus der Tür und bestritt vorsichtig den Weg zum Zirkuszelt. Doch ehe er seine Tür wieder schloss, konnte ich einen kurzen Blick auf das Innere seines Wohnwagens erhaschen. Ich schluckte und mir rutschte das Herz in die Hose – In einer Ecke des Wohnwagens lag eine Clown-Maske!
16. Familienverhältnisse – Teil 1 Dass im Wohnwagen des blinden Messerwerfers Lorenzo eine Clown-Maske lag, behielt ich erst einmal für mich. Schließlich konnte dies nur ein Zufall sein, da Lorenzo in einem Zirkus arbeitet. Ich wollte niemanden zu Unrecht beschuldigen und noch weniger wollte ich für Aufruhr sorgen, was angesichts der Tatsache, dass David schon wieder durchdrehte, nicht sonderlich schwer war. „Ich will nicht.“, sagte David zu mir inzwischen schon zum Fünften Mal und ich verdrehte die Augen. „Jetzt benimm dich doch nicht wie ein kleines aufmüpfiges Kind.“, erwiderte ich sichtlich genervt. „Ich bin nicht klein!“, entgegnete David wütend, doch entschuldigte ich mich nicht dafür. Stattdessen drückte ich die Klingel des Hauses, in dem Jasmin wohnte. Es war allerdings nicht Jasmin die uns die Tür öffnete, sondern ihr Vater. Leopold Blum (oder auch kurz Leo, wie ihn meine Mutter immer nennt) war Witwer und von Beruf ein angesehener Polizist dieser Stadt. Er hatte eine beachtliche Statur für sein Alter, was in seinem Beruf auch notwendig sein dürfte. Seine grauen Haare, die sein braunes Haar langsam verdeckten, zeigten aber sein wahres Alter und auch die ersten Falten im Gesicht waren schon deutlich zu erkennen. „Wenn das mal nicht meine zukünftigen Lieblingssträflinge sind.“, begrüßte uns Herr Blum auf seine ganz besondere Art und Weise (Er denkt, dass wir noch eine Bank ausrauben, oder dergleichen). „Wir freuen uns auch sie zu sehen.“, erwiderte ich sarkastisch. „I-Ich nicht.“, stotterte David ängstlich, aber zugleich auch mutig. Herr Blum sah David mit herablassenden Blick an und sagte: „Pass auf was du sagst. Ich muss nur meine Handschellen holen gehen, dann kann ich dich im Polizeiauto abführen lassen.“ „Dad!“, rief Jasmin entrüstet, als sie den Eingangsbereich betrat. „Würdest du bitte aufhören, meinen Freunden Angst einzujagen und sie einfach nur hereinbeten.“ „Klar Prinzessin.“, sagte Herr Blum und nannte sie bei ihrem Spitznamen. „Kommt rein Jungs!“ Gemächlich schritt ich zur Tür herein, während David sich noch nicht so recht traute. „Jetzt komm schon David.“, sagte Herr Blum. „Ich beiße nicht und treib doch nur Schabernack mit euch.“ Das Telefon klingelte und Herr Blum nahm ab. Inzwischen begrüßte ich Jasmin: „Alles liebe und gute zum Geburtstag.“ Ich überreichte Jasmin mein Geschenk, ein neues Parfüm, das sie mir erst kürzlich voller Freude in einem Katalog zeigte. „Oh Dankeschön Nick.“, erwiderte Jasmin überglücklich und umarmte mich. „Ich hab auch etwas für dich.“, sagte David und überreichte Jasmin sein Geschenk. Darin befand sich ein Schal, eine Mütze und ein paar Handschuhe. „Der Winter kann also kommen!“ „Danke dir.“ Jasmin umarmte auch David, wofür sie sich allerdings ein wenig runterbeugen musste. Als Herr Blum sein Telefonat beendete und ein fragwürdiges Gesicht zog, fragte Jasmin ihn: „Ist alles in Ordnung Daddy? Du siehst besorgt aus.“ „Es gab letzte Nacht wohl wieder einen Raubüberfall, aber meine Kollegen kümmern sich drum. Heute bin ich nur für dich da Prinzessin.“, erklärte Herr Blum und gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn. Schon wieder ein Raubüberfall…allmählich artete das ganz schön aus. „Wenn ihr wollt, könnt ihr noch ein wenig hochgehen. Wenn die nächsten Gäste kommen, rufe ich.“ Jasmin lächelte ihren Vater überglücklich an und stieg die Treppenstufen zum ersten Stock hinauf. Ich folgte ihr bereitwillig, während David uns nur zögernd folgte (Herr Blum warf ihm allerdings so einen bedrohlichen Blick zu, dass er von ganz alleine seine Beine in die Hand nahm). „Bevor wir Jasmins Zimmer betraten, fragte David von hinten: „Ist Goliath auch da?“ „Natürlich ist er da. Wo sollte er sonst sein?!“, antwortete sie ihm verständnislos und ich hörte David schlucken (Ich freute mich bereits auf das was gleich kommt und grinste). Wir betraten Jasmins Zimmer, das in den Farben Pink und Weiß eingerichtet war. Ohne jeden Zweifel war dies ein Mädchen- beziehungsweise ein Prinzessinnenzimmer (oder das Zimmer eines sehr offenlebenden Schwulen). Auf einer Kommode neben dem Fenster stand ein kleiner Käfig und als David das Zimmer betrat, bewegte sich etwas darin und wollte raus. „Ganz ruhig Goliath.“, versuchte Jasmin ihren Hamster zu beruhigen. „Der böse kleine David tut dir doch nichts.“ „Ich und böse?!“, schrie David entsetzt auf. „Dein Hamster hätte mich beinahe umgebracht!“ „Das hat er doch nicht böse gemeint, außerdem ist das Monate her.“, rechtfertigte sich Jasmin. „Lass ihn bloß nicht raus.“, warnte David sie. Ich denke es ist an der Zeit, dass ich euch eine kleine Geschichte erzähle. Es war im Frühling dieses Jahres. Die ersten Sonnenstrahlen vertrieben den trüben Winter und es wurde wieder wärmer draußen. David und ich waren zu Besuch bei Jasmin und spielten im Garten Kricket. Da der ganze Garten von einem kleinen Gitterzaun umgeben war, ließ Jasmin ihren Hamster Goliath frei im Garten herumlaufen. Es sah wirklich süß aus, wie Goliath aus Spaß durch die einzelnen Tore rannte, als würde er an einem Rennen teilnehmen. David fand das allerdings gar nicht lustig, da er Angst hatte, er würde versehentlich auf den Hamster drauftreten. Beinahe wäre dies auch passiert, als Goliath hinter David vorbeikroch. Dieser erschrak so, dass er sein Gleichgewicht verlor und in den Brennnesselbusch des Gartens plumpste (Davids Schrei hallt mir noch heute in den Ohren nach). Seit jenem Tag hegt David eine große Abneigung gegen Jasmins Hamster, was immer wieder zu Reibereien in ihrer Freundschaft führt (Wobei sie sich auch so gerne streiten). Während Jasmin ihren Finger durch den Käfig steckte und mit Goliath spielte, hielt David sich auf Abstand und ich begutachtete ein Bild, dass auf dem Nachtkästchen neben dem Bett stand. Auf dem Bild war eine Frau zu sehen, der Jasmin wie aus dem Gesicht geschnitten war. „Wie lange ist das mit deiner Mutter nun her?“, fragte ich Jasmin. Jasmin zog ihren Finger aus dem Käfig, nahm das Bild zur Hand und begutachtete es ebenfalls. „Fast sieben Jahre inzwischen.“, antwortete sie mir. „Es war kurz nach meinem 10.Geburtstag. Die Ärzte konnten nichts mehr für sie tun. Der Krebs war schon zu fortgeschritten…“ Jasmin drückte sich das Bild an die Brust, als würde sie damit ihre Mutter umarmen. Inzwischen näherte sich auch David uns und blickte unsere Freundin traurig und mitfühlend an. „Immerhin bist du nicht allein.“, sagte David lächelnd. „Du hast deinen Vater, uns… und Goliath.“ Jasmin lächelte ihm dankend zu, dann schrie Herr Blum von unten herauf, dass Gäste eingetroffen waren. Als wir nach unten marschierten, standen in im Eingangsbereich Sam und sein Bruder Diego.
17. Familienverhältnisse – Teil 2 Die Überraschung war mir im Gesicht abzulesen. Mit Sam und Diego hatte ich hier keineswegs gerechnet. Ich stand noch auf der Treppe und Sam lächelte zu mir herauf, als er mich sah. Ich erwiderte das Lächeln, während Jasmin ihn und Diego ganz herzlich begrüßte. „Was machen die Beiden denn hier?“, fragte ich Jasmin später bei Kaffee und Kuchen. „Tu nicht so als würdest du dich nicht freuen, dass Sam hier ist. Ich sehe doch, wie ihr euch immer gegenseitig anschmachtet.“, sagte Jasmin zu mir. „Tu ich gar nicht!“, erwiderte ich empört (Jasmin die doofe Gans -.-). „Leugne es von mir aus. Was mich angeht, so hab ich ein Auge auf Diego geworfen. Es hätte seltsam ausgesehen, wenn ich ihn alleine eingeladen hätte, wo Sam doch in unsere Klasse geht.“, erklärte Jasmin mir und das klang auch durchaus verständlich. Meine Augen wanderten einen Stuhl weiter, zu David, dessen Augen auf Diego gerichtet waren. Misstrauisch begutachtete er ihn von unten bis oben, als würde er ihn auf die Probe stellen. Nichtsdestotrotz wurde Jasmins Geburtstagsfeier sehr schön und wir hatten alle viel Spaß. Vor allem freute es mich aber, dass wir Jasmin ein Lächeln ins Gesicht zaubern konnten und wir ihr somit ihre Sehnsucht nach ihrer Mutter ein wenig nehmen konnten.
Drei Tage später befand ich mich mit meiner Mutter auf einer Shopping-Tour im neuen Kaufhaus. Davor besuchten wir aber noch meinen Vater an seinem neuen Arbeitsplatz (im Affengehege… Spaß!). Sein Vorstellungsgespräch lief gegen meine Erwartungen damals optimal und er erhielt die Stelle in unserer örtlichen Bank. Es war zwar nur eine kleine Stelle, aber es reichte aus, um unsere Familie über Wasser zu halten. Irgendwie fände ich es nämlich nicht so schön, irgendwann unter einer Brücke übernächtigen zu müssen (Grausame Vorstellung). Wir gingen zu einem Schalter, hinter dem ein Mann in Anzug und Krawatte saß. Er dürfte nicht sehr viel älter als mein Vater sein. Auf seinem Namensschild stand: Henry Forster. „Guten Tag.“, begrüßte meine Mutter ihn freundlich. „Ich würde gerne kurz mit meinem Mann sprechen – Bernd Rottbach.“ Herr Forster war so nett, meinen Vater zu holen und kurz darauf befanden sich meine Eltern in einer ihrer langwierigen Diskussionen. Mir dauerte das zu lange und langweilte mich, also beschloss ich nach draußen zu gehen und dort zu warten. Ein stechendes Gefühl packte mich. Ich fasste mir mit der Hand an die Brust und umklammerte das Amulett, das inzwischen um meinen Hals hing. Ich fühlte mich eigenartig und in einem unachtsamen Moment rannte ich in die nächstbeste Person rein. „Pass doch auf du Tölpel!“, schrie mich eine mir vertraute Stimme an und als ich aufsah, erkannte ich zu meinem Leidwesen, dass ich soeben in Sebastian reingerannt bin. „Ach nee, die Tucke.“, sagte Sebastian, als er mich erkannte. „Was machst du denn in einer Bank? Ich dachte du und deine Familie kommen aus der Gosse.“ (Kopfkino: Meine Faust ballt und ihm mit voller Wucht einen Schlag auf die Nase gebe!) Ich musste mich sehr zusammenreißen, dass ich nicht ausfallend wurde. „Du kannst mich meinetwegen so viel beleidigen wie du möchtest Sebastian, aber solltest du noch einmal etwas gegen meine Familie sagen, dann setzt es was!“, drohte ich ihm. „Aha, machen wir nun auf großen Macker was?“, fragte mich Sebastian provozierend. „Sebastian!“, rief eine Stimme. Ich blickte zu den Treppenstufen hinunter und entdeckte einen sehr galanten Mann in Anzug und Krawatte. Ich kannte den Mann, nicht nur weil er der Vater von Sebastian war, sondern auch noch der Bürgermeister unserer kleinen Ortschaft. Herr Zobel kam die Treppe raufmarschiert und stellte sich neben seinen Sohn. „Reiß dich zusammen, oder willst du meinen Ruf schädigen?!“, warnte er seinen Sohn. „Dietmar?“ Meine Mutter kam aus der Bank und gesellte sich dazu. Ich machte große Augen, als sie den Bürgermeister beim Vornamen nannte. „Beate, wir haben uns lange nicht mehr gesehen.“, begrüßte Herr Zobel meine Mutter erfreut. „Nicht meine Schuld. Du arbeitest einfach viel zu viel.“, lachte meine Mutter, während ich die Beiden nur ganz entgeistert anstarrte. In Sebastians Augen konnte ich sehen, dass er genauso überrascht war wie ich (Was zum Teufel geht denn hier auf einmal ab? Meine Mutter und der Vater von diesem rassistischen Arsch?!). „Immerhin hab ich es weit gebracht.“, sagte Herr Zobel voller Stolz und zeigte auf seinen Anzug. „Ich liebe meinen Mann Dietmar.“, sagte meine Mutter lächelnd. Ich verstehe nicht was hier abgeht, aber es gefällt mir ganz und gar nicht. „Wie dem auch sei. Ich und mein Sohn müssen weiter.“, sagte Herr Zobel, entschuldigte sich und trabte davon. Sebastian warf mir noch einen bösen Blick zu, ehe er seinem Vater folgte. „Was war das?“, fragte ich meine Mutter verwirrt. „Dietmar und ich kennen uns aus der Schulzeit. Wir sind in dieselbe Klasse gegangen.“, erklärte mir meine Mutter, während wir uns auf den Weg zum Kaufhaus machten. „Und wieso werde ich das Gefühl nicht los, dass er gerade über Dad hergezogen hat?“, fragte ich. „Dein Gefühl täuscht dich nicht.“, bestätigte meine Mutter. „Dein Vater und Dietmar konnten sich nie sonderlich leiden. Dein Vater hat bei der letzten Wahl bestimmt für den Gegenpart gewählt.“ Das meine Eltern den Bürgermeister persönlich kannten, war mir neu. Mich beschlich allerdings auch noch das ungute Gefühl, als wäre da noch mehr…, doch mit jeder weiteren Frage die ich meiner Mutter stellte, wurden ihren Antworten kürzer und unpräziser (Ums genau zu sagen: Die Antworten waren für die Katz). Nach der Shoppingtour im Kaufhaus machten wir noch einen Abstecher ins Café am Park (So oft wie wir dort sind, könnte man meinen, dies wäre das einzige Café der Ortschaft. Dem war zwar nicht so, aber hier schmeckte es einfach am besten und das Sortiment war ebenfalls breit). Gerade als uns Davids Schwester Agnes jeweils einen Latte Macchiato an den Tisch servierte, wurde meiner Mutter schlecht und rannte auf die Toilette. „Passiert das deiner Mutter öfters?“, fragte Agnes mich. „Keine Ahnung. Die letzten Tage hatte sie das jedenfalls auch schon. Vermutlich hat sie was Falsches gegessen.“, antwortete ich ihr und nippte an meinem Latte Macchiato. „Oder….sie ist schwanger.“, sagte Agnes abrupt und ich verschluckte mich.
18. Familienverhältnisse – Teil 3 „Schwanger? Wie kommst du denn auf so etwas?“, fragte ich Agnes, nachdem ich mich verschluckte und mich nach einem kleinen Hustenanfall wieder in den Griff bekam. „Naja, sie übergibt sich sehr oft und das über Tage hinweg…“, erklärte Agnes mir. Ich konnte es immer noch nicht so Recht glauben, oder wollte es nicht glauben. Meine Mutter kam schließlich wieder von der Toilette zurück und setzte sich an ihren Platz, als wäre nichts gewesen. „Ist was?“, fragte sie mich und Agnes, da wir sie unentwegt anstarrten. „Ich lass euch mal alleine.“, sagte Agnes lächelnd zu mir. „Okay, was hast du angestellt?“, fragte mich meine Mutter besorgt. „Hast du der Schwester deines besten Freundes an den Hintern gegrabscht?“ Ich ignorierte ihre Behauptung, die völlig absurdum klang (Ich bin schwul! Da grabsch ich doch nicht an irgendwelchen Körperteilen von Frauen herum!) und hielt es für das Klügste, meine Mutter freiheraus anzusprechen und zu fragen: „Bist du schwanger?“ Meine Mutter sah mich ertappt an und ich wusste, dass Agnes Vermutung stimmte. „W-Woher? Verdammt… ich wollte es dir eigentlich in Ruhe und so schonend wie möglich beibringen.“ „Du bist tatsächlich schwanger?!“, schrie ich unbeabsichtigt durch das Café und alle Anwesenden dort, wandten ihre Blicke auf uns (Peinlich! Da kann ich ja gleich zur Presse gehen und es der ganzen Welt verklickern. Meine Mutter bekommt nach über siebzehn Jahren noch einmal ein Baby!) „Schon gut. Mein Sohn ist etwas empfindlich wissen sie.“, erklärte meine Mutter den Leuten, dann wandte sie sich wieder mit einem liebevollen Blick an mich und sagte: „Ja ich bin schwanger und das schon seit gut einem Monat.“ „Weiß Dad davon?“, fragte ich. „Natürlich weiß dein Vater davon. Er ist ja an diesem Zustand nicht ganz unbeteiligt gewesen.“, antwortete meine Mutter mir. „Junge oder Mädchen?“, fragte ich weiter und schlürfte wieder an meinem Latte Macchiato. „Das kann man erst ab der elften Woche oder so sagen.“, antwortete meine Mutter mir. Ich schwieg, denn ich hatte keine weiteren Fragen und diese Neuigkeit lag mir schwer im Magen. „Freust du dich wenigstens ein bisschen für uns?“, fragte mich meine Mutter, nachdem sie mein missgelauntes Gesicht sah. Sie griff nach meiner Hand und hielt sie lieb und fürsorglich fest. „Natürlich freu ich mich für euch.“, sagte ich zu ihr (Wenn ich auch nicht verstehe, wie man so dumm sein kann, dass man nach so vielen Jahren nicht mehr verhütet). „Gut und da gäbe es noch etwas, worüber ich mit dir sprechen muss.“, meinte meine Mutter. „Es werden doch hoffentlich keine Zwillinge oder?“, fragte ich schockiert nach und musste verständlicherweise an die Hansen-Zwillinge denken, die mit Marcus einen Dreier hatten (Kotz). Meine Mutter schmunzelte und schüttelte den Kopf (Puuuuh, Glück gehabt!). „Es geht nicht um die Schwangerschaft.“, antwortete sie mir. „Dein Dad arbeitet doch jetzt in der Bank und dort gibt es einen Arbeitskollegen, der eine Wohnung für seine Schwiegermutter suchte. Offenbar wurde die gute Frau wegen Ruhestörung bei sich zuhause rausgeworfen und obwohl sie schon über neunzig Jahre alt ist, war sie strikt gegen eine Einweisung in ein Altersheim. Bei ihrer Tochter und ihrem Schwiegersohn kann sie derzeit aber nicht einziehen, da die gerade von Grund auf renovieren.“ Ich stutzte und fragte mich, welche Frau mit so einem stattlichen Alter noch frei herum laufen konnte (Okay, das klang jetzt so, als wäre sie ein Straftäter…). „Jedenfalls wollte dein Vater diesem Arbeitskollegen einen Gefallen tun und hat ihm angeboten, seine Schwiegermutter bei uns vorrübergehend einzuquartieren. Ich konnte natürlich schlecht nein sagen. „Wie bitte?!“, stieß ich entsetzt aus. Erst erfahre ich, dass ich noch ein kleines Geschwisterchen bekomm und jetzt setzt man mir auch noch eine alte und tattrige Frau vor die Nase?! „Es wäre ja nur für eine gewisse Zeit. Allerdings würde sie in dein Zimmer ziehen und du müsstest ins Dachgeschoss umwandern, da sie so viele Treppenstufen auch nicht mehr laufen kann.“ „Du machst Witze?“, fragte ich meine Mutter ungläubig und starrte sie mit großen Augen an. Doch konnte ich in ihrem Gesicht ablesen, dass dies alles andere als ein Witz war.
Eine alte Frau, Mitte neunzig, so lebhaft wie ein Jugendlicher im Drogenrausch. Diese Vorstellung vermittelte man mir über all die nächsten Tage und Wochen, in denen wir das Dachgeschoss entrümpelten (Opas „wertvollen“ Gegenstände aus dem Mystic-Shop wurden natürlich nicht in den Müll geworfen, sondern erst einmal lediglich in die Garage verfrachtet.), mein Eigentum vom ersten Stock ins Dachgeschoss trugen und mein ehemaliges Zimmer für unsere neue Mitbewohnerin einrichteten. Zusammen mit meinen Eltern und meinem Opa warteten wir gespannt vor dem Hauseingang auf diese alte Frau. Irgendwann hörte ich ein lautes Brummen und sah die alte Frau auf einer Harley Davidson und in voller Motorradmontur auf unser Haus zusteuern (Mir fiel die Kinnlade runter). Die alte Frau hielt neben unserem Auto an und nahm ihren Helm ab. Sie hatte eine deutliche Anzahl von Falten im Gesicht und schneeweißes Haar, aber noch viel Lebensfreude in ihren Augen. „Dominik!“, rief mein Vater mich beim Namen und ich erwachte aus meinen Tagtraum, den ich soeben hatte, während wir vor dem Hauseingang standen und warteten. Doch inzwischen war unsere neue Mitbewohnerin eingetroffen – natürlich nicht auf einer Harley Davidson, sondern ganz schlicht per Auto von ihrem Schwiegersohn gefahren. „Freut mich euch kennenzulernen. Namen sind Schall und Rau, nennt mich einfach Oma Forster.“, stellte sich die alte Frau mit einem breiten Lächeln bei uns vor. „Nun steht da nicht wie angewurzelt rum. Zeigt mir lieber wo der Fernseher steht, damit ich mir meine Aerobic-Sendung mit diesem heißen muskulösen Typen ansehen kann, und wo ihr euren Alkohol lagert. Ich bevorzuge nur die harten Sachen!“ „Verzeiht das Verhalten meiner Schwiegermutter. Sie ist immer so.“, erklärte uns Herr Forster, der sie hierherbrachte und gerade ihr Gepäck aus dem Kofferraum auslud. Ich glaubte meinen Augen und Ohren nicht trauen zu können. Diese alte Frau war bereits so alt, aber fit wie ein Turnschuh (Zudem zog sie bessere Witze als ich. Das geht ja mal gar nicht!). „Sobald die Renovierungen bei uns zuhause abgeschlossen sind, werde ich sie abholen.“, sagte Herr Forster. „Nur keine Eile.“, sagte mein Vater. „Wir freuen uns, dass wir helfen können.“ „Ja gib es mir du heißer Feger!“, rief Oma Forster aus dem Wohnzimmer, wo sie sich gerade ihre Aerobic-Sendung ansah. Mein Opa und ich sahen uns gegenseitig an und verkniffen uns das Lachen.
19. Ein Date zu Siebt – Teil 1 Die ersten Tage mit Oma Forster waren… (wie soll ich das nur beschreiben)…chaotisch! Sie war zwar alt, aber benahm sich wie ein junger Hüpfer. So kam es schon sehr bald zur Konfrontation zwischen ihr und meinem Opa, den sie als senilen Greis abstempelte. Zuerst sah es so aus, als würde sich mein Opa dadurch gekränkt fühlen, bis er schließlich in Gelächter ausbrach und gar nicht mehr aufhören konnte. Sein Lachen bereitete mir eine Gänsehaut, denn mein Opa lachte sonst nie! War ich anfangs so gar nicht glücklich über unsere neue Mitbewohnerin, so änderte sich dies rasend schnell, als Oma Forster heimlich den Gemüsevorrat durch Pommes und Pizza ersetzte. Meine Mutter war alles andere als begeistert. Ich zitiere: „Sollen wir so enden wie die dicken Amerikaner?“ Woraufhin Oma Forster nur entgegnete: „So ein Quatsch, die Rettungsschwimmer von Malibu essen auch viel Fastfood und haben athletische Körper, die einen vor Neid erblassen lassen.“ Auch durch den Umzug ins Dachgeschoss, zog sich für mich ein Vorteil heraus. Ich hatte viel mehr Platz und Freiraum, plus ein neues Bett erhalten, indem locker zwei Personen Platz hatten (In meinem Fall wohl zwei Jungs). Wo wir gerade bei dem Thema zwei Jungs sind: Wegs all den neuen Änderungen in meinem Leben (Neue Mitbewohnerin, Umzug ins Dachgeschoss, meine Mutter noch einmal schwanger), habt ihr einen sehr wichtigen Abend in meinem Leben verpasst – Das Date mit Sam! Wobei ich lachen muss, wenn ich an das Date mit Sam zurückdenke. An jenem Abend war mir zwar ganz und gar nicht nach Lachen zumute, doch wenn ich zurückblickte, dann konnte ich gar nicht anders. Das war ohne jeden Zweifel das verrückteste Date aller Zeiten! Es fing alles ganz harmlos und ruhig an, endete aber in einem heillosen Durcheinander!
„Wisst ihr schon, was ihr heute Abend machen werdet?“, fragte mich Jasmin, während ich noch gemütlich auf meinem Bett lag und mit ihr übers Handy telefonierte. „Sam schlug das Restaurant vor, dass nur eine Straße weiter von deinem Haus liegt.“, antwortete ich. „Oh das ist toll. Mein Dad war mit mir mal dort und die Kellner, kümmern sich um einen, als wären sie dein untergebener Diener.“, erklärte Jasmin mir und ich hörte sie ein wenig lachen. „Übrigens hab ich heute Abend auch ein Date… mit Diego.“ „Waaaaaaas?!“, stieß ich überrascht aus. „Das freut mich für dich.“ „Ja und das Beste: Mein Dad muss heute Abend arbeiten und ich hab ein romantisches Dinner bei mir Zuhause mit ihm geplant.“, erzählte Jasmin mir und ihre Freude war regelrecht rauszuhören. „Jasmin du Luder, was hast du vor?!“, fragte ich sie laut lachend durchs Handy. „Du Depp! Nicht das was du denkst jedenfalls.“, schrie mich Jasmin ebenfalls lachend an. „Es soll lediglich ein gemütlicher Abend zu zweit werden. Ich will ihn näher kennenlernen.“ „Schon gut.“, sagte ich. „Dann sollten wir jetzt Beide auflegen, damit wir uns auf unsere Dates vorbereiten können.“ Ich wünschte meiner Freundin viel Glück und legte auf. Hinterher ging ich die Treppe in den ersten Stock runter zum Badezimmer, damit ich duschen konnte. Aus dem Badezimmer kam mir Oma Forster entgegen – lediglich mit einem Badetuch um die Hüften. „Das Bad ist frei, du kannst also ungestört duschen.“, sagte sie zu mir. „Es sei denn natürlich, du willst das ich dir zugucke, dann bleibe ich (Bin total sprachlos).“ Ich ging ins Badezimmer und schloss sicherheitshalber hinter mir ab (Die Vorstellung das mir Oma Forster beim Duschen zuguckte, war…ähm…unangenehm). Dann zog ich mir meine Klamotten aus und legte das Amulett, das um meinen Hals hing, ans Waschbecken. Ich stieg unter die Dusche und ließ das warme, wohlfühlende Wasser über meine Haut fließen.
„Alice hat also Höhenangst?“ Auf dem Weg zum Restaurant, erzählte Sam mir, wieso Alice keine Akrobaten-Kunststücke in der Höhe vorführte. „Ja sie hatte als kleines Kind ein posttraumatisches Erlebnis. Unsere Eltern haben am Trapez geübt und als mein Vater meine Mutter auffangen sollte, nachdem sie ihr Trapez losließ, verfehlten sich ihre Hände und meine Mutter stürzte in die Tiefe. Zum Glück war da ja ein Netz, aber meine Schwester hat das damals trotzdem sehr mitgenommen.“ Am Eingang des Restaurants konnte ich bis zu Jasmins Haus sehen und wenn mich meine Augen nicht täuschten, dann konnte ich sogar sehen, wie Jasmin Diego gerade die Tür öffnete. Sam hielt mir galant die Tür auf und wir betraten das Restaurant. Wir nahmen an einem der unzähligen Tische Platz und studierten die Speisekarte, die bereits bereitgelegt wurde. Meine Augen lugten aber auch über die Speisekarte hinaus und begutachten Sam von oben bis unten. Er trug eine sehr schöne Jeans und ein grünes Polohemd. Seine rotbraunen Haare waren zur Seite gekämmt und mit etwas Haarspray gestylt. Seine dunkelblauen Augen funkelten schöner denn je, während er eifrig die Speisekarte studierte. Der Kellner kam herbeigeschlurft und stellte sich bei uns vor: „Einen wunderschönen Abend. Ich bin Fernando ihr ergebenster Diener für heute.“ In seiner Stimme lag ein ganz besonderer Unterton (Ich sag es frei heraus: Schwuler geht nicht mehr!). Fernando war schätzungsweise so Ende zwanzig, recht schlank, aber groß und hatte kurzes schwarzes Haar. „Na ihr Beiden seid aber zwei zuckersüße Schnuckis.“ Sam und ich sahen uns mit großen Augen an. „Ich nehme mal stark an, dass ihr Beiden ein Date habt. Wir Drei werden heute Abend bestimmt viel Spaß haben.“, sagte Fernando. „Was darf ich euch Beiden denn zum Trinken bringen?“ Sam und ich bestellten uns etwas zu Trinken. Mit dem Essen warteten wir noch kurz ab, da wir Beide noch nicht fündig wurden (Ich hab auch ehrlich gesagt noch gar nicht nachgesehen, so sehr klebten meine Augen an Sam). „Die erste Runde geht auf mich.“, sagte Fernando und zwinkerte mir flirtend zu. Ich sah Sam schockiert an, der mich frecherweise nur angrinste. „Dieses Restaurant gefällt mir jetzt schon.“, sagte Sam zu mir. „Der Abend wird sicher fantastisch.“, erwiderte ich, doch war ich mir bereits nach wenigen Sekunden nicht mehr ganz so sicher, als ich sah, wer gerade zur Tür reinmarschiert kam. Die Person schaute sich kurz um und entdeckte uns (leider). Mit einem Lächeln schritt sie auf uns zu und setzte sich unverschämterweise zu mir und Sam an den Tisch.
20. Ein Date zu Siebt – Teil 2 „Marcus? Was suchst du hier?“, fragte ich meinen Ex-Freund, als er neben mir Platz nahm. „Euch ein wenig Gesellschaft leisten.“, antwortete Marcus mir und fing an, die Speisekarte zu studieren. „Hab euch in der Schule belauscht und gehört, dass ihr heute Abend hier seid. Ich dachte ich schau mal vorbei.“ „Bitte geh wieder.“, bat ich ihn noch äußerst freundlich. Der Kellner Fernando kam wieder und brachte uns die Getränke. Als er sah, dass inzwischen auch noch eine dritte Person am Tisch saß, war er ganz aus dem Häuschen. „Nein wie entzückend! Noch ein süßer Schnucki. Ihr Drei seid aber ein paar Sahneschnitten. Euch würde ich am liebsten mit zu mir nach Hause nehmen und als Teddybären missbrauchen.“ „Der Typ ist cool.“, sagte Marcus lachend und bestellte sich ebenfalls etwas zu trinken. „Du wirst doch nicht etwa bleiben?!“, fragte ich ihn schockiert. „Warum denn nicht?“, erwiderte Marcus verständnislos. „Weil das unverschämt von dir ist?!“, versuchte ich ihm zu erklären, doch schien ich mit einer Mauer zu reden, denn Marcus bestellte sich bei Fernando zugleich auch was zu Essen. „Lass ihn doch bleiben Nick.“, meinte Sam zu mir. „Mich stört er jedenfalls nicht.“ „Danke Sam.“, sagte Marcus lächelnd zu ihm. „Find dich voll nett. Wenn du dich nicht gerade an meinen Ex ranschmeißen würdest, könnte ich mir vorstellen, dass wir gute Freunde werden.“ „Gegen Freundschaft hab ich nichts einzuwenden.“, meinte Sam und bestellte sich ebenfalls was zu Essen. Mit einem genervten Gesichtsausdruck tat ich es den Beiden gleich (Ich überlegte ob ich meine Serviette in Marcus Rachen stopfe, hielt mich dann aber doch zurück). So hatte ich mir mein erstes Date mit Sam gewiss nicht vorgestellt. Zu allem Übel fanden die Beiden auch noch ein Thema, dass sie gemeinsam interessierte: Leben im Weltall! „Ich geh kurz auf die Toilette.“, entschuldigte ich mich bei den Beiden, die kaum noch Notiz von mir nahmen. Ich versteckte meine Enttäuschung natürlich. Sam war mit mir hier und jetzt unterhielt er sich mit Marcus und das auch noch ausgesprochen gut (Kopfkino: Beiden einen Arschtritt ins Weltall gebe und zusehe, wie sie auf dem Mond eine Bruchlandung hinlegen). Ich musste natürlich nicht wirklich aufs Klo, doch benötigte ich Rat und zwar schnell! „Wieso rufst du mich an Nick? Du weißt doch, dass Diego bei mir ist.“, sagte Jasmin zu mir, als sie meinen Anruf entgegennahm, während ich auf der Toilette saß. „Du musst mir helfen!“, flehte ich sie an. „Der Abend entwickelt sich zu einer einzigen Katastrophe!“ Ich erklärte Jasmin was vorgefallen war, doch so richtig helfen konnte sie mir auch nicht. „Was soll ich denn jetzt deiner Meinung nach tun?“, fragte sie mich verständnislos. „Hier alles stehen und liegen lassen und Marcus von euch wegzerren?“ „Wegzerren und in einen Käfig sperren.“, scherzte ich. „Okay hör zu. Du hast Glück, dass das Restaurant nur um die Ecke ist. Ich sag Diego kurz Bescheid, dass ich für fünf Minuten wegmuss, komm zu dir, pack deinen Ex an den Ohren und zerr ihn raus.“, beschloss Jasmin und ich war ihr unendlich dankbar dafür. „Dafür hab ich aber was gut bei dir Nick. Du ruinierst mir nämlich gerade auch mein Date.“ Jasmin legte abrupt auf und ich ging wieder zum Tisch zurück. Marcus und Sam unterhielten sich immer noch übers Weltall und ich glaube sie bemerkten noch nicht einmal, dass ich wieder da war. „Hier kommt das Essen.“, sagte Fernando. „Und wenn ihr später noch eine Nachspeise wollt, dann empfehle ich euch die „Heiße Liebe“. Gibt es bestimmt auch für einen heißen Dreier.“ „Fernando ich mag sie.“, sagte Marcus zum Kellner und ich wurde rot vor Scharm. „Vielen lieben Dank junger gutaussehender Mann.“, erwiderte Fernando zuckersüßlächelnd. Wir fingen schließlich zu speisen an, doch jeder Bissen viel mir enorm schwer. Ich fühlte mich unbehaglich in Marcus Nähe. Ob es an ihm selber lag weiß ich nicht so genau, denn es könnte auch daran liegen, dass er ganz einfach hier gerade nichts zu suchen hatte! Während dem Essen war es unerwartet ruhig. Sam und Marcus schienen ihre Diskussion übers Weltall endlich eingestellt zu haben. Ich wartete hoffnungsvoll auf Jasmin, die mich von meinem Ex erlösen sollte, als ein paar Gäste zu singen begannen. „Happy Birthday to you, Happy Birthday to you, Happy Birthday lieber Patrick und Michael, Happy Birthday to you!“ Meine Augen weiteten sich (sie fielen mir beinahe regelrecht raus) und ich drehte mich blitzartig um. Marcus ging es nicht viel anders. In der hintersten Ecke des Restaurants, saß die Hansen-Familie mit Verwandtschaft. Die Zwillinge Michael und Patrick hatten heute Geburtstag und als ich sie dort hinten lachen und überglücklich sah, erschien das furchtbare Bild mit Marcus und den Beiden im Bett wieder vor meinen Augen. Ich schluckte den Bissen runter, auf dem ich bis soeben noch kaute und stand abrupt von meinem Stuhl auf. Sam warf mir einen verwirrten Blick zu und ich gab ihm zu verstehen, dass ich noch einmal kurz auf die Toilette müsse. Marcus wollte mich bei der Hand festhalten und mir etwas sagen, doch war ich nicht erpicht darauf, es zu hören. Auf dem Weg zur Toilette, kam ich am Eingangsbereich vorbei. Jasmin stürmte gerade herein und sah mich verwundert an. Ich packte sie am Ärmel und zog sie mit mir auf die Herrentoilette. „Nick was tust du da? Das ist das Männerklo!“, schrie sie mich entsetzt an und wurde rot im Gesicht. „Marcus ist hier und die Hansen-Zwillinge sind hier und ich krieg gleich einen Kreislaufkollaps.“, erklärte ich ihr. Ich war völlig in Panik und fing zu schwitzen an. „Das Date ist ein Destaster.“ „Wieso schlägst du Sam nicht einfach vor, woanders hinzugehen?!“, fragte Jasmin mich. „Ich will nicht vor meinen Problem wegrennen.“, erklärte ich ihr wild. „Mit Problem meinst du Marcus?!“, vergewisserte sich Jasmin und ich nickte. Die Tür ging auf und ein älterer Herr kam herein. Als er Jasmin sah, schaute er uns mit großen Augen an. Ich handelte schnell und sagte: „Das ist kein Mädchen, sondern eine Transsexuelle. Noch nie einen Jungen in Mädchenverkleidung gesehen?!“ Der ältere Herr verließ schockiert die Toilette wieder. Kurz darauf gab mir Jasmin eine Ohrfeige. „Aua. Was soll das?!“, fragte ich sie und rieb mir meine schmerzende Wange. „Das war dafür, dass du mir meinen Abend ruinierst.“, erklärte sie mir. „Erst soll ich herkommen, während Diego zuhause auf mich wartet, dann schleppst du mich auf die Männertoilette und jetzt stellst du mich auch noch als Transsexuelle dar!“ Die Tür ging erneut auf und dieses Mal stürmte Patrick herein. „Hab ich doch richtig gesehen und gehört.“, sagte er und schien sich gar nicht daran zu stören, dass Jasmin sich in der Männertoilette aufhielt. „Der Abend wird immer besser (Ansichtssache…).“
21. Ein Date zu Siebt – Teil 3 Es sollte ein ganz wunderschöner Abend mit Sam werden. Ich wollte ihn noch näher und besser kennenlernen und meinen Gefühlen für ihn auf den Grund gehen, doch dann stürmt mein Ex herein und setzt sich zu mir und Sam an den Tisch. Die Beiden fangen an sich zu unterhalten und verstehen sich auch noch prächtig! Dann sind da auch noch Patrick und Michael Hansen, mit denen mein Ex mich betrog und der Kellner Fernando, der ohne jeden Zweifel mit uns flirtet. Wie gut, dass meine beste Freundin Jasmin mir zur Seite steht. Doch dass ich damit ihr Date mit Diego sprengte und sie auf die Männertoilette zerrte, fand sie weniger amüsant. „Lass mich in Ruhe Patrick.“, sagte ich (und wollte mich am liebsten über seine Schuhen übergeben). „Jetzt warte doch mal.“, sagte Patrick zu mir und hielt mich sanft am Arm fest. „Es tut mir wirklich leid, wie die Dinge zwischen uns gelaufen sind.“ „Lass mich los!“, erwiderte ich lediglich im gereizten Ton. Patrick ließ mich schließlich los und ich marschierte aus der Toilette raus (Das Jasmin dort noch rumstand, vergas ich völlig). „Ist alles okay?“, fragte mich Sam, als ich mich wieder an meinen Platz setze. „Marcus hat mir gerade erzählt, dass in drei Wochen ein Winterball in der Schule stattfindet.“ „Ja und?“, fragte ich mit einem genervten Blick zu Marcus, der mich besorgt anstarrte (Kopfkino: Ich stech ihm seine Augen mit einem Messer aus und kleb sie ihm an den Allerwertesten). „Hättest du Lust mit mir zusammen da hinzugehen?“, fragte mich Sam schließlich. Ich war über diese Frage überrascht und zugegebenermaßen erfreut, denn vielleicht bekommen wir auf dem Winterball ja eine zweite Chance, nachdem dieses Date alles andere als prickelnd war. „Moooment.“, mischte sich Marcus wieder mal ein. „Ich mag dich Sam, aber so schnell gebe ich mich nicht geschlagen. Nick, bitte begleite mich zum Winterball.“ Ich war völlig sprachlos. Mir fehlten die Worte und ich sah zwischen Sam und Marcus nur hin und hier. „Das darf ja wohl nicht wahr sein?!“, schrie Jasmin laut durchs Restaurant, so dass einige Gäste um uns herum erschraken und sich sogar an ihrem Essen verschluckten. „Marcus Rohling wie kannst du es wagen, nach allem was du Nick angetan hast?!“ „Was machst du denn hier?“, fragte Marcus sie völlig entgeistert. „Nein wie süß. Eine eifersüchtige Freundin.“, sagte Fernando der Kellner. „Ich bin auf niemanden hier eifersüchtig!“, schrie Jasmin den Kellner an (So außer sich, hab ich Jasmin noch nie erlebt). „Ein Junge wartet bei mir zuhause auf mich und ich wollte nur einem Freund helfen. Stattdessen spiele ich eine Transsexuelle und…und…schreie hier rum.“ Offenbar fiel meiner Freundin jetzt auf, dass sie etwas lauter wurde, denn plötzlich wurde sie kleinlaut und rot im Gesicht. „Das ist der beste Geburtstag den wir je hatten.“, meinte Michael zu seinem Zwillingsbruder, die das ganze Schauspiel mit Interesse und Begeisterung verfolgten. „Hör zu Nick.“, sagte Marcus nun wieder an mich. „Du hast selbst gesagt, dass ich uns noch nicht so schnell aufgeben soll. Ich versuche hier gerade unsere Beziehung zu retten.“ „Wir sind getrennt Marcus und du hast mein Date mit Sam ruiniert.“, erwiderte ich ihm traurig. „Ich find das aber gar nicht schlimm Nick.“, meinte Sam. „Ihr hört mir jetzt Beide zu!“, sagte ich laut zu Sam und Marcus. „Ich werde mit Keinem von euch zum Winterball gehen. Lieber gehe ich alleine, als das ich mir dieses Theater noch einmal antue!“ Mir war das zu viel. Das alles, Marcus, Sam, die Zwillinge… ich konnte kaum noch atmen und wollte nur noch weg von hier, ehe ich vor allen Gästen zu weinen anfing. „Mein armer süßer Hasi. Hier bitte.“, sagte Fernando zu mir, nachdem ich aufgestanden war, und drückte mir einen Zettel in die Hand. Ich las nicht was draufstand. Stattdessen rannte ich an allen vorbei und zur Tür hinaus. Ich rumpelte beinahe mit einem an mir vorbeirennenden Mann zusammen, der eine Clown-Maske trug. Ich erschrak und zitterte vor Angst. Dann kam ein Polizeiauto angefahren. Jasmins Vater, Herr Blum, stieg aus und bedrohte den maskierten Mann mit einer Waffe. „Keine Bewegung, oder ich schieße!“, rief Herr Blum und brachte den maskierten Mann zum Stehen. „Nick alles okay mit dir?“, fragte Jasmin mich, die aus dem Restaurant gestürmt kam. Ich nickte nur und sah zu, wie ihr Vater den Mann verhaftete. „Sieht so aus, als wäre der Räuber endlich gefasst.“, sagte eine Stimme hinter uns und als wir uns umdrehten, kam Diego auf uns zu. „Der verdammte Kerl, hat mir doch tatsächlich mein Portemonnaie geklaut.“ „Du meine Güte. Geht es dir gut?“, fragte Jasmin ihn besorgt. „Ja. Ich wollte nur sehen, wo du bleibst und dann taucht da dieser Kerl auf…“, erklärte Diego ihr und die Beiden nahmen sich in den Arm. Ich warf den Beiden einen sentimentalen Blick zu, denn ich hätte jetzt auch gerne jemanden, der mich in den Arm nimmt und mich an sich drückt. Ich schaute durch die Fenster des Restaurants und sah Marcus und Sam nebeneinander stehen und mir besorgte Blicke zuwerfen. Dann schienen sie sich über etwas zu unterhalten. Ich konnte mir das nicht mehr länger mitansehen und machte mich auf den Weg nach Hause. Ich ging durch eine menschenleere Wohnstraße und blickte zu den Straßenlaternen hinauf, an denen ein paar Nachtfalter herumschwirrten. Dann hörte ich leise Schritte hinter mir. Ich schlug mit meinem Arm nach hinten aus, denn ich hatte die Befürchtung, es könnte wieder ein Räuber sein. Doch es war kein Räuber – es war Sam! Er wich meinem Schlag zum Glück rechtzeitig aus und lächelte mich an. „So sauer auf mich, dass du mich gleich verprügeln willst?“ „Entschuldige…“, sagte ich lediglich und senkte beschämend meinen Blick. „Nein ich muss mich entschuldigen.“, erwiderte Sam. „Ich wollte freundlich zu deinem Ex sein und hab dich damit unabsichtlich verletzt. Dabei hab ich mich so auf einen gemeinsamen Abend mit dir allein gefreut.“ „Wirklich?“, fragte ich sicherheitshalber nach und schaute ihm wieder in die Augen. „Glaub mir Nick, ich war zu Marcus nur deshalb nett, um dir zu imponieren.“ Sam lächelte mich unentwegt an und ich lächelte nun zurück. „Er hat mich übrigens gebeten nach dir zu sehen.“ Sam und ich gingen die Straße weiter entlang. „Was hat dir Fernando da eigentlich gegeben?“ „Keine Ahnung. Hab nicht nachgeschaut.“, antwortete ich ihm und zog den zerknitterten Zettel aus meiner Hosentasche, auf dem eine Telefonnummer stand. „Er hat dir seine Handynummer gegeben.“, sagte Sam grinsend. „Was sagt dir das?“ „Hm… das er ein Handy besitzt?!“, antwortete ich ihm und Sam brach in schallendes Gelächter aus.
22. Der Winterball – Teil 1 Mit jedem Tag der verging, rückte der Winterball in der Schule immer näher. Inzwischen fing es auch zu schneien an und umhüllte die Erde mit seiner weißen Schneedecke. Auf dem Weg zum Christkindlmarkt, der heute eröffnet wurde, sah ich wie drei kleine Kinder einen Schneemann in ihrem Garten bauten. Meine Eltern mussten arbeiten, also begleiteten mich mein Opa, David und Oma Forster dort hin. Eigentlich hatte ich ja keine große Lust, doch ließ ich mich überreden, dass mir Frischluft ganz gut täte (Nein ich stinke nicht -.-). Doch meine Gedanken waren beim Winterball, den ich hatte keine Ahnung, mit wem ich mich dort blicken lassen möchte. Vielleicht sollte ich alleine hingehen? Der Bürgermeister, Dr. Dietmar Zobel, hielt eine Ansprache zur Eröffnung des Christkindlmarktes: „Meine sehr verehrten Damen und Herren. Traditionen soll man wahren und deshalb kann ich ihnen allen mit Stolz und Freude verkünden, dass ich den inzwischen 17.Christkindlamrkt unserer Gemeinde für eröffnet erkläre.“ Die herbeigeeilten Gäste applaudierten dem Bürgermeister, der ein rotes Band durchschnitt und einen Christbaum zum Leuchten brachte. „Wie wunderschön der Christbaum doch funkelt.“, meinte mein Opa fröhlich. „Jedes Jahr das Gleiche.“, erwiderte daraufhin Oma Forster und wieder einmal warf mein Opa ihr einen missbilligen Blick zu. Ich glaube die Beiden können sich nicht sonderlich gut ausstehen. „Hast du eine Idee was ich Jasmin zu Weihnachten schenken könnte?“, fragte David mich. „War nicht ausgemacht, dass wir uns dieses Jahr nichts gegenseitig schenken?“, fragte ich. „Ja schon…, aber ich würde gerne…“, erklärte David mir und ich warf ihm einen verwirrten Blick zu. „Soso, Jasmin schenkst du was, aber mir nicht?!“, erwiderte ich eingeschnappt. „Du hast doch gerade selbst gesagt, dass wir uns nichts schenken sollen.“, sagte David (Grummel). Wir marschierten von Stand zu Stand und schauten, was es zu kaufen gab. Eigentlich dasselbe Zeug, wie jedes Jahr auch: Krippenzubehör, Winterkleidung, Glücksbringer, Christbaumschmuck und allerlei an Weihnachtsgebäcken, sowie Glühwein. „Und? Wirst du Sam was schenken?“, fragte David mich lächelnd. „Darüber hab ich ehrlich gesagt noch gar nicht nachgedacht.“, antwortete ich meinem besten Freund. „Was könnte ich ihm den schenken?“ Wir kamen an einem Stand vorbei, in dem Tiere aus selbstgeschnitzten Holz verkauft wurden. David zeigte mit seinem Finger darauf. „Wie wäre es mit so einem Elefanten?“ „Ihr solltet zugreifen, die Elefanten sind sehr beliebt und sind immer schnell ausverkauft.“, meinte die Frau hinter dem Stand, die uns ein strahlendes Lächeln zuwarf. „Elefanten sind toll keine Frage, aber auch sehr gefährlich. Wenn du nicht aufpasst, zertrampeln sie dich.“, sagte eine Stimme hinter uns und als David und ich uns umdrehten, stand da ein Junge mit kurzem blonden Haar, wunderschönen blauen Augen und blasser Haut vor uns (Er sah hübsch aus). „Hör auf unseren Kunden Angst einzujagen Justin.“, meinte die Frau im Stand. „Hilf mir lieber beim Verkauf, oder glaubst du, dass du deinen Lohn mit rumstehen verdienst?!“ „Reg dich ab Anja.“, sagte der Junge grinsend. „Ich wollte dem süßen Jungen und seinem kleinen Freund doch nur ein wenig Angst einjagen.“ „Ich hab nie Angst.“, konterte David eingeschnappt (Ja klar und ich bin der Weihnachtsmann!). „Ich denke ich nehme so einen Elefanten.“, beschloss ich schließlich. „Das freut mich.“, sagte die Frau namens Anja im Stand. „Tse, ignoriert der mich einfach.“, sagte Justin empört, grinste mich aber an. „Ich denke das wird ein hübscher und süßer Junge wie du überleben.“ Ich zwinkerte Justin zu, der mich mit einem breiten Grinsen ansah. Ich wusste nicht wieso, aber irgendwie versprühte er eine gewisse Anziehungskraft. Als ich den Elefanten aus selbstgeschnitztem Holz schließlich kaufte, marschierten wir weiter und ich fragte mich, ob ich diesen Justin vielleicht irgendwann wiedersehe.
„Bist du sehr aufgeregt mein Schatz?“, fragte mich meine Mutter am Abend, an dem der Winterball endlich stattfand, während sie meinen Anzug zurechtrückte, den ich trug. „Solange ich nicht stolpere geht es mir gut.“, erklärte ich ihr. „Fürs stolpern ist aber ohnehin mehr Jasmin zuständig. Ich bin der galante Kavalier der sich lediglich dabei amüsiert.“ „Das arme Mädchen, das sie sich ausgerechnet einen Rüpel wie dich als Freund aussuchen musste.“, sagte meine Mutter und ich warf ihr einen mürrischen Blick zu (Bin kein Rüpel -.-). „Naja, aber immerhin hat sie einen Tanzpartner für heute Abend. Diego Colei begleitet sie, während ich ganz alleine dort aufmarschiere. Bin aber selber schuld, wo ich doch sowohl Marcus, als auch Sam eine Absage erteilte.“, sagte ich zu meiner Mutter. „Ach mein Schatz. Der Abend wird sicherlich trotzdem ganz schön.“, ermutigte mich meine Mutter und gab mir einen Kuss auf den Stirn. Dann sagte sie spaßeshalber: „Du kannst ja noch mit David tanzen. Der hat doch soweit ich weiß, auch keine Verabredung für heute Abend.“ Ich musste grinsen. „Ich und mein bester Freund, der auch noch einen Kopf kleiner ist als ich, zusammen auf der Tanzfläche. Das gäbe sicherlich ein lustiges Bild.“ „Irgendwie fehlt ein wenig Schmuck um deinen Hals.“, meinte meine Mutter anschließend. „Kein Problem.“, sagte ich, denn mir viel sofort das Amulett ein, dass mir Opa vor einigen Wochen im Geheimen überreichte. Doch dann schaute ich mich verwirrt in meinem Zimmer um und überlegte wo sich das Amulett eigentlich derzeitig befand. Ich wusste nicht einmal mehr, wann ich es zuletzt bei mir trug. Es musste schon eine ganze Weile her sein. Dabei hat mein Opa mich immer wieder darum gebeten, es immer bei mir zu tragen. Aus mir unempfindlichen Gründen stieg in mir Panik hoch. Ich musste das Amulett schnell finden. Wo ist es? Verdammt wo hab ich es hingelegt? Ich suchte mein ganzes Zimmer ab, während meine Mutter sich daran machte, meine Schuhe zu putzen (Meine Mutter ist die Beste!). Ich suchte unter meinem Bett, zwischen meinen Klamotten, in meiner Jackentasche, an meinem Schreibtisch – überall, doch das Amulett blieb unauffindbar (Wisst ihr vielleicht wann ich das Amulett das letzte Mal bei mir trug und es hingelegt haben könnte?).
23. Der Winterball – Teil 2 Nach reifer Überlegung fiel mir letztendlich doch noch ein, wann ich das Amulett zuletzt besaß und wo ich es hinlegte. Es war an jenem Abend meines Dates mit Sam (Oder sollte ich vielleicht lieber Date mit Sam, Marcus, Patrick, Michael, Jasmin und Fernando sagen?!) und ich legte es vor dem Duschen im Bad am Waschbecken ab. Doch als ich im Bad nach dem Amulett suchte, war auch hier meine Suche nicht mit Erfolg gekrönt. Verflucht noch eins… Ich flippte regelrecht aus und war der Verzweiflung nahe, dabei war es doch nichts weiter als ein rostiges und wertloses Amulett…! Gerade als ich die Suche aufgeben wollte, kam ich an meinem ehemaligen Zimmer vorbei, indem nun Oma Forster wohnte. Ich erinnerte mich daran, dass sie damals kurz vor mir im Badezimmer war und legte die Vermutung nahe, dass sie nachdem ich wieder aus der Dusche draußen war, noch einmal dort reinging um das Badetuch auf die Heizung zu legen. Ich öffnete die angelehnte Tür einen Spalt breit und lugte vorsichtig und leise hinein. Oma Forster saß auf ihrem Bett und las in einem Buch, dass „Der Schattenphönix“ hieß. Ich klopfte zweimal an der Tür und Oma Forster bat mich herein. „Entschuldigung Oma Forster. Hast du reinzufällig ein Amulett aus dem Badezimmer entwendet?“, fragte ich sie ein wenig ängstlich (Die Frau macht mir Angst!). Mit einer unscheinbaren Miene sah mich Oma Forster an, dann lächelte sie, öffnete die Schublade ihres Nachtkästchens und zog zu meiner großen Freude und Erleichterung das Amulett heraus. „Es lag herrenlos und rostig im Badezimmer. Ich fand das ein wenig unhygienisch, hab es an mich gewendet und gereinigt.“, erklärte sie mir und überreichte mir das Amulett. Es war wirklich blitzblank. Von Rost keine Spur mehr und wertlos sah es nun ebenfalls nicht mehr aus, denn das Gold schimmerte im Licht der Zimmerlampe. Erstmals konnte ich auch zwei Zeichen auf dem Amulett erkennen: Eine schwarze Sonne und einen weißen Sichelmond. „Musst du nicht langsam zur Schule?“, fragte mich Oma Forster und riss mich aus meinen Gedanken. „Heute findet doch der Winterball statt, oder nicht?!“ Sie hatte Recht und ich musste mich auch langsam beeilen, damit ich nicht zu spät kam. Ich verabschiedete mich von Oma Forster, hängte mir das Amulett um den Hals und verlies ihr Zimmer wieder.
Die Aula der Schule wurde in einen wunderschönen Festsaal umdekoriert. In jeder Ecke stand ein kleiner Christbaum und in der Mitte ein prachtvoller großer Christbaum mit einem leuchtenden Stern obendrauf. Kristallsterne hingen von der Decke hinunter und überall wo man hinkam, hörte man Weihnachtslieder und aktuelle Hits, die über eine Anlage abgespielt wurden. Im Korridor wurden mehrere Tische aneinandergereiht, auf dem Getränke und Knabbereien serviert wurden. Unser Schuldirektor Herr Sakamoto stand mit einem glücklichen Gesicht im ersten Stock und konnte somit auf die ganze Aule herabsehen. Er schnappte sich ein Mikrofon und hielt eine Ansprache: „Liebe Schülerinnen und Schüler der obersten Jahrgangsstufen, ich begrüße euch alle ganz herzlich zum diesjährigen Winterball. Alles was ich euch sagen möchte ist, dass ich euch viel Spaß wünsche. Hiermit gebe ich die Tanzfläche frei. Bitte benehmt euch, dann erspart ihr mir und euren Lehrern viele Unannehmlichkeiten. Vielen Dank!“ Ich schaute mich in der Aula um. Von Sam bisher allerdings keine Spur. Dafür entdeckte ich David der mir mit einem mürrischen Gesicht entgegen gewatschelt kam. Er trug wie alle Schüler einen eleganten Anzug, doch bei ihm sah es einfach nur goldig aus, weil er so klein ist. „Kein Wort oder ich verfüttere dich bei der nächstbesten Gelegenheit an den Zirkuslöwen.“, warnte er mich, während ich ihn lediglich angrinste und mich beherrscht zurückhielt. „Hast du Jasmin schon gesehen?“ „Nein hab ich nicht.“, antwortete ich ihm. „Hast du Sam schon irgendwo gesehen?“ „Nein, aber da vorne kommt dein Ex!“, antwortete David mir und deutete auf die Herrentoilette, aus der Marcus gerade kam. Er entdeckte mich und warf mir ein strahlendes Lächeln zu. Doch hielt er sich dankbarer Weise dieses Mal zurück und ließ mich in Ruhe. „Ich glaub das einfach nicht.“, sagte David. Ich verstand nicht was er meinte. Erst als ich mich umdrehte und in dieselbe Richtung wie er starrte, verstand ich. Jasmin schritt in Begleitung von Diego auf uns zu. Sie trug ein hellrotes Kleid, band ihre langen braunen Haare zu einem Zopf zusammen und verzierte sie noch mit einer Rose. Sie sah einfach traumhaft aus! David und mir blieb regelrecht die Spucke weg, als sie uns begrüßte. „Jungs ehrlich mal. Macht eure Münder zu und steht nicht wie begossene Pudel da, die noch nie ein Mädchen in einem Kleid gesehen haben.“, sagte sie zu uns und schmunzelte dabei ganz leicht. „Du siehst… wow aus.“, gab David ihr als Kompliment, doch stand sein Mund weiterhin offen. Jasmin wurde dezent rot im Gesicht und bedankte sich bei ihm. „Nick ich soll dir von Sam ausrichten, dass er noch nicht weiß, ob er heute Abend kommen kann.“, sagte Diego an mich gewandt. „Ihm war heute Nachmittag ein wenig übel und er war ganz blass im Gesicht. Tut mir Leid.“ Ich dankte Diego für die Information und versteckte gekonnte meine Enttäuschung vor ihm, doch Jasmin und David kannten mich natürlich und bemerkten dies sofort. „Verdammt.“, fluchte David. „Dann werde ich wohl mit dir tanzen müssen. „Es sei denn du willst mit Marcus tanzen. Der schaut nämlich unentwegt zu dir herüber.“ „Madam, dürfte ich sie um einen Tanz bitten?“, fragte Diego Jasmin, die ihn erfreut anlächelte. „Es wäre mir eine Ehre.“, antwortete sie ihm und gemeinsam betraten sie die Tanzfläche. Ich schaute den Beiden mit sehnsüchtigen Blicken zu, während David uns Beiden etwas zu trinken besorgte. Als David wiederkam, lief er beinahe in ein anderes Mädchen hinein. „Kannst du nicht aufpassen, du kleiner Wicht!“, schrie das Mädchen ihn an. „Du hättest beinahe mein Kleid zerstört!“ „Ist ja nochmal gut gegangen.“, entgegnete David ihr, dem ihr Tonfall so gar nicht behagte. „Wenn nicht, dann hättest du mehr als nur für die Reinigung bezahlen dürfen. Das versichere ich dir!“, sagte das Mädchen zu ihm und warf ihm böse Blicke zu. „Was geht hier vor?“, fragte uns Sebastian, mein ärgster Widersacher an dieser Schule. „Belästigen die Tucke und der Kobold dich Baby?“, fragte er seine Freundin und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Das Mädchen hieß Nadine Bachmayer, hatte langes blondes Haar und eine Nase, die gewiss nicht natürlich war (Das Mädel braucht nur mit ihren Wimpern zu klimpern und ihren Brüsten zu wackeln und Sebastian liest ihr jeden Wunsch von den Lippen ab – denn sein Daddy ist ja reich). „Hier ist alles in Ordnung.“, sagte ich zu Sebastian. „Entschuldigt ihr uns Barbie und Ken?!“ Ich drängelte David fort und sorgte dafür, dass wir genug Abstand von den Beiden bekamen. Allerdings hörte ich Nadine noch sagen: „Dieser kleine Bastard. Basti lässt du dir das etwa gefallen?“ Ich musste grinsen, denn diesen Spitznamen mochte der Sohn des Bürgermeisters so gar nicht.
24. Der Winterball – Teil 3 Trotz kleiner Vorfälle (wie der lästigen Zickerei von Madam Bachmayer), war es ein heiterer Abend mit vielen gutgelaunten Schülern und Lehrern. „Dürfte ich sie um einen Tanz bitten?“, fragte mein Sportlehrer Herr Berthold meine Kunstlehrerin Frau Augustine. „Sehr gerne.“, antwortete sie ihm mit einem Lächeln im Gesicht und die Beiden betraten die Tanzfläche, auf der auch bereits meine Freundin Jasmin mit Diego tanzte. Ich warf den Liebespaaren sehnsuchtsvolle Blicke zu, als sich Herr Frenzel neben mich gesellte. Er hatte ein Tasse in der Hand, aus der es sehr stark nach Glühwein roch. „Wunderschöner Abend nicht wahr?“ Versuchte mein Lehrer gerade ein Gespräch mit mir aufzubauen? (Hilfe!) „Willst du gar nicht tanzen?“, fragte Herr Frenzel mich weiter. „Entschuldigung, aber sie sind so gar nicht mein Typ.“, entgegnete ich scherzhaft und brachte meinen Mathematik-und Chemielehrer damit zum Lachen. „Ich hab keinen Tanzpartner.“, fügte ich hinzu. „Dennoch kannst du dich glücklich schätzen.“, sagte Herr Frenzel und ich starrte ihn skeptisch an, denn wieso konnte ich mich glücklich schätzen? Ich war alleine auf einem Winterball! Herr Frenzel bemerkte meinte Skepsis und sagte: „Es ist noch gar nicht so lange her, da wurde Homosexualität an dieser Schule als Krankheit abgestempelt. Es gab hier mal einen Schüler, der durch die Hölle ging. Einer seiner besten Freunde schlug ihn zusammen, nur weil er ein kleinwenig anders war. Ich bin froh, dass diese Zeiten vorüber sind. Natürlich gibt es auch heute noch den ein oder anderen engstirnigen und zurückgebliebenen Hinterwäldler, aber auf solche Leute würde ich nichts geben. Das was du bist und das was du tust, kommt alles von hier drin.“ Herr Frenzel zeigte mit seinem Finger auf mein pochendes Herz in der Brust und lächelte mich dabei aufmunternd an. Seine Worte waren Balsam für die Seele und mir ging es auf einmal sehr viel besser. Ich spürte, dass ich meinem Lehrer vertrauen konnte und dass ich jederzeit zu ihm kommen konnte, wenn ich ein Problem hatte. „Vielen lieben Dank.“, sagte ich lächelnd. Ich bedankte mich bei Herr Frenzel für die freundliche Unterhaltung und beschloss mir noch etwas Trinken zu besorgen. Wo war eigentlich David abgeblieben? (Vielleicht haben ihn Elfen aufgrund seiner Größe für einen der ihren gehalten und ihn mit zum Nordpol verschleppt. David mit Zipfelmütze sieht bestimmt ulkig aus…) Ich schaute mich ein wenig in der Aula um und entdeckte nach einer Weile Lars (Ihr fragt euch jetzt sicher, wer das gleich nochmal war. Kein Wunder, beschrieb ich ihn bisher nur als Sebastians besten Kumpel). Lars Birnbaum war ein wenig größer und maskuliner als ich. Er hatte dunkelblondes Haar und ein paar wenige Sommersprossen im Gesicht. Wie Sebastian kommt auch er aus einem wohlhabenden Haus, doch weitere Infos darüber sind mir nicht bekannt (Interessiert auch keinen), denn eigentlich wechselte ich mit ihm nie auch nur ein Wort. Lars stand ganz alleine an einem der aufgestellten Stehtische und seine Augen waren starr auf einen Punkt auf der Tanzfläche gerichtet. Ich folgte neugierig (und weil mir langweilig war) seinem Blick und entdeckte Sebastian mit seiner (zickigen und strohdummen) Freundin Nadine, die zu einem der Lieder tanzten. Lars konnte seinen Blick gar nicht abwenden, so fixiert war er. Er merkte nicht einmal, dass ich mich inzwischen neben ihn an den Stehtisch positionierte. Ich beobachtete Lars eine Weile und es kam mir langsam mehr als komisch vor, dass er seinen Blick so gar nicht von den Beiden abwenden konnte. Seine Augen strahlten eine leichte Verbitterung und Trauer aus. ist er etwa…oje… Lars ist in Nadine verknallt! Vor Schreck ließ ich beinahe meine Tasse fallen und das war auch der Zeitpunkt wo mich Lars das erste Mal bemerkte. Erschrocken wich er ein wenig zurück und warf mir böse und verabscheuungswürdige Blicke zu. „Verschwinde bloß!“, drohte er mir. „Ist ja gut. Ich geh ja schon wieder.“, sagte ich genervt und wollte gehen, doch als ich ihm den Rücken zudrehte, beschloss ich doch zu bleiben und drehte mich wieder zu ihm um. „Nein ich gehe nicht! Es gibt kein Verbot, dass ich hier nicht stehen darf. Und du mein Freund bist verliebt!“ Lars sah mich schockiert und ertappt an. Seine Augen weiteten sich. „W-Woher?“, fragte er mich nervös und wurde auf einmal ganz kleinlaut. „Ich bitte dich, dass sieht ein Blinder mit Krückstock (Ein nicht sehr taktvoller Spruch eigentlich. Denjenigen der diesen Spruch erfand, sollte man ins Höllenfeuer werfen).“, sagte ich. „Deine Augen klebten ja förmlich an den Brüsten von Madam „Ich-bin-was-besseres-als-du“.“ Lars sah mich an, doch konnte ich mir gerade nicht vorstellen, was er dachte. Er war immer noch ein wenig schockiert darüber, dass ich ihm auf die Schliche gekommen bin, aber er war nicht wütend oder beleidigte mich, was ich mehr als nur seltsam fand. „Liebe Schülerinnen und Schüler, versammelt euch bitte alle auf der Tanzfläche!“, rief Frau Augustine unangekündigt durchs Mikrofon vom ersten Stock herunter. „Es wird getanzt und mit jedem Schulgong den ihr vernehmt, müsst ihr ohne Umschweife den Tanzpartner wechseln.“ Lars und ich ging ausnahmsweise dasselbe durch den Kopf und wir wollten uns vor diesem Spiel drücken, doch da kam Herr Berthold angebraust und bugsierte uns zur Tanzfläche. Als wäre das nicht schon schlimm genug gewesen, wurde ich für den Anfang auch noch Nadine zugewiesen, die ebenfalls alles andere als erfreut darüber war. „Trete mir nur einmal auf die Füße, oder auf mein Kleid und ich schwöre dir, du wirst dir vom Weihnachtsmann neue Nüsse wünschen.“, drohte sie mir und ich hätte diesen Satz lustig gefunden, wenn ich sie nicht so abgrundtief dick hätte. „Und los!“, rief Frau Augustine, die Musik begann zu spielen und jedermann in der Aula fing zu tanzen an. Ich musste mich beherrschen, meiner Tanzpartnerin nicht absichtlich auf die Füße zu treten. Verdient hätte sie es ja eigentlich. Nach etwa einer Minute wurde ich von meinem Leid erlöst und suchte mir schnell einen neuen Tanzpartner. Ich hielt nach Jasmin Ausschau, doch die war bereits an jemand anderen vergeben und so fiel meine Wahl auf: Lars! Wenn Blicke töten könnten, dann würde ich jetzt an den Toren im Himmel läuten, denn Lars war alles andere als begeistert. Nicht nur einmal beschimpfte er mich zusammen mit Sebastian als eklige Schwuchtel. „Ich hoffe du hast Nadine keinen Unsinn erzählt.“, sagte er zu mir, während wir zusammen Hand in Hand tanzten und wir uns Beide mehr als nur unwohl in unserer Haut fühlten. „Ich hab ihr kein Sterbenswort gesagt.“, antwortete ich ihm und betete insgeheim, dass der Schulgong bald wieder ertönte. Meine Gebete wurden nach einer weiteren Minute erhört und ich löste mich schnell von Lars und wandte mich der nächstbesten Person zu. Noch ein toller Spruch: Vom Regen in die Traufe, denn mein nächster Tanzpartner war Marcus!
25. Der Winterball – Teil 4 Natürlich musste es Marcus sein. Es konnte gar niemand anders sein. Konnte ich nicht einmal Glück im Leben haben? „Ich kann nichts dafür.“, sagte Marcus zu mir. „Das sind die Spielregeln.“ „Seit wann hältst du dich an Regeln?“, fragte ich ihn überrascht. „In einer Beziehung gibt es nämlich auch eine eiserne Regel: Betrüge niemals deinen Freund!“ Marcus verschlug es die Sprache und ich versprühte eine gewisse Genugtuung. Als ich allerdings sah, dass ihn meine Worte verletzten, verflog das Gefühl sogleich wieder. Der Schulgong ertönte und Marcus löste sich von mir und suchte sich einen neuen Partner. Ich fühlte mich schlecht, dabei war ich doch derjenige, der betrogen und verletzt wurde. Wieso komm ich mir dann wie der Bösewicht vor? Meine neue Tanzpartnerin war ein Mädchen aus der Parallelklasse. Sie war in Ordnung und tanzte auch recht geschickt. Als der Schulgong ein viertes Mal ertönte, stand auf einmal David vor mir und ich war nie glücklicher ihn zu sehen. „Bereit zu tanzen?“, fragte ich ihn grinsend.“ „Soulaaaange duuu mich hinteeerhear niiiicht apschleppssst.“, zischte David und ich roch eine starke Fahne aus seinem Mund. David war betrunken und taumelte auf der Tanzfläche umher. „David, um Himmels Willen, was hast du getan?!“, fragte ich ihn besorgt. „Sorry, aber das geht auf unser Konto.“, sagte eine Stimme neben mir und ich entdeckte Michael und seinen Bruder Patrick, die zusammen miteinander einen Walzer tanzten. „Seid ihr blöd?“, fragte ich sie verärgert. „David ist sechzehn und verträgt noch kein Alkohol.“ „Das ist nicht unsere Schuld Nick.“, versuchte Patrick mir zu erklären. „David kam vorhin zu uns und fragte, ob wir nicht ein wenig Alkohol dabei hätten, da er sich irgendeinen Kummer wegsaufen wolle.“ Kummer? Was für einen Kummer und wieso redete David nicht mit mir darüber? „Ab sofort haltet ihr euch von ihm fern und von mir auch. Habt ihr mich verstanden?!“ Ich war wütend, ich war so richtig wütend, doch dann ertönte erneut der Schulgong. In seiner Verfassung konnte ich David unmöglich alleine lassen. Wie gut das er so klein und leicht war, denn so war es mir möglich, ihn auf dem Rücken tragend zur Toilette zu schleppen. Dabei rempelte ich versehentlich Nadine an, die gleich wieder an die Decke ging. „Ihr schon wieder?! Wartet nur, bis mein Basti davon erfährt. Sein Vater ist der Bürgermeister der Stadt und wird euch die Hölle heiß machen!“ Ich ignorierte sie und betrat die Toilette, die menschenleer war, da sich alle auf der Tanzfläche amüsierten. „Weissst du wat der Unterschitt von Frauen und Mücken it?“, fragte der betrunkene David mich. „Mücken versbühen ihr Gift in der Regal…äh Regel…nur pis Mitternaaacht, Frauen hingegen, ihr gaaaaaaaaanzes Leben lang!“ Irgendwie fand ich David in seinem jetzigen Zustand ja äußerst putzig und lustig, aber als er sich über der Kloschüssel das erste Mal übergab, verflog das ganz schnell wieder. Plötzlich flog die Tür auf und Marcus stürmte zur Toilette herein. „Was ist passiert?“, fragte er besorgt und kniete sich neben mich und David an die Kloschüssel. „Ich hab euch Beide hier reinmarschieren sehen. Moment…, ist David etwa betrunken?!“ „Ja, bedanken können wir uns bei deinen zwei besten Freunden.“, antwortete ich ihm missgelaunt. „Michael und Patrick? Wir sind keine Freunde mehr.“, sagte Marcus. Diese Information war mir neu und heiterte mich ein wenig auf. „Was tust du überhaupt hier? Musst du nicht tanzen?“, fragte ich ihn. „Das Spiel ist zu Ende.“, erklärte Marcus mir. „Du solltest übrigens wieder rausgehen.“ „Danke, aber ich bleibe lieber bei David. Es geht ihm nicht gut wie du siehst.“, sagte ich zähneknirschend. „Du verstehst mich nicht.“, sagte Marcus und damit hat er absolut Recht! Ich versteh den Kerl wirklich nicht. Kann er mich nicht einfach in Ruhe lassen? Wieso muss er mir immer wieder über den Weg laufen? Ist das mein Schicksal?! „Du verstehst mich nicht.“, wiederholte Marcus sich. „Es gibt da draußen jemanden der dich sucht und auf dich wartet.“ Ich schaute Marcus verwirrt an. War es etwa…? „Na geh schon Nick. Ich verspreche dir auch, dass ich mich gut um David kümmern werde.“ Ich war Marcus für diese Aktion zutiefst dankbar, auch wenn ich ihm das nicht sonderlich zeigte. (Song) Mit einem Lächeln verabschiedete ich mich und trat wieder in die Aule. Ich stand mitten auf der Tanzfläche und hielt Ausschau. Doch konnte ich die betreffende Person nicht sehen. Während aus der Anlage einer meiner absoluten Lieblingssongs strömte, wandte ich meinen Blick zur Treppe und entdeckte ihn! Sam schlenderte in einem hellgrauen Anzug, mit pinke Krawatte und gekämmten Haaren die Treppe hinunter und sah mich lächelnd an. Er ist doch noch gekommen! Mit jedem Schritt den er auf mich zuging klopfte mein Herz schneller und als er endlich bei mir war, kniete er sich vor mir nieder und hielt meine Hand ganz sanft. „Erweisen sie mir die Ehre und tanzen sie mit mir?“ Mein breites Lächeln (und rosarotes Gesicht) beantworteten seine Frage und kurze Zeit später, schwebten wir Beide über die Tanzfläche. Es war so, als würde ein Traum in Erfüllung gehen. Ich schwebte im siebten Himmel und schaute Sam unentwegt in seine dunkelblauen Augen. „Ich dachte du kommst nicht, weil es dir nicht so gut geht?“, fragte ich ihn sorgenvoll. „Nichts, aber auch rein gar nichts, kann mich daran hindern, wenigstens einmal heute Abend mit dir zu tanzen.“, erklärte Sam mir mit einem sanftmütigen Lächeln.
Sam und ich blieben bis zum Ende des Winterballs. Mein Vater holte uns ab und war auch so gnädig, dass er mir erlaubte, dass Sam heute Nacht bei mir übernachten durfte. Ich zitiere: „Er darf gerne bei dir übernachten, aber wenn er dich im Bett angrabscht, kriegt er es mit Oma Forster zu tun.“ Als Sam mein Zimmer betrat, sah er sich mit offenem Mund um. „Du lebst ja in einem Paradies.“, sagte er zu mir und ich musste lächeln. Es war natürlich ganz was anders als ein Wohnwagen. „Das ist mein Bett. Genug Platz für uns zwei.“, sagte ich breit lächelnd.“ „ich verspreche artig zu sein.“, äußerte sich Sam und hob seine Hand. Danach machten wir uns schlaffertig. Während ich meinen Pyjama anzog, schlief Sam lediglich in seinen Boxershorts (auf denen zu meiner Belustigung Teddybären abgebildet waren) und einem weißen T-Shirt. Wir wünschten uns gegenseitig eine gute Nacht, doch fiel es mir sehr schwer neben ihm einzuschlafen. Ich überlegte lange hin und her, ehe ich einen Entschluss fasste.
26. Weihnachtszauber – Teil 1 Weihnachten ist ein Fest des Zusammenhalts und des Teilens. Ich teile ja eigentlich äußerst ungern (Zunge rausstreck), aber heute mach ich eine Ausnahme. Deshalb: Manege frei für Marcus und Sam!
Marcus: Mein Wecker klingelte – ich mochte es nicht, wenn mein Wecker klingelte – ich packte ihn und warf ihn einfach gegen die Wand. Endlich Ruhe! Doch was war das? Plärrende Kinder von draußen? Heute ist Weihnachten! Müssen die so einen Radau veranstalten? Mürrisch stieg ich aus meinem kuschlig warmen Bett, öffnete meine blauen Gardinen und die Sonne schien mir ins Gesicht und blendete mich. Es war ein wunderschöner Wintermorgen. Überall auf den Straßen, in den Gärten und auf den Dächern dieser Stadt lag weißer Pulverschnee, der in der Sonne glitzerte. Es sah wunderschön aus! Ich lächelte und verzieh den Nachbarskindern, die in ihrem Garten mit Feuereifer einen Schneemann errichteten. Ich drehte mich um und stand vor meinem Zimmer, das in meiner Lieblingsfarbe Blau eingerichtet war. Blau wie das Wasser natürlich, denn ich wollte Profischwimmer werden, weshalb hier auch schon die eine oder andere Medaille von einem Turnier an meiner Pinnwand hing. Ich wollte ins Badezimmer, als ich beinahe über etwas am Boden stolperte. Eingemummelt in einer Decke und schlafend lag dort der kleine David auf einer Matratze. Beinahe vergaß ich, dass er die letzte Nacht bei mir übernachtete. Gestern Abend fand der Winterball in unserer Schule statt und David betrank sich. Ich versprach meinem Exfreund Dominik, dass ich mich um ihn kümmerte und dies tat ich auch. Ich brachte ihn zu mir nach Hause, wo er erst einmal seinen Rausch ausschlafen konnte. Seine Familie sollte ihn lieber nicht so sehen. Ich versuchte vorsichtig und leise an ihm vorbei zu huschen, damit ich ihn nicht weckte, doch meine Zimmertür quietschte und all meine Mühe war umsonst. Als David seine Augen aufschlug, schlug ich die Tür wieder zu. „Schön du bist wach.“, sagte ich sarkastisch. „W-Wo bin ich?“, fragte mich David müde und völlig kopflos. „Mein Schädel brummt wie zehn Eisenbahnlokomotiven zusammen. Wieso zum Teufel schlaf ich bei dir auf dem Boden?!“ Ich starrte ihn mit halbgeöffneten Augen an. „Ich wünsch dir auch einen wunderschönen guten Morgen David.“, sagte ich schließlich. „Ich hab dich bei mir übernachten lassen, nachdem du dir gestern Abend die Birne volllaufen lassen hast.“, erklärte ich. „D-Du hast d-doch nicht e-etwa…?“, brachte er stammelnd aus seinem Mund und ich verstand kein Wort. Er beendete seinen Satz letztendlich verständlich: „Hast du meine Notlage etwa ausgenutzt und dich an mich rangemacht?!“ Sollte ich lachen oder nicht? „Komm mal wieder runter…, obwohl nicht das du dann noch kleiner wirst…“ David schaute mich mürrisch an. „Ich bin dir nicht zur Leibe gerückt. Ich hab dich – nett wie ich bin – zu mir mit nach Hause genommen und dich bei mir auf dem Boden übernachten lassen.“ „Ooookay.“, sagte David ganz langsam. „Danke…, aber noch ein Witz über meine Größe und ich stutz dir die Eier!“ Ich konnte mir mein Grinsen nur schwer verkneifen. „Komm mit, ich zeig dir das Badezimmer. Dort kannst du erst einmal duschen. Du stinkst wie ein versoffener Penner von der Straße. Danach mach ich uns Speck und Ei.“, sagte ich zu David, der sich bei mir bedankte und mich auf einmal mit ganz anderen Augen ansah als früher…
Sam: Ich stieg aus dem Auto aus und Dominik und sein Vater taten es mir gleich. Wir parkten vor dem Zirkuszelt und es war später Vormittag. „Vielen Dank fürs Herfahren Herr Rottbach.“, sagte ich an Dominiks Vater gewandt, der mir nur freundlich zuwinkte. „Dad können wir noch kurz bleiben?“, fragte Dominik seinen Vater und sah ihn mit ein Art Welpenblick an, dem sein Vater unmöglich widerstehen konnte. „Schon gut, schon gut.“, sagte Herr Rottbach. „Geht mal zu. Ich warte hier solange.“ Ich lächelte Dominik an, als er auf mich zukam und wir Händchenhaltend in das abgesperrte Zirkusgebiet traten. „Hör mal Nick, wegen letzter Nacht…“ Dominik legte seinen rechten Zeigefinger auf meinen Mund und wies mir still zu sein. „Kein Wort. Egal was du sagen willst, es würde den Zauber von Weihnachten zerstören.“ Ich musste unweigerlich grinsen. „Ich wusste gar nicht, dass du an Magie glaubst.“, sagte ich überrascht zu ihm und Dominik lächelte mich ebenfalls an. Auf einmal hörte ich die Stimme meines Vaters rufen. „Hab ich eigentlich noch einen Sohn, der nicht mit verliebt sein beschäftigt ist?!“ Mein Vater kam durch den weißen Schnee auf uns zugestapft. „Fröhliche Weihnachten Herr Colei.“, begrüße Dominik ihn freundlich. „Wollen sie vielleicht meinen Vater kennenlernen? Der steht da draußen vor der Absperrung.“ „Willst du mich loswerden Kleiner?“, fragte mein Vater ihn, während er lächelte und ihn mit nur einem Auge genau musterte. „Hab schon verstanden. Ihr wollt alleine sein. Also gut, aber von meinem Sohn erwarte ich hinterher alle Einzelheiten der letzten Nacht und wehe er lässt was aus!“ Mein Vater stapfte davon, weiter zu Nicks Dad. „Du wirst ihm doch nicht etwa wirklich alles von uns und der letzten Nacht erzählen oder?“, fragte Dominik mich erschrocken. „Natürlich nicht!“, blockte ich sofort ab und sah ihn entsetzt an. „Es ist viel zu peinlich. Er würde mich bis an sein Lebensende damit aufziehen und mich auslachen. Genauso wie alle anderen.“ „Peinlich war es ja eigentlich nur für dich.“, erwiderte Dominik. „Ich hingegen fand es ein wenig süß und glaube, dass das Schicksal uns damit etwas sagen möchte.“ Ich sah Dominik reumütig an, denn es tat mir Leid was letzte Nacht vorfiel. Schlimmer hätte es aber auch gar nicht kommen können, dabei freute ich mich so sehr, dass ich bei ihm übernachten durfte. Zu meiner großen Überraschung zog Dominik ein kleines Geschenk aus seiner Manteltasche. Ich war gerührt, dass er mir überhaupt etwas schenkte und versank im Erdboden, da ich gar nichts für ihn hatte. „Es ist nur eine Kleinigkeit, aber ich hoffe du freust dich trotzdem darüber.“, sagte Dominik. Mit einem zarten Lächeln im Gesicht machte ich das Geschenk auf und ein kleiner Holzelefant kam zum Vorschein. „Vielen lieben Dank Nick! Er gefällt mir wirklich sehr.“, sagte ich und wir umarmten uns lieb und innig. Ich wollte ihn am liebsten gar nicht mehr loslassen, doch hörte ich in der Ferne bereits sein Vater nach ihm pfeifen, während mein Vater uns schon wieder entgegen gestapft kam.
27. Weihnachtszauber – Teil 2 Weihnachten ist auch ein Fest der Vergebung. Es wird immer Menschen geben mit denen wir weniger zurechtkommen als mit anderen und es wird Menschen geben die wir eigentlich mögen, aber mit denen wir Streit hatten. Verzeiht einander und reicht euch die Hände!
Dominik: Als mein Vater und ich wieder nach Hause kamen und ich aus dem Auto stieg, sah ich die Hansen-Zwillinge, wie sie sich eine Schneeballschlacht mit drei kleinen Kindern lieferten. „Willst du draußen Wurzeln schlagen?“, fragte mein Vater mich laut, während er mir die Haustür offen hielt. „Ich muss noch kurz was erledigen.“, sagte ich zu ihm, ohne mein Blick auf ihn zu richten. Ich marschierte auf das Haus der Hansen zu. Auf dem Weg dorthin steckte ich meine Hände in meine Manteltasche denn obwohl ich Handschuhe trug und die Sonne von oben warm herunterschien, fröstelte es mich. Als ich mich schließlich der lustigen Mannschaft näherte, die sich eine heiße Schneeballschlacht lieferte, wurde ich erst einmal selbst zum Opfer des Geschehens. „Hört auf! Hört auf!“, schrie Patrick schließlich lachend und als sie mit ihrer Schneeballschlacht innehielten, kam er in seinen Stiefeln auf mich zu. „Frohe Weihnachten wünsch ich dir Nick.“ „Ja danke, das wünsch ich dir und deinem Bruder auch.“, sagte ich etwas unsicher und schaute an Patrick vorbei und zu Michael, der zwar zu mir hersah, sich aber nicht zu mir hertraute. „Ich bin ein wenig verwundert.“, sagte Patrick zu mir. „Ich dachte du sprichst kein Wort mehr mit uns. Ehrlich gesagt hätte ich dir das auch nicht verübelt.“ „Du hast dich bereits bei mir entschuldigt.“, erwiderte ich. „In dem Restaurant vor ein paar Wochen. Du erinnerst dich? Heute ist Weihnachten und mein Grandpa hat mich gelehrt, dass sich an diesem Tag die Menschen einander verzeihen sollen, egal wie schwer die Last auch wiegt.“ „Dein Opa ist ein weiser Mann.“, entgegnete Patrick schmunzelnd und bedankte sich bei mir. „Er ist vor allem ein alter Mann der wirres Zeug redet.“, erwiderte ich daraufhin grinsend. „Jedenfalls wollte ich euch nur Frohe Weihnachten wünschen, dass ist auch schon alles.“ Ich drehte mich um und wollte wieder gehen, doch Patrick hielt mich am Ärmel fest, wie er es einst im Restaurant tat. „Ich weiß das macht es nicht besser, aber ich wollte das damals eigentlich nicht. Michael hat mich dazu überredet und du kennst meinen Bruder ja… außerdem ist Marcus ziemlich heeeeiß.“, versuchte Patrick mir zu erklären (Das macht es jetzt aber nicht unbedingt besser…). „Ich weiß, dass er heiß ist.“, erwiderte ich lachend. „Doch das macht sein Betrug nicht ungeschehen.“ „Ich vermiss die Tage wo wir zusammen Skateboarden waren.“, sagte Patrick wehmütig. „Bei dem Wetter unmöglich, aber wenn du magst, können wir gerne mal wieder zusammen ins Kino gehen.“, schlug ich Patrick vor und das Band der Freundschaft wurde neu hergestellt. „Sehr gerne.“, sagte Patrick und ich konnte in seinem Gesicht ablesen, dass er sich darüber freute. „Patrick nun komm schon!“, rief Michael von hinten. „Lass uns den kleinen Kindern zeigen, wer hier die wahren Schneeballschlachten-Könige sind!“ Wut brodelte auf einmal wieder in mir hoch und ich warf Patricks Zwillingsbruder böse Blicke zu. Er hielt es anscheinend nicht für notwendig, sich bei mir zu entschuldigen. Ich verabschiedete mich schließlich von Patrick und begab mich nach Hause, wo mich eine warme Stube mit Weihnachtsdekoration und frischgebackenen Plätzchen erwartete. Ich wollte klingeln, denn ich trug keinen Schlüssel bei mir, da sprang die Tür auf und Oma Forster trat heraus. „Mein lieber Junge, ich wünsch dir einen fröhlichen Weihnachtsabend.“, sagte sie lächelnd zu mir. „Wo gehst du hin?“, fragte ich sie verwirrt. „Mein Schwiegersohn holt mich gleich an der Kreuzung da vorne ab. Ich feiere mit meiner Familie zu Hause. Wir sehen uns morgen wieder!“, rief sie mir zu und verschwand im Schneegestöber.
Marcus: Danke, dass ich bei dir Duschen und Frühstücken durfte.“, bedankte sich David bei mir, während wir in der Küche am Frühstückstisch saßen und er sein letzten Bissen an Speck runterschluckte. „Ich hab meine Schwester Agnes angerufen. Sie holt mich gleich ab. Dann kann ich mich noch schnell bei mir zuhause umziehen und dann geht es auch schon weiter zu Nick und seiner Familie.“ „Ihr feiert bei Nick?“, fragte ich ihn nun ganz hellhörig. „Ja, unsere Eltern sind im Urlaub. Frau Rottbach hat mich und Agnes für heute Abend eingeladen. Jasmin und ihr Vater werden auch kommen.“, erklärte David mir und ich schaute betrübt zu Boden. „Ich wünsch euch viel Spaß.“, sagte ich und setzte ein falsches Lächeln auf. David sah mich misstrauisch an. „Du warst zulange mit Nick zusammen. Ich kann ihn immer sofort durchschauen, wenn es ihm nicht gut geht, oder er mich anlügt. Das Gleiche trifft nun auf dich zu.“ „Es ist alles in bester Ordnung.“, log ich und nippte an meinem heißen Kakao. „Na schön. Du musst es mir natürlich nicht erzählen. Ich bin schließlich Nicks bester Freund und nicht deiner! Wenn er wüsste, dass ich bei dir übernachtet habe, würde er mich in den Boden stampfen.“ Ich brachte Marcus unweigerlich zu lachen. „Keine Witze über meine Größe jetzt!“ „Was hält du von diesem Vorschlag: Ich erzähle dir was mich bedrückt und du erzählst mir was dich bedrückt.“, sagte ich zu David, der seine Unter- und Oberlippe quer übereinanderlegte und zu überlegen schien. „Na schön, aber du fängst an.“, stimmte David meinem Vorschlag zu. Ich überlegte kurz, denn ich wollte keinesfalls Mitleid. Schließlich fragte ich: „Ob mir Nick jemals verzeihen wird, dass ich ihn so verletzt hab?“ „Er hat dir glaub ich schon verziehen.“, antwortete David mir. „Aber er kann es nicht vergessen und hadert noch mit sich, wie er weiter vorgehen soll. Hab Geduld und gib ihm noch ein wenig Zeit.“ Ich wollte Dominik Zeit geben ja, aber was wenn es irgendwann zu spät für uns Beide ist und er sich bis dahin in Sam verliebt?! Falls er das nicht schon längst hat. „Jetzt bist aber du an der Reihe.“, sagte ich an David gewandt. „Was bekümmert dich, dass du gleich zum Alkohol greifst?!“ David schaute mich betrübt an und nach ein wenig Zögern, sprach er all seinen Kummer bei mir aus.
28. Weihnachtszauber – Teil 3 Weihnachten ist auch ein Fest der Freude und vieler heller Lichter. Es erfüllt einen mit Freude, kleine Kinder zu sehen, wie sie vor dem Christbaum stehen und voller Begeisterung den Stern anbeten.
Sam: Ich lag in meinem kleinen Bett im Wohnwagen und begutachtete voller Glückseligkeit den kleinen Holzelefanten, den mir Dominik heute Morgen schenkte. Ich fühlte mich schäbig, dass ich für ihn kein Geschenk besaß. In meiner Familie war das Schenken nicht so Brauch, sondern eher das Zusammensein. Mein Bruder Diego stürmte in den Wohnwagen hinein und schüttelte sich vor Kälte. Dann zog er seine Winterkleidung aus und wärmte sich am kleinen Ofen. Während er sich seine Hände warm rieb, sah er zu mir rüber und sagte: „Wenn du den Elefanten weiterhin so anguckst, dann wirst du noch selber zu einem.“ „Halt den Mund. Was weißt du denn schon?!“, entgegnete ich leicht gereizt. „Ich weiß zum Beispiel, dass hier einer Hals über Kopf verknallt ist.“, grinste mein Bruder mich an und er hatte Recht, doch wollte ich dies nicht offen vor ihm zugeben. „Falls du Ablenkung suchst, die Stute bekommt gerade ihr Fohlen und es sieht glaub ich gar nicht gut aus.“ Ich schreckte auf. „Wieso sagst du mir das jetzt erst?!“, fragte ich ihn wütend, zog Winterstiefel und Mantel an und rannte zum Pferdestall, am anderen Ende des Zirkusplatzes. Dort angekommen, entdeckte ich meine Mutter und meine Schwester Alice, die sich um die Stute kümmerten. „Ist das Fohlen schon da?“, fragte ich ganz aufgeregt, aber auch besorgt. „Nein noch nicht, irgendwie scheint es ihr gar nicht gut zu gehen.“, antwortete mir Alice sorgenvoll. Meine Mutter fügte hinzu: „Dein Vater hat im örtlichen Zoo angerufen und die schicken uns jemand, der auf Tiergeburten spezialisiert ist. Dein Vater wartet am Tor auf diese Person.“ „Die sollen sich beeilen.“, sagte ich etwas aufgebracht, denn das Wohl der Tiere lag mir sehr am Herzen. Es war immer wieder ein besonderes Ereignis, wenn eines der Tiere, ein Neugeborenes auf die Welt brachte. Zudem war dies heute ein besonderer Tag – es war der Tag von Christus Geburt. Während wir auf den Spezialisten aus dem Zoo warteten, hielten Alice und ich die Stute so gut warm, wie uns nur möglich, während meine Mutter frisches Wasser und ein großes Laken besorgte. Nach etwa einer halben Stunde kam mein Vater endlich mit der angekündigten Hilfe zurück. Ich staunte nicht schlecht, als ich lediglich eine junge Frau und einen Jungen, der nicht viel älter als ich sein dürfte, bei ihm erblickte. „Guten Tag.“, begrüßte uns die junge Frau. „Mein Name ist Anja und das ist mein Freund Justin. Er wird sich um die Stute und das Neugeborene kümmern, allerdings muss ich sie bitten, dass sie ein wenig auf Abstand gehen.“ Auf Abstand? Wieso das denn? Und was kann der Junge, was wir alle zusammen nicht können? Ich fühlte mich veräppelt und wollte nicht zur Seite treten. Doch dann kniete sich der Junge – der nebenbei gesagt, sehr hübsch war – neben mich, hielt meine Hand und lächelte mich an. Ich fühlte, dass ich ihm vertrauen konnte. Ich stand auf und hielt wie alle anderen Abstand, während sich der Junge zu der Stute herunterbeugte und ihr etwas ins Ohr zu flüstern schien.
Dominik: Ich freute mich jedes Jahr auf Weihnachten wie ein Honigkuchenpferd (Dabei weiß ich eigentlich nicht einmal was das ist. Ist das ein Kuchen mit Honig in Form eines Pferdes? Klingt abartig…). Meine Mutter war wie die heilige Theresa eine herzensgute Frau, die immer gerne viele Menschen an diesem Abend zu sich nach Hause einlud. „Entschuldigung, wir sind zu spät! Ich musste meinen Bruder erst noch bei Marcus abholen.“, erklärte Agnes uns, als sie und David am Abend unser Haus betraten und ihre Mäntel an der Garderobe ablegten. Ich starrte David verwirrt an. Hat er etwa bei meinem Ex übernachtet? Auf einmal tobte in meinem Kopf ein Albtraum-Kino der Superlative – Marcus und David, in einem Bett (Sollte dies jemals geschehen, werde ich mir eigenhändig mein Herz herausreißen und im Klo runterspülen)! David wich meinen Blicken gekonnt aus und beteiligte sich stattdessen an dem Gespräch, das mein Opa mit Jasmins Vater führte. „Ich bin ja so froh, dass sie den Räuber mit der Clown-Maske verhaftet haben.“, sagte mein Opa, während er ein Glas Rotwein in der Hand hielt. „Ich möchte sie nicht beunruhigen Herr Rottbach, aber wie sich vor kurzem herausgestellt hat, war dieser Räuber lediglich ein Nachahmer.“, sagte Herr Blum. „Der wahre Täter ist demnach noch auf freiem Fuß. Da es allerdings keine weiteren Raubüberfälle mehr gab, stehen die Ermittlungen still.“ „Hoffen wir mal, dass es zu keinerlei weiteren Raubüberfällen mehr kommt.“, trug meine Mutter als Beitrag bei und bat uns alle Platz zu nehmen, damit sie das Essen servieren konnte. Als sie das vorzügliche und schmackhafte Essen auf dem Tisch servierte, blickte ich mich in der Runde um und sah in viele glückliche Gesichter. Zum einen wären da Jasmin und ihr Vater, die seit dem tragischen Tod von Frau Blum jedes Weihnachten von meiner Mutter eingeladen wurden. Dann saßen da noch David und seine große Schwester Agnes, deren Rabeneltern es vorzogen auf eine karibische Insel Urlaub zu machen und ihre Kinder zurückließen (In Wahrheit wollten ihre Eltern mit ihren Kindern gemeinsam fliegen, aber David wollte keinesfalls auf ein Weihnachtsfest mit Schnee und Christbaum verzichten, weshalb seine Schwester mit ihm hier blieb). Und zu guter Letzt wär da noch meine Familie – meine Eltern und mein Opa, der bereits ein Glas Rotwein zu viel intus trug und mit seinen Augäpfeln in Agnes Brust hing. Während dem Weihnachtsessen klingelte es unerwartet an der Tür und ich fragte mich, wer das jetzt noch sein könnte (Wenn das Marcus ist, dann reiß ich ihm seinen Knackpo auf!). „Ich geh schon!“, sagte ich ganz schnell, denn wenn das Marcus war, dann würde ich ihn schnell abwimmeln. Als ich die Haustür öffnete, stellte ich aber zu meiner Erleichterung fest, dass es nicht mein Exfreund war. Stattdessen stand zu meiner Verwunderung und Überraschung Oma Forster vor mir, während fünf weitere Person und ein Hund aus einem großen Auto ausstiegen, dass in der Einfahrt parkte. Oma Forster lächelte mich an und sagte: „Darf ich vorstellen: Das ist meine Tochter Silvia, mein Schwiegersohn Henry, meine Enkelkinder Annie und Bobby, deren Hund Timo und Bobbys leiblicher Vater Thomas Beck. Wir feiern mit euch… Frohe Weihnachten!“ Ich war völlig perplex und brachte aus meinem Mund nicht mehr als ein paar stammelnde Wörter heraus, als Oma Forster mit ihrer gesamten Patchwork-Familie vor unserer Haustür stand. Meine Mutter hörte den Aufruhr hier draußen und erschien im Eingangsbereich. Oma Forster erklärte ihr die Situation mit dem verkohlten Essen. Ich zitiere: „Männer und kochen! Mein Schwiegersohn hat die Gans im Ofen schwarz werden lassen. Die Küche hat zu qualmen angefangen und jetzt stinkt es im ganzen Haus, als hätte dort ein Tabakladen eröffnet.“
29. Weihnachtszauber – Teil 4 Allen voran ist Weihnachten das Fest der Liebe. Warme und geborgene Gefühle durchströmen einen, wenn wir das Weihnachtsfest mit den Menschen die wir lieben, zusammen verbringen.
Sam: Mit einem Lächeln im Gesicht stand ich vor dem Pferdegehege und schaute dabei zu, wie sich die Stute und ihr neugeborenes Fohlen langsam annäherten. Es war so liebreizend mitanzusehen, wie das Fohlen seine ersten Gehversuche antrat. Meine Schwester Alice, die sich wie ich ebenfalls große Sorgen machte, stand neben mir und legte ihren Arm um mich. „Ein schöneres Weihnachtsgeschenk hätte man uns gar nicht machen können.“, sagte sie überglücklich. „Ja und das haben wir alles Justin zu verdanken.“, sagte ich zufrieden. „Es ist wie ein Wunder!“ Ich informierte meine Schwester darüber, dass ich noch etwas zu erledigen hatte und verließ den Pferdestall mit einem Glücksgefühl. Ich wusste jetzt, was ich Dominik zu Weihnachten schenken konnte und machte mich unverzüglich auf den Weg. Als ich das Zirkusgelände verließ sah ich, wie Justin und seine Freundin Anja gerade in ihr Auto einstiegen und davonfuhren. Ich winkte dem Jungen zuvor noch dankend zu und er erwiderte es mit einem Lächeln. Als ich am Haus der Rottbachs ankam, hörte ich einige Stimme, die von drinnen nach draußen drangen. Ich zögerte kurz, ehe ich die Klingel betätigte. Dominiks Vater öffnete mir die Tür und als er Dominik für mich holte, hörte ich ihn rufen: „Nick, dein neuer Verehrer will dir glaub ich noch ein Weihnachtsgeschenk unterbreiten!“ Im hohen Tempo kam Dominik an die Tür geeilt, während ich die Christbaumbeleuchtung an deren Gartenzaun bewunderte und weiße Schneeflocken vom Nachthimmel herunterfielen. „Hat dich mein Vater nicht hereingebeten?“, fragte Dominik mich und in seinem Gesicht konnte ich ablesen, dass er sich sehr darüber freute mich heute noch einmal zu sehen. „Ich wollte lieber hier draußen unterm Sternenhimmel warten.“, erklärte ich ihm lächelnd. „Ich musste dich einfach noch einmal sehen. Heute ist ein echtes Weihnachtswunder geschehen! Ich kann es immer noch nicht glauben, aber wenn mich meine Sinne nicht täuschten, dann hab ich heute einen hübschen Jungen dabei zugesehen, wie er sich mit Tieren unterhält.“ Dominik lachte. „Hast du was getrunken?“, fragte er mich unsicher. „Nein, ich war nur nie glücklicher.“, erklärte ich ihm und ging einen Schritt auf ihn zu. „Ich wollte dir unbedingt auch noch ein Weihnachtsgeschenk überreichen.“ Ich packte Dominik sachte an der Hüfte und zog ihn an mich heran. Ich flüsterte ihm leise zu: „Letzte Nacht wolltest du mich küssen, doch meine Übelkeit hat mir einen Streich gespielt und ich musste mich übergeben. Mieser Zeitpunkt! Doch dieses Mal wird uns nichts dazwischenfunken.“ Ich schloss die Augen, bewegte meine Lippen auf seine zu und küsste ihn. Er erwiderte den Kuss und ich fühlte mich, als würde jedes Glücksgefühl dieser Welt durch mich hindurchströmen.
Dominik: Wir küssten uns so innig, dass ich nicht bemerkte wie das Amulett um meinen Hals anfing hell aufzuleuchten. Der Enkelsohn von Oma Forster, namens Bobby (Was für ein dämlicher Spitzname ist das denn bitte?!) trat in den Eingangsbereich und überraschte uns. „Oh Verzeihung.“, entschuldigte er sich schnell und lächelte uns an. Ich fand seinen Blick eigenartig, doch plötzlich durchströmte mich ein neuartiges Gefühl und ich wusste, dass er ein Freund war. „Ich glaube ich geh dann mal wieder.“, sagte Sam zu mir, nachdem Bobby wieder verschwand. „Ihr scheint ein volles Haus zu haben und bei mir daheim wartet meine Familie, also…“ Ich brachte Sam mit einem weiteren Kuss zum Schweigen. Dieser hielt länger als der Erste, denn dieses Mal wurden wir nicht von irgendwem gestört. Ich schlang meine Arme um Sam und wollte ihn am liebsten gar nicht mehr gehen lassen, doch irgendwann lösten wir uns von unserem Kuss wieder (um lebensnotwenige Luft zu schnappen) und er verabschiedete sich und ging unter den herabfallenden Schneeflocken nach Hause. Als ich mich wieder in mein warmes Zuhause hineinbegab, konnte ich die Stimmen vieler Leute hören. Kein Wunder, denn mit dem Erscheinen der gesamten Forster-Familie befanden sich nun insgesamt vierzehn Menschen und ein Hund im Haus! Es ging drunter und drüber. Bevor Sam aufkreuzte, stellte Oma Forster mir ihre Enkelkinder vor. Dabei bemerkte ich, dass das kleine Mädchen namens Annie, dasselbe Mädchen war, das sich damals im Zirkus von ihrer Mutter ein Kaninchen wünschte. Es dauerte auch gar nicht allzu lange, da erfuhr ich, dass Bobby ebenfalls homosexuell ist und sogar einen Freund hat. „Er studiert Leistungssport und feiert heute Abend mit seiner Familie.“, erklärte Bobby mir. Ich war wie benommen und fühlte mich eigenartig. Zuerst dachte ich, das läge an dem ersten Kuss mit Sam, doch irgendetwas anderes schien in mir vorzugehen. Ich spürte Wellen von Energie, die sich sowohl gut, als auch schlecht anfühlten. Mir wurde schummrig und flau im Magen. „Geht es dir nicht gut?“, fragte David mich besorgt. „Hast du dich bei Sam vielleicht angesteckt?“ „Krankheitserreger können auch übers Küssen verbreitet werden.“, sagte Jasmin und grinste mich an. Ich wurde unweigerlich rot im Gesicht und mein Körper erhitzte sich total. Was ist nur auf einmal los mit mir? Ich sah meinen Opa im Sessel sitzen, der mich durch seine Brille hinweg anstarrte, während die kleine Annie mit dem Hund Timo am Boden rumspielte. Mein Vater erhob ein Sektglas und schlug zweimal sachte mit einem Teelöffel dagegen. „Verzeiht bitte, aber meine Frau und ich möchten etwas verkünden!“, rief er durch den Raum und das musste er auch, denn bei so vielen Menschen ging es hier gerade nicht sehr ruhig zu. „Erst einmal freuen wir uns natürlich, dass wir dieses Weihnachten mit so vielen besonderen und unterschiedlichen Menschen verbringen dürfen. Und zum anderen möchten meine Frau und ich euch mitteilen, dass…“ Meine Mutter fiel meinem Vater ins Wort: „Für diejenigen die es nicht wissen, oder nicht sehen – ich bin schwanger! Gestern Vormittag teilte unser Arzt zudem mit, dass es ein Junge wird!“ Nach dieser Bekanntmachung waren alle völlig aus dem Häuschen. Sogar die, die eigentlich nur spontan zu Besuch waren. Frau Forster gratulierte meiner Mutter ganz herzlich und auch Jasmin freute sich riesig. Doch spürte ich auch Trauer. Eine Person hier im Raum schien innerlich zu weinen und als ich meine Blicke umherschweifen ließ, blieben sie bei Davids Schwester Agnes stehen. Ihr Gesicht zeigte ein fröhliches Lächeln, doch innerlich weinte sie unaufhörlich. Ich fragte mich zwar, was mit ihr los sei, doch viel wichtiger im Moment war – Was ist mit mir los?!
30. Weihnachtszauber – Teil 5 Zu guter Letzt ist Weihnachten auch ein Fest des Glaubens. Je stärker wir an etwas glauben und es uns mit Herzen wünschen, desto höher sind die Chancen, dass dies in Erfüllung gehen mag!
Dominik: Unzählige Emotionen strömten auf mich herein, als meine Eltern das Geschlecht meines neuen Geschwisterchens verkündeten. Ich werde also einen kleinen Bruder bekommen, doch Freude wollte bei mir noch nicht so recht aufkommen. Damit meine Eltern davon allerdings nichts merkten, spielte ich es mit einem aufgesetzten Lächeln herunter. Um mich abzulenken, blickte ich mich im Wohnzimmer um und als eine weitere Aura meinen Geist erreichte, sagte ich: „Herr Beck, was verheimlichen sie vor ihrem Sohn?“ Thomas Beck, der neben mir stand, sah mich wie versteinert an und auch Bobby, der vor uns stand, drehte sich zu uns um und begutachtete uns verwirrt. „W-Wovon redest du?“, fragte Herr Beck mich sichtlich nervös. „Ich hab keine Ahnung wovon du redest Junge.“ Herr Beck warf mir von Angst ergriffene Blicke zu und ich sah zu Bobby, der wiederum beunruhigt zwischen mir und seinem leiblichen Vater hin und her blickte. Schlussendlich sagte Herr Beck: „Bobby, können wir kurz unter vier Augen miteinander reden?“ Zusammen mit seinem Vater verließ Bobby das Wohnzimmer. Inzwischen quengelte Annie, da sie sich morgen mit ihrer besten Freundin zum Schlittschuhfahren verabredete und sie jetzt nicht durfte. „Keine Diskussion Annie.“, sagte ihre Mutter. „Wir haben keine Zeit morgen und ihr seid noch viel zu jung, als das ich euch alleine gehen lassen würde.“ Annie warf ihrer Mutter beleidigte Blicke zu. „Frau Forster!“, mischte ich mich ein, denn ich hatte eine gute Idee. „Ich könnte ihre Tochter morgen begleiten, wenn sie möchten. Meine Freunde David und Jasmin kommen ebenfalls mit.“ Von meinen besten Freunden hörte ich gleichzeitig ein überraschtes „Was?!“, doch widersprachen sie nicht. Frau Forster willigte schließlich ein und Annie warf sich mir dankbar um den Hals, während Timo laut aufbellte und mit seinem Schwanz wedelte. Bobby schloss sich uns am nächsten Tag ebenfalls noch an. Zu fünft machten wir uns also auf dem Weg zur Eisfläche. Kurz vor einer Straßenkreuzung saß ein bärtiger Mann in zerlumpten Kleidern auf dem Boden. Er lächelte mich merkwürdig an, doch versprühte ich keinerlei Aura, die mich an ihm störte. Annie konnte es kaum erwarten und freute sich tierisch. „Auf der anderen Straßenseite wartet meine Freundin. Ich sehe sie schon!“, rief sie und rannte los. „Alles in Ordnung zwischen dir und deinem Vater?“, fragte ich Bobby besorgt, der ein wenig Trübsal blies und ich dies deutlich sah und spürte (Ich glaub ich bin krank!) Bobby erzählte mir von seinem Gespräch mit seinem leiblichen Vater. „Er hat mir gebeichtet, dass ich noch eine Halbschwester namens Caroline habe und dass sie… ANNIKA VOSRICHT!“ Ich drehte mich zur Straße um, doch da geschah es schon. Während Annie über die Straße rannte, raste ein Auto heran, das nicht mehr rechtzeitig bremsen konnte. Eine schattenhafte Person war zur Stelle und schubste Bobbys kleine Schwester rettend zur Seite, doch wurde er dafür selber von dem Auto getroffen, flog über die Windschutzscheibe und landete schließlich auf dem Rücken liegend auf der Straße. Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen, Jasmin warf sich schockiert die Hände vor dem Mund und war den Tränen nahe, David stand wie versteinert da und Bobby rannte schleunigst zu seiner kleinen Schwester. Ich hingegen ging langsam auf die bewusstlose und blutverschmierte Person zu, die Annie soeben das Leben rettete. Mein Herz blieb stehen.
Marcus: Es war der erste Weihnachtsfeiertag und heute kommt meine nervige Verwandtschaft zu Besuch. Nervig deswegen, weil mein Onkel und meine Tante sieben Kinder in kürzester Zeit auf die Welt brachten und die mich zu Tode quälten, indem sie rumplärrten und mir meinen Verstand raubten. Doch nicht mit mir! Dieses Jahr würde es anders laufen. Da das Schwimmbad heute geschlossen war, nutzte ich die Gelegenheit, packte Badehose und ein Handtuch in meine Sporttasche, klaute mir den Schlüssel meines Vaters und schlich mich unbemerkt aus dem Haus. Sicher war das nicht die feine Art an Weihnachten, aber ich brauchte derzeit meine Ruhe, damit ich über vieles nachdenken konnte. Auf dem Weg zum Schwimmbad überlegte ich mir, wie ich Dominik zurückerobern könnte. Ich griff in meine Jackentasche und zog einen kleinen Holzelefanten heraus, den ich mir letzte Woche auf dem Christkindlmarkt bei einer jungen Frau kaufte. Dominik war ein Fan von Afrika und Tieren, da dachte ich mir, dass das passt und ihm eventuell gefällt. Ich steckte den kleinen Holzelefanten wieder zurück in meine Jackentasche und ging mit großen Schritten zügig weiter. Ich liebe Dominik noch immer, andererseits…, wenn ich mir meinen großen Traum als Profischwimmer verwirklichen will, dann werde ich Opfer bringen müssen. Ich hatte nur noch wenig Zeit und das letzte was ich möchte, wäre ihn noch einmal zu verletzen und unglücklich zu machen. An einer Straßenkreuzung, deren Ampel rot war, schaute ich zum Himmel empor und hoffte auf ein Zeichen. Keine einzige Wolke war zu sehen und ein blauer Himmel erhellte die Winterlandschaft auf der Welt. Ein kleines Mädchen mit Zöpfen das neben mir stand, winkte einem anderen Mädchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite zu. Die Ampel sprang auf grün um und das Mädchen von gegenüber kam über die Straße gerannt. Auf einmal sauste im hohen Tempo ein Auto heran. Wieso bremste er nicht? Er hat Rot! Ich konnte einen kurzen Blick auf den Fahrer werfen und erkannte ihn. Ich hörte wie ein Junge panisch nach dem Mädchen rief, doch war es zu spät. Das Mädchen blieb starr vor Angst auf der Straße stehen. Ich zögerte keine Sekunde, warf meine Sporttasche zu Boden und rannte los. Mit meinem Mut und meiner Dummheit schubste ich das Mädchen rettend zur Seite. Dann war das Auto da und ich hörte die Reifen quietschen, als der Fahrer noch versuchte zu bremsen. Mit voller Wucht prallte ich gegen das Auto, flog über die Windschutzscheibe und das Autodach und die Dunkelheit umfing mich! Der letzte Gedanke den ich hatte war, dass ich Dominik mehr liebe als alles andere auf dieser Welt und ich es bereue, ihn nun allein zu lassen.
31. Stille Gebete – Teil 1 Ich stand vor dem Kaffeeautomaten im Krankenhaus und wartete darauf, dass mir der Automat das gab, was ich wollte: Kaffee (Da wärt ihr jetzt nie drauf gekommen oder?!). Doch nachdem ich mein Geld einwarf und die Betätigungstaste drückte, machte der Kaffeeautomat nur ein surrendes Geräusch und spuckte mir keinen Kaffee aus! „Jetzt mach schon du blödes Ding!“, rief ich wütend und trat mit meinem rechten Fuß gegen den Automaten. Eine Krankenschwester, die soeben an mir vorbeiging, warf mir erschütterte Blicke zu. „Sorry.“, sagte ich lediglich (Das nächste Mal werde ich den Automaten ganz lieb streicheln…). Zweiter Versuch, neues Glück. Ich hoffte, dass es diesmal klappt, denn mein Kleingeld ging zur Neige und meine Geduld war es bereits. Dieses Mal spuckte der Automat meinen Kaffee aus, doch garstig wie ich gerade war, verschüttete ich die Hälfte beim Entwendenden des Bechers, goss mir den Kaffee über meine Handfläche und verbrannte mich. Ich jaulte vor Schmerz auf, doch das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz, den Marcus vor fast einer Woche ertragen musste. Ja, eine ganze Woche war seit dem tragischen Unfall vergangen. Marcus rettete der kleinen Annika das Leben, indem er sie von der Straße schubste und sich selbst vors heranrasende Auto warf. Während Annie mit einem Schock davonkam, hatte Marcus nicht so viel Glück… Zwar war er nicht tot doch… „Bist du nicht ein Freund von dem Jungen der im Koma liegt?“, fragte mich die Krankenschwester von vorhin und ich nickte lediglich. „Ja natürlich. Ich sehe dich jeden Tag hier. Ihr scheint gut befreundet zu sein, wenn du jeden Tag hier bist.“, sagte die Krankenschwester, auf deren Namensschild „Regina F.“ stand. „Dein Freund ist ein Held. Er hat dem kleinen Mädchen das Leben gerettet. Du musst sehr stolz auf ihn sein. Ich bete für ihn, dass er wieder aufwacht.“ Ich bedankte mich höflich bei der Krankenschwester, die danach wieder weiterging. Auch ich machte mich wieder auf den Weg. Marcus Eltern waren heute nicht da und ich war der einzige Besuch, den er hatte, auch wenn er davon nichts mitbekam. Heute war übrigens Silvester, der letzte Tag im alten Jahr und ich konnte mir nicht vorstellen, wie es für Marcus sein wird, wenn er erfährt, dass er den Start ins neue Jahr verschlafen hat (Er liebt Silvester – Party ohne Ende!). Ich bin mir ganz sicher, dass er wieder aus seinem Koma erwachen wird. Der Arzt meinte zwar, dass dies nicht sicher sei, doch ich war es! Ich glaubte ganz fest daran! Ich betrat langsam und leise das Krankenzimmer, in dem Marcus lag, und stellte meinen Becher Kaffee auf dem Beitisch ab. Mit traurigen Augen blickte ich zu Marcus, dessen Augen geschlossen waren. Er sah aus, als würde er lediglich schlafen und jederzeit aufwachen und mich anschreien, weil ich ihn besuchen komme, ohne etwas zu Essen mitgebracht zu haben. Ich nahm seine Hand in meine. Sie fühlte sich kalt an. Als wäre er…tot. Nein, Marcus war nicht tot und das ist das Wichtigste! Dieser verdammte Autofahrer! Ich hätte ihn zur Rechenschaft gezogen, wenn ich die Gelegenheit dazu bekommen hätte, doch die Person fuhr einfach weiter und beging Fahrerflucht. Die Ermittlungen laufen auf Hochtouren und Jasmins Vater, Herr Blum, war an dem Fall dran. Ich erinnerte mich an den Tag des dramatischen Unfalls zurück, als wäre es erst heute früh gewesen. Ich sehe wie Bobbys kleine Schwester Annie vor Schreck auf der Straße stehen bleibt und vor Angst nicht in der Lage war wegzulaufen. Das Auto kam näher und näher, als eine mir zuerst unbekannte Person herbeieilte und Annie das Leben rettete. Die Person flog über die Windschutzscheibe und das Autodach und landete schließlich auf der schneebedeckten Straße. Als ich sah, dass es Marcus war – mein Marcus, mit dem ich so viele schöne Momente hatte – packte mich die Panik! Seine Augen waren geschlossen und an seinen Händen und seinem Kopf konnte ich Blut erkennen. Zuerst dachte ich wirklich, dass er jetzt tot war, doch dann kam dieser bärtige Mann in zerlumpten Kleidern herbeigeeilt und fühlte seinen Puls. Marcus lebte noch, doch musste er schnellstens ins Krankenhaus gebracht werden. „David ruf einen Krankenwagen!“, schrie ich laut zu meinem besten Freund, doch er stand vor Schreck nur da. Ich sah wie seine Beine und Hände zitterten, noch mehr als die meine. Dann blickte ich panisch zu Jasmin, der Tränen die Wangen runterkullerten. Noch einmal rief ich ganz laut: „Jetzt ruft doch einer den verdammten Krankenwagen oder wollt ihr das er stirbt?!“ Jasmin zog schließlich ihr Handy aus der Tasche und wählte den Notruf. In der Zwischenzeit drehte ich mich wieder zu Marcus um und kniete mich neben ihn am Boden hin. „D-Danke.“, sagte ich zu dem bärtigen Mann, doch reagierte dieser nicht darauf. Der Mann legte seine raue Hand auf Marcus Brustkorb und ich fragte mich, was er vorhatte. Nach etwa zwei Minuten hörte ich in der Ferne die Sirenen des Krankenwagens und der bärtige Mann sagte: „Dein Freund ist ein starker und mutiger Kämpfer.“ Dann stand der Mann auf und ging davon, doch rief ich ihm noch hinterher: „Bitte warten sie! Wer sind sie? Es kommt mir so vor, als wären sie mehr als nur ein…“ „..ein Penner?“, beendete der Mann für mich und lächelte mich durch seinen Bart hindurch an. „Du solltest dich jetzt erst einmal um deinen Freund kümmern. Das ist wichtiger.“ Danach verließ uns der Mann und kurz darauf trafen auch der Krankenwagen und die Polizei ein. Mein Handy vibrierte, riss mich aus meinen Erinnerungen und ich zuckte zusammen. Ich erhielt eine SMS von Sam (eine von vielen). Er schrieb mir sehr oft in der vergangenen Woche, was daran lag das ich mich nicht bei ihm zurückmeldete und er von seinem Bruder Diego erfuhr, was geschehen ist. Der wiederrum hat es von Jasmin. In Sams SMS stand: „Falls du mich brauchst, bin ich schneller bei dir als du bis Drei zählen kannst. Du musst es mir nur sagen! Ich liebe Dich – Sam.“ Ich antwortete ihm nicht. Ich wollte weder mit jemanden schreiben, noch mit jemanden reden. Ich wollte, dass Marcus wieder aufwacht – Er soll bitte endlich wieder aufwachen! Es klopfte an der Tür und kurz darauf streckte David seinen Kopf durch Tür und Angel hindurch. „Hey Nick. Wie geht es Marcus?“ „Er ist immer noch nicht aufgewacht.“, antwortete ich ihm verzweifelt. David blickte mich traurig an. „Könntest du kurz raus auf den Flur kommen? Herr Blum ist hier und möchte dir gerne ein paar Fragen stellen. Ich sagte zu ihm zwar, dass dies der falsche Zeitpunkt wäre, aber er macht auch nur seinen Job und…“ Ich stand von meinem Stuhl auf und schloss die Tür leise hinter mir, als ich auf den Flur trat, in dem Herr Blum bereits auf mich wartete. „Hallo Dominik.“, begrüßte er mich freundlich. „Tut mir wirklich Leid das ich dich hier aufsuchen muss, aber ich kann meine Ermittlungen ohne deine Aussage nicht fortsetzen.“ Ich nickte ihm zu, dass dies schon okay sei. „Hast du das hier schon einmal gesehen?“ Herr Blum zeigte mir eine kleine Plastiktüte, in der sich mehrere Holzteile befanden. Erst konnte ich nicht erkennen, was das vorher dargestellt haben soll, doch dann erkannte ich in einem der Holzteile den Rüssel des Holzelefanten, den ich Sam zu Weihnachten schenkte.
32. Stille Gebete – Teil 2 Ich erkannte zunächst nicht was diese Holzteile darstellen sollten. „Ich glaube, dass das keine so gute Idee ist.“, meinte David zu Herr Blum. „Bitte lassen sie es für heute gut sein.“ Mit einem Mal erkannte ich in einem der Holzteile den Rüssel des Holzelefanten, den ich Sam zu Weihnachten schenkte. „Das war mein Weihnachtsgeschenk an Sam. Woher haben sie den?“ Herr Blum nickte, als wäre ihm diese Antwort bereits gewusst gewesen. „Wir haben diese Holzteile am Unfallort vorgefunden. Sie lagen auf der schneebedeckten Straße mit einigen Glasscherben, die mit großer Wahrscheinlichkeit zu dem Auto gehören und dessen Fahrer Fahrerflucht begab.“, erklärte Herr Blum mir und mit einem mal, stand mein Mund weit offen. „Sie denken doch jetzt nicht etwa, dass Sam etwas mit dem Unfall von Marcus zu tun hat?“, fragte ich Herr Blum unschlüssig und zugleich schockiert. „David hat mir erzählt, dass du Sam so einen Holzelefanten an Weihnachten geschenkt hast und mal angenommen – nur mal angenommen – er wäre eifersüchtig auf Marcus gewesen, dann hätte er zumindest ein Motiv.“, sagte Herr Blum und ich konnte nicht glauben, dass er dies ernst meinte. „Völliger Schwachsinn!“, stieß ich entsetzt aus. „Sie sagen das so, als wäre das ein versuchter Mordanschlag gewesen, doch es war ein Unfall! Marcus hat einem kleinen Mädchen das Leben gerettet und war nur zufällig in der Nähe! Diese Holzelefanten wurde in Massen auf dem Christkindlmarkt verkauft, es muss also nicht unbedingt Sam gewesen sein. Außerdem…, besitzt Sam überhaupt einen Führerschein?!“ „Er ist zwar erst siebzehn, aber theoretisch könnte er bereits einen Führerschein besitzen. Praktisch gesehen darf er aber nur in Begleitung eines Erwachsenen Auto fahren. Doch nicht jeder hält sich gerne an die Gesetze.“, erklärte Herr Blum mir und ich konnte nicht glauben, was ich da hörte. „Wie sieht es denn mit Fingerabdrücken aus?“, fragte David nach. „Es ist Winter, da trägt natürlich jeder Handschuhe, weshalb nur die Fingerabdrücke der Verkäuferin darauf zu finden sind.“, antwortete Herr Blum uns. Im Moment war ich von Jasmins Vater zunehmend enttäuscht und wollte mit ihm nicht weiter diskutieren. Ich brach das Verhör demnach ab und begab mich wieder zurück in Marcus Zimmer. Krankenschwester Regina war gerade dabei, das Fenster zu öffnen, damit ein wenig frische Luft durch das Zimmer zog. „Wenn es zu kalt wird, dann schließt du es einfach wieder.“, sagte sie freundlich zu mir und lächelte mich zudem an. Ich nahm wieder auf dem Stuhl neben Marcus Krankenbett Platz und streichelte seine Hand. Das Gespräch mit Herr Blum ließ mir keine Ruhe und in meinem Kopf tobte ein Krieg der Gedanken. Sam und der Unfallfahrer? Totaler Unsinn! Aber was wenn doch? Eigentlich wäre dies leicht aufzuklären, wenn Sam mir den Holzelefanten präsentiert, den ich ihm schenkte, doch wenn ich dies von ihm verlange und erkläre wieso, würde er mich für meinen Verdacht auf ewig verachten! Ich wurde jäh aus meinen Gedanken gerissen, als es erneut an der Zimmertür klopfte. Wenn das wieder Herr Blum war, dann würde er mich von einer ganz anderen Seite kennenlernen (Die arschige Seite von mir. Ich würde Herr Blum anschreien, beleidigen und hochkantig aus dem Krankenhaus werfen. Dabei wäre es mir egal, dass er stärker als ich und zudem ein Polizist ist.)! Doch es war nicht Herr Blum, und auch nicht David, es war Frau Forster mit Bobbys kleiner Schwester Annie. „Hallo Dominik. Deine Mutter hat uns gesagt, dass wir dich hier antreffen.“, begrüßte mich Frau Forster, während sie zusammen mit Annie das Zimmer betrat. Es war das erste Mal, dass ich Annie seit dem tragischen Unfalltag sah und sie näherte sich nur ganz zaghaft Marcus Krankenbett. „Das mit Marcus Unfall tut mir sehr leid.“, sagte Frau Forster. „Wie geht es ihm?“ „Unverändert.“, antwortete ich ihr lediglich, denn noch immer war ich aufgebracht über Herr Blums abstrusen Verdacht, dass Sam der Unfallfahrer gewesen sein könnte. „Annie wollte dir etwas sagen, beziehungsweise sich bei Marcus bedanken.“, erklärte Frau Forster. Annie trat näher an das Bett heran und sah mit traurigen Augen Marcus an. „Mir tut es so Leid was geschehen ist.“, sagte sie, halb unter Tränen. „Das alles ist allein meine Schuld.“ Ich stand von meinem Stuhl auf und ging zu Annie. Ich beugte mich zu ihr hinunter und hielt ihre beide Hände. „Das ist gewiss nicht deine schuld! Marcus hat gerne sein Leben für dich riskiert.“ „E-Er ist ein Held.“, erwiderte Annie und schniefte dabei. „Ja das ist er.“, pflichtete ich leise bei. „Ich bete jeden Abend dafür, dass er wieder aufwacht.“, sagte Annie und ich lächelte sie dankbar an. „Das wird er wieder – wenn wir ganz fest daran glauben!“, erwiderte ich und umarmte Annie hinterher. Wir versuchten uns gegenseitig zu trösten und damit den Schmerz zu lindern. Danach verließen Annie und ihre Mutter mich wieder. Als sie weg waren drückte die Stille auf mein Gemüt. Abends schaute der Arzt vorbei und ich musste draußen vor der Tür warten, während er ihn untersuchte und ein paar Krankenschwestern Marcus pflegten (Eigentlich sollte man in so einer Situation keine Witze reißen, aber wieso dürfen die ihn ausziehen und weiß Gott was mit ihm anstellen?). „Möchtest du nicht lieber nach Hause gehen?“, fragte mich Krankenschwester Regina am späten Abend, die sich für ihren Feierabend bereit machte. Heute ist Silvester und es gibt doch bestimmt einen Ort wo du mit deinen Freunden das neue Jahr begrüßen möchtest.“ „Ich will viel lieber bei Marcus bleiben, wenn ich darf.“, entgegnete ich trübselig. Regina lächelte mich an und sagte: „Normalerweise haben wir hier eine Besuchszeit, aber heute mache ich eine Ausnahme für dich. Ich wünsch dir einen guten Rutsch ins neue Jahr.“ „Vielen Dank, das wünsche ich ihnen auch.“, sagte ich und lächelte sie an. Ich glaube das war das erste Mal seit Tagen, dass ich mich zu einem Lächeln durchringen konnte. Als die Uhren Mitternacht schlugen, sah und hörte ich, wie Feuerwerksraketen in den Himmel schossen. Ich hielt Marcus Hand, während ich zum Fenster hinausschaute und dem bunten Zauber zusah. Eine Träne rann mir die Wange hinunter und als ich mich wieder zu Marcus umdrehte, sagte ich zu ihm: „Bitte wach wieder auf hörst du. Ich brauche dich – ohne dich kann ich nicht leben!“ Ich schenkte Marcus einen Kuss auf die Stirn und ließ meinen Tränen erstmals seit einer Woche freien Lauf. „Ich wünsch dir ein frohes neues Jahr Marcus!“
33. Stille Gebete – Teil 3 Eine Hand streichelte mir über den Kopf als ich am nächsten Morgen langsam erwachte. Ich hatte meine Augen noch immer geschlossen, doch spürte ich gleich, wer mir da durch die Haare fuhr. Ich lächelte und als ich meine Augen öffnete, blickte ich in das fröhliche Gesicht von Marcus. Es ging so furchtbar schnell! Ohne zu zögern, warf ich mich ihm um den Hals und drückte ihn so fest an mich, dass er kaum noch Luft bekam (Wenn nicht durchs totfahren, dann sterben durch Ersticken eben). „Du zerdrückst mich ja Nick.“, sagte Marcus in meine Brust hinein. „Ich bin so glücklich, dass du wieder aufgewacht bist. Ich hatte solch schreckliche Angst um dich.“, sagte ich und wollte ihn gar nicht mehr loslassen, so sehr freute ich mich über sein Erwachen. „Aufgewacht? Ich glaube du bist auf einem Irrweg.“, sagte Marcus zu mir und auf einmal ließ ich ihn los und schaute ihn erschrocken an. Marcus sagte: „Nicht ich schlafe hier, sondern du!“ „Nein.“, sagte ich ungläubig. „Nein, nein, das kann nicht sein, nein!“, wiederholte ich mich mehrmals. „Dominik! Dominik!“ Meine Mutter rüttelte an meiner Schulter und ich erwachte aus meinem (Alb-)Traum, der für mich so real wirkte. Es war Neujahr und ich war an Marcus Krankenbett eingeschlafen. Marcus hatte seine Augen noch immer geschlossen und lag im Koma. „Mein Schatz, warst du etwa die ganze Nacht hier?“, fragte mich meine Mutter, doch wartete sie nicht meine Antwort ab und fuhr fort. „Komm bitte mit mir nach Hause. Dein Vater und ich sind schon ganz krank vor Sorge um dich. Tag für Tag verbringst du deine Zeit hier, obwohl du nichts ausrichten kannst.“ „Ich richte sehr wohl etwas aus. Ich bin für ihn da und vielleicht spürt er das auch.“, erwiderte ich trotzig. Mir war ganz und gar nicht danach, Marcus alleine zu lassen. „Ich habe mit Marcus Mutter telefoniert. Sie kommt in einer Stunde vorbei. Die Ärzte müssen jetzt noch ein paar Untersuchungen durchführen. Komm mit mir!“, erklärte mir meine Mutter. Widerwillig begleitete ich meine Mutter schließlich nach Hause, wo mich eine kleine Überraschung erwartete. „Sam?“, stieß ich erstaunt aus, als ich den rothaarigen Jungen aus dem Zirkus, den ich über die letzten Monate so lieb gewonnen habe, zusammen mit meiner Oma im Wohnzimmer vorfand. „Was tust du hier?“ Die Frage sollte keineswegs unhöflich klingen. „Dein Freund macht sich Sorgen um dich du Dummkopf. So wie wir alle.“, erklärte mir Oma Forster, die sich unter eine Decke eingekuschelt hat und sich einen Tee gönnte. Ich fand, dass sie damit zum ersten Mal wie eine wirkliche Großmutter aussah. „Deine Oma ist wirklich cool Nick.“, sagte Sam lächelnd zu mir. „Sie ist nicht meine Oma, aber ja sie ist cool.“, bestätigte ich dezent lächelnd. „Schleim dich nicht bei mir ein Bursche.“, warnte sie Sam eindringlich. „Wenn du Nick unglücklich machst, dann erlebst du dein blaues Wunder!“ Ich musste grinsen. Das erinnerte mich an das Essen mit meiner Familie und Marcus. Damals warnte mein Opa Marcus davor, mich nicht unglücklich zu machen. Dieses Mal war es Oma Forster die Sam warnte. Hoffentlich verletzt Sam mich nicht genauso…, oder werde ich ihn verletzen?! Nach unserem Kuss hatten wir lediglich per SMS Kontakt und nicht einmal da allzu viel. Sind wir jetzt zusammen? Diese wichtige Frage wurde durch eine noch wichtigere Frage verdrängt: Könnte Herr Blums Verdacht, dass Sam etwas mit Marcus Unfall zu tun hat, begründet sein? „Sam darf ich dir eine Tasse Tee anbieten?“, fragte meine Mutter ihn höflich. „Nein danke Frau Rottbach.“, lehnte Sam dankend ab. „Ich wollte mit Nick einen kleinen Spaziergang im Schnee absolvieren. Sofern er will versteht sich.“ Ich wollte und so unternahmen Sam und ich einen Spaziergang durch unsere Kleinstadt. Gleich zu Beginn kamen wir am Haus der Hansen vorbei. Michael und Patrick stritten sich gerade, wer neben ihrem Vater vorne auf dem Beifahrersitz sitzen durfte. Unsere Blicke trafen sich, doch wechselten wir keinerlei Worte miteinander. Sicherlich hatten sie von Marcus Unfall bereits gehört oder in der Zeitung gelesen. Für die Presse war das natürlich ein gefundenes Fressen. „Die Frage wie es dir geht spar ich mir glaub ich.“, sagte Sam nach einer Weile zu mir, während wir durch die Straßen unserer Ortschaft schlenderten und kleine Schneeflocken auf uns hinabschneiten. „Tut mir Leid, dass ich dich nicht zurückgerufen habe.“, sagte ich zu Sam. „Schon in Ordnung Nick. Ich bin dir doch nicht böse. Ich weiß doch, was du gerade durchmachst.“, erwiderte Sam verständnisvoll und ich war ihm unendlich dankbar dafür. Wir kamen an vielen Geschäften vorbei, die am heutigen Feiertag natürlich allesamt geschlossen waren. Nicht einmal das Café am Park hatte heute geöffnet. Als Sam und ich durch den Park schlenderten, trafen wir zufällig auf Herr Berthold unseren Lehrer für Sport. „Ich hab von dem Unfall mit Marcus gehört. Das ist wirklich tragisch und furchtbar. Ich hoffe sehr, dass er bald wieder zu sich kommt. Er will schließlich seinen Traum verwirklichen und Profischwimmer werden.“, sagte Herr Berthold mitfühlend. Wir wechselten keine langen Worte mit ihm, auch wenn ich spürte, dass Herr Berthold sich ernsthaft Sorgen um Marcus machte. Er ist einer seiner Lieblingsschüler. Mir war nach Ruhe und so trennten sich unsere Wege sehr bald wieder. „Können wir ihn die Kirche da vorne kurz reingehen?“, fragte ich Sam und zeigte mit dem Finger auf das große Gebäude mit dem Glockenturm vor unserer Nase. Um die Kirche herum, wurden Bäume eingepflanzt, die im Winter gänzlich in Schnee eingehüllt waren. Sam nickte mir zu und als wir zum Tor kamen, schoss mir die Frage durch den Kopf, ob heute überhaupt geöffnet war. Es war geöffnet und Sam und ich betraten still und leise die Kirche. Vorher klopften wir uns aber natürlich noch den Schnee von unseren Schuhen am Eingang ab. Der Pfarrer unserer Gemeinde, Pfarrer Epp, kniete alleine am Altar und zündete ein paar Teelichter an. „Ich wünsche euch ein frohes neues Jahr.“, begrüßte er uns freundlich. „Zwei Jungs, die besorgt und betrübt an Neujahr die Kirche Gottes betreten? Welche Seltenheit.“ „Ein Freund von mir hatte an Weihnachten einen Unfall und liegt nun im Koma.“, erklärte ich Pfarrer Epp und zündete zusammen mit Sam ebenfalls ein Teelicht an. „Dein Freund ist Marcus Rohling?“, fragte mich Pfarrer Epp. „Ich hab von dem Unfall gehört und bete seit jenem Tag täglich für den armen Jungen und dessen Familie.“ „Er hat einem Mädchen das Leben gerettet und das soll nun der Dank für ihn sein?“, fragte ich ohne jedes Verständnis für den Lauf der Dinge. „Wenn es einen Gott gibt, hasst er ihn?“ Pfarrer Epp blickte mich mit ruhiger Miene an und ich konnte spüren wie er nach Antworten in sich suchte. Dann sagte er: „Gottes Wege sind unergründlich. Es liegt nicht immer in seiner Hand, ebenso liegt es nicht immer in unseren Händen. Nur eines ist sicher – Gott hasst niemanden!“ „Ich wünschte Gott würde Marcus helfen.“, sagte ich und ein flehender Ton lag in meiner Stimme. Nun lächelte Pfarrer Epp. „Gott ist bei uns. Vertraue ihm und gib die Hoffnung nicht auf!“
34. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! – Teil 1 So blöd es auch klingen mag, aber das Leben geht trotz allem weiter. Mein Leben ging weiter, als die Weihnachtsferien zu Ende gingen und ich wieder in die Schule musste. Es war Montagmorgen, ich saß am Frühstückstisch, aß meine Cornflakes mit Milch und war alles andere als gut gelaunt (Um es mit anderen Worten zu sagen: Meine Laune war noch tiefer als der Grand Canyon!). Die Neuigkeit die mir mein Vater zudem heute vermittelte, trug nicht zur Besserung bei – im Gegenteil. „Wir wollten schon seit ein paar Tagen etwas sehr wichtiges mit dir besprechen Dominik.“, so fing mein Vater an und bereits da wusste ich, was immer jetzt auch kommt, es wird meinen Gemütszustand auf den Gefrierpunkt befördern. „Deine Mutter und ich haben überlegt, wo wir das Kinderzimmer für deinen zukünftigen Bruder einrichten. Da alle Zimmer derzeit besetzt sind, dachten wir uns, dass dein kleiner Bruder bei dir auf dem Dachgeschoss unterkommt.“ „Was?!“, schrie ich entsetzt auf und ließ den Löffel in meine Müslischlüssel fallen. Milch spritzte auf meinen neuen Pullover, den ich zu Weihnachten von meinen Eltern geschenkt bekommen hab und ich fluchte und versuchte mir die Milch mit einem Tuch wegzuwischen. „Es gäbe aber auch noch Option Zwei.“, schlug mein Vater vor, dem natürlich bewusst war, dass mir Option Eins so gar nicht behagte. Ich und ein schreiendes Baby? Niemals! „Option Zwei beinhaltet, dass du dein Dachgeschoss mit Oma Forster teilst und in dein ehemaliges Zimmer richten wir das Kinderzimmer ein. Wäre natürlich praktisch, da wir dann näher an dem Baby wären.“ Meine Kinnlade fiel runter (Kann sie jemand aufheben? Danke). „Du verarscht mich oder?“, fragte ich meinen Vater entsetzt und plötzlich fing mein Vater breit zu grinsen an. „Natürlich verarsch ich dich nur.“, lachte mein Vater. „Du glaubst doch nicht im Ernst, dass wir deinem Bruder oder Oma Forster dich Nervensäge und Plagegeist aufhalsen würden.“ „Charmant.“, sagte ich eingeschnappt. „Der Tag kann nur noch besser werden.“ Man soll die Hoffnung nicht aufgeben, so Pfarrer Epp zu mir, als ich an Neujahr in der Kirche war.
Der Schulgong ertönte, doch als ich vor dem Eingang des Schulgebäudes stand, rührte ich mich keinen Millimeter mehr vom Fleck. Als wäre ich an Ort und Stelle festgefroren (Bei Minus Zehn Grad auch nicht ganz unrealistisch. Gott ich frier mir meinen Knack-Arsch ab!). Auf einmal hörte ich einen kurzen Aufschrei und ein Krachen. Als ich mich umdrehte, entdeckte ich Jasmin, die auf einer kleinen Eisfläche ausrutschte und zu Boden fiel. „Alles in Ordnung Jasmin?“, fragte ich sie besorgt und half ihr wieder langsam auf die Beine. „Ich hasse den Winter.“, jammerte Jasmin. „Ich bin so schon immer ein kleiner Tollpatsch und im Winter passieren mir erst recht Unglücke. Das war heute schon das dritte Mal.“ „Du musst ja einen echten Dickschädel haben, soviel wie der aushält.“, entgegnete ich grinsend. „Klappe Nick! Sag mir lieber, warum du noch nicht im Klassenzimmer bist.“, erwiderte Jasmin. Ich schaute Jasmin an und wusste keine Antwort darauf. Jasmin schien meinen Gedankengang zu folgen, streckte mir ihre Hand entgegen und als ich danach griff, marschierten wir Seite an Seite in die Schule. „Trägst du einen neuen Schal?“, fragte ich sie auf dem Weg zum Klassenzimmer, als mir ihr Schal mehrmals ins Blickfeld geriet. Der Schal war rot-weiß gestrickt und ebenfalls in rot-weiß stand dort das Wort „Princess“ drauf. „Ja.“, antwortete mir Jasmin lediglich und wurde leicht nervös und rot im Gesicht. „Von deinem Vater?“, harkte ich etwas genauer nach, da ich wusste, dass ihr Vater sie des Öfteren Prinzessin nannte. Außerdem lenkte es mich von Marcus ab, der nach wie vor im Koma lag… „Mein Vater und stricken? Bist du verrückt? (Kein Wort von euch jetzt! -.-)“, lachte Jasmin. „Nein der Schal stammt von einer ganz anderen Person. Er ist von…“ Ich hörte Jasmin nicht zu Ende an, denn als wir das Klassenzimmer betraten, zog eine andere Stimme meine Aufmerksamkeit auf sich. „Dieser Marcus Rohling liegt noch immer im Koma. Das kommt davon, wenn man den dummen Helden spielen muss.“, sagte Nadine Bachmayer lachend zu einer Gruppe von Mädchen, die um sie herum saßen. „Dumme Menschen gehören eben bestraft.“ Eine ganze Ladung an Wut kochte in mir hoch und ich musste mich zusammenreißen. Ebenfalls um Nadine herum saßen ihr Freund Sebastian und dessen bester Kumpel Lars, die allerdings ausnahmsweise mal nicht ihren Senf dazugaben. Unsere Lehrerin Frau Augustine schien noch nicht hier zu sein, weshalb hier reichlicher Tumult war, doch als meine Mitschüler mich sahen, wurde es mit einem Mal mucksmäuschenstill im Klassenzimmer. Natürlich – schließlich wusste jeder, dass ich und Marcus einmal zusammen waren. Ohne ein Wort zu sagen setzte ich mich neben David, der mich mitfühlend anlächelte. Ich erwiderte sein Lächeln nur kurz, dann senkte ich den Blick und versuchte mich mit unnötigen Dingen abzulenken. „Entschuldigt vielmals die Verspätung!“ rief Frau Augustine uns zu, als sie mit zehn Minuten Verspätung ins Klassenzimmer hereingeschneit kam. „Schneechaos auf den Straßen, aber diese Erfahrung werdet ihr auch noch machen, sobald ihr euren Führerschein habt.“ „Also mein Schatz und ich dürfen bereits in Begleitung eines Erwachsenen Autofahren.“, sagte Nadine voller Stolz. Sie ließ es sich natürlich nicht nehmen zu prahlen, doch was viel wichtiger für mich war: Nadine und Sebastian konnten Autofahren? Ich blickte zu Sebastian, der nervös auf seinem Stuhl hin und her rutschte, und zu Nadine die hochnäsig zu Frau Augustine blickte und sich dabei mit ihrer Hand durch ihr blondes langes Haar fuhr. Die Wut die vorhin in mir brodelte und inzwischen wieder fast gänzlich abgekühlt war, kochte nun wieder erneut auf und als wäre das nicht schlimm genug gewesen, ging eine eigenartige Aura durch den Raum. Es fühlte sich an, als wäre der Unfallfahrer hier im Raum. Ich war wie von Sinnen und wusste nicht was ich tat, doch wusste ich, dass ich etwas tun musste. Ich stand abrupt von meinem Stuhl auf. David und Jasmin sahen mich verwirrt und besorgt an. Frau Augustine die damit beschäftigt war ihren Mantel ablegen, bekam nichts davon mit. Ich ging zu Sebastians und Lars Tisch rüber und ballte meine Faust. Lars der mich kommen sah, wich erschrocken zurück. Doch war es nicht sein Gesicht, der meine Faust zu spüren bekam. Sebastian ging zu Boden!
35. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! – Teil 2 „Dieser Junge hat meinem Sohn ins Gesicht geschlagen und ich verlange, dass er dafür eine rechtmäßige Strafe erhält!“, rief Herr Zobel, Sebastians Vater, etwas laut durchs Büro des Rektors. „Genaugenommen war es nur die Nase und nicht das ganze Gesicht.“, rechtfertigte ich mich. „Und genaugenommen sollte man mir danken, denn ich hab sein Gesicht nur verschönert.“ „Dominik bitte, provozier unseren Bürgermeister nicht.“, bat Herr Sakamoto mich im ruhigen Ton. „Herr Bürgermeister, ich kann ihre Entrüstung verstehen und ich bin mir sicher, dass sich Dominik dazu bereit erklären wird, sich bei ihrem Sohn für seine Tat zu entschuldigen.“ „Wie bitte? Ich soll was?!“, stieß ich entsetzt aus. „Mein Sohn liegt im Krankenhaus wegen Nasenbruch, da dürfte mehr als eine Entschuldigung notwendig sein, um das wieder gerade zu biegen.“, sagte Herr Zobel aufgebracht. „Na gut ein Knacks hier, ein Knacks da, aber dann weiß er jetzt wenigstens wie es sich anfühlt, im Krankenhaus zu liegen.“, sagte ich und spielte dabei auf Marcus an, der im Koma lag. „Entschuldigen sie vielmals Herr Bürgermeister.“, mischte sich nun Herr Frenzel ein, der sich ebenfalls im Büro des Rektors aufhielt und bisher still im Hintergrund stand. „Ihr Sohn und Dominik waren nie die besten Freunde (Genaugenommen waren wir derzeit die größten Feinde an der Schule). Ich kenne Dominik und weiß, dass er normalerweise ohne einen triftigen Grund so etwas nicht machen würde.“ Es klopfte jemand an der Tür des Büros und kurz darauf stolzierte Oma Forster herein. „Verzeihung, aber Nicks Mutter war gerade nicht zugeben, weshalb ich gekommen bin.“ Alle Augen waren nun auf mich gerichtet. Ich wollte hier einfach nur noch so schnell wie möglich raus und sagte: „Ich hatte keinen triftige Grund okay?! Ich bin ausgeflippt und es tut mir Leid!“ Herr Sakamoto lächelte mich an und sagte: „Danke Dominik. Ich denke wir werden es bei einer Verwarnung belassen und…“ „Eine Verwarnung?!“, stieß Herr Zobel entrüstet aus. „Der Junge hat meinem Sohn vielleicht die Nase gebrochen. Ich verlange zumindest einen Schulverweis, wenn nicht sogar einen Schulausschluss!“ „Halten sie ihren Mund sie Scharlatan!“, schrie meine Oma und sowohl der Herr Bürgermeister, als auch Herr Frenzel, Herr Sakamoto und ich sahen sie mit großen Augen erschrocken an. „Dominik ist ein sehr lieber Junge und ein Mensch der ihm sehr am Herzen liegt, liegt seit zwei Wochen im Koma, da könnte man doch zumindest ein wenig Verständnis für ihn aufbringen!“ Herr Zobel rückte sich seine Krawatte zurecht und sagte nervös: „D-Das habe ich nicht gewusst und es tut mir ja auch Leid, aber das ist noch lange kein Grund meinem Sohn eins auf die Nase zu geben.“ „Er hat sich doch bereits entschuldigt, jeder der hier im Raum Anwesenden kann das bezeugen. Wenn es sein muss, sage ich das auch gerne vor Gericht aus.“, sagte Oma Forster. „Nun ich hoffe soweit müssen wir es nicht kommen lassen.“, hoffte Herr Sakamoto und warf dem Bürgermeister einen flehenden Blick zu. „Also schön, aber meinem Sohn ist er zumindest eine angemessene Entschuldigung schuldig.“, gab Herr Zobel schließlich nach, sichtlich beeindruckt von Oma Forsters Einsatz. „Ich denke, dass Dominik sich dazu bereit erklären wird, sobald ihr Sohn aus dem Krankenhaus entlassen ist.“, sagte Herr Sakamoto und damit war die Sache vom Tisch.
Beim Fußmarsch nach Hause schwiegen Oma Forster und ich uns an. Irgendwann durchbrach ich schließlich die Stille. „Danke, dass du mich vor dem Bürgermeister verteidigt hast.“ „Keine Ursache.“, sagte sie lächelnd. „Du bist eben doch ein waschechter Rottbach.“ Was meinte sie denn jetzt damit? Ich hielt es für das Beste erst einmal nicht näher auf das Thema einzugehen, stattdessen fragte ich: „Wo ist meine Mum?“ „Sie wollte vorhin einkaufen und war noch nicht zurück, als der Anruf aus der Schule kam.“, antwortete Oma Forster mir. Mein Blick wanderte zur anderen Straßenseite und ich räusperte mich, damit Oma Forster hersah. „Das sieht mir aber nicht nach Einkaufen aus.“, sagte ich und meine Augen waren auf die andere Straßenseite gerichtet. Ich sah meine Mutter zusammen mit Jasmins Vater, Herr Blum, im Café am Park sitzen und sie schienen sich recht ausgelassen zu unterhalten. Jedenfalls schien meine Mutter über irgendetwas lauthals zu lachen und auch Herr Blum wirkte recht fröhlich. „Was machen die denn da?“, fragte ich beunruhigt. „Haben die ein Date miteinander?!“ „Sie trinken doch nur eine Tasse Kaffee zusammen und haben Spaß.“, meinte Oma Forster. Wir gingen weiter (ich nur widerwillig), doch als wir etwa die Hälfte unseres Nachhauseweges hinter uns gelassen hatten, gab ich mich überrascht und sagte zu Oma Foster: „Oh verdammt. Jetzt hab ich doch glatt vergessen, dass ich noch in die Bibliothek muss.“ „Was willst du denn da?“, fragte mich Oma Forster wissbegierig. „Wir müssen ein Referat schreiben und ich hab noch kein passendes Thema.“, log ich, denn mir war jede Lüge recht, um noch einmal zurückzulaufen und dem seltsamen Verhalten meiner Mutter auf die Spur zu gehen. „Ich geh nochmal zurück. Du kannst gerne schon nach Hause gehen. Ich komme dann später nach.“, erklärte ich Oma Forster und ehe sie etwas dagegen sagen konnte, rannte ich auch schon los – zurück zum Café. Dort angekommen, lugte ich erst einmal vorsichtig durch das Fenster. Meine Mutter und Jasmins Vater saßen noch immer fromm und fröhlich beieinander und aßen jeweils ein Stück Schokotorte. Ich betrat das Café, hielt mich allerdings im Hintergrund auf. Ich suchte mir den nächstbesten Platz zu den Beiden, aber ohne dass sie mich dabei sehen konnten (Yeah! Ich bin Bond, Nick Bond!). Ein bisschen albern kam ich mir ja schon vor. Mich vor meiner Mutter zu verstecken und sie heimlich auszuspionieren, aber ich spürte ganz deutlich, dass hier etwas nicht stimmte. Langsam fragte ich mich, woher ich diese Wahrnehmungen überhaupt vernahm. Ich hörte meine Mutter mit Herrn Blum reden: „Ich bin wirklich froh, dass du heute frei hast und dir Zeit für mich genommen hast Leo. Der schönste Tag seit langem…“ Agnes kam an meinen Tisch und nahm die Bestellung auf. Ich hatte noch gar keine Zeit die Karte zu studieren, also bestellte ich ganz einfach schnell einen Latte Macchiato (gerührt nicht geschüttelt!). „Alles in Ordnung mit dir Nick?“, fragte mich Agnes und sah mich stutzig an. „Du benimmst dich eigenartig.“ „Psssst.“, sagte ich leise. „Ich bin auf geheimer Mission – Operation: „Mother Shading“!“
36. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! – Teil 3 Sollen die Leute mich doch albern, peinlich oder einfach nur lächerlich finden. Im Grunde genommen war mir das schon immer von je her egal (Ich hab ein selbstbewusstes Ego). Ich steh dazu, dass ich meine Mutter beschatte und ausspioniere. Irgendwas schien sie vor uns zu verheimlichen und ich wollte keine Ruhe geben, bis ich die Antwort herausfand. „Fändest du es nicht besser, wenn du wieder gehst?“, fragte mich Davids große Schwester Agnes, nachdem ich ihr von meiner Geheimoperation erzählte. „Du machst dich hier nur zum Affen!“ (So ein Unsinn! Als ob mir jetzt am ganzen Körper Haare wachsen und ich zum Bananenfresser mutiere…) „Psssst. Jetzt sei doch mal leise, sonst fliegt meine Tarnung auf.“, zischte ich sie an. „Deine Tarnung? Aha. Du meinst als Agent der Königin.“ Agnes sah mich belustigt an, doch fing ich an sie einfach zu ignorieren, sofern sie nun endlich ihr lautes Mundwerk zuklebte (Am besten mit dem neuen Superkleber aus dem Textilgeschäft um die Ecke). „Versteh mich bitte nicht falsch Nick.“, sagte sie (und konnte ihre Klappe einfach nicht halten wie es scheint). „Ich verstehe ja, dass du dir Sorgen um deine Mutter machst und nach Ablenkung suchst, nach allem was mit Marcus war…“ „W-Was?! Das ist doch gar nicht der Grund.“, verteidigte ich mich verdattert und aufgebracht, doch innerlich wusste ich, dass Agnes damit Recht hatte. Doch würde ich das niemals zugeben! „Ich finde es nur einfach nicht gut, dass du deiner Mutter in ihrer Freizeit hinterher spionierst. Egal was sie tut, sie wird ihre Gründe dafür haben.“, sagte Agnes und ich spürte bei ihr wieder eine schwermütige Aura, die sie innerlich weinen ließ. „Du Agnes…“, fing ich langsam und leise an, den nun wollte ich es genau wissen. „Was war eigentlich der Grund für deine Rückkehr? Wieso hast du dein Studium abgebrochen?“ „Was soll das denn jetzt?“, fragte mich Agnes irritiert. „Spionier lieber deiner Mutter nach und lass mich in Ruhe.“ Ihr Ton klang mit einem Mal unfreundlicher. Sie ging wieder hinter den Tresen und richtete mir meinen Latte Macchiato her, den ich zuvor bei ihr bestellte. Ich lauschte wieder beim Gespräch meiner Mutter mit Herrn Blum – gerade rechtzeitig, wie ich feststellte. „Aber mal ernsthaft Leo. Glaubst du wirklich, dass Sam Colei der Unfallfahrer war?“, fragte meine Mutter ihn skeptisch. „Nein ehrlich gesagt nicht, aber als Ermittler muss man jeder noch so kleinen Spur nachgehen, egal wie realistisch sie auch sein mag.“, erklärte Herr Blum ihr. „Aber ich hab heute frei, also lass uns bitte nicht über meine Arbeit sprechen. Wie geht es dem Baby?“ „Soweit ganz gut. Der Arzt meint, dass alles ganz normal verläuft.“, antwortete meine Mutter ihm. „Bernd freut sich schon sehr auf das Baby und plant schon das Kinderzimmer, obwohl es noch mindestens ein halbes Jahr dauert, bis es das Licht der Welt erblickt.“ „Und du, freust du dich auch?“, harkte Herr Blum nach. „Bisher kann ich mich leider noch nicht so recht darüber freuen.“, antwortete meine Mutter ihm und langsam verstand ich worum es bei diesem Gespräch wirklich ging. „Als ich damals mit Dominik schwanger wurde, war ich so glücklich und fühlte mich so verbunden mit ihm, aber diese Verbundenheit oder Glückseligkeit fühle ich bei diesem Baby nicht. „Beate, du musst dir und dem Baby Zeit geben, das kommt sicher noch.“, meinte Herr Blum zu meiner Mutter und ich hoffte, dass seine aufbauenden Worte Wirkung bei ihr zeigten. „Bernd freut sich so sehr auf das Baby und ich traue mich gar nicht, ihm von meinen Gefühlen zu erzählen.“ Ich hörte meine Mutter schluchzen (Ich mag es nicht, wenn meine Mutter weint). „Du denkst doch nicht etwa daran, das Baby abzutreiben, oder?“, fragte Herr Blum sie besorgt. Meine Mutter blieb ihm eine Antwort schuldig und ich musste kräftig schlucken. Agnes kehrte mit meinem Latte Macchiato zurück und stellte ihn mir auf den Tisch. Auf einmal wurde mir alles klar. Es war wie ein Blitzeinschlag in meinem Kopf (Autsch?!). Als Meine Eltern an Weihnachten voller Stolz das Geschlecht des Babys verkündeten, spürte ich, dass Agnes innerlich weinte. Nachdem ich nun das Gespräch über Abtreibung mitanhören musste, fing ich an, eins und eins zusammenzuzählen. „Agnes hattest du einen Schwangerschaftsabbruch?“, fragte ich sie ohne Umschweife direkt heraus und brachte sie damit völlig aus dem Konzept. Verwirrt, ängstlich, schockiert und mit großen Augen blickte sie mich an und brachte keinen Ton aus sich heraus, aber konnte ich daran ablesen, dass ich mit meiner Vermutung Recht behielt. „Verzeih, ich wollte dich nicht erschrecken.“ „W-Woher?“, fragte mich Agnes ganz irritiert und blickte nervös um sich, ob auch ja niemand unser Gespräch mitanhörte. „Also habe ich Recht. Du warst schwanger, hattest eine Abtreibung und hast dein Studium deshalb abgebrochen.“, sagte ich frei heraus und Agnes setzte sich mir gegenüber an den Tisch. Ihre Augen waren gesenkt und ich konnte sehen, wie sie an Armen und Beinen zitterte. „Du darfst es niemanden erzählen Nick, hörst du! Niemanden, vor allem David nicht!“, erwiderte Agnes nach ein paar Minuten endlich. „Meine Eltern würden ausrasten!“ „Was ist passiert Agnes?“, fragte ich sie erschüttert und mitfühlend. Agnes zögerte kurz, dann erzählte sie mir ihre Geschichte von der Schwangerschaft. „Es ist jetzt knapp über ein Jahr her. Damals begleitete ich meinen heutigen Ex-Freund in die Berge zu einem Skiausflug, wo wir auf ein paar seiner Freunde trafen. Ich war damals noch ein ganz anderer Mensch – naiv und dumm…, doch ich liebte meinen Freund damals. Als wir eines Abends zu Bett gingen, waren wir Beide schon sehr angetrunken. Mein Freund legte sich auf mich, zog mir meine Bluse aus und dann kam es wie es kommen musste. Hätte ich doch nur früher erkannt, was für ein mieser Arsch er ist… In den Bergen kam es zu einem Vorfall, bei dem er nicht ganz unschuldig war und ich trennte mich hinterher von ihm. Doch dann stellte ich fest, dass ich schwanger von ihm war und mein ganzes Leben geriet in Trubel. Ich wusste nicht was ich tun sollte, war ganz allein auf mich gestellt und bekam es mit der Angst zu tun.“ In Agnes Augen bildeten sich Tränen. Schnell kramte ich ein Taschentuch aus meinem Schulrucksack heraus und überreichte es ihr. „Ich wollte nicht, dass mein Ex-Freund davon erfährt und wenn ich es meinen Eltern erzählt hätte, dann hätten sie mich aus Enttäuschung verstoßen. Ich fühlte mich so schäbig und ich hätte dem Kind nie eine gute Mutter sein können, ohne Geld, ein Zuhause, einen Vater…“ „Also hast du es abtreiben lassen.“, sagte ich schließlich und zeigte Verständnis für ihre Situation. „Versprich mir bitte, dass du das niemanden erzählst Nick. Versprich es mir!“, flehte mich Agnes an und ich haderte mit mir.
37. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! – Teil 4 Agnes erflehte mich, ihr Geheimnis für mich zu behalten. Ich haderte mit mir, denn dies würde bedeuten, dass ich vor meinem besten Freund David ein Geheimnis hätte – betreffend seine Schwester. Was wäre ich für ein Freund, wenn ich ihm das nicht sage? Andererseits konnte ich Agnes auch nicht einfach so ins Messer laufen lassen. Ich kam schließlich zu einem Entschluss, der mir auch richtig erschien. „Ich werde es David nicht sagen, aber ich möchte dass du es ihm sagst.“ Agnes sah mich an, als würde eine Welt für sie zusammenbrechen. „Er ist dein Bruder und sollte es meiner Meinung nach wissen. Ich bin mir sicher, dass er für deine Situation Verständnis aufbringt.“ Für mich war dieses Thema damit vorerst gegessen und beinahe hätte ich verschlafen, dass meine Mutter mit Jasmins Vater Herr Blum nur ein paar Tische weitersaß. Als ich mich wieder zu den Beiden umdrehte, erschrak ich, denn plötzlich stand meine Mutter vor mir. „Dominik was tust du denn hier?!“, fragte sie mich, während sie beide Hände auf ihre Hüfte legte und mich mit ernsten Blick betrachtete. „Spionierst du mir etwa nach?“ „Ich? Nein, neeeein, so gar nicht.“, log ich (und das sehr schlecht). „Ich trink hier nur meinen Latte Macchiato. Der schmeckt gut Agnes.“ Ich schlürfte an meinem Getränk, während meine Mutter Agnes einen fragenden Blick zuwarf. „Ich muss weiterarbeiten.“, sagte sie dezent lächelnd, mit einen letzten Blick auf mich. „Ich hab bezahlt, wir können dann gehen.“, sagte Herr Blum, der dazu trat. Als er mich entdeckte, sah er mich verwundert an. „Hab ich was verpasst?“ „Ja, ich hab einem Mitschüler eins auf die Nase gegeben.“, antwortete ich ihm sarkastisch. „Was warum?“, fragte mich Herr Blum verdattert, während meine Mutter mich schockiert ansah. Ich dachte mir einen Grund für mein Handeln aus. „Mir hat seine Nase nicht gefallen?!“
Es war eine stille Heimfahrt. Ich und meine Mutter saßen im Auto und schwiegen uns an. Es war noch keine fünf Minuten her, da hielt sie mir eine deftige Standpauke, weil ich dem Sohn des Bürgermeisters ins Gesicht schlug. Ich versuchte gar nicht mehr, mich dafür zu rechtfertigen oder zu entschuldigen. Ich war es leid, ich war wütend und enttäuscht. Irgendwann sagte ich schließlich frei heraus: „Wenn du das Baby abtreiben lässt, dann rede ich nie wieder ein Wort mit dir.“ Meine Mutter trat vor Schreck auf die Bremse und fuhr an einen Seitenstreifen. Sie sah mich nicht an, sondern blickte starr geradeaus nach vorne. „Du hast unser Gespräch also doch belauscht.“ „Ja.“, antwortete ich ihr knapp. „Du musst das verstehen Nick. Ich befinde mich in einer schwierigen Lage.“, versuchte meine Mutter mir zu erklären, doch wollte ich dies nicht hören. Ich erinnerte mich an Agnes Situation vor einem Jahr zurück und fragte: „Was für eine schwierige Lage denn? Hast du keine Familie die dir jeden Tag zur Seite steht? Haben wir so wenig Geld, dass wir uns keinen Nachwuchs leisten können? Haben wir kein Dach überm Kopf, wo es sich zuhause und geborgen fühlen kann? Denkst du Vater lässt dich alleine?!“ Meine Mutter schüttelte den Kopf und war auch sehr überrascht von meiner Konfrontation. „Du verstehst das nicht Schatz. Du bist noch viel zu jung…“ „Ich bin siebzehn Jahre alt!“, schrie ich laut durchs Auto. „Ich bin kein kleines Baby mehr, das mit Samthandschuhen angefasst werden muss. Außerdem finde ich, dass du mit Dad über deine Sorgen reden solltest, anstatt mit fremden Männern.“ „Leopold ist kein fremder Mann, das weißt du ganz genau. Er ist ein Freund der Familie.“, rechtfertigte sich meine Mutter, doch wollte ich das einfach nicht hören. „Ja schön, das ist noch lange kein Grund deine Familie anzulügen.“, sagte ich etwas lauter. „Dad freut sich so sehr auf das Baby. Wenn du es jetzt abtreiben lässt, ohne mit ihm darüber gesprochen zu haben, dann wird es ihm das Herz brechen.“ Meine Mutter war wieder den Tränen nahe und das mochte ich nicht, aber was sollte ich tun?! Die Wahrheit verschönern oder gar zur Seite schieben? „Du hast ja Recht.“, sagte sie nach längerem Warten, während es draußen langsam dunkel wurde. „Es tut mir Leid mein Schatz.“ Sie gab mir einen Kuss auf die Wange, doch schaute ich nur betrübt aus dem Fenster. „Ich werde mit deinem Vater reden. Versprochen!“
Es heißt doch immer: Neuer Tag, neues Glück, oder? Auf den beschissenen Montag folgte der Dienstag, der nun nur besser werden konnte (Hip Hip Hurra!). In den ersten beiden Stunden hatten wir Sportunterricht bei Herr Berthold, der in der Turnhalle ein Hindernisparcours errichtete. „Ich erwarte euch in fünf Minuten umgezogen in der Turnhalle!“, rief er uns in der Umkleidekabine zu. „Alles okay mit dir?“, fragte mich David besorgt, der in seinen labbrigen Shorts einfach nur süß und lustig aussah. „Ich werde nicht der Schule verwiesen, also geht es mir gut.“, antwortete ich ihm und verschwieg ihm natürlich Agnes Geständnis. Es fiel mir nicht leicht, meinen besten Freund anzulügen, aber ich betete inständig, dass seine Schwester im bald reinen Wein einschenkte und die Geheimniskrämerei ein Ende hat (Selbstverständlich sollte man David keinen richtigen Wein einschenken. Bei seinem kleinen Körper, wäre er schneller hackedicht, als Sebastian bis Drei zählen kann. Man erinnere sich nur einmal an den Winterball, wo er sich hinterher über der Kloschüssel übergab). „Wo ist eigentlich Sam?“, fragte David mich anschließend und erst jetzt fiel mir auf, dass Sam weder gestern noch heute zum Unterricht erschienen ist. Ich fühlte mich schuldig, da ich dies erst jetzt bemerkte und machte mir Vorwürfe, da ich ihn letzter Zeit stark vernachlässigte. „Hey Mann, wie geht’s deiner Nase?“ fragte Lars Sebastian, als dieser die Umkleidekabine betrat. „Es schmerzt und ich kann heute beim Sportunterricht nicht mitmachen, aber immerhin ist sie nicht gebrochen.“, antwortete Sebastian ihm und warf mir einen bösen Blick rüber. „Komm, lass uns lieber in die Turnhalle gehen.“, sagte David zu mir, packte mich am Arm und zerrte daran, als würde ich gleich eine weitere Dummheit begehen. Doch Sebastian war schneller und versperrte uns den Weg. Er kam auf mich zu und seine Augen funkelten fuchsteufelsrot. Dann flüsterte er mir etwas ins Ohr, dass nur ich hörte: „Damit du Bescheid weißt – für diese Aktion mache ich dich fertig! Ich werde keine Ruhe geben, bis ich dich und dein armseliges Leben zerstört habe. Du wirst dir noch wünschen, mich nie kennengelernt zu haben!“
38. Mutter, Vater, Kind… und die Oma und der Opa dazu! – Teil 5 Ich lag zuhause in meinem Bett auf dem Dachboden und tippte rasend schnell in die Tasten meines Handys. „Wo bist du?“, schrieb ich Sam, der bereits den zweiten Tag in der Schule unangemeldet fehlte. Ich fragte zwar unsere Klassenlehrerin Frau Augustine nach ihm, aber die wusste es selber nicht genau, oder wollte mir einfach keine Antwort geben. Ich zitiere: „Wenn ich etwas weiß, dann teile ich es dir mit.“ Natürlich war ich sehr besorgt und machte mir die bittersten Vorwürfe. Nach unserem Kuss an Weihnachten ließ ich ihn einfach links liegen, aber der Unfall mit Marcus warf mich einfach völlig aus der Bahn und ich wollte nur für ihn da sein (Ich bin ein mieser Freund für Sam. Echt mies, der mieseste Freund aller Zeiten. Wirklich, wirklich mies! Verdammt bin ich ein mieser Freund! Jetzt redet schon dagegen und sagt dass ich ein ganz wundervoller Freund bin!). Es klopfte an meiner Zimmertür und als ich Zutritt gewährte, kam meine Mutter ins Zimmer geschwebt. Sie trug ein wunderschönes Abendkleid. „Wow du siehst umwerfend aus.“, stieß ich überrascht aus, meinte es aber ernst (Wenn meine Mutter nicht meine Mutter wäre, würde ich sie vom Fleck her heiraten). „Danke dir.“, erwiderte meine Mutter glücklich. „Dein Vater und ich gehen heute mit den Forsters zu einer Tanzveranstaltung. Ich hab übrigens mit deinem Vater über meine Sorgen um das Baby erzählt. Es ist alles okay und du musst keine Angst haben. Ich werde es nicht abtreiben lassen.“ „Das ist schön und freut mich wirklich sehr.“, sagte ich lächelnd. „Kümmerst du dich um Opa und Oma Forster, während wir weg sind?“, fragte mich meine Mutter. „Aber klar.“, antwortete ich, legte mein Handy aufs Nachtkästchen und ging zusammen mit meiner Mutter die Treppe ins Erdgeschoss hinunter. Mein Vater wartete bereits im totschicken Anzug am Fuße der Treppe. „Schlechte Nachrichten. Bernd hat mich soeben angerufen. Offenbar ist der Veranstalter des heutigen Tanzabends kurzfristig erkrankt, weswegen die Tanzveranstaltung ausfällt.“, erzählte er meiner Mutter. „Oh nein, wie schade.“, erwiderte meine Mutter ganz enttäuscht, während ich mich ins Wohnzimmer begab, wo mein Opa gerade dabei war, ein Kreuzworträtsel in einer Zeitschrift zu lösen. „Nick gut dass du kommst. Was könnte ein Feuervogel sein?“, fragte er mich wissbegierig. Ich überlegte kurz, während ich zum Kamin blickte, in dem ein Feuer loderte. Dann antwortete ich ihm: „Ein Phoenix vielleicht?!“ Mein Opa schien die Antwort zu überraschen, allerdings war ich etwas erstaunt, dass er dies selber nicht wusste, denn so schwer war die Frage nun wirklich nicht. „Dann fällt der heutige Abend wohl leider ins Wasser.“, sagte mein Vater, als er zusammen mit meiner Mutter ins Wohnzimmer trat. „Das kommt gar nicht in Frage!“, rief Oma Forster, als sie ebenfalls das Wohnzimmer betrat. Sie kam gerade aus der Küche, vollgepackt mit einer Hand voll Sandwiches, die sie selbst zubereitet hat. Sie legte die Sandwiches auf dem Tisch ab. Als mein Opa bereits seine Finger danach leckte, gab sie ihm eins auf die Löffel und warf ihm böse Blicke zu. Ich musste mir das Lachen verkneifen. „Ich lasse nicht zu, dass euer Tanzabend ins Wasser fällt.“, sagte Oma Forster danach. Sie ging zur Stereoanlage und legte eine CD ein (Mal ehrlich – die einzige Großmutter, die weiß, wie man eine Stereoanlage bedient. Nicht einmal Mädchen der heutigen Zeit können das immer – schon gar nicht, wenn sie blond sind). Eine romantische Jazzmusik ertönte. „Du meine Güte, das ist zu kitschig.“, sagte Oma Forster und drückte ein Lied weiter. „Das Lied ist besser! Klassischer geht es gar nicht! Los du alter Griesgram, steh auf und beweg deine müden Beine. Jetzt wird Walzer getanzt!“ Mein Opa warf Oma Forster einen schockierten Blick zu, doch wollte er sich ihr keineswegs widersetzten (Da er Angst vor ihr hat). „Ihr Beide macht es uns einfach nach und los geht’s!“ Ich setzte mich genüsslich und amüsiert auf die Couch, schaute dem bunten Treiben mit Interesse und Freude zu und kaute in der Zwischenzeit auf einem von Omas Sandwiches herum. „Und eins und zwei, und eins und zwei, und eins und zwei.“, gab Oma Forster den Takt. Die Vier sahen einfach urkomisch aus. Mein Opa wurde von Oma Forster geführt, die sich wie ein General der Armee benahm und mein Vater bewegte sich so steif, aus Sorge, er würde meiner Mutter auf die Füße treten. „Jetzt noch ein zweites Lied.“, sagte Oma Forster mit Freude und ich sah, wie mein Opa die Augen verdrehte. Er wollte die Flucht ergreifen, doch Oma Forster war schneller: „Halt bleib hier du alter Esel, oder ich reiß dir den Hintern auf, dass du nie mehr sitzen kannst!“ Ich fing an zu lachen. Der zweite Tanz war ebenso amüsant und ich sah mit Hochachtung dabei zu, wie mein Vater immer besser tanzte und er und meine Mutter sichtlich Spaß dabei hatten. Als der Song und der Tanz zu Ende waren, sagte meine Mutter: „Uff, das war wirklich wundervoll, aber jetzt wäre ein Schluck Wasser nicht schlecht.“ „Wasser?!“, rief Oma Forster entsetzt auf. „Habt ihr keinen Schnaps mehr im Haus?“ Mein Vater setzte sich neben mich und sagte: „Du kannst dich übrigens freuen. Wir haben das Thema Kinderzimmer geklärt. Oma Forster wird ja nicht auf ewig bei uns wohnen. Bis sie ausgezogen ist, richten wir die Kinderwiege und alles in unserem Schlafzimmer ein. Dort können deine Mutter und ich auch gleich eine engere Bindung zu deinem neuen Geschwisterchen aufbauen.“ „Da bin ich aber froh.“, erwiderte ich und lächelte meine Eltern glücklich an. Oma Forster trank ein Glas Schnaps, dann drückte sie auf der Stereoanlage wieder auf Play und rief uns alle zum Tanzen auf (Hat sie gerade alle gesagt). Meine Eltern standen lachend auf und fingen zu Tanzen an, sogar mein Opa stand dieses Mal ohne Gegenwahr auf und tanzte mit sich alleine. Ich konnte kaum glauben was ich da sah. Noch weniger konnte ich glauben, als Oma Foster mich gegen meinen Willen von der Couch auf die Beine zerrte und mich zum Mittanzen zwang. Zuerst war es mir unendlich peinlich, doch dann bekam ich richtig Gefallen daran und tanzte ausgelassen mit meiner Familie und Oma Forster. Wir hatten alle unheimlich viel Spaß wie schon lange nicht mehr und ich wusste, dass wir dies Oma Forster zu danken haben, die neues Leben in unsere Bude einhauchte. Meine Eltern waren überglücklich und ich wusste, dass meine Mutter sich nicht mehr um die Zukunft und das Baby sorgte. Wenn jetzt noch Marcus aus dem Koma erwachen würde, wäre mein Glück perfekt! Als ich spätabends zu Bett ging (Meine Beine schmerzten und ich war müde wie ein Siebenschläfer), schaute ich auf mein Handy und entdeckte zu meiner Erleichterung eine Nachricht von Sam. Er schrieb mir: „Mir geht es gut.“ Etwas dürftig, aber immerhin scheint alles okay zu sein… oder?!
39. Freitag, der 13. – Teil 1 Heute ist Freitag der 13., der Tag, an dem laut Volksglauben, besonders viele Unglücke passieren. Natürlich bin ich nicht der Mensch gewesen, der an so einen Unsinn glaubte. Mein bester Freund David dafür umso mehr und irgendwie zog er das Unglück heute auch magisch an. Zu guter Letzt schien das Unglück auf mich abzufärben. Ich kann nicht glauben, dass ich das jetzt sage aber… ich glaube David hatte Recht! Der Freitag der 13. Bringt wirklich Unglück! Ich saß hinter drei Mülltonnen, die aneinandergereiht in einer Seitenstraße standen und versteckte mich. Über mir der Nachthimmel. Die Sterne waren heute von düsteren Wolken bedeckt und in der Ferne hörte ich das Grollen des Donners. Meine Arme waren um meine Beine geschlängelt, die vor Angst intensiv zitterten. Er ist da. Er ist ganz in meiner Nähe! Ich hörte langsame und leise Schritte. Er sucht nach mir! Ich versuchte nicht zu atmen und keinen Mucks von mir zu geben. Ich spürte ein Kitzeln in der Nase – verflucht nochmal, ich darf jetzt nicht niesen! Wenn ich jetzt niese, dann findet er mich. Die Person mit der Clown-Maske findet mich und bringt mich um!
„Danke, dass ich heute Nacht hier bei ihnen übernachten durfte Frau Rottbach.“, sagte David zu meiner Mutter am Frühstückstisch. Den ganzen gestrigen Tag verbrachten er und ich damit, die komplizierten Matheaufgaben von Herr Frenzel zu lösen. Erst Mithilfe von meinem Opa, dem Rechengenie, gelang uns die Lösung der Aufgaben. Da es draußen bereits dunkel war und David Angst hatte, alleine nach Hause zu gehen (Dieser kleine Angsthase, aber irgendwie auch süß), überredete ich meine Eltern, dass er heute Nacht bei mir übernachtete. „Das ist doch kein Problem. Jederzeit gerne wieder.“, winkte meine Mutter locker ab. „An einem besonderen Tag wie heute, ist es sowieso keine gute Idee, alleine umherzuirren.“ „Wieso was ist heute?“, fragte ich ahnungslos meine Mutter. „Wisst ihr das etwa nicht? Heute ist doch Freitag der 13.!“ Meine Mutter lächelte uns schelmisch an, während David auf einmal ganz entgeistert dreinblickte. „Alles okay mit dir David?“ „F-Frei-Freitag d-der 13.?!“, kam erschüttert aus Davids Munde. „Was haltet ihr davon, wenn ich euch für heute noch die Zukunft vorhersage?“, fragte meine Mutter uns und ich rollte mit den Augen. Wie ich euch vor langer Zeit bereits berichtete, sieht sich meine Mutter gerne Tarot-Sendungen im Fernsehen an (Das wisst ihr doch sicherlich noch oder? Wehe wenn nicht, dann schneid ich eure Gedärme raus und verfüttere sie an Marcus, sobald er aus dem Koma erwacht ist). Sie selber legt ebenfalls Tarot-Karten aus und prophezeit sich und anderen Menschen gerne die Zukunft. Ich und mein Vater hielten das für absoluten Humbug und man sollte meinen, dass ein Mensch wie David, der nicht an ein Leben im Weltall glaubt, ebenso denkt, doch was diese Dinge anbelangte, war er nun mal sehr abergläubisch und ängstlich. David und auch ich ließen uns also die Karten legen (Ich mehr widerwillig als gern). Meine Mutter fing mit David an und erklärte ihm, dass von den 22 Tarot-Karten, die sie verdeckt auf dem Tisch legte, drei umdrehen würde und diese dann seine Zukunft prophezeien würden. David rutschte nervös und ängstlich auf seinem Stuhl herum. Ich versuchte ihn zu beruhigen, denn meiner Meinung nach, steigerte er sich viel zu sehr darin hinein. Heute war ein Tag wie jeder andere auch! „Ich decke jetzt die erste Karte auf.“, sagte meine Mutter und drehte zugleich die erste Karte um, während David neben mir einmal kräftig schluckte. „Das ist der Schamane. Er verkörpert großes Wissen und Güte. Zudem ist er ein Hinweis darauf, dass du ein hohes Alter erreichen wirst.“ „Na siehst du.“, sagte ich lächelnd und David fiel ein Stein vom Herzen. „Wenn heute wirklich ein Unglückstag ist, dann wirst du zumindest nicht den Tod erleiden.“, scherzte ich, was weder meine Mutter noch David besonders lustig empfanden. Meine Mutter drehte die zweite Karte um. „Dies ist das Rad des Schicksals. Es verdeutlich noch einmal, dass dein Leben weiter gehen wird und einschneidende Veränderungen in dein Leben treten werden. Dein Schicksal erwartet dich.“ „Ist das jetzt gut oder ist das schlecht?“, fragte mich David von der Seite, doch schwieg ich. Mir war langweilig und ich blickte auf meine Armbanduhr, wann wir zur Schule mussten. Schließlich drehte meine Mutter die dritte Karte um, die den Mond symbolisierte. „Der Mond bedeutet das Erwachen von Gefühlen. Du musst den jetzigen Weg weitergehen. Dabei werden dir immer wieder Steine in den Weg gelegt und du musst hin und wieder Grenzen überschreiten und über dich hinauswachsen um dein Ziel eines Tages zu erreichen.“ „Joa, das kling doch eigentlich ganz gut oder Nick?“, fragte David mich, als ich gerade gähnte. „Wie was? Ach so ja. Das passt zu dir.“, antwortete ich ihm gelangweilt. „Das mit dem „über sich hinauswachsen“ wird bei dir nur ein klein wenig schwierig.“ David trat mir ans Schienbein und ich jaulte auf vor Schmerz (Okay, das hab ich verdient). „Jetzt bist du an der Reihe mein Schatz.“, sagte meine Mutter und ich war bereit, egal was kommen mag (Freitag der 13. Ist kein Unglückstag, sondern ein Einschlaftag). Die Karten wurden neu ausgelegt und meine Mutter drehte die erste Karte für mich um. „Dies ist der Narr. Er ist offen für alles und macht sich auch um Gefahren keinerlei Gedanken. Er ist unbeschwert, leichtsinnig, unbefangen, sorglos, aber auch sehr lebendig und versprüht eine enorme Lust am Leben.“ David lachte lauthals und ich musste grinsen. „Das passt wie die Faust aufs Auge.“, sagte ich. Meine Mutter drehte meine zweite Karte um. „Dies ist die Kraft. Du versprühst eine Menge Energie, besitzt viel Mut und Selbstvertrauen und hast eine gute körperliche Konstitution.“ „Auch das passt.“, sagte ich überrascht. „Vielleicht ist an diesem Humbug ja doch was Wahres dran.“ „Jetzt bin ich aber auf die dritte Karte gespannt.“, sagte David von der Seite angespannt. Als meine Mutter die dritte und letzte Karte umdrehte, war ich heilfroh, dass gleich alles sein Ende fand. „Das ist jetzt weniger gut.“, sagte meine Mutter und Panik stieg in mir hoch (Nein nicht im Ernst. Ich tu nur so, der Spannung wegen). „Dies ist der Turm. Er steht für drastische Veränderungen im Leben. Dein Ego erleidet einen Zusammenbruch und du wirst stürmische Zeiten durchleben.“ „Vielleicht kommt heute ja ein Unwetter auf. Der Wetterbericht verkündet jedenfalls Regen und Donner.“, sagte ich unbeeindruckt von dem Ganzen. „Los David, wir müssen in die Schule!“ „Auch wenn du nicht daran glaubst, pass auf dich auf Schatz.“, meinte meine Mutter. „Jaja.“, erwiderte ich nun wirklich genervt (Glaubt ihr auch an so einen Unsinn?). Während ich meine Schuhe anzog, zog meine Mutter David an sich heran und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Es interessierte mich nicht sonderlich, was die Beiden miteinander ausheckten und ich fühlte mich frei, als wir uns endlich auf den Weg zur Schule machten. Meine Mutter räumte in der Zwischenzeit die Tarot-Karten wieder auf und bemerkte dabei nicht, dass eine der Karten bereits seit Beginn des Kartenlegens zu Boden gefallen ist und somit das Ergebnis fälschte. Die Karte lag mit der Bildseite nach oben und zeigte klar und deutlich den Tod!
40. Freitag, der 13. – Teil 2 „Hast du heute etwas Besonderes vor Nick?“, fragte mich David, als wir auf dem Weg zu unserem Klassenzimmer, durch die Schulkorridore schlenderten. „Nach der Schule geh ich nach Hause, esse was und erledige meine Hausaufgaben. Danach gehe ich ins Krankenhaus und erkundige mich nach Marcus Ergehen und zum Schluss besuche ich Sam, der mit den anderen Zirkusleuten beim Aufbau der Karnevalwägen beschäftigt ist.“, antwortete ich ihm. „Ach genau. War das nicht auch der Grund, weshalb Sam letzten Monat für ein paar Tage nicht in die Schule kam?“, erkundigte sich David bei mir und er hatte Recht. „Ja, er musste seiner Familie beim Gestalten der Karnevalwägen helfen und hatte keine Zeit in die Schule zu gehen.“, erklärte ich David. „Obwohl seine Mutter meinte, dass er viel lieber zur Schu…“ „Dominik pass auf!“, schrie David mich mit einem Mal an, kurz bevor ich unter einer Klappleiter hindurchmarschieren wollte. „Unter einer Leiter hindurchzugehen, bringt Unglück.“ „Das ist doch alles nur törichter Aberglaube David.“, erwiderte ich lächelnd (Als nächstes bringt es wahrscheinlich auch noch Unglück, sich in der Gegenwart eines Zwerges aufzuhalten). „Glaub von mir aus was du willst, aber da du offenbar Freitag den 13. nicht ernst zu nehmen scheinst, werde ich dich heute auf Schritt und Tritt begleiten, damit dir nichts zustößt.“, sagte David. Ich verdrehte die Augen. „Juhu, da freue ich mich aber…“ Im Klassenzimmer trafen wir auf Jasmin, die fieberhaft nach etwas suchte. „Wo ist er nur?“ „Was suchst du denn?“, fragte ich sie angeregt. „Meinen Schal.“, antwortete sie mir. „Gestern hatte ich ihn noch und dann war er verschwunden. Bei mir Zuhause hab ich schon alles abgesucht und so hab ich gehofft, dass ich ihn heute hier im Klassenzimmer wieder finde.“ „Das liegt bestimmt daran, dass heute Freitag der 13. ist.“, entgegnete David und half Jasmin beim Suchen. Wieder verdrehte ich die Augen, denn langsam ging mir das Thema gehörig auf den Keks. „Es tut mir so leid, David. Du hast dir so viel Mühe gegeben, ihn für mich zu stricken und nun ist er weg.“, sagte Jasmin traurig. Der Schal war also von David? Jetzt bin ich aber überrascht… „Halb so wild. Wenn Freitag der 13. vorüber ist, dann taucht er bestimmt wieder auf.“, winkte David locker ab (Der Erfinder dieses Aberglaubens gehört doch gesteinigt). „Nach der Schule helfe ich dir, noch einmal bei dir Zuhause alles gründlich abzusuchen.“ „Danke.“, sagte Jasmin lächelnd und wurde dabei leicht verlegen (Oh lala hab ich was verpasst?). „Du brauchst gar nicht so zu grinsen.“, sagte David an mich gewandt. „Wenn du heute ins Krankenhaus und zum Zirkus gehst, begleite ich dich (Nervensäge -.-). „Dann komm ich ebenfalls mit. Dann sehe ich Diego wieder.“, erklärte Jasmin, die auf einmal ganz kribbelig vor Freude wurde, während Davids Stimmung ins Wanken geriet.
„Ich bin wieder da!“, rief ich nachmittags laut durchs Haus und trat anschließend in die Küche. „Grüß dich mein Schatz. Nanu ist David gar nicht bei dir?“, fragte meine Mutter mich überrascht, während sie gerade am Kochen war (Hm riecht das lecker). „Er und Jasmin kommen nachher und begleiten mich ins Krankenhaus.“, antwortete ich ihr. Ich steckte meine Nase unter den Topfdeckel und roch an unserem heutigen Mittagessen. „Moment mal. Wieso dachtest du, dass David bei mir wäre?“ „Äh…nur so? Ihr hängt doch derzeit öfters miteinander ab.“, erklärte meine Mutter mir unruhig. „Ja aber doch nicht Tag und Nacht. Wir sind schließlich nicht verheiratet!“, erwiderte ich daraufhin (Ich und David heiraten…hm… dann würde ich ihn aber in ein Brautkleid zwängen und Jasmin darf Blumenmädchen spielen). „Schon gut. Gehst du mal ans Telefon bitte?“, entgegnete meine Mutter, während das Telefon zu läuten begann. Ich ging in den Hausflur und nahm den Hörer ab. „Ja guten Tag, hier Dominik Rottbach.“, begrüßte ich den Anrufer am anderen Ende der Leitung. Zuerst kam keine Antwort und ich wollte schon wieder auflegen, doch dann: „Dies wird ein grausiger Tag für dich.“, krächzte mir eine unheilvolle Stimme entgegen. „Wer ist denn da?“, fragte ich verwirrt und musste zugleich an Sebastian denken, der mir schon des Öfteren drohte. Allerdings sehe ihm so eine Aktion wiederum gar nicht ähnlich. „Nimm dich in Acht vorm Freitag den 13.“, krächzte mir die Stimme weiterhin entgegen (Vielleicht sollte der Kerl mal an einem Halsbonbon lutschen). Nach dieser Aussage, hätte ich gesagt, der Anrufer wäre David, doch die Stimme war viel tiefer, männlicher und auch älter. „Ich finde das gar nicht lustig.“, sagte ich gereizt. „Ich leg jetzt auf.“ „Haha jetzt warte doch.“, lachte die Stimme und klang nun so gar nicht mehr krächzend. Ich erkannte die Stimme meines Vaters, der sich einen Scherz mit mir erlaubte. „Tut mir Leid für diese Aktion. Ich konnte einfach nicht widerstehen.“, erklärte er mir. „Kannst du deiner Mutter bitte ausrichten, dass ich heute Abend erst sehr spät nach Hause komme. Hier liegt sehr viel Arbeit und das braucht Zeit.“ „Ich richte es ihr aus.“, antwortete ich. „Erschreck mich nie wieder so Dad!“ Ich hörte meinen Vater noch einmal am anderen Ende der Leitung lachen, dann legten wir beiderseits den Hörer auf.
Ich marschierte zusammen mit meinen Freunden durch die Korridore des Krankenhauses, auf dem Weg zu Marcus Zimmer. „Jetzt liegt er schon über fünfzig Tage im Koma.“, sagte Jasmin schockiert. „Ja leider.“, erwiderte ich traurig. Wir kamen an seinem Zimmer an und ich marschierte ohne anzuklopfen in das Zimmer. Mich packte das kalte Grauen was ich dort sah, denn das Zimmer war leer. Marcus Bett war verschwunden und von ihm selber fehlte erst recht jede Spur. „Oh verdammt. Das sehe ich ja jetzt erst!“, schrie mir David panisch entgegen und ich drehte mich zu ihm um. „Dies ist das Zimmer Nummer 13 in diesem Korridor. Das bringt Unglück!“, erklärte er mir und das erste Mal glaubte ich wirklich, dass dies stimmte. Wo ist Marcus?!
41. Freitag der 13. – Teil 3 Ich versuchte ruhig zu bleiben, denn mit Sicherheit gäbe es für Marcus Verschwinden eine ganz harmlose Erklärung, doch mein Herz klopfte wie verrückt und ich war aufgedreht wie ein Junkie auf Entzug Dass dies Zimmer Nummer 13 ist war bestimmt nur Zufall, denn schließlich lag er hier über fünfzig Tage und nie ist auch nur das Geringste geschehen. „Marcus geht es sicher gut. Mach dir keine Sorgen.“, versuchte Jasmin mich zu beruhigen. „Ich mach mir keine Sorgen.“, erwiderte ich gereizt, womit ich meinen Freunden zu verstehen gab, dass ich mir sehr wohl sorgte und gleich Amok laufe. Wir traten wieder in den Korridor und ich hielt nach einer Krankenschwester Ausschau, die mir Auskunft geben könnte. Es war schließlich Regina, die mir als Erste über den Weg lief. „Wo ist Marcus? Geht es ihm gut? Ist was mit ihm? Ist er wieder aufgewacht? Nun antworten sie doch schon.“ Ich stellte eine Frage nach der anderen, ohne auch nur einmal nach Luft zu schnappen. Ja – ich war wirklich panisch (Aaaaaaaaaaaaaaaaaaaaaah). „Wenn du mich auch mal zu Wort kommen lassen würdest, dann würde ich dir auch antworten.“, entgegnete Regina mir mit einem Lächeln. „Marcus geht es gut. Er wurde nur in ein anderes Zimmer verlegt, da morgen die Maler kommen und ein paar Zimmer neu streichen.“ „Also ist er nicht aufgewacht?“, fragte ich sie ganz enttäuscht und ihr Gesichtsausdruck sprach Bände. David legte mir tröstend seine Hand auf meine Schuler. „Scheißtag.“, sagte ich eingeschnappt.
„Ihr müsst das Plakat etwas höher anbringen, damit es auch jedermann sieht und erkennt!“, rief Giovanni Graziano, als wir am Zirkus ankamen. Diego und Sam waren gerade damit beschäftigt, an einem der Karnevalzüge ein Plakat zu befestigen, während Giovanni Anweisungen verteilte. Alice kam uns entgegen und begrüßte uns: „Hey ihr Drei, schön euch mal wieder zu sehen. Wir sind schwer beschäftigt, wie ihr seht. Euer Bürgermeister, hat bei unserem Direktor nachgefragt, ob wir dieses Jahr nicht euren Karnevalumzug einleiten können. Er bot uns eine ganze Stange Geld, da konnte Giovanni natürlich schlecht nein sagen, wo wir doch so knapp bei Kasse sind.“ „Habt ihr so wenig Einnahmen?“, fragte Jasmin sie überrascht. „Über den Winter hinweg, so gut wie keine. Lediglich unser Clown Filippo oder unsere Zauberkünstlerin Sofia werden für Geburtstagspartys gebucht.“, antwortete Alice ihr. „Das Plakat hängt! Gute Arbeit Jungs!“, rief Giovanni Sam und Diego zu, die vom Karnevalszug hinabstiegen und nun auf uns zukamen. Diego gab Jasmin zur Begrüßung einen Kuss auf den Mund, während David es vermied, die Beiden anzugucken und lieber zu Boden starrte. Ich hingegen hatte nur Augen für Sam, der mich mit einem strahlenden Lächeln umarmte. „Hey, schön dass du gekommen bist.“, begrüßte er mich warmherzig. Der Wind setzte seinem rotbraunen Haar zu, das in alle Richtungen weg stand. „Na Kleiner geht es dir gut?“, fragte eine weibliche Stimme hinter mir und als ich mich umdrehte, blickte ich in das Gesicht der bildhübschen und eleganten Sofia, die mich mit ihrem betörenden Lächeln ansah. Ich antwortete ihr nicht, so verstört war ich, über ihr plötzliches Erscheinen. „Du hast dich verändert, seit unserer letzten Begegnung.“, meinte Sofia und ihre Miene verfinsterte sich. „Ich war vor zwei Wochen beim Friseur, das wird es sein.“, antwortete ich ihr scherzhaft, doch innerlich fühlte ich mich unwohl in ihrer Gegenwart. Das Amulett um meinen Hals fühlte sich mit einem Mal sehr schwer an und ich legte meine Hand auf die Brust, um mich selbst zu beruhigen. „Ich hoffe du hast meine damaligen Worte nicht vergessen.“, sagte Sofia zu mir und ich erinnerte mich an ihre Worte von damals zurück. Sie sagte: „Du wirst deine Freunde noch brauchen.“ Was immer das auch bedeuten mag. „Sofia Darling, wollen wir uns in unserem Wohnwagen eine Tasse Kamillentee gönnen?“, fragte Giovanni seine Ehefrau, die erwiderte jedoch nichts, stattdessen begleitete sie ihn nur stumm. „Diese Frau ist eigenartig.“, sagte ich zu Sam, während ich ihr hinterherblickte. „Das war sie schon immer, aber keine Angst, sie ist ganz harmlos.“, meinte Sam lächelnd zu mir. „Meine Mutter würde sich mit ihr bestimmt prächtig verstehen.“, sagte ich daraufhin schmunzelnd und fand damit mein Lächeln wieder, das mir kurz abhandenkam. „Aaaaaaaaah!“, schrie David auf einmal laut aus und zeigte mit seinem Finger auf eine Stelle unter den Wohnwagen des Clown Filippo. Eine schwarze Katze schaute daraus hervor und schnurrte leise. „Das ist doch nur eine Katze.“, lachte Jasmin ihn herzhaft aus und auch Diego musste grinsen. „Eine schwarze Katze an einem Freitag den 13. Das bringt Unglück!“, erklärte David ihr ängstlich und lief vor Schreck ein paar Schritte rückwärts. „Halt David bleib stehen, sonst…!“, rief Alice ihm noch zu, doch es war zu spät. David stolperte rücklings gegen den Karnevalszug und mehrere Eimer Farbe segelten im Steilflug auf ihn hinab. David wurde in den Farben Grün, Blau, Rot und Gelb übergossen und so fies das nun auch war, so konnte sich keiner von uns beherrschen, ihn nicht auszulachen. „Oh, la mia bontà. Che cosa è questo di una ruota?!“ Filippo kam aus seinem Wohnwagen und seine Frage erübrigte sich, als er den armen David am Boden liegen sah – überdeckt mit Farbe. „Il piccolo uomo sembra proprio come me.“ „Komm ich helfe dir auf.“, sagte Diego freundlich zu David und reichte ihm die Hand. David schlug seine Hand zur Seite. Er war äußerst niedergeschlagen und erzürnt. „Ich brauch deine Hilfe nicht verstanden?!“ Jasmin war schockiert über Davids Verhalten und blickte ihn traurig an. „Wie ich sehe, muss ich mehr auf dich aufpassen, als du auf mich.“, sagte ich breit grinsend. David schaute mich mit großen Augen an. „Glaub nicht, ich hätte meine Mum und dich nicht durchschaut. Ihr habt ein Abkommen, dass du heute nicht von meiner Seite weichst und auf mich Acht gibst.“ „Sie macht sich eben Sorgen um dich. Du willst für alles und jeden da sein und vergisst dich dabei ganz aus den Augen.“ „Ich brauche keinen Babysitter.“, sagte ich gekränkt (Kopfkino: Ich mit einem Schnuller im Mund). „Dann sieh zu, wie du ohne mich zurechtkommst. Ich geh nach Hause duschen.“, erklärte David uns niedergeschlagen und ohne ein weiteres Wort trabte er ab. Mit einem Mal tat es mir leid, was ich zu ihm sagte und ich wollte ihm hinterher und meinen Fehler wieder gutmachen, doch dann zog etwas anderes meine Aufmerksamkeit auf sich. „Halt! Wer ist da?!“, schrie ich und alle Augen waren auf mich gerichtet. „Was ist los Nick, was hast du?“, fragte mich Sam verwundert. „Da hinter dem Wohnwagen von Filippo stand ein ominöser Kerl mit Clown-Maske.“, erklärte ich schnell, doch als alle zu der Stelle blickten, die ich meinte, lag dort nur noch die schwarze Katze.
42. Freitag der 13. – Teil 4 „Scandalo! Io sono l'unico vero pagliaccio qui!“, rief Filippo aufgebracht und Unruhe kam auf. „Was zum Henker ist hier eigentlich los? Kann hier ein Zirkusdirektor nicht einmal in Ruhe seinen Tee trinken?!“, fragte uns Giovanni, als er zusammen mit seiner Frau Sofia aus seinem Wohnwagen trat. „Dominik glaubt, einen anderen Clown gesehen zu haben.“, klärte Diego ihn auf. „Was?! Wir haben nur einen Clown und das ist Filippo.“, sagte Giovanni entsetzt. „Esatto!“, rief Filippo, der beleidigt seine Arme verschränkte (Kann der Kerl nicht Deutsch reden? Wir sind hier schließlich auch in Deutschland und langsam geht er mir auf die Nerven). Mir war das zu blöd. Ich weiß doch was ich gesehen habe. „Und warum besitzt ihr Messerwerfer dann ebenfalls eine Clown-Maske?“, fragte ich den Direktor nun sehr aufgebracht. „Lorenzo? Wieso sollte er eine Clown-Maske besitzen? Der Mann ist blind!“, erwiderte Giovanni. „Wenn sie mir nicht glauben, dann schauen sie doch mal bei ihm nach.“, entgegnete ich. Wir machten uns allesamt auf den Weg zum Wohnwagen von Lorenzo. Sam stapfte neben mir her und flüsterte mir ins Ohr: „Was soll das Nick? Wieso ist dir das so wichtig?“ „Weil eine Person mit Clown-Maske vor nicht allzu langer Zeit nachts Leute überfiel und ihr Hab und Gut stahl.“, erklärte ich ihm ebenfalls im Flüsterton. „Du unterstellst damit aber, dass einer von uns Zirkusleuten ein Dieb ist.“, entgegnete Sam nun wütend und auch ein wenig enttäuscht. Daraufhin sagte ich nichts mehr. Als wir Lorenzos Wohnwagen erreichten, klopfte Giovanni an dessen Tür, während mir Sofia geheimnisvolle Blicke zuwarf, die mir einen kalten Schauer über den Rücken liefen ließen. Lorenzo öffnete die Tür und blickte ins Leere, obwohl jede Menge Menschen vor ihm standen. „Ja bitte?“ „Entschuldige die Störung Lorenzo, aber hier kam es zu einem kleinen Aufruhr.“, sagte Giovanni leicht beschämt. „Dürfte ich nur ganz kurz zu dir reinkommen und etwas überprüfen?“ „Natürlich, natürlich. Komm herein.“ Lorenzo war dem ungebetenen Besuch nicht abgeneigt und ließ den Zirkusdirektor in sein kleines, aber bescheidenes Heim. Ich trat ebenfalls einen Schritt in den Wohnwagen und sah mich ganz genau um. Von draußen hörte ich Filippo schimpfen: „A insolenza!“ „Vielen Dank Lorenzo. Es ist alles in bester Ordnung. Lass dich von uns nicht weiter stören.“, sagte Giovanni nach einer Weile zu dem blinden Mann, der unsicher vor seiner kleinen Küche stand. Danach verließen wir den Wohnwagen wieder und der Zirkusdirektor sah mich von oben herab böse an. „Junger Mann, ich würde es für gut heißen, wenn du weitere Unterstellungen dieser Art in Zukunft sein lassen würdest. Wir haben weiß Gott genug Arbeit und können uns nicht auch noch mit solchen Firlefanz und Fantastereien beschäftigen.“ „Ich weiß was ich gesehen habe. Ich hab mir das nicht eingebildet!“, entgegnete ich verärgert. „Lass es doch einfach gut sein Nick.“, mischte sich Jasmin nun ein, während sie sich ganz fest an Diegos muskulösen Arm festhielt und mich verängstigt anstarrte. Auch alle anderen starrten mich an, als wäre ich verrückt, oder ein böser Mensch, der etwas verbrochen hat. Da nn entdeckte ich in der Ferne Maurice den Dompteur. Er starrte zu uns herüber und als sich unsere Blicke trafen, wandte er sich um, und ging davon. „Wir sollten uns nun alle wieder etwas entspannen und ein wenig Kamillentee trinken.“, meinte Giovanni schließlich. „Wenn ich bitten darf.“ Sofia harkte sich in den Arm ihres Gatten ein und gemeinsam schritten sie davon. Auch Filippo marschierte davon – immer noch sehr aufgewühlt. „Ich muss zu den Tieren.“, sagte Alice schließlich und Diego und Jasmin beschlossen ihr zu folgen. Doch Jasmin drehte ihren Kopf noch einmal zu mir um und sah mich besorgt an. Nun waren Sam und ich alleine. Er sah mich weder an, noch sagte er ein Wort. Er setzte sich auf einen großen Stein, der auf dem Boden festgewachsen war und schien fieberhaft über etwas nachzudenken. „Es tut mir Leid Sam.“, entschuldigte ich mich schließlich. „Tut es das ja?“, fragte er mich und sein Ton behagte mir gar nicht. „Tut es dir Leid, dass du einen von uns verdächtigt hast, er wäre ein Räuber, oder tut es dir Leid, dass du mich nach unserem gemeinsamen Kuss links liegen gelassen hast?“ Mir war klar, dass wir irgendwann auf dieses Thema zu sprechen kamen. Ich gebe zu, dass ich es immer wieder vor mich weg schob, aber auch nur weil ich Angst vor den Konsequenzen hatte. „Ich musste mich um Marcus kümmern, das weißt du doch.“, rechtfertigte ich mich. „Marcus, Marcus, immer nur Marcus.“ Sam stand aufgebracht vom Stein auf und blickte mich wütend und enttäuscht an. „Ihr seid getrennt! Er hat dich betrogen und verletzt!“ „Glaubst du das weiß ich nicht?!“, schrie ich nun ebenfalls. „Glaubst du ich hab vergessen, was er mir angetan hat?!“ (Vielleicht sollte ich die Idee mit dem Bohrer doch einmal in Angriff nehmen…) „Ich war für dich da, als es dir schlecht ging und wir hatten ein Date Nick. Wir haben uns geküsst!“ Sam war nicht mehr zu halten und seine Augen wurden ganz schwammig. „Ich dachte du würdest zu mir kommen und mir sagen, dass du mich liebst. Stattdessen verbrachtest du jede einzelne Minute am Krankenbett von deinem Ex!“ Sam fing nun zu weinen an und ich war hin und hergerissen. Ich wollte ihn trösten, indem ich ihn in den Arm nahm, doch wollte ich auch keine falsche Hoffnung in ihm erwecken. Denn so schwer es mir fiel es laut auszusprechen, so war mir dennoch bewusst, dass ein Teil meines Herzens immer noch an Marcus hing. Ich schwieg Sam also an und stand einfach nur da. Ich wusste nicht was ich tun oder sagen sollte. Ich war immer der Typ mit der großen Klappe, der selbst in den unangenehmsten Situationen noch Witze riss. Doch nun war ich schlicht und einfach überfordert. „Ich möchte, dass du jetzt gehst.“, sagte Sam schlussendlich, während bittere Tränen seine Wangen hinunterkullerten und sich nicht traute, mich auch nur kurz anzusehen. „Sam, es…tut mir Leid.“, entschuldigte ich mich erneut und fühlte mich schlechter den je (Ich bin der mieseste Mensch aller Zeiten). Ich wollte nach Sams Hand greifen, doch war es dafür schon zu spät. Sam zog seine Hand zurück und bat mich erneut zu gehen. Ich zögerte, doch beugte ich mich seiner Bitte in dem Bewusstsein, dass ich soeben Sams Herz in tausend Einzelteile zerbrach. Ich verließ den Zirkusplatz mit einem bitteren Beigeschmack. Dies schien wahrhaftig ein Unglückstag zu sein.
43. Freitag der 13. – Teil 5 Aus und vorbei! Meine Beziehung mit Sam schien zu Ende, ehe sie überhaupt begann, dabei fing damals alles so schön an. Vielleicht war es aber auch einfach der falsche Zeitpunkt. Ich war einfach noch nicht bereit für eine neue Liebe (Wenn Marcus jemals aus dem Koma aufwacht, dann bring ich ihn um -.-. Ich meine was bildet der Kerl sich überhaupt ein? Glaubt der, er kann sich Schlafen legen und mich wochenlang diese Qualen erleiden lassen? Okay, er kann…). Die Nacht brach herein und ich machte keine Anstalten nach Hause zu marschieren. Dieser Tag war ein einziges Desaster. Erst der Streit mit David, dann der Streit mit Sam und Jasmin hält mich mittlerweile bestimmt auch für völlig plemplem (Ein bisschen plemplem war ich ja schon immer.) Ich irrte durch die Straßen der Kleinstadt. Der Schnee war zwar inzwischen fast gänzlich verschwunden, doch hier und da lag noch ein Haufen (mit Schmutz oder Hundeurin besudelt) und die Kälte zog ebenfalls noch umher. Immer wenn ich ausatmete, bildete sich eine kleine Rauchwolke vor meinem Gesicht. Die Straßen und Wege waren fast menschenleer. Auf der anderen Straßenseite entdeckte ich noch ein junges Paar, die fröhlich, Hand in Hand, nebeneinander hergingen. Mit Sicherheit kamen sie gerade von einem heißen Date. Der Kerl hatte diesen irren Blick, namens „Ich-will-ins-Bett-mit-dir-Babe“. Kurz bevor ich in meinem Erbrochenem ertrank, marschierte das überglückliche Paar um eine Ecke und mein Kopf leerte sich von diesen schmutzigen Gedanken. Ein Auto zischte an mir vorbei. Ich blickte auf meine Armbanduhr und erinnerte mich daran, dass mein Vater heute länger arbeiten musste. Ob er inzwischen schon zuhause war? Ob sich meine Mutter inzwischen schon Sorgen um mich machte und sich fragte wo ich bin? Ich wollte sie nicht in Ungewissen lassen und beschloss, ihr zumindest eine SMS zu senden. Reden wollte ich derzeit mit Keinem. Ich rümpfte die Nase (Verdammt erkältet). Ich tippte rasend schnell in die Tasten meines Handys, da ich schnell weitergehen wollte, ehe ich am Boden festfror. Zwischenzeitlich wurde es nun gänzlich ruhig um mich herum. Lediglich das Grollen von Donner über den Wolken war zu vernehmen. Offenbar zog das angekündigte Gewitter langsam an. Als ich meine Nachricht abschickte, steckte ich mein Handy hinterher wieder in die Hosentasche und blickte mich umher. Links von mir lief die Straße entlang. Auf der anderen Straßenseite waren einige Geschäfte, die natürlich längst geschlossen hatten. Meine Augen erspähten den Friseursalon, indem ich mir erst kürzlich die Haare schneiden ließ und nebenan befand sich ein kleiner türkischer Laden. Rechts von mir befand sich eine kleine Seitenstraße mit allerlei aneinandergereihten Mülltonnen, während sich hinter mir ein mittelgroßes Tiergeschäft befand, aus dem es dezent nach Tierfutter roch. Wie aus heiterem Himmel spürte ich einen stechenden Schmerz in der Brust. Ich zuckte zusammen und griff mit meiner rechten Hand an die Brust, während ich meine linke Hand zu einer Faust ballte. Komisch. Es fühlte sich beinahe so an, als käme der stechende Schmerz aus dem Amulett, das ich nach anfänglichem Zögern, immer um meinen Hals trug. Zudem fühlte es sich mit einem Mal sehr schwer an, doch traute ich mich dennoch nicht, es abzunehmen. Eine negative Aura durchströmte die Adern meines Körpers und meine Beine fingen an zu zittern. Was geschieht hier? Ich wusste nicht warum, doch in mir kam das Gefühl hoch, das ich mich lieber verstecken sollte. Wie ein flinkes Wiesel eilte ich in die Seitenstraße und setzte mich hinter die aneinandergereihten Mülltonnen (Nein ich bin kein Müll, aber das war das erstbeste Versteck, also Ruhe -.-). Der Boden war zunehmend kalt und ich legte meine Arme um meine Beine, damit ich mich ein wenig warm hielt. Dann spürte ich ein erneutes Stechen in der Brust, das ohne Zweifel von dem Amulett ausging. Ich versuchte mich zusammenzureißen und das nicht zu spät, denn auf einmal hörte ich leise Schritte, die ganz nah waren. Ich sammelte meinen verbliebenen Mut zusammen und spähte vorsichtig durch einen Schlitz zwischen zwei der drei Mülltonnen. Meine Augen weiteten sich und noch nie in meinem Leben hatte ich mehr Angst, als in diesem einen Moment. Vor der Seitenstraße stand eine Person, ob weiblich oder männlich konnte ich ehrlich gesagt nicht erkennen, aber sie trug eine Clown-Maske im Gesicht und eine Pistole in ihren Händen. Mein Herz klopfte wie wild und ich zwang mich dazu, weder zu atmen, noch irgendein anderweitiges Geräusch von mir zu geben. Die Person blickte sich um. Ob sie nach mir suchte? Wenn ja, warum? Mit einem Mal wurde mir klar, dass Davids Panik über Freitag den 13. berechtigt zu schienen waren. Doch das das Schicksal es so böse mit mir meinte… Schlimmer geht eigentlich nicht mehr. Ich spürte ein Kitzeln in der Nase (Okay, es kann noch schlimmer werden -.-)– verflucht nochmal, ich darf jetzt nicht niesen! Wenn ich jetzt niese, dann findet er mich! Ich griff mit meinem linken Daumen und Zeigefinger an die Nase und hielt sie krampfhaft zu, um den Nieser zu unterdrücken. Zudem schloss ich meine Augen und betete, dass alles schnell vorüber ging und ich heillos aus dieser heiklen Situation rauskam. Der Gedanke, dass ich meine Familie nie wieder sah, ließ mich erschauern. Ich dachte an die warme und wohltuende Fürsorge meine Mutter und das strahlende und stolze Lächeln meines Vaters. Auch an meine Freunde dachte ich in jenem Moment. Ich wollte David nicht in Streit verlassen und mich zumindest mit ihm versöhnen, ehe ich diese Erde verließ. Jasmin würde bitterlich um mich weinen (Wer würde das nicht?) und Sam würde sich bittere Vorwürfe machen. Sollte Marcus zudem jemals wieder aus dem Koma erwachen, würde er sich wünschen, auf der Stelle wieder einzuschlafen, wenn er von meinem tragischen Schicksal erfuhr. (Song) Meine Gedanken fuhren Achterbahn und als ich mich wieder in die Realität flüchtete, stellte ich zu meiner Erleichterung fest, dass die Person mit der Clown-Maske inzwischen verschwunden war. Ein erleichtertes Lächeln fuhr über meine Lippen. Der stechende Schmerz in der Brust war vorüber und das Zittern in den Beinen und die Angst die ich hatte, verschwanden ebenfalls. Langsam und noch ein kleinwenig achtsam kam ich aus meinem Versteck hervor. Ehe ich die Seitenstraße verließ, lugte ich vorsichtig um die Ecke. Das Donnergrollen wurde immer lauter und ich hielt es für die beste Idee, schnellstmöglich nach Hause in den Schoß der Familie zu marschieren. Dann geschah es. Es schlug wie ein Blitz ein und was sich wie ein paukender Donnerschlag anhörte, entpuppte sich als ein Schuss aus einer Pistole! Mein Herz blieb stehen und ich stand wie versteinert da. Er hat jemanden erschossen… die Person mit der Clown-Maske hat jemanden umgebracht! Der Schuss kam aus der Richtung aus der ich vorher kam. Ich wusste nicht wieso und ob ich völlig geistesgestört war, aber als ich meine Beine wieder bewegen konnte, rannte ich in eben diese Richtung. Der Gefahr bewusst, die dort auf mich lauerte, ließen meine Schritte dennoch größer werden. Vielleicht war es noch nicht zu spät und ich konnte die angeschossene Person noch retten. Dabei bin ich doch eigentlich nur ein kleiner dummer Junge, mit einem außergewöhnlichen Amulett um den Hals. Als ich am Tatort ankam, war die Person mit der Clown-Maske verschwunden. Stattdessen lag auf dem Bürgersteig ein Mann in Anzug und Krawatte, während sein Aktenkoffer auf der Straße lag. Erste Regentropfen fielen vom Himmel hinunter und als ich erkannte, wer der angeschossene Mann zu meinen Füßen war, stürzte der Himmel über mich ein. „D-Dad?!“
44. Am Rande des Abgrunds – Teil 1 (Song) Mein ganzer Körper fühlte sich wie betäubt an. Das angekündigte Unwetter brach herein und ließ die ersten Wassertropfen auf mich herabregnen. Mein Blick war auf meinen Vater gerichtet, der zu meinen Füßen lag. Ich hörte, wie mein Herz zunehmend lauter pochte. Meine Arme und Beine fingen wieder an zu zittern und in meinem Kopf, der sonst immer prallgefüllt mit Gedanken war, befand sich nun ein großes schwarzes Loch. Ich traute meinen Augen nicht, was ich dort sah. Ich wollte meinem Verstand nicht trauen und hoffte inständig, dass dies nur ein dummer Streich war. Herr im Himmel, lass dies nur ein Traum sein. Jeden Moment würde ich meine Augen öffnen und feststellen, dass ich in meinem Bett lag und dies alles nur ein ganz furchtbarer Albtraum war. Ich stand einfach nur regungslos da. Sekunden, Minuten, ich kann gar nicht sagen wie lange. Erst durch einen grellen Blitz, der den gesamten Himmel erhellte, wurde ich aus meiner Trance gerissen. Dann hörte ich einen Atemzug meines Vaters und musste zu meiner Bestürzung feststellen, dass dies kein Traum war. Ich kniete mich neben meinen Vater auf den nassen, kalten Boden und hielt ihn an den Armen. Eine Schusswunde klaffte aus seiner Brust und ich konnte erkennen, wie sich der Anzug meines Vaters in rotes Blut hüllte. Ich war verzweifelt und wusste nicht was ich tun sollte. Kein Mensch hat mich je darauf vorbereitet, was sein wird, wenn ich meinen Vater angeschossen auf der Straße vorfinde. Mit zitternden Händen zog ich schließlich mein Handy aus der Hosentasche und wählte den Notruf. „H-Hallo? Hallo?“ Meine Stimme zitterte ebenfalls und jedes Wort das ich sprach, fühlte sich schwer und schmerzvoll an. „I-Ich brauche Hilfe. M-Mein D-Dad, e-er wurde angeschossen. Bitte sie m-müssen schnell kommen.“ Mein Vater drehte seinen Kopf in meinen Armen und ich hatte noch die Hoffnung, dass der Notarzt rechtzeitig hier sein würde und mein Vater dann schnellstmöglich behandelt wird. Wo war der verdammte Notarzt? Wieso war er noch nicht hier? Ungeduld breitete sich in mir aus. „D-Dominik.“ Mein Vater sprach leise zu mir Er hatte seine Augen leicht offen und auf mich gerichtet. Ein Lächeln fuhr über seine Lippen und während ich ihn in meinen Armen hielt, ging er mit seiner Hand über meine rechte Wange und wischte mir meinen Tränen weg, die ich zunächst für Regentropfen hielt. „Sei tapfer mein Sohn.“, sagte er zu mir schweratmend und am liebsten hätte ich lauthals losgeheult. „Ich bin immer bei dir. Vergiss das nicht.“ Ich hatte Angst vor dem was nun gleich kam und am liebsten hätte ich die Zeit angehalten, dass es nicht eintraf. Mein Vater hatte einen starken Willen und mit letzter Kraft beugte er sich zu mir hoch und sagte: „Ich liebe dich mein Sohn!“ Dann umfing die Dunkelheit meinen Vater. Seine Augen schlossen sich und er sackte in meinen Armen zusammen. Schmerzhaft wurde mir bewusst, dass jede Hilfe für ihn zu spät kam und ich nun seinen leblosen Körper in meinen Händen hielt.
Vor über neun Jahren: (Song) „Jetzt ganz weit ausholen uuuuuund rein ins Wasser damit.“, erklärte mein Vater mir. Es war ein früher Sonntagmorgen und er nahm mich das erste Mal zum Angeln mit und brachte mir alles bei. Wir waren an einen wunderschönen See am Fuße der Berge gefahren. Ein anmutiger Nebelschleier hing noch in der Luft, während die Morgensonne bereits hinter den Gebirgsspitzen hervorlugte. „Komm Fischi Fischi, komm Fischi Fischi.“, sagte ich grinsend (Ja auch damals war ich schon ein echter Witzbold). „Wann beißt denn so ein dummer Fisch endlich bei mir an?“ „Du musst Geduld haben.“, antwortete mein Vater mir lachend. „Das Wichtigste beim Angeln ist, dass du viel Geduld aufbringst. Und du musst Ruhe bewahren und darfst das Wasser nicht aufscheuchen. Dann kommen sie von ganz alleine und ehe du dich versiehst, hast du auch schon einen an der Angel. Es machte mir tierisch viel Spaß, zusammen mit meinem Vater zu angeln. Meine Mutter meinte gestern noch zu ihm, dass es gut wäre, wenn er mehr Zeit mit mir verbränge. „Und Dominik? Wie gefällt es dir bisher so?“, fragte mich mein Vater lächelnd. „Es ist toll.“, antwortete ich ihm begeistert. „Dein Opa hat mir das Angeln beigebracht.“, erklärte er mir. „Er wäre heute sicherlich gerne dabei gewesen, wenn er seinen Laden, den Mystic-Shop, nicht aufschließen müsste.“ „Diesen Ramschladen?“, entgegnete ich respektlos. „Dieser Ramsch, wie du ihn bezeichnest, ist deinem Großvater sehr wichtig. Seine Seele liegt in diesen Gegenständen. Zoll ihm also bitte ein wenig mehr Achtung.“, sagte mein Vater zu mir und ich nickte. „Oh, ich glaube da hat einer angebissen!“, rief ich überrascht aus, als die Angelschnur sich anspannte und etwas im Wasser am Angelhaken zog. Mein Vater kam zu mir und kniete sich neben mich, damit er auf Augenhöhe mit mir war. Er gab mir wertvolle Ratschläge, die ich nun beachten musste. „Du darfst nicht zu stark ziehen, sonst reißt sich deine Beute los, ehe du ihn aus dem Wasser gezogen hast. Du brauchst Geduld und Kraft (Zwei Eigenschaften die nicht gerade zu meinen größten Stärken zählten). Ich weiß, dass du das schaffst!“ Mein Vater glaubte an mich und ich wollte ihn nicht enttäuschen. Durch seine wertvollen Ratschläge gelang es mir letztendlich meine Beute – einen prachtvollen Schuppenkarpfen – aus den Wasser zu ziehen (Man war ich froh, dass es nicht nur ein vergammelter alter Schuh war). Ich war so überglücklich, als ich meinen ersten Fang in meinen Händen hielt. Dazu kam noch, dass mein Vater unglaublich stolz auf mich war und mich mit strahlenden Augen ansah. „Das gibt heute ein tolles Mittagessen!“, rief er mir stolz zu. „Danke, dass du mich heute mitgenommen hast.“, sagte ich glücksstrahlend zu ihm und es überkam mich, dass ich meine kurzen Arme um ihn legte und ihn ganz fest umarmte. Ich war froh, einen so wundervollen Vater zu haben und ich war mir sicher, dass wir immer zusammenbleiben würden und er mich nie verlässt. „Mir bereitet es ebenfalls Freude, dich heute hier bei mir zu haben.“, erwiderte mein Vater. „Es geht doch nichts über einen schönen Vater-Sohn-Angelausflug an den See.“
45. Am Rande des Abgrunds – Teil 2 (Song) Ich stand vor meinem eigenen Zuhause und traute mich nicht hineinzugehen. Inzwischen hatte es aufgehört zu regnen, doch das spielte für mich momentan keine Rolle. Wie angewurzelt stand ich da und überlegte fieberhaft, wie ich meiner Mutter unter die Augen treten sollte. Noch ahnte sie nichts von dem tragischen Tod ihres Mannes. Noch war wie sie frohen Mutes und hatte nicht die leiseste Ahnung davon, dass alles um sie herum gleich zusammenfällt, als wäre es ein Kartenhaus. Ein Mann in Uniform trat neben mich und schaute mitfühlend auf mich herab, während er seine Hand tröstend auf meine Schulter legte. Es war Leopold Blum, Jasmins Vater, der zum Tatort bestellt wurde und fassungslos von dem tragischen Schicksal erfuhr. Zwar hatte man mir gestattet, ihm Krankenwagen mit dem Leichnam meines Vaters mitzufahren, doch ertrug ich es nicht, auf so engem Raum, mit seiner leblosen Hülle zusammen zu sein. Herr Blum fuhr mich schließlich nach Hause und stand mir in der schlimmsten Situation meines Lebens bei. „Ich werde es deiner Mutter sagen. Ist das okay für dich?“, fragte er mich leise und ich nickte. Ich brachte kein Wort aus mir heraus, als wäre meine Stimme mit meinem Vater gestorben. Herr Blum klingelte an der Haustür und kurz darauf öffnete mein Opa uns. Erst gluckste er fröhlich, weil ich so spät nach Hause kam, doch als er sah, dass ich Herr Blum in Begleitung hatte, wurde seine Miene ernst. „Was ist los? Ist etwas passiert?“, fragte er zuerst besorgt, doch dann lächelte er wieder und fragte weiter: „Hat mein Enkel etwa wieder irgendeinen Unfug angestellt?“ „Nein Herr Rottbach. Es ist nichts dergleichen.“, antwortete Herr Blum ihm im ruhigen Ton, während ich meinen Blick starr auf den Boden richtete. Wenn ich meinem Opa in die Augen schaue, dann würden mir mit Sicherheit auf der Stelle wieder die Tränen kommen. „Können wir bitte ins Haus gehen und dort drinnen weitersprechen? Ich müsste dringend mit ihnen und Beate reden.“ „Natürlich, natürlich. Meine Tochter steht in der Küche und wäscht das Geschirr ab. Aber was ist denn los?“, fragte mein Opa noch einmal und dieses Mal klang seine Stimme wirklich sorgenvoll. Wir traten ein und die Wärme unseres Kamins strömte mir entgegen. Ich bekam eine Gänsehaut, denn ich war total unterfroren. Kein Wunder, befand ich mich doch so lange in der kühlen Nacht und saß neben meinem Vater auf dem nassen Boden, während es von oben herabregnete. Mein Opa ging voraus und Herr Blum folgte ihm. Ich bildete mit gesenktem Kopf die Nachhut und bekam ganz weiche Knie, vor dem bevorstehenden Debakel. „Bist du das Dominik?!“, rief uns meine Mutter aus der Küche entgegen. Sie stand mit dem Rücken zu uns und spülte gerade einen Teller im Spülbecken ab. „Du kommst ganz schön spät. Wenn dein Vater heute nicht länger arbeiten müsste und schon hier wäre, würde er dir eine heftige Standpauke halten.“ Ich schluckte kräftig, als meine Mutter meinen Vater erwähnte. Schließlich drehte sie sich zu uns um und war völlig perplex und überrascht, als sie Herr Blum plötzlich vor sich stehen hatte. „Hallo Beate.“, grüßte er meine Mutter freundlich. „Leo, du hier?“, stieß meine Mutter überrascht aus und wurde ganz bleich im Gesicht, als ahnte sie, dass etwas Schlimmes passiert sei, wenn er so spät noch zu Besuch kam. „Ich muss dir leider etwas Trauriges mitteilen.“, sagte Herr Blum, der sichtlich nach Worten rang. Inzwischen gesellte sich auch Oma Forster zu uns in die Küche, die verwirrt in die Runde blickte und sich ebenso wie meine Mutter und mein Opa fragte, was los sei. Herr Blum nahm die Hände meiner Mutter in seine und bereitete sich auf das Schlimmste vor. „Beate…, es geht um Bernd. Er… Bernd ist tot. Er wurde auf der Straße erschossen.“ Oma Forster legte sich ihre Hände vor den Mund und in ihrem Gesicht war reines Entsetzen abzulesen. Mein Opa war fassungslos und stützte sich an einem der Stühle ab. Sofort bildeten sich Tränen in seinen Augen und so gerne ich ihn auch tröstend in den Arm genommen hätte, so fehlte mir einfach die nötige Kraft dazu, selbst stark zu bleiben. Die Reaktion meiner Mutter allerdings war unerwartet. Sie lächelte! Warum zum Henker lächelt sie denn jetzt? „S-So ein Unsinn. Er ist nicht t-tot.“, sagte sie mit zittriger Stimme. Sie entzog sich dem Griff von Herr Blum, drehte sich wieder zur Spüle um und fuhr mit dem Tellerwaschen fort. Mir wurde es unerträglich heiß in der Küche. Dabei durchströmte mich gerade eigentlich eine eisige Kälte. Das Amulett um meinen Hals fühlte sich wieder zunehmend schwerer an. „Beate?“, fragte Herr Blum sie unsicher.“ Meine Mutter rubbelte ganz stark den Dreck vom Teller. „Er ist nicht tot!“, stieß sie noch einmal aus. Herr Blum versuchte meiner Mutter den Teller vorsichtig aus der Hand zu nehmen. Gerade rechtzeitig, ehe sie ihn zu Boden fallen ließ. Meine Mutter schluchzte. Tränen liefen ihre Wangen hinunter, während sie haltlos zu Boden sackte. Oma Forster war zu Stelle und nahm sie tröstend in den Arm, doch die Trauer hielt nun Einzug in unser Zuhause und das für sehr lange Zeit.
Vor 43 Tagen (Silvester): „Feiert Dominik Silvester mit seinen Freunden?“, fragte mein Vater meine Mutter. „Ich fürchte eher, dass er wieder bei Marcus am Krankenbett sitzt und darauf wartet, dass er endlich aus dem Koma erwacht.“, antwortete meine Mutter ihm. „Gleich morgen früh werde ich zu ihm gehen und ihn überzeugen, dass er mit nach Hause kommen soll.“ „Wie willst du das anstellen?“, fragte mein Vater. „Normalerweise lockt ihn Essen immer sehr gut an, aber dieses Druckmittel wird bei ihm momentan nicht ziehen. „Ich weiß, also werde ich Sam um Hilfe bitten.“, meinte meine Mutter. „Hast du dir eigentlich schon einen Namen für unseren zweiten Sprössling überlegt?“ Mein Vater dachte scharf nach. „Wenn er genauso rotzfrech und anstrengend wie unser erster Sohn wird, können wir ihn einfach Dominik 2.0 nennen.“ Meine Mutter warf meinem Vater einen missbilligen Blick zu, musste allerdings schmunzeln. „Oder wie wäre es mit Silvester als Namen?“ „Silvester?!“ Jetzt sah meine Mutter meinen Vater an, als wäre er völlig übergeschnappt. „Ja. Gibt es da nicht einen Schauspieler der auch so heißt?“, fragte mein Vater. „Erstens schreibt sich der mit y und zweitens taufen wir unser Kind bestimmt nicht Sylvester.“, erwiderte meine Mutter gereizt (Sind die Hormone). „Einen Namensvorschlag hätte ich noch.“, sagte mein Vater, der nun lieblich lächelte. „Und der wäre?“, fragte meine Mutter, die sich bereits auf einen weiteren dümmlichen Namensvorschlag einstellte. „Ich weiß, es ist kein besonderer Name und wird häufig in Verbindung mit Katzen gebracht, aber ich finde, dass Felix ein schöner Name ist. Übersetzt bedeutet er nämlich „glücklich“ und nichts sehnlicher wünsche ich mir, dass mein zweiter Sohn und auch der Rest meiner Familie glücklich wird.“, antwortete mein Vater und meine Mutter lächelte sanftmütig und küsste ihn hinterher.
46. Am Rande des Abgrunds – Teil 3 (Song) Die Beerdigung meines Vaters lief ruhig und besinnlich ab. Pfarrer Epp gestaltete die Zeremonie und sprach Gebete, die uns bei der Trauer förderlich sein sollten. Seine Worte hallten in meinem Kopf nach, während meine Augen starr auf den Sarg aus Mahagoni gerichtet waren. Dort drin lag er und würde für immer ruhen. Zumindest hoffte ich das inständig. Meine Mutter saß neben mir und weinte in ihr Taschentuch und auch mein Opa war den Tränen sehr nah, doch versuchte er stark zu bleiben. Nachdem mein Vater bestattet wurde, saß ich zusammen mit meinen beiden besten Freunden David und Jasmin auf einer Bank unter einem Baum, der inmitten des Friedhofs stand. Jasmin legte ihre Arme tröstend um mich, während David verzweifelt nach Worten suchte. „Scheiße.“, sagte er schließlich (Besser hätte ich es selber nicht ausdrücken können). Doch noch immer brach ich mein Schweigen nicht, obwohl bereits vier Tage seit dem Tod meines Vaters vergangen waren. „Wieso ist Sam eigentlich heute nicht hier?“, fragte David mich verwundert. Ich antwortete ihm nicht, also beantwortete Jasmin seine Frage. „Er ist heute zusammen mit allen anderen Zirkusleuten auf dem Karnevalsumzug, der durch die Stadt zieht.“ „Unvorstellbar, heute ausgelassen Karneval zu feiern.“, erwiderte David daraufhin. „Agnes ist mit ihren Nerven auch völlig am Ende. Sie hat mir den Grund für ihre Rückkehr verraten. Sie hatte letztes Jahr eine Abtreibung.“ Jasmin war schockiert, mir allerdings war das alles andere als neu. Endlich beichtete sie ihrem Bruder die Wahrheit. Ich blickte zu den Parkplätzen. Meine Mutter unterhielt sich gerade mit Herrn Zobel unserem Bürgermeister, der sein Beileid bei ihr bekundete. Etwas weiter entfernt von den Beiden stand Jasmins Vater zusammen mit Oma Forster, sowie Herr und Frau Forster, sowie einigen anderen Arbeitskollegen meines Vaters. Bobby allerdings war heute nicht hier, da er gerade Prüfungen an der Uni hatte. „Mein Vater hat mir übrigens erzählt, dass der Mörder deines Vaters ohne jeden Zweifel die Person mit der Clown-Maske war und sein ganzes Geld an sich nahm.“, berichtete Jasmin mir. „Vermutlich wehrte sich dein Vater, da zückte der Kerl seine Waffe und…“ „Sei still Jasmin.“, forderte David sie ungehalten auf. „Glaubst du das macht es für Nick leichter? Es tut mir so leid, dass ich dich an jenem Tag alleine gelassen habe Nick.“ David wandte sich nun wieder an mich. „Es war ein Unglückstag und deine Mutter hat mich noch extra darum gebeten, bei dir zu bleiben. Dieser dumme Streit. Kannst du mir verzeihen?“ Ich nickte David lediglich zu. Ich war ihm weder böse, noch gab ich ihm irgendwelche Schuld. Vermutlich sollte ich ihm das auch sagen, aber ich konnte es einfach nicht… „Dominik, deine Mutter möchte gerne fahren. Kommst du?“, fragte mich mein Opa, als er dazu kam.
Die Heimfahrt erwies sich schwieriger als gedacht, da die Straßen dank des Karnevalsumzugs ziemlich überfüllt waren. Überall liefen Passanten in Verkleidung umher und an jeder Straßenecke parkten Autos. Ich blickte aus dem Fenster und schaute den vielen Leuten bei ihrem bunten Treiben zu. Der Karnevalszug war ein großes Spektakel. An der Spitze des Zuges entdeckte ich Giovanni Graziano, der den Zuschauern freudig entgegen lächelte, und seine Frau Sofia, die weiße Tauben hervorzauberte und in den blauen Himmel empor stiegen. Auf den Zirkuspferden ritt die Familie Colei. Sam wirkte alles andere als glücklich. Ob er jetzt gerne bei mir wäre? Ich habe ihn sehr verletzt. „Verdammt nochmal. Mach deine Augen auf und pass auf wo du hinrennst Kerl!“, schrie mein Opa plötzlich, der am Steuer saß und eine Vollbremsung hinlegte. Ein Jugendlicher in meinem Alter rannte soeben über die Straße und trug ein vollständiges Clown-Kostüm, samt roter Nase und bunter Frisur. Es war wie ein Riss in meiner Seele und auf einmal wusste ich, was zu tun ist. Noch ehe mein Opa wieder weiterfuhr, schnallte ich mich ab und stieg aus dem Auto. „Nick? Nick wo rennst du hin?!“, rief mir meine Mutter noch hinterher, doch antwortete ich ihr nicht. Ich rannte so schnell ich nur konnte. Ein leichte Brise wehte durch die Straßen und ich fühlte mich beinahe schwerelos. Der Wind trug mich an jenen Ort, zu dem ich hin wollte. Dabei hatte ich nur noch eines im Kopf: Blanke Wut und der Durst nach Rache. Meine Augen wurden kurzzeitig gänzlich schwarz, als wäre ich besessen und das Amulett um meinen Hals leuchtete auf.
Vor über 17 Jahren: „Wann werde ich denn nun endlich Großvater?“, fragte mein Opa meinen Vater ganz ungeduldig. „Der Arzt sagt, dass es im Oktober so weit sein könnte.“, antwortete dieser ihm, der damals erst zweiundzwanzig Jahre jung war. Er sah eigentlich nur mittelständig aus. Keine Ahnung was meine Mutter damals an ihm fand (Mein gutes Aussehen hab ich schließlich von ihr geerbt. Von meinem Vater allerdings stammt mein schwarzer Humor). „Wenn er alt genug ist, dann werde ich ihm mein Amulett schenken.“, sagte mein Opa damals und zeigte meinem Vater voller Stolz das Amulett, dass um seinen Hals hing. „Dieses rostige Teil?“, fragte mein Vater stutzig (Ja ich stamm zu hundert Prozent von ihm ab). „Nur weil du es nicht haben wolltest, heißt das nicht, dass dein Sohn ebenso wenig Geschmack hat.“, erwiderte mein Opa gekränkt. „Dieses Amulett befindet sich schon sehr lange in meinem Besitz und wird noch eine sehr wichtige Rolle in unser aller Leben spielen.“ „Ist ja okay. Reg dich nicht doch nicht so auf Dad.“, meinte mein Vater gelassen. Das Gesicht meines Vaters wurde nachdenklich und zugleich ein wenig trübselig. „Ich wusste dein Geschenk sehr wohl zu schätzen, doch hielt ich es einfach nicht für richtig es anzunehmen.“ „Und warum nicht?“, fragte mein Opa ihn überrascht. „Sieh mal. Ich bin ein ziemlicher Taugenichts. Immer nur Unsinn im Kopf und die Schule um Haaresbreite bestanden. Dann schwängere ich meine Freundin, obwohl ich noch nicht einmal einen anständigen Job habe, um für sie und das Baby zu sorgen.“ „Du wirst deinen Weg schon noch finden mein Sohn.“, sagte mein Opa und ein Lächeln zeigte sich in seinem Gesicht. „Ich bin trotzdem stolz auf dich, auch wenn ich die Hoffnung nicht aufgebe, dass mein Enkelsohn mehr nach seiner Mutter, als nach seinem Vater kommt.“ Mein Vater grinste.
47. Am Rande des Abgrunds – Teil 4 Ich klopfte pausenlos an der Tür des Wohnwagens. Ja, ich wusste ganz genau was ich zu tun hatte. Es wurde Zeit, dass ich die Zügel selbst in die Hand nahm. „Ich komme ja schon!“, rief mir eine Stimme aus dem Inneren des Wohnwagens entgegen, als ich erneut gegen die Tür hämmerte. Lorenzo, der blinde Messerwerfer öffnete mir schließlich erbost die Tür. Auf dem Karnevalsumzug war er nicht dabei, also wusste ich, dass ich ihn hier antraf. Er wusste natürlich nicht wen er vor sich hatte und das sollte auch so bleiben. Meine Wut über den Verlust meines Vaters war grenzenlos und ich wollte, dass der Mörder dafür bestraft wird. Ich packte Lorenzo am Kragen und schubste ihn gegen den Schrank, der sich der Tür am nächsten befand. „W-Was soll denn das?!“, schrie er mich verzweifelt an und rang nach Luft, während er sich mit beiden Händen gegen meinen Angriff zu wehren versuchte. Doch er hatte keine Chance gegen meine gebündelte Kraft. Das Amulett um meinen Hals strahlte ein schwarzes Licht aus. Ich wusste nicht, was dies bedeutete, aber es fühlte sich sehr gut an. Ich fühlte mich dadurch stark und unbesiegbar! „Verdammt, wer sind sie?“, fragte mich Lorenzo verzweifelt. Ich antwortete ihm wieder nicht und zog ihn an mich heran, so dass wir Auge an Auge uns befanden. Er war blind und sah mich nicht, doch sah ich in ihm den Mörder meines Vaters. Die Clown-Maske die ich einst in seinem Wohnwagen sah, war für mich Beweis genug und nun wollte er sich an mir rächen, aufgrund meines Verdachts neulich. Mit all meiner Kraft schleuderte ich Lorenzo nach links, wo er gegen den Tisch krachte. Der Tisch aus Holz krachte in sich zusammen und Lorenzo fand sich krümmend am Boden wieder. Dann geschah etwas womit ich nicht rechnete. Wie aus dem nichts, zauberte der Zirkusartist ein Messer aus seinem Ärmel hervor und warf es in meine Richtung. Nur um Haaresbreite konnte ich ausweichen und das Messer blieb in der Schranktür stecken. Während ich noch abgelenkt und überrascht zugleich war, zog Lorenzo ein zweites Messer und ging damit auf mich los. Dieses Mal hatte ich weniger Glück und er traf mich mit der scharfen Kante an meinem rechten Arm. Ich verzog schmerzvoll mein Gesicht, während Blut aus meinen Adern und den Arm hinunterfloss. „Wer immer du auch sein magst. Du hättest mich nicht unterschätzen dürfen, nur weil ich blind bin!“, rief mir Lorenzo herausfordernd zu und ich wollte ihn bereits wieder attackieren, als ich Schritte von draußen vernahm, die die Stufen zum Wohnwagen hinauf marschierten. Wie aus dem Nichts standen mein Opa, David und Jasmin im Wohnwagen und sahen mich schockiert an. „Dominik hör sofort auf!“, schrie mich mein Opa an und ich stand wie versteinert da. „Was hast du getan Nick?“, fragte mich Jasmin schockiert, mit Tränen in den Augen. Ich antwortete ihnen nicht. Ich wollte mit niemand reden, sondern lediglich Rache für den Tod meines Vaters. Wieso verstand mich nur keiner? „Dominik was du hier tust ist nicht der richtige Weg und sie Lorenzo legen jetzt bitte das Messer weg, bevor noch ein weiteres Unglück geschieht.“, bat mein Opa ihn. Noch nie hab ich ihn so ängstlich und tapfer zugleich gesehen. „Dominik hat mich angegriffen? Der Freund von Sam?“, fragte Lorenzo nun ganz überrascht. „Wieso tut er das? Was habe ich ihm angetan?“ „Er denkt vermutlich, dass sie seinen Vater umgebracht haben.“, erklärte Jasmin ihm, die bei meinem damaligen Verdacht dabei gewesen war. „Ich will ja nicht kleinlich sein, aber wieso leuchtet das Amulett um Nicks Hals?“ Fragend sah David zu meinem Opa, während er verwirrt und ängstlich dastand. „Dominik.“, sagte mein Opa schließlich im ruhigen Ton. „Leg bitte das Amulett ab. Sofort!“ Ohne zu zögern nahm ich das Amulett von mir runter und auf einmal fühlte ich mich frei. Die Last fiel von meinen Schultern und mit ihr jeglicher Hass und Sinn auf Rache. Dafür verstärkte sich der Schmerz über den Verlust meines Vaters und Tränen liefen meine Wangen hinunter. (Song) Mein Opa lächelte mich mitfühlend an und nahm mich in den Arm. Als er mich wieder losließ, nahm er das Amulett an sich und steckte es in seine Jackentasche. Dann kam David auf mich zu, legte seine kurzen Ärmchen ebenfalls um mich und sagte: „Es wird alles wieder gut hörst du. Marcus Eltern haben angerufen. Marcus ist endlich aus dem Koma erwacht!“ Was sagte er das gerade? Hab ich das soeben richtig verstanden? „Marcus ist…aufgewacht?“, wiederholte ich leise und brach damit endlich mein anhaltendes Schweigen. Nun kam auch Jasmin auf mich zu und umarmte mich ebenfalls, während sich mein Opa für meine Tat bei dem erschütterten Lorenzo entschuldigte.
Vor einer Stunde: (Song) Es gibt zwei Pfade nach dem Leben. Der dunkle Pfad, der einem zunehmend Angst bereitet und der helle Pfad, der einem von jeglichem Leid befreit. Welchen Pfad soll man wählen, wenn man nicht weiß, was das Schicksal noch für einen bereithält. „Hallo Marcus.“ Marcus stand an einer sehr hohen Klippe und als er seinen Namen hörte, drehte er sich um und blickte zu seiner Verwunderung in das Gesicht meines Vaters. „Herr Rottbach, sie hier?“ „Das ist ein ziemlich tiefer Abgrund vor dem du da stehst.“, meinte mein Vater, ohne auf Marcus Reaktion einzugehen. Er blickte den Abgrund hinunter, wo sich zu rechten der dunkle Pfad und zu linken der helle Pfad befand. „Wie lange stehst du hier schon Marcus?“ „I-Ich weiß nicht so genau.“, antwortete dieser ihm. „Ich hab diesem kleinen Mädchen das Leben gerettet und seitdem sind bestimmt schon viele Tage und Nächte ins Land gezogen.“ „Oh ja.“, erwiderte mein Vater. „Du faulenzt jetzt schon fast zwei Monate.“ „Was?!“, schrie Marcus entsetzt auf. „Ich habe an die neunzig Mahlzeiten verpasst – Frühstück, Mittagessen und Abendessen.“ Mein Vater lachte. „Aber Moment mal. Wenn ich schlafe, was tun sie dann hier?“ Mein Vater blickte Marcus mit traurigen Augen an. „Sieht so aus, als wäre ich tot, aber sorge dich nicht um mich, sorge dich lieber um meinen Sohn. Der braucht dich jetzt mehr denn je!“ „Herr Rottbach, das tut mir Leid, aber was kann ich tun? Ich stecke hier fest.“, fragte Marcus ihn. „Du musst dich endlich entscheiden Marcus. Wenn du wieder aus deinem ewigen Schlaf erwachen möchtest, dann musst du dich für den dunklen Pfad entscheiden und dich dem Licht entziehen.“, erklärte mein Vater ihm mit einem Lächeln im Gesicht. „Ich weiß, aber dieser dunkle Pfad bereitet mir Angst.“, sagte Marcus. Er atmete einmal tief ein und wieder aus, dann stand seine Entscheidung fest. „Ich werde den dunklen Pfad beschreiten.“ „Das ist eine weise Entscheidung.“, sagte mein Vater lächelnd. „Pass gut auf meinen Sohn auf. Versprich mir das bitte!“ Marcus versprach es ihm und dann sprang mein Vater den Abgrund hinunter und fiel in das helle Licht, wo ihn Ruhe und Frieden vergönnt war. Marcus fluchte laut auf, denn er wollte ihn eigentlich noch fragen, warum sie beide splitterfasernackt an dieser Klippe standen, aber dann sprang auch er und auch wenn er dunklen Pfad beschritt, so war er dennoch glücklich. Das Leben kehrte in ihn zurück und er öffnete endlich wieder seine Augen.
48. Seifenblasenträume – Vorsicht Platzgefahr! – Teil 1 Jeder Mensch hat Träume. Als ich vier Jahre alt war, träumte ich davon der König der Sandgrube in meinem Kindergarten zu werden. Im Alter von zehn Jahren träumte ich davon, meiner heißen jungen Grundschullehrerin einmal unter den Rock zu schauen. Dieser Traum änderte sich, als ich feststellte dass ich nicht auf Mädchen, sondern auf Jungs stand. Ab jenem Zeitpunkt verbrachte ich nach dem Sportunterricht mehr Zeit unter der Dusche (Hust). Doch was ich studieren oder am Ende arbeiten wollte, davon hab ich bis heute nicht den blassesten Schimmer. David träumte schon immer davon, größer als ich zu sein und mich dann von oben herab auszulachen, wie ich es immer bei ihm tat. Ansonsten bestand sein größter Traum darin, einmal ein großer Wissenschaftler zu werden. In ihrer Kindheit träumte Jasmin natürlich davon, einmal eine wunderhübsche Prinzessin zu werden (Daher nennt ihr Vater sie wohl auch so). Dieser Traum platze wie eine Seifenblase, als sich ihr Vorderbau weiterentwickelte und sie merkte, dass das Leben kein Puppenspiel war. Jetzt träumte sie davon, einmal eine angesehene Ärztin zu werden und man kann ihr dabei nur sehr viel Glück wünschen (und den Patienten ebenfalls). Als ich Marcus kennenlernte, erzählte er mir von seinem Kindheitstraum, einmal ein berüchtigter Pirat zu sein, der den reichen Menschen ihr Essen klaut… und es dann selber aufisst. Seitdem sein Vater allerdings den Job als Bademeister innehat und ihm auch das Schwimmen beibrachte, will er nur noch eines werden: Profischwimmer! Das Marcus endlich aus seinem Koma erwachte, ließ in mir ein hochexplodierendes Glücksgefühl aufkommen (Tausend Luftsprünge mach und jeden abbusselt der mir über den Weg läuft… oh ich glaub das war gerade eine Katze). Mein Opa fuhr mich, David und Jasmin selbstverständlich ins Krankenhaus. Mir konnte es gar nicht schnell genug gehen, dort anzukommen (Drück aufs Gas Grandpa). Andererseits schossen mir unzählige Fragen durch den Kopf. Wie sehe ich überhaupt aus? Wie immer gut natürlich, mal abgesehen von der tiefen Wunde am rechten Arm, die mir Jasmin freundlicherweise mit der Bandage aus dem Erste-Hilfe-Kasten verband. Ursprünglich war dies Davids Idee, doch als er mir die Bandage anlegen wollte, fiel er beim Anblick des Blutes kurzzeitig in Ohnmacht (Ja toll - Mein Ex erwacht aus dem Koma und mein bester Freund wird ohnmächtig). Eine weitere Frage die sich mir stellte war, ob es ihm auch gut ginge und ob ich überhaupt zu ihm durfte (Wenn nicht, schubs ich mir den Weg frei). Was wenn er jegliche Erinnerungen bei dem Unfall verlor? Was wenn er noch wüsste wer ich bin, aber mich nicht sehen wollte? Vielleicht hat er auch Hunger… Soll ich vielleicht bei einer Pizzeria noch einen Zwischenstopp einlegen und ihm was mitbringen? (Der Fraß im Krankenhaus ist ungenießbar). Ob er mich vermisst hat? Oh und wahrscheinlich hat er einen ziemlichen Druck auf der Blase… „Möchte ich wissen, was Nick gerade denkt?“, fragte David Jasmin im Flüsterton, nachdem er sich von seinem Ohnmachtsanfall erholte, doch konnte ich ihn sehr wohl hören. „In zwei Minuten sind wir da.“, verkündete mein Opa uns und meine Augen fingen zu strahlen an.
Als wir endlich vor der Tür zu Marcus Krankenzimmer standen, war ich so aufgeregt, dass meine Knie und Beine sich wie Pudding anfühlten (Hm…ob ich da mal reinbeißen kann? Hoffentlich schmecken sie nach Vanille). Ich zögerte anzuklopfen und reinzugehen. „Worauf wartest du denn Nick?“, fragte mich Jasmin ermutigend. „Also das ist ja lächerlich.“, sagte mein Opa und klopfte an meiner Stelle an der Tür. Von drinnen kam ein Herein, dass uns die Erlaubnis gab einzutreten. Doch meine Beine wollten sich noch immer nicht in Bewegung setzten, also gaben David und Jasmin mir einen Schubser und ehe ich mich versah, stand ich im Zimmer und Marcus starrte mich mit seinen großen Kartoffelaugen an (Eigentlich sind seine Augen ja honigbraun, aber ich fand das Wort Kartoffelaugen lustiger). Marcus Eltern, sowie der behandelnde Arzt und Krankenschwester Regina befanden sich ebenfalls im Raum und sahen uns leicht perplex über den plötzlichen Andrang an Besuchern an. „Guten Tag.“, begrüßte mein Opa reihum. „Wir sind hier nur die Begleitpersonen meines Enkels, der zu feige war, das Zimmer zu betreten.“ Innerlich grummelte ich, doch Marcus musste schmunzeln und das zauberte auch mir ein Lächeln ins Gesicht. „Wenn die Beiden sich nicht gleich in den Arm nehmen, dann befördere ich sie eigenhändig in die Umlaufbahn.“, zischte David Jasmin ins Ohr. „Das würdest du dich doch ohnehin nicht trauen.“, kicherte Jasmin. Ich ignorierte die Beiden. Mein Opa redete mit Herr und Frau Rohling, während ich Marcus anstarrte, der wiederum zurückstarrte. Mein Herz pochte und dann konnte ich einfach nicht mehr anders, als mich auf Marcus zu stürzen und ihn fest zu umarmen.“ „Na endlich.“, sagte Jasmin lächelnd und mit Freudentränen in den Augen. Als ich Marcus wieder losließ, grinste er mich an und sagte: „Ich sollte mich öfters für längere Zeit schlafen legen, wenn du mir hinterher regelrecht um den Hals fällst. Weißt du eigentlich, dass ich an die neunzig Mahlzeiten verpasst habe? Nick, wieso hast du mir nichts zu essen mitgebracht? Geht es dem Mädchen, dem ich das Leben rettete, eigentlich gut? Wer war der Mistkerl der seine Bremsen nicht fand? Oh verdammt, ich hab sicher einiges in der Schule versäumt… ach nicht so schlimm, aber wenn ich hier rauskomme muss ich sofort trainieren. Ich will doch Profischwimmer werden. Nick wieso sagst du denn nichts?“ Marcus redete wie ein Wasserfall (und sah dabei so zuckersüß aus). „Wie denn, wenn du deinen Mund nicht hältst?!“, lachte ich und auch die Anderen mussten lachen. „Das mit deinem Vater tut mir sehr leid.“, sagte Marcus plötzlich mitfühlend. „W-Woher…?“ Ich sah ihn verdutzt an. „Woher ich das weiß? Keine Ahnung… ich glaube ich hatte einen kuriosen Traum.“, erklärte er mir. „Hauptsache, du bist endlich wieder aufgewacht.“, sagte ich glücklich und umarmte ihn gleich noch einmal, doch dann drückte mich Marcus ein wenig weg und sein Gesicht war kreidebleich. Seine Mutter sah ihn besorgt an und Marcus sagte: „I-Ich kann meine Beine nicht spüren.“
49. Seifenblasenträume – Vorsicht Platzgefahr! – Teil 2 Schlagartig wich jede Freude und Glücksgefühl aus dem Zimmer. Marcus versuchte für seine Eltern und mir zuliebe ruhig zu bleiben, um uns keine Angst einzujagen. In seinen Augen jedoch war die Panik deutlich abzulesen, während er die Bettdecke zur Seite schob und seine Beine anstarrte. Der Arzt trat zu ihm und führte sofort ein paar Reflexuntersuchungen durch. Jasmin und David standen hinter mir, als hätten sie Angst, dass ich jeden Moment umfalle und sie mich auffangen müssten. Doch blieb ich standhaft und wartete auf die Prognose des Arztes. „Oh du bist ja verletzt.“, sagte Regina, als sie meine Wunde am Arm sah, die durch das Messer von Lorenzo zugefügt wurde. Das Blut drückte sich inzwischen durch den Verband hindurch. „Das sieht schlimm aus. Was ist passiert? Das muss sofort genäht und anständig verbunden werden.“ „Ich gehe nicht, ohne zu wissen, was mit Marcus los ist.“, widersetzte ich mich ihr. „Sei doch vernünftig Nick.“, bat Jasmin mich. „Du kannst hier gerade sowieso nichts ausrichten.“ „Jasmin hat Recht.“, pflichtete David ihr bei. „Wir wollen nicht, dass du auch noch umkippst.“ „Habt ihr euch jetzt gegen mich verschworen?“, fragte ich die Beiden gereizt. „Der Arzt muss erst ein paar Untersuchungen durchführen und das dauert eine gewisse Zeit.“, besänftigte Regina mich. „Lass dich in der Zwischenzeit von mir behandeln und ich verspreche dir, du wirst schon bald wieder hier bei deinem Freund sein.“ Marcus nickte mir verständnisvoll und leicht lächelnd zu. Ich ließ ihn jetzt ungern alleine, aber meine Freunde hatten Recht. Wenn ich umfalle, bin ich Marcus nicht von Nutzen (Es sei denn er zieht mir die Hose runter, liegt sich auf mich und… aaaaah falsche Zeit, falscher Ort). Ich begleitete Krankenschwester Regina in einen kleinen Behandlungsraum, mit Liege und allerlei an Medikamenten und Krankenhausutensilien wie Spritzen und Verbänden. „Setz dich bitte und mach dich oben frei, dann kann ich dich besser behandeln.“, forderte Regina mich auf und während sie alles für die Behandlung herrichtete, tat ich wie mir befohlen. Regina öffnete die Bandage die mir Jasmin mit viel Liebe anlegte und untersuchte die Wunde genau. Es war zum Glück kein sehr tiefer Schnitt, aber eine Ader schien getroffen zu sein, weshalb das Blut auch nicht zum Stillstand kam. Regina desinfizierte die Wunde und verabreichte mir durch eine Spritze ein Schmerzmittel. Ich zuckte zusammen (David wäre schon längst in Ohnmacht gefallen). Dann legte sie mir einen neuen Verband an und half mir dabei, mich wieder anzuziehen. „Ich bin zwar nur eine Krankenschwester und es geht mich auch nichts an, aber wie kam diese Verletzung eigentlich zustande?“, fragte mich Regina interessiert. „Du hast viel Blut verloren.“ „Ich bin selber schuld daran. Ich hab eine große Dummheit begangen.“, antwortete ich ihr traurig. Regina behielt ihre Meinung über mich für sich, doch sagte sie: „Nun, besteht auch nur die geringste Chance, diese Dummheit zu bereinigen, sollte man sie beim Schopfe packen.“ Ich war mit meinen Gedanken zwar bei Marcus, doch musste ich nun auch an Lorenzo denken, der meinetwegen schlimmes durchleben musste. Ich sollte mich bei ihm bald entschuldigen. „Du bist Rechtshänder oder?“, fragte mich Regina und ich nickte ihr zu. „Das ist nicht gut. Wenn die Wunde nicht verheilt, solltest du dringendst einen Arzt aufsuchen, denn ansonsten könnte es passieren, dass dir der Arm abgenommen werden muss.“ Ich schluckte und starrte die Krankenschwester schockiert an. Regina grinste zunächst, dann lachte sie und sagte: „Das war nur Spaß. Keine Angst! Niemand wird dir den Arm abnehmen (Hey die Frau gefällt mir. Sie beherrscht die Kunst des schwarzen Humors), aber durch die Verletzung wirst du eine Zeitlang nicht anständig schreiben oder etwas zeichnen können.“ Ich grinste. „Machen sie sich darüber mal keine Sorgen. Zeichnen und malen liegt mir eh nicht.“, sagte ich und musste an die grausamen Kunststunden bei Frau Augustine denken. „Und wenn ich nicht einmal mein Besteck halten kann, darf mich mein Freund David eben immer füttern.“
Als ich den Behandlungsraum zusammen mit der Krankenschwester wieder verließ, wartete Jasmin bereits ganz ungeduldig auf mich. Als sie mich sah, warf sie mir einen besorgten Blick zu. Regina erklärte ihr sofort, dass es mir gut ging, sofern ich mich ein wenig schonte. „Gibt es was Neues von Marcus?“, fragte ich Jasmin hinterher sorgenvoll. Als ich mich auf den Weg zu dir machte, war der Arzt mit seinen Untersuchungen noch nicht fertig, aber gehen wir hin und sehen mal nach.“, antwortete sie mir. Ich bedankte mich bei der Krankenschwester Regina und verabschiedete mich von ihr. Ich begab mich auf den Rückweg zu Marcus und hoffte inständig, dass er seine Beine wieder spüren konnte. Am Krankenzimmer angekommen, standen mein Opa und David vor der Zimmertür und sie schienen zu warten. „Der Arzt redet gerade mit Marcus und seinen Eltern. Wir dürfen da gerade nicht rein.“, erklärte mein Opa mir. Er sah mein betrübtes Gesicht und legte mir aufmunternd seine Hand auf die Schulter. „Marcus ist ein zäher Bursche. Es wird schon alles gut werden!“ „Ja.“, erwiderte ich. Marcus ist aus dem Koma erwacht. Er wird nun auch mit dieser Herausforderung fertig, denn schließlich strebt er die Karriere eines Profischwimmers an. Der Arzt trat aus dem Zimmer und verabschiedete sich von uns, ohne uns etwas zu Marcus Zustand mitzuteilen. Ich rannte also sofort ins Zimmer und blickte in die Gesichter der Familie Rohling. Ich sah Marcus fragend und ängstlich an. Als ob er meine Gedanken las, antwortete er mir: „Ich habe bei dem Unfall ein Wibelsäulentrauma erlitten. Offenbar gingen einige Wirbel zu Bruch, zum Glück nur mit geringer Schädigung des Rückenmarks. Allerdings kann die auftretende Schwellung eben eine Lähmung der Beine hervorrufen, wenn die Verletzung im Lendenwirbelsäulenbereich ist.“ „Moment und was heißt das jetzt?“ Ich sah Marcus verdutzt an und dann zu David, der sonst auch immer alles weiß und zu Jasmin, die eines Tages mal Ärztin werden möchte. Es war schließlich Jasmin die mich aufklärte: „Marcus ist an den Beinen gelähmt – sprich er kann weder gehen, noch spürt er irgendein Gefühl an den Beinen. Aber wieso hat der Arzt das erst jetzt erkannt?“, fragte sie Marcus. „Nach deinem Unfall wurden doch sicher Ultraschallbilder angefordert und man hätte es bereits viel früher diagnostizieren müssen.“ Marcus zuckte mit den Schultern und sagte: „Der Arzt meinte jedenfalls, dass ich mit einer Operation und der entsprechenden Behandlung, nach ein paar Wochen oder Monate wieder laufen kann.“ Ich atmete zunächst erleichtert auf, doch dann wurde mir bewusst, dass Marcus dadurch für den Rest des Schuljahres ausfiel. „Aber Marcus, was wird dann aus deiner Profischwimmerkarriere?“ Marcus sah mich betrübt an und senkte traurig seinen Kopf. „Ich werde zwar wieder laufen können, aber ob ich jemals wieder so flink schwimmen kann wie früher ist ungewiss. Es kann sein, dass ich meinen Traum für immer unter der Erde begraben muss.“
50. Seifenblasenträume – Vorsicht Platzgefahr! – Teil 3 Nach dem Tod meines Vaters bin ich natürlich erst einmal nicht mehr zur Schule gegangen. Meine Mutter rief bei Herr Sakamoto an, der mich mit vollem Verständnis vom Unterricht freistellte. Die Freude bei meinen Mitschülern war groß, als ich dem Unterricht endlich wieder beiwohnte. Einige klopften mir auf die Schulter und andere (allen voran die Mädels) umarmten mich ganz fest. Lediglich Sebastian, Nadine, Lars und ihre „Gang“ blieben auf ihren Plätzen sitzen und machten keine Anstalten zu mir rüberzukommen. Ehrlich gesagt, konnte ich auf ihr falsches Mitleid auch sehr gut verzichten und Sebastians Drohung hallte noch immer in meinen Ohren nach. „Es ist sehr schön, dich wieder bei uns zu haben Dominik.“, sagte Herr Frenzel hocherfreut und nie hätte ich geglaubt, dass er das jemals zu mir sagt. Soviel Ärger und Unannehmlichkeiten hab ich ihm bereits bereitet. Doch seit dem Winterball verhielt er sich mir gegenüber irgendwie anders – er war freundlicher und trug immer ein Lächeln auf den Lippen. „Ich freue mich ebenfalls. Doch ich bin nicht der Einzige der heute sein Comeback feiert.“, sagte ich grinsend. Dann drehte ich mich um und rief: „Los rollt ihn rein!“ Auf meine Anweisung hin, kamen Jasmin und David ins Klassenzimmer und schoben einen Rollstuhl vor sich her, in dem Marcus saß. Die Klasse brach in begeisterte Jubelrufe aus und freute sich tierisch, ihn wiederzusehen. Ich glaubte sogar ein paar Kullertränen hinter Herr Frenzels Brille gesehen zu haben, die er aber unauffällig wegwischte. Hinterher hieß auch er Marcus herzlich Willkommen. „Ich konnte es einfach nicht mehr länger im Krankenhaus aushalten.“, erklärte Marcus allen. „Ja, er hatte große Sehnsucht nach der Schule.“, fügte ich grinsend hinzu. Meine Blicke wanderten durch die Klasse und ich entdeckte Sam, der gerade seinen Platz an seinem Tisch einnahm. Ich hatte gar nicht bemerkt, dass er das Klassenzimmer betrat. Umso überraschter war ich, dass er es nun nicht einmal mehr für nötig hielt, mir Hallo zu sagen.
„Hab ich ihn so sehr verletzt?“, fragte ich David später im Sportunterricht bei Herrn Berthold. Heute war wieder Schwimmunterricht angesagt und Marcus bestand darauf, uns von der Seite aus zugucken zu dürfen (Der Arme würde jetzt sicherlich gerne mitschwimmen). „Verletzt? Nick du hast ihm sein Herz gebrochen!“, antwortete mir David, während er sich sein nasses Haar hinters Ohr strich. „Sam war Hals über Kopf in dich verliebt.“, fügte er hinzu. „Ich hätte die Notbremse einfach schon sehr viel früher ziehen müssen.“, erklärte ich, als Herr Berthold in seine Trillerpfeife blies und uns das Kommando zum Start gab. Ich sprang ins Becken und schwamm mit den anderen Jungs um die Wette (Es gab keinen Preis, aber es ging um die Ehre). Nachdem der Unterricht zu Ende war, ich frischgeduscht und wieder angezogen aus der Umkleide kam, marschierte ich zu Marcus, der vor der Schwimmhalle bereits auf mich wartete. „Soll ich dich noch irgendwo hinbegleiten?“, fragte ich ihn und musste blinzeln, da die Sonne aus ihrem Winterschlaf langsam erwachte und ihre alte Kraft zurückgewann. „Nein nicht nötig. Mein Dad kommt gleich und fährt mich nach Hause.“, antwortete Marcus mir, der im Rollstuhl saß und dadurch zu mir aufblicken musste. „Jetzt weiß ich, wie sich David immer fühlt, wenn jedermann auf ihn herabsieht.“ Ich musste grinsen, doch erwiderte ich darauf nicht. Marcus fuhr fort und sagte: „Ich hatte gerade noch eine Unterhaltung mit Herr Berthold, über meine Profischwimmerkarriere. Er glaubt noch immer felsenfest an mich und das ich es schaffe.“ „Das wirst du auch. Du darfst die Hoffnung nur nicht aufgeben.“, ermutigte ich ihn. „Dein Traum wird eines Tages in Erfüllung gehen und wenn es soweit ist, schenk ich dir eine brandneue Badehose.“
Am Nachmittag, nachdem die Schule vorbei war, begab ich mich zunächst nicht auf den Weg nach Hause, sondern nahm vorher eine Abzweigung die mich geradewegs zum Zirkusplatz führte. Ich beschloss mich bei Lorenzo für meinen Angriff zu entschuldigen und legte mir im Kopf bereits die passenden Worte zurecht. Ich entdeckte Sam, der etwa hundert Meter weiter vor mir nach Hause marschierte. Ich zögerte, ehe ich mich dazu entschloss, zu ihm zu gehen und ihn anzusprechen. „Ich weiß du bist wütend und enttäuscht von mir, aber bitte hör mir zu.“, sagte ich ein wenig aus der Puste, als ich ihn endlich einholte. „Ich bin enttäuscht ja, aber ich bin nicht wütend.“, entgegnete Sam mir stur. „Was tust du überhaupt hier? Verfolgst du mich jetzt?“ „Ich bin auf dem Weg zu Lorenzo um mich bei ihm zu entschuldigen.“, erklärte ich ihm. „Ach ja, dein durchgeknallter Angriff auf ihn. Hab davon gehört.“, erwiderte Sam, ohne mir dabei in die Augen zu sehen. „Deine Entschuldigung muss gut und plausibel sein, wenn Lorenzo dir nicht die Kehle aufschlitzen soll. Nicht das ich das für gut heißen würde…“ Ich lächelte sanft. „Kann es zwischen uns Beiden nicht wieder so wie früher sein?“, fragte ich Sam anschließend. „Wir haben uns so gut verstanden und so viel Spaß zusammen gehabt.“ „Das war bevor du mich als Trostpflaster für Marcus benutzt hast.“, erwiderte Sam gekränkt. „Sag mir doch bitte was ich tun soll. Wie kann ich das wieder gut machen?“, fragte ich ihn nun regelrecht verzweifelt. „Ich wünsch mir, dass wir wieder Freunde sind.“ „Ja ich wünsch mir auch so einiges Nick, aber nicht alle Wünsche oder Träume gehen nun einmal in Erfüllung!“, entgegnete Sam mir nun sauer. „Als kleiner Steppke hab ich immer davon geträumt, so stark und mutig wie mein Vater zu werden. Er war mein großes Vorbild und ich wollte immer so sein wie er. Doch Träume ändern sich und als ich beschloss, Pilot zu werden, haben mich mein Vater und mein Bruder ausgelacht. Ich bin ein Mitglied der Colei-Familie und es ist schon immer Tradition gewesen, dass jedes Mitglied unserer Familie als Akrobat arbeitet. „Du wolltest Pilot werden? Das ist ja cool.“, sagte ich überrascht und schaute Sam mitleidig an. „Spar dir diesen Blick und hören will ich von dir auch nichts mehr.“, sagte Sam erzürnt. „Ja aber Sam…“ Er stritt es zwar ab, aber er war sehr wohl wütend auf mich und ich konnte es ihm noch nicht einmal verübeln. Doch es musste mir irgendwie gelingen, ihn wieder zu besänftigen. „Maledetto Dominik!“, schrie Sam laut, stampfte einmal mit dem Fuß auf, packte mich an den Schultern und drängte mich gegen eine Mauer. Dann küsste er mich auf den Mund, womit ich so gar nicht rechnete. Es fühlte sich unbeschreiblich gut an (Sam war ein exzellenter Küsser). Als er den Kuss wieder löste sagte er noch etwas auf Italienisch, von dem ich keine Ahnung besaß, was es bedeutete: „Ora taci, tu sei la tentazione più dolce dal cioccolato.“
51. Seifenblasenträume – Vorsicht Platzgefahr! – Teil 4 Als Sam den Kuss löste und mir etwas auf Italienisch zuflüsterte, stand ich einfach nur wie aus allen Wolken gefallen an der Mauer und wusste nicht so recht, was Sache ist. Sam war ein unglaublich guter Küsser. Meine Knie wurden weich wie schmelzende Butter in der Sonne, mein Kopf so rot wie eine Tomate dich sich allzeit schämte und mein Herz pochte so schnell wie ein rasender Rennwagen. Sam lächelte mich zunächst an, doch dann wurde sein Gesicht wieder traurig. Er drehte mir den Rücken zu und setzte seinen Nachhauseweg fort, ohne mir noch etwas zu sagen. Als ich wieder alle sieben Sinne beieinander hatte und wieder zu mir kam, rannte ich ihm nach und rief: „Was sollte das denn jetzt? Wieso küsst du mich auf einmal? (Nicht, dass ich das schlimm fand. Im Gegenteil…es war…schwärmt) Ich dachte du bist wütend und enttäuscht von mir. „Hör zu Nick.“, sagte Sam im ruhigen Ton zu mir. „Ich weiß was ich will und du solltest dir mal im Klaren darüber werden, was du willst.“ Ich wusste natürlich, was er damit meinte. Wollte ich lieber mit Sam zusammen sein, oder doch lieber mit Marcus. Ach herrje das ist alles so kompliziert…
Wir kamen am Zirkusgelände an und ich entdeckte einige Männer bei ihrer Arbeit. Als sie mich sahen, warfen sie mir dunkle Blicke zu. Filippo kam in seinem Clown-Kostüm aus seinem Wohnwagen gewatschelt. Er war auf dem Weg zu einer Kindergeburtstagsfeier. Als er mich jedoch sah, schrie er entsetzt auf: „Con la forza del clown, che ha fuorviare la ricerca qui?!“ Er stürmte panisch zurück in seinen Wohnwagen und sperrte sicherheitshalber hinter sich ab. „Du darfst dich nicht über das seltsame Verhalten der Anderen hier wundern.“, erklärte Sam mir. „Jeder weiß von deinem Angriff auf Lorenzo und der liebe Filippo hat Angst vor dir.“ Es war mir peinlich und am liebsten wäre ich im Erdboden versunken, doch ich musste mit Lorenzo reden und mich bei ihm für meine Tat entschuldigen. Sam begleitete mich freundlicherweise zu seinem Wohnwagen, damit es nicht zu weiteren Missverständnissen kam. Als Lorenzo uns öffnete und Sam ihm den Sachverhalt erklärte, war Lorenzo zunächst nicht sonderlich angetan, trotzdem bat er mich zu sich hinein, während Sam sich von mir verabschiedete und mir viel Glück wünschte. Lorenzo stapfte in seiner kleinen bescheidenen Küche umher und zog zwei Tassen aus dem Schrank. „Ich hab mir gerade etwas heiße Milch zubereitet und es müsste für uns Beide reichen.“, erklärte er mir. „Ich hoffe du magst Milch mit Honig, denn das ist sehr gesund.“ „J-Ja.“, sagte ich leicht zurückhaltend. „Warten Sie, ich mach das schon.“ Ich stand von meinem Platz auf und half Lorenzo bei der Zubereitung von Milch mit Honig. „Das ist sehr zuvorkommend von dir, aber ich hätte das natürlich auch alleine geschafft.“, sagte Lorenzo. „Ich bin nicht erst seit heute auf beiden Augen blind, weißt du.“ „Darf ich fragen, wie es eigentlich dazu kam… zu ihrer Blindheit?“, fragte ich ihn etwas unsicher. „Oh, dass geschah, als ich etwa in deinem Alter war. Du bist dich siebzehn oder?“ Ich nickte, doch dann wurde mir bewusst, dass er dies ja gar nicht sah (, klatschte mir ins Gesicht) und bestätigte seine Frage mit einem lauten Ja. Lorenzo fuhr unbeirrt fort: „Meine Nervenfasern versagten und es kam zu einem Glaukom. Dieses Wort sagt dir vermutlich wenig, deshalb nennen wir es doch einfach beim gebräuchlichen Namen: „Grüner Star“.“ „Und seither sind sie auf beiden Augen… blind?“, fragte ich mitfühlend. „Ja und ich besaß damals sogar einen Blindenhund. Leider verstarb dieser eines Tages und ich wehrte mich strikt dagegen, noch einen weiteren anzunehmen. Ich kam sehr gut alleine zurecht.“, erklärte Lorenzo mir. „Du musst nämlich wissen, dass ich zwar mein Augenlicht verlor, dafür aber meine anderen Sinne verschärft wurden. Ich höre das kleinste Insekt in weiter Ferne. So hatte ich auch die Möglichkeit mich im Messerwerfen zu versuchen. Ich trainierte monatelang, um es so perfekt zu beherrschen, wie es das Publikum heute von mir gewohnt ist.“ „Das klingt nach einer ziemlich abenteuerlichen Geschichte.“, sagte ich leicht lächelnd. „Aber als sie diese Krankheit früher noch nicht hatten, träumten sie doch sicher noch von anderen Dingen.“ Lorenzo lächelte und ich konnte dabei erstmals seine Zähne sehen. Zwei Zähne waren bereits fast gänzlich schwarz und in der oberen Reihe, fehlte bereits ein Zahn. Es sah zum Fürchten aus. „Ja…, ich hatte einen Traum. Ich wollte immer Fotograf werden. Traurig, aber wahr.“ Lorenzo tat mir Leid und mitfühlend wie ich nun einmal war (Wieso schaut ihr jetzt so komisch? Bin ich wirklich!), sagte ich: „Ihre Krankheit hat ihr Leben ziemlich durcheinander gebracht.“ „Ja hat es, genauso wie das Amulett dein Leben durcheinandergewirbelt hat.“ Lorenzo grinste mich an und ich schrak bei der Erwähnung des Amulettes auf. Er weiß natürlich nichts Genaueres über das Amulett, aber er hat hier mein Gespräch mit meinem Opa damals mitangehört. „Im Übrigen nehme ich deine Entschuldigung an.“ Ich schaute ihn verwirrt an, doch dann wurde mir wieder bewusst, weshalb ich eigentlich hier war. Lorenzo sprach weiter: „Ich hoffe du hast deine Tasse leergetrunken, aber lass mir dir noch eines sagen, bevor du mich wieder verlässt. Meine Blindheit ist keine Krankheit. Manche Menschen bezeichnen es als Fluch, andere wiederrum als Segen.“ „Als Segen? Wieso das denn?“, fragte ich ihn erschüttert. „Lorenzo grinste. „Weil ich so ein begnadeter Messerwerfer wurde und weitaus mehr sehe, als du dir vorstellen kannst.“ Lorenzo beugte sich zu mir rüber. „Ich sehe ein helles Licht und darin da…“ Lorenzo hielt inne und schien seine Lauscher zu spitzen. „Die Polizei ist auf dem Weg hier her. In der Ferne höre ich die grässlichen Sirenen ihrer Autos.“ Ich schaute den älteren Mann verwirrt an. Lorenzo stand auf und marschierte hinaus ins Freie. Ich folgte ihm und stellte fest, dass es inzwischen schon dämmerte. Kurze Zeit darauf hörte ich ebenfalls die Polizeisirenen und keine zwei Minuten später, standen drei Polizeiautos auf dem Zirkusplatz. Giovanni, der Zirkusdirektor, war außer Sich über diese Ruhestörung. „Was zum Zirkusteufel geht hier vor sich?!“, schrie er Herr Blum an, der sich gerade im Dienst befand und diesen Einsatz leitete. Herr Blum antwortete ihm nicht und marschierte geradewegs an ihm vorbei. Dies gefiel Giovanni gar nicht, denn er stampfte mit dem Fuß wütend auf. Jasmins Vater schaute sich in der versammelten Menge um. Der Lärm der Polizeisirenen lockte viele Mitarbeiter des Zirkus aus ihren Wohnwägen hervor. Dann schien Herr Blum das gefunden zu haben, was er suchte. Er ging auf Maurice, den Dompteur zu. Eine Gänsehaut lief mir bei seinem Anblick den Rücken runter. Herr Blum fragte nach Maurice Namen und als dieser sich bei ihm vorstellte, sagte Herr Blum: „Im Namen des Gesetzes – sie sind hiermit verhaftet. Es kann ihnen nachgewiesen werden, dass sie ein ehemaliges Mitglied der Organisation „Animal Welfare“ sind und Tiere bei lebendigem Leibe abgeschlachtet haben.“ Ein Aufruhr ging über den Zirkusplatz.