Guten Abend. Ihr sollt wissen, dass ich bereits an einer neuen Geschichte schreibe und diese 2018 veröffentlichen werde. Ich verrate noch nicht worum es in der neuen Geschichte geht, aber es ist im Bereich Fantasy angesiedelt und enthält auch reichlich Comedy. Also eine Abenteuer-Geschichte mit richtig, richtig lustigen und interessanten Charakteren. Aktuell schreibe ich Kapitel 5 und ich werde noch sehr viel mehr schreiben, bevor ich das erste Kapitel präsentiere, damit möglichst keine Logikfehler entstehen. Ich hoffe ihr freut euch schon darauf. Einen kleinen Hinweis auf den Bezug der Handlung gebe ich dann aber doch: Die Geschichte spielt in und um New Orleans in der heutigen Zeit. So... bringt euch nicht viel haha...
Der Titel meiner neuen Geschichte steht fest, wie ihr anhand des Thread-Titels erkennen könnt. Leider bin ich noch nicht soweit gekommen, wie ich damals geplant hatte, da mir einiges dazwischen kam, was meine Zeit beansprucht hat (Todesfall in der Familie, haufenweise Arbeit, etc.). Es dauert also noch ein wenig länger...
Schönen guten Abend zusammen. Ein halbes Jahr ist nun vergangen, nachdem ich meine letzte Geschichte beendet habe. Seitdem ist viel Zeit vergangen. Eigentlich wollte ich die nächste Geschichte zuerst zu Ende schreiben, bevor ich sie poste, um inhaltliche Fehler zu vermeiden, da ich aus mehreren privaten Gründen aber nicht wirklich schreiben konnte/wollte, habe ich mich dazu entschlossen, sie unvollendet zu veröffentlichen. Vielleicht schaffen es die Leser hier ja, mir etwas Kraft zu geben, um die Geschichte weiter zu schreiben. Sollte sie euch also gefallen, lasst es mich wissen! Momentan existieren nämlich nur 11 Kapitel dieser Geschichte, aber diese sind immerhin deutlich länger, als die aller anderen von mir geschriebenen Geschichten. Ich hab versucht meinen Schreibstil etwas weiter zu entwickeln. Langjährige Fans meiner Geschichten fällt dies am Anfang vielleicht gleich auf. Ansonsten ist alles gleich: Eine schöne Fantasy-Romanze mit schön viel Drama, etwas Humor und origineller Musik.
Sorry, für die lange Einleitung, aber nun beginnt die Geschichte - im wunderschönen und magischen New Orleans! :wink:
Monster Teen Club
„Monster. Es gibt sie. Sie existieren wahrhaftig! Doch was ist es, was ein Monster ausmacht? Es gibt viele Mysterien und Legenden über Monster, die nicht immer so aussehen und sich verhalten, wie man es vielleicht von ihnen erwartet. Deshalb möchte ich heute ein neues Kapitel im Leben aller Monster aufschlagen. Ob mein Handeln richtig oder falsch war, dass lässt sich nicht sagen, denn unsere Welt war noch nie in einer derartigen Lage wie diese. Haltet euch gut fest und achtet darauf, dass euch die Augen nicht aus euren Köpfen rollen. Ich hab hier ein Monster der etwas anderen Art. Vorhang auf für…“
„Billie!“
# 1
36 Stunden zuvor… „Liebes Tagebuch. Heute ist Halloween. Der langweiligste und nervigste Tag im Jahr! Keine Ahnung was daran so toll sein soll, von Haus zu Haus zu ziehen, an fremde Türen zu klopfen, um Süßigkeiten zu betteln und sich dabei zu zanken, wer denn nun das hässlichste Monster weit und breit ist. Ist doch wahr. Den Preis für die hässlichste Fratze gewinnt ohnehin unser amtierender Präsident, dicht gefolgt von Riley Sanders, der heute vor all unseren Freunden in der Schule mit mir Schluss gemacht hat. Nur gut, dass ich das bereits geahnt habe, ein paar faule Tomaten von Zuhause mitnahm und ihn zugleich damit bewarf. Ich kochte innerlich vor Wut und Riley hatte es definitiv verdient! Fast fünf Monate waren wir zusammen und er kam nie auf die Idee mir zu sagen, dass er mich gar nicht richtig liebt?! Ich dachte mir nur ‚Was zur Hölle?‘. War ich für den Bastard nichts weiter als ein Spielzeug, mit dem man etwas Spaß haben konnte, das man dann aber irgendwann wegwirft, weil man keine Lust mehr darauf hat? (Ich bereue es noch heute, mit acht Jahren meinen Teddy weggeworfen zu haben, weil er nicht mehr so kuschlig wie beim Kauf im zarten Alter von drei Jahren war. Der Teddybärengott habe ihn selig!) Jedenfalls: Riley hat jetzt ein schönes blaues Auge…, oder besser gesagt ein rotes…, und ich darf eine Woche Nachsitzen, plus eine Woche Hausarrest. Denn natürlich waren meine Eltern alles andere als happy, dass ich in der Schule mit faulen Tomaten um mich warf…“ „Billieee!“ „Und da ich gerade von meinen Eltern spreche..., meine Mum ruft mich. Jippie-Ja-Jeh!“ „Balthasar Kenneth Books, zwinge mich nicht, deine Tür einzutreten!“, rief meine Mum, die drohend vor meiner Tür stand, während ich mein Tagebuch zuklappte und es wieder unter mein Kopfkissen legte. Für einen Jungen in meinem Alter war es vielleicht ungewöhnlich Tagebuch zu schreiben, aber mir bereitete es Spaß, denn es gab keinen besseren Gesprächspartner als mich selbst. Außerdem war es Balsam für die Seele, wenn ich meine Gedanken und meine Gefühle in dem Tagebuch aufschrieb. Damit ersparte ich meinen Eltern zugleich auch die Kosten für einen Psychiater, denn den hatte ich hin und wieder dringend nötig, aber keine Angst, ich bin nicht gemeingefährlich. „Ich werde gleich gemeingefährlich, wenn du nicht auf der Stelle deine Tür öffnest.“, hörte ich meine Mum sagen. Sie war heute richtig in Rage. „Ich hab einen Hammer dabei und schlage notfalls die Tür ein, wenn es sein muss. Ich zähle jetzt bis Drei: Eins…, zwei…, dr…“ „Mal ernsthaft Mum. Wenn du einen Hammer nicht von einem Kochlöffel unterscheiden kannst, dann solltest du dringend mal zum Optiker.“, sagte ich frech wie ich nun einmal war, nachdem ich meiner Mum endlich die Pforte in mein Königreich öffnete und ihr Einlass gewährte. „Du weißt doch, dass ich meine Tür absperre, wenn ich in mein Tagebuch schreibe.“ „Und du weißt, dass ich verschlossene Türen in diesem Haus nicht gern sehe. Eine verschlossene Tür bedeutet, ein Geheimnis zu haben und wir haben keine Geheimnisse.“, erklärte meine Mum mir, während sie mit einem Kochlöffeln in der Hand in meinem Zimmer umhertanzte. „Menschen, die Geheimnisse haben, denen widerfährt meist ein Unheil.“ „Und denen die keine Geheimnisse haben, denen ist stiiiiinklangweilig.“, sagte ich und gähnte dabei, um das ‚stiiiiinklangweilig‘ noch schön zu unterstreichen. „In unserer Familie gibt es keine Geheimnisse. Jeder weiß, wann wir morgens aufstehen, wann wir das Haus verlassen, wann wir zu Abend essen und wann wir ins Bett gehen. Unsere Verwandten wissen es, unsere Nachbarn wissen es, ja selbst die Tauben auf dem Dach wissen alles über uns. Und warum? Weil wir immer alles zur selben Uhrzeit machen und nichts dem Zufall überlassen. Alles muss koordiniert sein und strickt nach Plan verlaufen. Ein Wunder, dass ich wenigstens aufs Klo gehen darf, wann ich möchte.“ „Wo du gerade davon sprichst. Hast du schon die neuen Toilettenregeln gelesen?“, fragte meine Mum mich und ich verdrehte sofort genervt die Augen und ließ mich rücklings auf mein Bett zurück fallen. „Ich hab es so satt, dass an der Klobürste ständig die Schei….“ „Ja, ich hab sie gelesen, Mum!“, rief ich, bevor meine Mum den Satz zu Ende sprechen konnte. „Sehr schön und jetzt komm essen. Es gibt Hackbraten. Das Leibgericht deines Vaters.“, sagte meine Mum. Natürlich gab es das Leibgericht meines Vaters, denn es gab immer das seine, oder das Leibgericht meiner acht Jahre jüngeren Schwester. Das was ich gerne aß, das gab es nie. Manchmal fühlte ich mich in dieser Familie wie das fünfte Rad am Wagen, aber man kann sich seine Familie nun mal nicht aussuchen und hey, mich hätte es auch noch sehr viel schlimmer treffen können.
„Diese Sauhunde.“, sagte mein Dad in einem wütenden Ton, als wir alle gemeinsam schließlich am Esstisch saßen. Seine Aussage bezog sich auf die Nachrichten im Fernseher, der nebenbei im Wohnzimmer lief. Unsere Küche und unser Wohnzimmer waren quasi miteinander verbunden und so konnten wir in der Küche speisen, aber zeitgleich auch Fernsehen. „Sieh dir das an Maddy. Die Musikschule an der alten Bergstraße ist nur noch Schutt und Asche.“ „Ich sehe es Bill, ich sehe es.“, sagte meine Mum, die schließlich Augen im Kopf hatte…, naja…, bis auf die Tatsache, dass sie einen Löffel nicht von einem Hammer unterscheiden kann. „Nur weil irgendwelchen Pennern die Musik zu laut war, haben sie alles niedergebrannt. Ich hoffe die Polizei erwischt diese Schweine. Es hätten dabei Menschen ums Leben kommen können…!“ „Zwei Menschen kamen bei diesem Brand ums Leben…“, sagte die Nachrichtensprecherin just in dem Augenblick, woraufhin sich mein Dad die Zunge am Hackbraten verbrannte. „Mum, darf ich mein Feenkostüm heute Abend anziehen?“, fragte meine kleine Schwester Constanze, die wir aber eigentlich alle einfach nur Conny riefen. „Aber Schatz. Heute ist doch Halloween, da würde das Hexenkostüm doch viel besser dazu passen.“, meinte unsere Mum, womit sie ausnahmsweise mal Recht hatte. „Och bitteee!“, flehte Conny und sah unsere Mum dabei mit ihren großen Kulleraugen an. Ich verdrehte meine Augen, denn diese Masche brachte sie jedes Mal, wenn sie etwas haben wollte… „Also schön, du darfst dir das Feenkostüm anziehen.“, gab unsere Mum nach. … und es funktionierte immer! „Jippie!“ Conny war bereits fertig mit essen, stand auf und rannte die Treppe hoch in ihr Zimmer, um sich für den heutigen Abend umzuziehen. „Das du mir weil keinen Blödsinn anstellst, wenn wir später alle außer Haus sind.“, ermahnte meine Mum nun mich. Na wenigstens hatte ich zehn Minuten meine Ruhe, wo ich nicht daran erinnert wurde, dass ich das schwarze Schaf der Familie war. „Ich zieh mit Conny und ihren Freundinnen um die Häuser und dein Dad ist mit seinen Kollegen auf einem Bowlingturnier. Wenn wir nach Hause kommen, will ich nicht noch weitere schlechte Nachrichten hören.“ „Was dir deine Mutter in ihrer liebevollen Fürsorge damit sagen will ist…“, mischte sich nun mein Dad mit ein, „…fackle unser Haus nicht ab. Es gab genug Brände in dieser Stadt.“ „Schon eigenartig.“, sagte meine Mum nachdenklich. „In letzter Zeit geschehen wirklich seltsam viele Unglücke in New Orleans. Als ob unsere Stadt von einem Fluch belegt worden wäre.“ „Darf ich aufstehen und nach oben gehen?“, fragte ich, da ich den Rest des Abends einfach nur noch meine Ruhe haben wollte. „Zuerst wird aufgegessen.“, antwortete meine Mum streng. „Ich mag aber keinen Rosenkohl.“, entgegnete ich angewidert. „Das ist Brokkoli!“ „Mir doch egal, wie das heißt, was ich nicht mag!“
Eine Stunde später… „So Billie, wir sind dann jetzt auch weg.“, sagte meine Mum zu mir, die sich als Weiße Frau verkleidet und geschminkt hatte und einen Schlüssel in ihre Handtasche steckte. „Mir war gar nicht klar, dass Gespenster Handtaschen tragen.“, stellte ich gelangweilt fest. „Iss endlich deinen Brokkoli.“, entgegnete meine Mum lediglich, als sie meinen Teller sah, auf dem noch immer der Rosenkohl… äh ich meine der Brokkoli lag. „Der ist kalt.“ „Er wäre nicht kalt, wenn du ihn gleich aufgegessen hättest und keine Debatte mit mir über gesundes Gemüse, auf das du gut und gerne verzichten kannst, geführt hättest.“ Meine Mum sah mich nach wie vor streng an, aber glaubte ich auch einen Anflug von liebevoller Mutterliebe und Besorgtheit in ihr zu erkennen, als sie mir in die Augen sah. „Bis später Billie… und wenn du den Brokkoli jetzt in den Kompost wirfst, dann merk ich das!“ Die letzten Worte meiner Mum, die ich heute hören sollte… wie schön. Ich stand auf und schlurfte zum Küchenfenster. Ich sah dabei zu, wie meine Mum und Conny in das Auto einstiegen und rückwärts die Hofeinfahrt hinunterfuhren. Danach fuhren sie auf der Straße davon, die bereits von den Laternen beleuchtet wurde, da die Dunkelheit hereingebrochen war. Ich war allein – allein zu Haus. Allein. Ein breites Grinsen überkam mich auf einmal. Es war Monate her, dass ich das Haus mal ganz für mich allein hatte. Sollten doch alle anderen Halloween feiern. Ich würde meine eigene Party veranstalten. Eine Anti-Halloween-Feier! Ich flitzte ins Wohnzimmer zum Plattenspieler meines Dads und legte los. Die Musik von Glenn Miller war jetzt genau das richtige. „Ladys und Gentleman. Hier ist er – der King of Jazz. Hier ist Balthasar Books!“ Wenn es mir an etwas nicht mangelte, dann war es meine blühende Fantasie. Ich stellte mir den tosenden Applaus vor und verneigte mich ehrwürdig. Doch meine Fantasievorstellung nahm ein jähes Ende, als es an der Tür klingelte. Leicht genervt stolzierte ich zum Hauseingang und öffnete die Tür. Eine Horde kostümierter Kinder stand davor. „Süßes, sonst gibt Sau…“ Und zack, schmiss ich die Tür wieder zu. „Pah, diese Bälger sollten mir dankbar sein. Ich rette ihre Zähne vor Karies!“, entschuldigte ich mich selbst bei mir für mein Verhalten. Doch offenbar waren diese Kinder sehr hartnäckig, denn es klingelte ein weiteres Mal. Genervt drehte ich um und öffnete die Tür erneut. „Was ist? Hab ich euch nicht zu verstehen gegeben, dass ich…, oh Zara du bist es.“ „Begrüßt du deine Retter in der Not immer so nett?“, fragte das Mädchen, welches ohne Abzuwarten mein Haus betrat. Zara Darling war ein Mädchen aus meiner Klasse und zugleich meine allerbeste Freundin. Sie und ich waren auf einer Wellenlänge und das in jeglicher Hinsicht. „Ich hab gesehen, wie du den Kindern die Tür vor der Nase zugehauen hast. Das sah aus der Ferne sehr lustig aus.“ „Ich wollte ihnen nichts Süßes geben, also gab es Saures und das macht ja bekanntlich lustig. Folglich hab ich alles richtig gemacht.“, argumentierte ich sinnlos. „Hätte ich gewusst, dass du hier aufkreuzt, hätte ich zuvor noch den roten Teppich ausgerollt.“ „Ihr habt gar keinen roten Teppich Billie, oder hättest du die weißen Bettlaken deiner Mutter mit Tomaten beworfen, bis sie rot sind?“ Zara lächelte mich breit an. Ich wusste ganz genau, warum sie hier war. Sie machte sich Sorgen um mich, weil mein Freund heute mit mir Schluss gemacht hatte. „Also Billie… was hast du heute denn noch so geplant?“ „Hausarrest. Eine Woche.“, antwortete ich knapp, während ich zurück ins Wohnzimmer schlurfte und dabei den Weg durch die Küche nahm. „Oh, das klingt ja sehr spannend.“, meinte Zara schnippisch, die mir natürlich folgte und dabei auf den Brokkoli aufmerksam wurde. Zara liebte Brokkoli und aß ihn auf, ohne zu fragen. Sie war in der Tat meine Rettung. „Na dann, müssen wir eben das Beste aus dem Ganzen machen. „Mach ich schon. Ich veranstaltete gerade meine eigene Anti-Halloween-Feier, bis mich diese Kids dabei gestört haben.“, erklärte ich und schmiss den Plattenspieler wieder an. „Gut, Musik hätten wir schon einmal, aber was wäre eine Anti-Halloween-Feier ohne ein paar Kostüme? „Auf gar keinen Fall zieh ich mir das stinkende Werwolfs-Kostüm an, welches ich voriges Jahr tragen musste, weil du mich auf dieses dumme Halloween-Schulfest schleifen musstest!“ „Musst du ja auch nicht. Ich weiß, deine Mutter hat einen ganzen Schrank voller aufregender Kostüme. Also los. Dreh die Musik lauter und lass uns Spaß haben!“ Zaras Wunsch war mir Befehl. Die Musik wurde bis auf Anschlag auf gedreht. „Uuuh Benny Goodman. Gute Wahl.“, sagte Zara, während sie den Schrank mit den Kostümen öffnete und sich zugleich eine schwarze Federboa um den Hals legte. „Na, wie sehe ich damit aus?“ „Wie ein schwarzes Huhn. Passt zu mir als schwarzes Schaf der Familie.“, antwortete ich, während Zara mir einen Zylinder und einen Gehstock zuwarf, die ich problemlos auffing. „Aus dir machen wir jetzt einen richtigen Gentleman der Zwanziger Jahre.“, meinte Zara, als sie einen Anzug entdeckte, der genau meine Größe war. „Tja und das Kleid zieh ich dann wohl an.“, sagte Zara und zehn Minuten später waren wir beide umgezogen. Zara in einem eleganten Abendkleid im Gatsby-Style, samt einer Federboa und einer Zigarettenspitze. Zudem trug sie noch eine Perlenkette meiner Mum um den Hals. Ich trug einen schwarzen Kavalier-Frack mit Fliege und einem Zylinder aus Satin. Dazu der Gehstock mit Facettenknauf. „Uuuh schick, schick.“, sagte Zara, als sie mich sah. „Vielen Dank Madam, ihr seht aber auch sehr galant aus.“, gab ich das Kompliment scherzhaft zurück. „Dürfte ich um diesen Tanz bitten?“ „Sie dürfen.“ Zara reichte mir ihre zarte Hand und ich führte sie auf die Tanzfläche im Wohnzimmer, wo wir zu der fetzigen Jazz-Musik tanzten, die aus dem Plattenspieler ertönte. Es war ein irrer Spaß, den wir zusammen hatten. Verrückt ja, aber auch spaßig.
„Ich muss dann jetzt langsam mal nach Hause.“, sagte Zara nach einiger Zeit. „Hast du Angst, du könntest sonst meiner Mum noch über den Weg laufen?“, fragte ich grinsend. „Püh, vor der hab ich doch keine Angst.“, antwortete Zara hochnäsig. „Solltest du aber.“, sagte ich und lachte dabei. „Du trägst nämlich noch immer ihre Perlenkette um den Hals und wenn sie dich damit sieht, reißt sie dir den Kopf ab.“ Zara legte schnell die Perlenkette ab und legte sie an ihren ursprünglichen Platz zurück. „Wenn sie mir den Kopf abreißt, dann nehme ich mir den Kopflosen Reiter zum Mann und räche mich an ihr.“ Ich grinste. „Danke, dass du da warst, um mich aufzuheitern.“ Ich streckte meine Arme nach Zara aus, die sich schließlich von mir drücken und umarmen ließ. Danach verabschiedeten wir uns voneinander und Ruhe kehrte wieder ins Haus ein. Doch die Stille war nur von kurzer Dauer, denn es klingelte wieder einmal an der Tür. „Hast du was verges-sen?“ Ich stutzte, denn nicht Zara, sondern ein Junge stand vor der Tür. Ich kannte ihn nicht, aber er war ungefähr in meinem Alter und nicht kostümiert. „Guten Abend Billie. Darf ich eintreten?“ „Äh nein? Wer bist du?“, fragte ich verwirrt und fühlte mich etwas überrumpelt von der Art des Jungen, der sogar meinen Namen kannte. „Kann ich nicht sagen, weil du mir ohnehin nicht glauben würdest.“, antwortete der Junge mir. „Aha und was willst du?“, fragte ich weiter, die Hand stets an der Tür, um sie jederzeit zuzuhauen. „Dich!“ Zack und die Tür war zu. Was war das denn bitte? Wer immer dieser Junge auch gewesen sein mag, er hatte offenbar nicht mehr alle Latten am Zaun. Doch ich wollte nicht weiter über den Jungen nachdenken und mich über ihn aufregen und stattdessen das Chaos im Wohnzimmer entsorgen, bevor meine Eltern nach Hause kamen und sie einen Tobsuchtsanfall bekamen. „Glaubst du eigentlich an Gespenster?“ Ich bekam fast einen Herzinfarkt, als ich plötzlich eine Stimme hörte und den Jungen, der gerade eben noch vor der Tür stand, nun gemütlich auf unserem Sofa liegen sah. „Was zur Hölle?!“, schrie ich wütend und verschreckt. „Mit der Hölle liegst du gar nicht mal so falsch, auch wenn ich dem Teufel höchstpersönlich noch nie über den Weg gelaufen bin.“, sagte der Junge, erhob sich vom Sofa und baute sich direkt vor mir auf. „Hab bitte keine Angst.“ „Ich hab keine Angst.“, entgegnete ich, was ehrlich gesagt aber gelogen war, denn wie war es dem Jungen gelungen, in unser Haus reinzukommen. Hab ich vielleicht irgendwo ein Fenster offen gelassen? Das wird es sein, ganz bestimmt! „Sehr gut, denn du musst auch keine Angst haben. Vielmehr musst du Angst verbreiten.“ Der Junge lächelte mich ungeniert an, dann streckte er seinen Arm aus und streute mir ein Pulver ins Gesicht. Meine Augen brannten daraufhin wie Höllenfeuer und Tränen schossen mir ins Gesicht „Oh verdammt, das war ja Pfeffer!“, fluchte der Junge und streute mir kurz darauf ein weiteres Pulver ins Gesicht, welches mich kurzerhand schläfrig werden ließ. So schläfrig, dass ich vornüber kippte und mich der Junge auffangen musste. Die letzten Worte, die ich von ihm vernahm waren: „Okay, das lief nicht so reibungslos wie ich geplant habe, aber wir zwei werden sicherlich noch gute Freunde.“
„Aufwachen Dornröschen, jetzt wird nicht mehr gepennt. Es ist schon nach Mitternacht!“, rief eine Stimme mir zu, die definitiv nicht meiner Mum gehörte. Es war eine männliche Stimme, die eines Jungen. Ein Junge … und schon kamen die Erinnerungen wieder hoch, wie ein mir unbekannter Junge vor der Tür stand und kurz darauf wie von Geisterhand auf dem Sofa in unserem Wohnzimmer lag. „W-Wo bin ich?“, fragte ich noch leicht benebelt. Meine Augen brannten wie Feuer. „Um das zu beantworten, bedarf es einer längeren Erklärung.“, antwortete der Junge mir, während ich mich langsam aus einem Bett erhob, welches in einem kleinen Zimmer stand und mir gänzlich unbekannt war. Wo hatte der Junge mich nur hingebracht? Der Junge saß auf dem Fenstersims. Die Vorhänge waren alt und verstaubt, doch das interessierte mich weitaus weniger, als das, was sich draußen vor dem Fenster abspielte. Ich trat näher ans Fenster, bis ich den kalten Atem des Jungen in meinem Gesicht spüren konnte und wieder einen Schritt zurücktrat. Doch konnte ich noch immer sehr gut aus dem Fenster sehen, um festzustellen, dass obwohl es draußen stockfinster war, ein buntes Farbenspiel den Himmel hell erleuchtete. Dann sah ich mehrere Gestalten, einer komischer als der andere. Ach richtig, es war ja noch immer Halloween. Doch was war das? Flog da gerade eine Hexe dicht am Fenster vorbei? Was für irre Special Effects! Der Junge lächelte bei dem Anblick meines entgeisterten Blickes und sagte fröhlich: „Willkommen auf der ‚Monster Acadmey‘, dem Ort, an dem Monster aller Art in Frieden zusammenleben!“
# 2
Ich lächelte ungläubig, als der mir unbekannte Junge mich auf einer sogenannten „Monster Academy“ willkommen hieß. Von solch einem Bildungszentrum hatte ich in meinem ganzen Leben noch nie etwas gehört. Mir wäre auch nicht bekannt gewesen, dass es so etwas in oder in der Nähe von New Orleans geben würde. „Monster Acadamy“ – Wer ging hier zur Schule? Frankensteins Kinder? Ich lachte innerlich in mich hinein, auch wenn ich nicht ganz begriff, was sich da draußen abspielte. Meine Augen richteten sich noch immer auf das Geschehen außerhalb des Fensters. Ich musste mich im zweiten Stock eines Gebäudes befinden, denn ich konnte weit nach unten sehen. Unter mir befand sich ein Hof mit einer großen Grünfläche und einem einzigen Baum. Der Baum stand exakt in der Mitte und sein Stamm war so weiß wie Schnee. Seine Blätter hingegen waren grün wie die eines gewöhnlichen Baumes. Doch dieser Baum war alles andere als gewöhnlich, denn wenn meine Augen mich nicht täuschten, dann leuchtete der Stamm des Baumes wie ein heller Stern. „Wie eigenartig.“, sagte ich lediglich, während der andere Junge hinter mir stand, kein Wort von sich gab und mich lediglich beobachtete. Ich störte mich nicht daran, auch wenn ich noch nicht wusste, ob ich ihm in die Eier treten und dann wie der Wind ganz schnell verschwinden sollte. Stattdessen beobachtete ich weiterhin das Geschehen im Freien. Auf der grünen Wiese rannten und tanzten die seltsamsten Gestalten herum. Mir war natürlich klar, dass heute Halloween war, aber mit diesen Kostümen haben sich die Leute da unten selbst übertroffen. Einer hatte sich als Skelett verkleidet und sah leibhaftig lebendig aus. Ein anderer rannte auf allen Vieren im Werwolfs-Kostüm über die Wiese, bis er in der Dunkelheit verschwand. Soweit so gut, aber da waren ja auch noch die fliegenden Hexen auf ihren Besen. Zuerst hatte ich nur eine gesehen, aber inzwischen kamen noch vier weitere hinzu und es hatte den Anschein, als würden die fünf Hexen um die Wette fliegen. „Krass, das will ich auch können.“ „Was denn?“, fragte der andere Junge mich. „Na fliegen!“, antwortete ich knapp. „Muss ein irres Gefühl sein. Wie haben die das hingekriegt?“ „Och ein bisschen Hokuspokus hier und ein wenig Abrakadabra da…“, antwortete der Junge mir, als wäre es das Normalste auf der Welt. Ich drehte mich zu ihm und musterte nun auch ihn. Er hatte sich nicht verkleidet, aber irgendwie wirkte seine Erscheinung etwas zerlumpt und veraltet. Seine Haare waren braun und wirkten ungezähmt, als hätte er in seinem ganzen Leben noch nie einen Kamm aus nächster Nähe gesehen und sein Gesicht war leicht mit Erde verdreckt. „Starr mich nicht so an Sauron, ich hab deinen Ring nicht!“, rief er mir zu. „Was?“, fragte ich verwirrt. „Was?!“, gab er gleichermaßen zurück. „Du redest wirres Zeug.“, meinte ich noch immer leicht verwirrt. „Ja, das sagen meine Freunde auch immer. Ava meinte einmal zu mir, ich sei das größte Rätsel, dass die Welt jemals gesehen hat und um mich zu entschlüsseln, benötigt es den richtigen Schlüssel.“, sagte der Junge, während er seine Hände hinter seinen Kopf legte und ganz lässig vor mir stand. Ich sah ihn weiterhin verwirrt an. „Schlüssel? Entschlüsseln? Wortwitz du verstehst?“ Ich schüttelte irritiert den Kopf. Nicht weil ich sein Wortwitz nicht verstanden hatte, sondern weil ich IHN nicht verstehe. Der Typ hatte nicht mehr alle Sinne beisammen. Plötzlich hörte ich eine Klospülung aus einem Nebenzimmer. Eine Tür öffnete sich. Dahinter befand sich ein dunkler Raum, aus dem nun eine Person trat. Auch diese Person hatte sich zu Halloween verkleidet. „Hey Koda, danke dass ich deine Toilette benutzen durfte, aber dein Klopapier ist alle.“ „Soll das ein Witz sein?“, fragte der Junge seinen Gegenüber und komischerweise stellte ich mir gerade die gleiche Frage. „Du bist eine Mumie Seth! Du bestehst nur aus Klopapier!“ „Ja glaubst du denn allen Ernstes, dass ich mir mit mir den Arsch abwische und will, dass die Scheiße hinterher an mir klebt?!“, rief der Junge, der gerade aus der Toilette gekommen war. Sein Name war offensichtlich Seth und zu Halloween hatte er sich in Klopapier eingewickelt, um wie eine Mumie auszusehen. Wieviel Klopapier er dafür wohl benötigt hat? Das Klopapier sah auch schon etwas älter aus. Damit hätte ich mir vermutlich auch nicht den Arsch abwischen wollen… „Oh man Koda, du hast die Scheiße also tatsächlich durchgezogen, was?!“ Seth sah nun mich an. Seine Augen waren so grün wie die von Smaragden. Er trat näher an mich heran und ein fauler Geruch zog mir durch die Nase, dass mir leicht übel wurde. Ich verzog mein Gesicht und bekam ganz unerwartet eine Gänsehaut. „Hey Mann, dein Kostüm ist super.“, sagte ich und versuchte dabei nicht ganz so angewidert auszusehen. „Ein kleiner Tipp fürs nächste Mal: Weniger ist manchmal mehr und damit meine ich nicht das Klopapier, in das du eingewickelt bist.“ Seth verengte seine Augen, als er meine Worte hörte. Anschließend wandte er sich wieder Koda zu, der sich ein wenig zu amüsieren schien. „Siehst du. Der Bursche hat nicht die leiseste Ahnung.“, sagte er zu seinem Kumpel und zuckte dabei mit den Schultern. „Er hält das alles hier bestimmt für die größte Kostümparty.“ „Naja, ist ja deine Angelegenheit. Ich misch mich da nicht ein, aber Viola dürfte das gar nicht gefallen, dass du einen Menschen hierher gebracht hast. Am Ende ist nämlich sie die Leidtragende. Du kennst die Gesetze des Magistrats!“ Mit diesen letzten – für mich kryptischen – Worten, verabschiedete sich die Mumie und verließ das Zimmer. Jedoch war noch nicht alles von ihm ganz draußen, als die Zimmertür zufiel und ein Überbleibsel seines Klopapiers sich in der Tür verfing. „Seth pass auf, sonst stehst du gleich nackt im Flur!“, rief Koda ihm breit lächelnd hinterher und als er meinen verwirrten Blick sah, fügte er an mich gewandt noch hinzu: „Das passiert ihm häufiger.“ „Hat er unter seinem Kostüm denn nichts an?“, fragte ich, während die Tür sich noch einmal einen Spalt breit öffnete und Seth das hängende Klopapier zu sich zog, ehe er die Tür wieder zuschlug. „Du stellst Fragen, auf die selbst ich keine Antworten weiß.“, antwortete der Junge mir, der von seinem Kumpel Seth Koda genannt wurde. Ein schöner, wenn auch recht ungewöhnlicher Name. „Okay andere Frage. Was ist ein Magistrat?“, fragte ich frei heraus und ohne Scheu. Koda pfiff durch die Lippen, als hätte ich ihm die Frage aller Fragen gestellt. Er antwortete mir auch nicht. Stattdessen stellte er mir eine Gegenfrage: „Interessiert es dich denn eigentlich gar nicht wo du bist und warum ich dich hierher gebracht habe?“ „Doch schon … denke ich.“, antwortete ich etwas unsicher. „Keine Ahnung. „Einerseits bin ich wütend und würde dir am liebsten in die Eier treten, andererseits ist das der lustigste und interessanteste Abend seit langem. Hier scheint ja eine echt abgefahrene Halloween-Party abzugehen.“ Ja, wir lieben Halloween. Der schönste Tag im Jahr für uns alle, die hier leben.“, erklärte Koda mir. „Es ist der einzige Tag im Jahr, in dem wir tun und lassen dürfen was wir wollen, ohne von den Menschen entdeckt zu werden.“ Koda blickte mich starr an. „Naja, aber dieses Gesetz breche ich wohl heute.“ Ich wusste mir nicht zu helfen. Dieser Koda schien zwar zu Antworten bereit zu sein, aber waren diese meist so kryptisch, dass ich mindestens drei neue Fragen hatte. „Warum sprichst du immer so, als wärst du kein Mensch? Das ist seltsam …“ „Begreifst du es denn immer noch nicht?“ Koda trat nun einen Schritt näher an mich heran, bis er nur noch ein Atemzug von mir entfernt stand. Erneut lief mir ein kalter Schauer über den Rücken, obwohl ich keine Angst vor ihm hatte. Wie alt war er? Nicht viel älter als ich jedenfalls. Na gut, er war einen halben Kopf größer als ich, aber auf Größe kommt es nicht immer an. Unter seinem braunen Hemd, Shirt, oder was dieser verdreckte Lumpen darstellen sollte, schien es nicht so, als würde sich Hercules persönlich darunter verstecken. Mit anderen Worten: Von ihm ging keine Gefahr aus. „Was begreife ich nicht? Warum hast du mich hierher gebracht? WER BIST DU?!“, fragte ich nun laut, denn ich wollte Antworten hören. „Du befindest dich an einem Ort, fernab der Menschenwelt. Die Menschen bezeichnen es unter anderem als Jenseits, ich aber finde, dass dieser Begriff nicht annähernd das wiederspiegelt, wo wir uns befinden. Es ist ein Ort, an dem die Toten weiterleben. Ein Ort, wo all das wahr wird, wovon jeder bislang annahm, dass es nicht existieren könnte.“ Ich blickte Koda nach wie vor ungläubig an. „Ich bin also … woooo?“ „Na in der ‚Monster Academy‘. Soll ich dir das vielleicht auch noch buchstabieren? Also M, O, N, S, D …, ach quatsch T …“ „Herrgott ich weiß wie man Monster Academy buchstabiert.“, sagte ich närrisch. „Na dann frag mich doch nicht so blöd. Es gibt keinen anderen Namen für unsere Welt und nur weil die Menschen sie nicht sehen können, heißt es nicht, dass sie nicht existiert. Aber wenn es dich beruhigt: Wir befinden uns noch immer auf der Erde. Weder im Himmel, noch in der Hölle.“ „Ungemein.“, erwiderte ich und bewegte mich schnurstracks auf die Tür zu, um diesem Ort, aber vor allem diesem Irren zu entfliehen. Ich hoffte, dass ich schnell genug war. Als ich das Zimmer verließ, schlug ich die Tür schnell zu und drückte dagegen, damit Koda mir nicht folgen konnte. Mir war natürlich klar, dass wenn ich fliehen wollte, den Türgriff irgendwann loslassen müsste, aber mein Gehirn schien von all diesen Verrücktheiten leicht vernebelt zu sein. „Was machst du da?“, fragte mich eine Person, die gerade den Flur entlang lief. „Die Tür festhalten, damit der Spinner darin, mich nicht weiter nervt.“, antwortete ich. „Der nervige Spinner bin aber ich und ich stehe direkt neben dir.“, sagte die Person. Ich drehte mich zu ihm und erschrak. Koda stand wie von Geisterhand neben mir. Wie und wann ist er aus dem Zimmer gekommen? Gab es noch eine weitere Tür? Hatte die Toilette etwa einen Zweitausgang? Ja, das musste es sein, denn eine andere Möglichkeit gab es gar nicht. „Du solltest hier nicht so einfach rumspazieren.“, meinte Koda, während er sich lässig gegen die Wand lehnte. „Heute Nacht sind zwar alle draußen um Halloween zu genießen, aber dich könnte trotzdem noch jemand sehen. Nicht jeder reagiert nämlich so gelassen wie mein Kumpel Seth vorhin. Die meisten von uns haben Angst vor euch Menschen. Ich nicht. Vermutlich weil ich selbst mal einer war und mich sehr gerne an diese Zeit zurückerinnere, aber das ist schon viele Jahre her und …“ „Lass mich in Ruhe!“, schrie ich und unterbrach ihn zugleich. Ich rannte erneut weg, aber bevor ich um die nächste Ecke biegen konnte, stand Koda erneut vor mir. Ich drehte mich um, um zu überprüfen, ob es nicht zufällig Zwei von seiner Sorte gab, aber der Flur hinter mir war plötzlich leer. „Das wird langsam lästig, weißt du das? Du bist hier nicht der Einzige, der sich den Abend anders vorgestellt hat.“, sagte Koda, der mir nun bedrohlich auf die Pelle rückte, woraufhin ich ein paar Schritte rückwärtsging, bis ich die Wand an meinem Rücken spürte. „Ich hätte Halloween liebend gern mit meinen Freunden verbracht, die die Nacht durchzechen, aber ich bin der Einzige aus meinem Club, der die erste Prüfung noch nicht bestanden hat und der Magistrat und die Professoren erwarten morgen von mir, dass ich sie in Angst und Schrecken versetze. Wer oder was wäre besser dazu geeignet, als ein Mensch, der sich in unserer Welt befindet.“ Verrückt. Der Kerl war total verrückt! Geisteskrank, durchgeknallt, einfach nur meschugge. Ich wollte weglaufen, aber meine Beine und Füße fühlten sich wie Eisklötze an. Kalt und festgefroren am Boden. Also blieb mir nur noch eine Option übrig. Ich ballte meine rechte Hand zu einer Faust, und auch wenn ich kurz zögerte, holte ich doch aus und wollte dem Kerl eine reinhauen. Bislang hielt ich das alles hier nur für einen üblen Witz, aber als meine Faust seinen Körper nicht berührte und einfach nur durch ihn hindurchglitt, da begriff ich erstmals den Ernst der Lage. Wer immer der Junge auch war, er war kein Mensch! Schreckhaft zog ich meine Faust zurück und betrachtete sie, während sie unaufhaltsam zitterte. „Au. Mitten durchs Herz ….“, sagte Koda und fing zu lachen an. Doch sein Gelächter war nur von kurzer Dauer und als er verstummte, blickte er mich erstmals mit zornigen Augen an. „Wage es nie wieder, deine Faust gegen mich zu erheben!“ „W-Was bist du?“, fragte ich, während mir doch tatsächlich die Zähne vor Angst schlotternden. Koda schmunzelte. „Was ICH bin? Ich bin ein Spukgespenst!“
Natürlich wusste ich was Gespenster sind. Ein Gespenst ist der Geist eines Lebewesens, das bereits gestorben ist. Soweit so klar, aber … aber sie existieren doch nicht wirklich! Es sind Kreaturen die nur in Mythen und Legenden vorkommen, aber sie existieren nicht wirklich! „Da muss ich dich enttäuschen. Ich bin so echt, wie ein falscher Fünfziger. Moment … was rede ich denn da?“ Koda saß auf dem verstaubten Bett in seinem Zimmer, angelehnt an der Wand, während ich, ganz bleich im Gesicht, auf dem Boden kauerte und meine Arme um meine Knie gelegt hatte. Ich hatte nicht wirklich Angst, aber es war … so surreal. „Das ist nicht real, das ist nicht real, das ist nicht real …“, murmelte ich ständig vor mich hin und vermied es dabei, meinem Gegenüber in die Augen zu sehen. „Hilft es dir, wenn du dieselben vier Wörter ständig wiederholst?“, fragte Koda mich salopp. „Gespenster sind Wesen, die an Orten umgehen, an dem sie sich zu Lebzeiten am liebsten aufgehalten haben. Sie können nicht umherziehen, denn sie sind an einen Ort gebunden und wenn sie in unserer Welt verweilen, dann gibt es dafür einen bestimmten Grund.“ „Wow. Hast du das alles aus dem Gespenster-Lexikon für Anfänger?“, fragte Koda mich überrascht. „Wenn ja, dann verbrenn das Buch, denn das ist alles völliger Bullshit.“ Erstmals traute ich mich, Koda in die Augen zu sehen. „Soll heißen?“ Koda lächelte mich an. Ich konnte mir nicht helfen, aber das Lächeln ließ ihn sehr sympathisch wirken – sogar für ein Gespenst. „Soll heißen, dass ich dir zeigen werde, wie Gespenster wirklich leben.“
# 3
„Doch zuvor, solltest du schlafen.“, sagte Koda und warf mir zugleich ein staubiges Kissen von seinem Bett ins Gesicht. Der Staub flog mir um die Ohren und ich musste anfangen zu husten. „Ich brauch dich morgen früh ausgeschlafen, wenn ich dich dem Magistrat und den Professoren präsentieren will. Ein unausgeschlafener Mensch ist wie ein ausgetrockneter Vampir – unbrauchbar.“ „Was bin ich für dich? Ein Studienobjekt? Eine Projektarbeit?“, fragte ich weiterhin hustend. „Exakt. Noch irgendwelche anderen unwichtigen Fragen?“ Ich war inzwischen aufgestanden und blickte auf das staubige Bett. „Ja.“, sagte ich und legte meine Hand auf das Bett. Eine Berührung uns sie war voller Staub. „Wann hast du das letzte Mal hier sauber gemacht?“ „Sehe ich so aus, als hätte ich die Zeit zu putzen?“, entgegnete Koda, woraufhin ich ihn mit einem leeren Blick ansah und ein Tumbleweed an uns vorbeihuschte. „Du bist ein Gespenst. Du bist tot. Du hast unendlich viel Zeit!“, meinte ich, was ja auch stimmte. Koda wirbelte mit seinem Kopf umher, als ob meine Argumente überhaupt nicht von Belang wären. „Ich schlafe nie, also benötige ich auch kein Bett. Wenn es dir hier nicht sauber genug ist …“ Über meinen Kopf seilte sich gerade eine Spinne von der Decke herab, „… dann putz selber!“
Eine Minute später … *Klopf, Klopf* „Wer ist da?!“, rief eine Stimme und kurz darauf öffnete sich die Tür und ein Zombie stand vor mir. Er wirkte auf mich sehr klein und auch wenn seine Gesichtsfarbe aschgrau war, so glaube ich, dass er von asiatischer Abstammung war. „Dachte ich mir doch, dass du da bist. Kann der Kleine hier heute Nacht bei dir pennen, Zuko?“, fragte Koda seinen Zombiefreund, zudem er mich brachte, weil ich mich weigerte, in seinem verstaubten Zimmer zu übernachten. „Wow … ein Mensch ..., der Magistrat bringt dich um.“, sagte der Zombie, als er mich mit seinen kleinen Augen von Kopf bis Fuß musterte. „Du und dein Pessimismus. Also kann er bei dir nächtigen oder nicht?“, fragte Koda erneut. „Ja, ich denke schon. Ramón ist nicht da und so wie ich ihn kenne, ist er bestimmt die ganze Nacht wieder unterwegs und sauft bis zum Umfallen.“, antwortete Zuko, der sich gar nicht weiter daran zu stören schien, dass ein Mensch vor ihm stand. Mich hingegen störte hier so ziemlich alles. „Ehm hallo? Ich soll bei einem Zombie übernachten? Geht´s noch? Sobald ich eingeschlafen bin, frisst der mich doch bei lebendigem Leibe auf. Ich hänge an meinen Innereien und sie an mir. Mein Gehirn kann er aber haben, dass spielt seit einer Stunde ohnehin verrückt. Eine Welt voller Gespenster, Hexen, Mumien und Zombies …“ „Du hast Werwölfe vergessen.“, fügte Koda heiter zu. „Aber es gibt noch so viele andere Wesen, die hier leben. Du wärst überrascht!“ „Also nach diesem Abend wird mich so schnell gar nichts mehr überraschen.“, entgegnete ich. „Du musst dir meinetwegen keine Sorgen machen.“, mischte sich der Zombie Zuko in unser Gespräch ein. „Ich rühr dich bestimmt nicht an, denn ich lebe schon seit einigen Jahren vegan.“ „Oh …“ Mir fiel der Mund auf. „Ich nehme meine Aussage von gerade eben wieder zurück. Ich bin schon wieder überrascht.“ „Also schön. Du übernachtest heute Abend bei Zuko und morgen früh hol ich dich ab und wir werden Angst und Schrecken auf der Academy verbreiten.“, sagte Koda zuversichtlich. „Bist du sicher, dass das klappt?“, fragte Zuko etwas skeptisch. „Wirklich beängstigend wirkt er auf mich nicht. Die dünnen Ärmchen, der unschuldige Ausdruck im Gesicht … und ein Gehirn hat er auch nicht. Also vor tanzenden Würsten hätte ich viel mehr Angst, als vor ihm.“ „Du bist ja auch nicht normal.“, meinte Koda und ich musste ihm Recht geben, allerdings hatte es den Anschein, als hätten hier alle einen kleinen Schaden. „Okay, dann wünsche ich dir eine ruhige Nacht, verehrter Junge aus New Orleans. Schlaf gut und träum von mir. Bis morgen!“ Koda schwebte regelrecht davon und als er drohte, gegen die nächste Wand zu laufen, schwebte er einfach durch sie hindurch. Ich hörte einen Schrei und die zarte Stimme eines Mädchens. „Koda du Schwein! Wie oft hab ich dir schon gesagt, du sollst nicht einfach so in fremde Zimmer schweben!“ „Der lernt es nie.“, meinte Zuko und wandte sich anschließend an mich. „Los komm rein, du kannst in Ramóns Bett schlafen. Ich glaube nicht, dass er heute Nacht zurückkommt. Er war ja schon immer ein guter Säufer, aber an Halloween und die Tage darauf, da ist er nicht mehr zu stoppen.“ Ich konnte mir nicht helfen, aber für einen Zombie fand ich diesen Zuko bisher ausgesprochen nett. Ich betrat sein Zimmer und war erstaunt, wie geräumig und sauber es hier war. Klar, ein bisschen Chaos herrschte auch hier, aber dafür konnte ich kein einziges Staubkorn entdecken. „Du bist nicht nur Veganer, sondern auch noch ein Sauberkeitsfanatiker wie mir scheint.“, sagte ich, nachdem ich mich ausgiebig im Zimmer umgesehen hatte. „Oh cool, du hast eine Filmsammlung. Lass mich raten, bestimmt lauter Zombiefilme von George A. Romero …“ Ich sah mir die Filmsammlung etwas genauer an, aber ich konnte keinen einzigen Filmtitel entziffern, da sie alle aus Asien stammten. „Diese Billigfilme aus Hollywood? Nein danke. Erstens kommen mir in diesen Filmen zu viel Blut und Innereien vor und zweitens werden wir Zombies in diesen Filmen fälschlich dargestellt. Wir laufen nicht hirnlos durch die Gegend und jagen Menschen, um sie aufzuessen. Solltest du also so einen Film bei dir Zuhause im Regal stehen haben… wirf ihn in die Tonne.“ „Ehm okay … werde ich machen.“, sagte ich etwas eingeschüchtert. „Da drüben ist dein Bett.“, sagte Zuko und zeigte auf das Bett im rechten Eck, während sein Bett im linken Eck stand. Du kannst ein paar Decken auf die Seite legen wenn du magst. Ramón friert es immer sehr leicht, weshalb er bis zu fünf Decken beim Schlafen benutzt.“ „Oh Gott, da würde ich mich ja wie in einem Schwitzkasten fühlen. Dieser Ramón scheint ja ein ganz schräger Vogel zu sein.“, sagte ich und legte gleich einmal vier Decken zur Seiten. Zuko fing zu lachen an und ich erschrak ein wenig, denn sein Lachen war bislang das Boshafteste, was ich an ihm entdecken konnte. Als er sich wieder ein wenig beruhigte sagte er: „Schlaf jetzt. Je eher du einschläfst, desto schneller bist du wieder Zuhause und kannst in deinem eigenen Bett schlafen.“ Ich nickte und auch wenn ich noch etwas unsicher war, legte ich mich schon sehr bald in das fremde Bett. Normalerweise ging ich nie schlafen, ohne mir vorher noch die Zähne zu putzen. Oh Mann. Was für dumme Gedanken schießen mir da in den Kopf? Ich mach mir Gedanken übers Zähneputzen, dabei wurde ich heute Abend von einem Gespenst entführt, begegnete einer waschechten Mumie und übernachte jetzt auch noch bei einem Zombie, der sich weder von tierischen, noch von menschlichen Erzeugnissen ernährt. Wie gern würde ich das jetzt alles in meinem Tagebuch festhalten, welches aber leider nicht hier war. Wie weit war ich eigentlich von Zuhause entfernt? Wo liegt dieser Ort, an dem ich mich gerade befinde? Ob meine Eltern mein Verschwinden schon bemerkt und die Polizei gerufen haben? Sobald ich wieder Zuhause war, würde ich ihnen alles erklären. Fraglich nur, ob sie mir überhaupt Glauben schenken. Vielleicht kann ich Koda dazu überreden, ihnen ein paar Gespenstertricks vorzuführen. Irgendwie ist das alles total irre. Vielleicht schlafe ich auch schon seit Stunden und hab das alles hier nur geträumt. Wenn ich aufwache, dann liege ich ganz bequem in meinem eigenen Bett und meine Mutter ruft ganz laut nach mir, weil ich den ganzen Tag verpenn. Ja genau, so wird es sein. So und nicht anders …
„Was zum? Hey, warum ist es hier so stockdunkel?!“, rief ich, denn obwohl ich meine Augen geöffnet hatte, war es um mich herum so finster wie die Nacht. Doch das war noch nicht einmal das Schlimmste. Als ich versuchte aufzustehen, da schlug ich mir meinen Kopf an etwas Hartem an. Ich jaulte vor Schmerz und fluchte. Mit einer Hand griff ich nach oben, um zu erkennen, woran ich mir den Kopf anstieß. Es fühlte sich an wie Gitterstäbe. Doch diese befanden sich nicht nur über mir, sondern auch rechts, links, vor und hinter mir. Was ging hier vor sich? „Monster. Es gibt sie. Sie existieren wahrhaftig!“, hörte ich eine Stimme. War das Koda? Also war das alles doch kein Traum. Doch wo hat er mich jetzt schon wieder hin verschleppt? „Doch was ist es, was ein Monster ausmacht? Es gibt viele Mysterien und Legenden über Monster, die nicht immer so aussehen und sich verhalten, wie man es vielleicht von ihnen erwartet.“ Oh ja, das konnte ich nur bestätigen. „Deshalb möchte ich heute ein neues Kapitel im Leben aller Monster aufschlagen. Ob mein Handeln richtig oder falsch war, dass lässt sich nicht sagen, denn unsere Welt war noch nie in einer derartigen Lage wie diese.“ Falsch. Eindeutig falsch! „Haltet euch gut fest und achtet darauf, dass euch die Augen nicht aus euren Köpfen rollen. Ich hab hier ein Monster der etwas anderen Art. Vorhang auf für …“ Mein Herz blieb beinahe stehen, als lediglich Kodas Kopf unterm Vorhang erschien und er für ein wenig Licht im Dunkeln sorgte. „Moin. Wie war dein Name doch gleich wieder?“ „Wenn du nicht schon tot wärst, dann würde ich dir jetzt den Kopf abreisen.“, sagte ich wütend. Koda blickte mich verdutzt an. „So einen langen Namen hast du? Den kann ich mir unmöglich merken. Ich werde dich Ihnen einfach als Goofy vorstellen.“ Koda zog seinen Kopf wieder zurück, bevor ich dagegen protestieren konnte. „Tut mir Leid für die kleine Verzögerung, aber jetzt: Vorhang auf für Goofy!“ Koda zog den Vorhang runter. Meine Augen gewöhnten sich zum Glück sehr schnell an das Licht und ich musste zu meinem Bedauern feststellen, dass ich tatsächlich in einem Käfig gefangen war. Wann hatte Koda mit da reingesteckt? Oder war es Zuko, der doch nicht so freundlich war, wie er vorgab zu sein? Doch diese Fragen waren nachrangig, denn jetzt musste ich mich erst einmal einem ganz anderen Problem stellen. Vor mir saßen fünf Gestalten, die mich mit großen Augen anstarrten. Doch jeder von ihnen reagierte ein wenig anders. Die Frau ganz rechts stieß einen markerschütternden Schrei aus. Meine Mutter wenn mich anschrie – und das kam leider öfters vor – war ein Witz dagegen. Die Frau hatte langes weißes Haar und ich tippte darauf, dass sie eine Banshee war. Dem Kerl neben ihr fielen bei meinem Anblick regelrecht die Augen aus – ja wirklich, sie fielen zu Boden und rollten davon. Der Schrei der Banshee sorgte zudem dafür, dass er für den Rest seines Lebens – oder Todes, was auch immer – einen Tinnitus hatte. Ganz links saß eine Art Zwerg, oder Gnom, der bei meinem Anblick in Gelächter ausbrach, wohingegen die alte Hexe mit Warzen im Gesicht neben ihm, lauthals zu schimpfen anfing. Jeder der vier Gestalten hatte etwas Besonderes an sich, aber meine Augen blieben bei der Person, die auf dem mittleren Stuhl saß, haften. Die Person war ohne jeden Zweifel ein Mann. Er war groß gebaut und trug einen Umhang. Sein Haar war schwärzer als die Nacht und er trug einen elegant geschnittenen Bart, der ihn nicht nur sehr autoritär, sondern auch überaus mächtig wirken ließ. Von ihm ging eine ungeheuerliche Aura aus, die mir mehr als nur einen kalten Schauer bescherte. Der Mann schien keinerlei Reaktion zu zeigen, aber er durchbohrte mich mit seinen pechschwarzen Augen und ich fühlte mich wie gelähmt. „Das ist ja unerhört. Ein Mensch! Ein Mensch hier!“, schrie die Hexe mit der Warze wütend. „Ich kann ihre Entrüstung verstehen, Professorin Gingerbread, aber ist es nicht genau das was sie wollten?“, fragte Koda, der neben mir außerhalb des Käfigs stand und sich sichtlich zu freuen schien. „Die Prüfungsaufgabe lautete doch, dass wir Sie in Angst und Schrecken versetzen sollten und mit Verlaub, aber Professor Spot sucht gerade seine Augäpfel unter seinem Stuhl und Professorin Crybaby hat sich die Seele aus dem Leib geschrien, sofern sie noch eine hat …“ „Also für mich hast du die Prüfung bestanden.“, sagte der Gnom ganz links, der noch immer lachte, egal wie sehr er sich beherrschen zu versuchte. „Professor Bigbang!“, schrie die Professorin Gingerbread ihren Kollegen an. „Das können Sie doch nicht wirklich ernst meinen. Es ist verboten, einen Menschen hierher zu bringen.“ „Das ist wahr, allerdings müssen wir Koda zugestehen, dass er die Prüfung verstanden und mit Bravour umgesetzt hat.“, meinte Professor Spot, der sein erstes Auge unter seinem Stuhl fand. Das Zweite jedoch blieb verschwunden, denn er hatte es selbst zuvor mit dem Fuß weggekickt. „Also ich war nicht verängstigt. Nicht im geringsten.“, meinte Professorin Gingerbread, die sich nicht von ihrer Meinung abbringen ließ. „Professorin Crybaby aber, oder haben Sie ihren Schrei nicht vernommen?“, fragte Professor Bigbang seine Kollegin. „Also ich hab ihn vernommen …“, meinte Professor Spot und bohrte mit einem Finger in seinem linken Ohr, während er Ausschau nach seinem zweiten Auge hielt. „Ich bitte Sie. Professorin Crybaby ist eine Banshee. Natürlich schreit sie.“, sagte Professorin Gingerbread, für die das als Beweis nicht ausreichend war. „Und überhaupt, Sie fanden es doch auch eher lustig als erschreckend, Professor Bigbang.“ „Ich bin ein Gnom und zu jedem Scherz oder Streich gut aufgelegt und dieser Scherz ist unserem Koda hier mehr als geglückt.“, erklärte Professor Bigbang sein Verhalten. Professorin Gingerbread schüttelte den Kopf. „Tse, das können Sie doch nicht ernst meinen …“ „Jetzt ist aber genug, verehrte Kollegen.“, sagte der Mann in der Mitte. Seine Stimme klang tief und ernst, aber kein Vergleich zu dem Ausdruck in seinem Gesicht. Um die Meinungen seiner Kollegen kümmerte er sich keine einzige Sekunde. Sein Blick verharrte auf mich und ich glaubte in seinem finsteren Gesicht ein Anflug von Lächeln zu erkennen. „Koda …“ Erstmals wandte der Mann seinen Blick von mir. Seine Augen richteten sich einzig und allein auf Koda. „Dir ist natürlich klar, dass du ein Gesetz gebrochen hast.“ Weder bejahte Koda dies, noch nickte er. „Und dennoch hast du ihn hierher gebracht. Ich weiß nicht ob das jetzt sehr mutig, oder ausgesprochen dumm von dir war. Eins steht aber mit Sicherheit fest: Mit dieser Aktion hättest du deine erste Prüfung bestanden …“ Hättest? „JA!“ Koda streckte seine Hände in die Höhe und stieß einen Jubelschrei aus. „Freu dich bloß nicht zu früh,“ Der Mann mit dem Bart schien mit seiner Ansprache noch nicht fertig gewesen zu sein und sein „hättest“ bereitete mir große Sorgen. „Du hast das Gesetz gebrochen Koda. Einen Menschen in unser Reich zu bringen ist verboten und wird mit Verbannung bestraft.“ Oje, wusste ich doch, dass das „hättest“ nichts gut bedeutete. Immerhin … nicht mein Problem. „Da du uns mit deinem Verhalten aber keineswegs schaden wolltest und du einer unserer talentiertesten und vielversprechendsten Studenten bist, werde ich noch einmal ein Auge zudrücken. Allerdings gibt es eine Bedingung. Deine Prüfung wird nur dann als bestanden betrachtet, wenn der Mensch sich dazu entschließt in unserer Welt zu bleiben.“ Kodas Freude wich ihm aus dem Gesicht und auch ich blickte den Mann überrascht an. „Wir können es uns nicht erlauben, dass er jedem von unserer Existenz erzählt. Das würde uns alle in große Gefahr bringen.“, erklärte der Mann. „Selbst wenn Keiner ihm Glauben schenken mag, so würden seine Worte dennoch im Gedächtnis der Menschen einen Platz finden. Unser Dasein hängt davon ab. Also frag ich dich Junge: Bist du bereit, dein Leben in der Menschenwelt aufzugeben?“ „Ich ähm…“ Ich wusste nicht, was ich antworten sollte. Alle Augen waren auf mich gerichtet, alle außer die von Koda, dessen Augen von seinen Haaren verdeckt wurden und ich sie nicht sehen konnte. Was er wohl gerade dachte? Von meiner Antwort hing davon ab, ob er diese Prüfung bestand oder nicht. Ich hatte zwar keine Ahnung, wie wichtig diese Prüfung war, aber wenn Koda dafür sogar ein Gesetz brach, dann musste sie sehr wichtig sein. „Hast du gehört Junge? Der Magistrat hat dir eine Frage gestellt. Antworte ihm unverzüglich!“, rief die Professorin Gingerbread mir bedrohlich zu. Der Mann mit dem Bart war also dieser Magistrat, dessen Name bereits mehrmals fiel. Doch was sollte ich tun? Wie sollte ich mich entscheiden?
Im Grunde genommen war es mir schlichtweg egal, ob Koda seine Prüfung bestand oder nicht. Er hatte mich hierher verschleppt und mich gegen meinen Willen in einen Käfig gesperrt. Ich könnte jetzt einfach sagen, dass ich wieder nach Hause wollte und all das hier wäre zu Ende, aber … „Also ich höre. Wie entscheidest du dich?“, fragte der Magistrat mich und erneut durchbohrten mich seine Augen, die mich zunehmend einschüchternden. „Ich …, also ich äh …“ Ich sah erneut zu Koda. Ein flehendes Betteln lag nun in seinen Augen. Ich schloss meine Augen und ging mehrere Gedanken durch, bis ich die Entscheidung traf. „Ich bleibe.“ „Jawohl, sehr gut!“, rief Professor Spot auf einmal und alle drehten sich zu ihm. „Ich hab mein zweites Auge wiedergefunden.“, sagte er vergnügt und steckte sich das zweite Auge zurück in die Kopfhöhle, was zugegebenermaßen wirklich eklig aussah. „Die Entscheidung ist gefallen.“, sagte der Magistrat schließlich und erhob sich von seinem Stuhl. „Koda, du hast die erste Prüfung bestanden! Der Mensch wird ab sofort in unserer Welt leben. Du wirst für ihn Sorge tragen und du solltest dir darüber im Klaren sein, dass ein weiteres Fehlverhalten deinerseits, dich Kopf und Kragen kostet …, auch wenn du schon tot bist.“ Mit diesen letzten – nicht übermäßig aufbauenden Worten, verabschiedeten sich der Magistrat und die Professoren von uns, sodass Koda und ich kurz darauf alleine im Raum waren. Koda vermied noch immer den Blickkontakt mit mir, aber nach einer Weile sagte er etwas leiser: „Danke.“ „Och schon gut.“, entgegnete ich überrascht. „Nein wirklich. Ich danke dir sehr! Ohne dich …“ Koda hielt inne. Seine Hände hatte er zu Fäusten geballt und er zitterte am ganzen Körper. Was war nur los mit ihm und überhaupt, seit wann waren Gespenster dazu in der Lage, am ganzen Körper zu zittern? „Schon okay.“, sagte ich erneut, während mir inzwischen jedes Körperglied schmerzte, weil die Enge alles andere als bequem war. „Ähm … könntest du mich jetzt mal aus dem Käfig befreien?“
# 4
„Kooooodiiii!“ Ein Mädchen mit langen braunen Haaren stürmte auf Koda zu, breitete ihre Arme aus und wollte ihn umarmen. Doch ihre Arme flutschten einfach durch ihn hindurch und das Mädchen fiel buchstäblich auf die Nase. „Aua.“ „Und? Hast du die Prüfung bestanden?“, fragte Zuko, als Koda und ich den Raum verließen und uns sechs Personen, beziehungsweise Wesen, entgegen kamen. Zuko den Zombie und Seth die Mumie kannte ich bereits, aber die anderen Vier waren mir noch völlig fremd und ich muss wie ein kleiner Junge an Weihnachten ausgesehen haben, als ich sie alle nacheinander mit offenem Mund und voller Staunen angaffte. „Natürlich.“, antwortete Koda glückselig. „Vor euch steht ein Naturtalent.“ Oje, jetzt gab er aber an. „Ich hatte nicht den geringsten Zweifel daran, dass du die Prüfung nicht bestehen würdest.“, meinte ein Junge mit kurzen schwarzen Haaren. Seine Haut war etwas bleich und wenn er sprach, konnte ich zwei spitze Zähne in seinem Mundrachen erkennen. Ein Vampir? „Ganz so optimistisch hätte ich das Ganze nicht betrachtet.“, sagte nun ein anderer Junge und was er war, sah ich auf Anhieb. Eine lebendige Vogelscheuche mit einem Kürbis als Kopf. Er schaffte es als Einziger der Anwesenden lustig und unheimlich zugleich auszusehen. „Die Chance, dass Koda die Prüfung bestand, lag bei 50 zu 50. Die Aussicht, dass Sie ihn aufgrund seiner Tat verbannen würden, lag sogar bei 85 Prozent.“ „Meine Erfolgsrate von 100 Prozent ist demzufolge noch immer ungebrochen.“, meinte Seth, bei dem seine Bandagen bei jeder kleinsten Bewegung umherwirbelten. „Mich vor den Professoren zu entblößen war ein Geniestreich!“ Demnach hatte er sich also vor den Professoren und dem Magistrat ausgezogen? Und darauf war er auch noch stolz? „Oh Koda ich bin so froh, dass du die Prüfung bestanden hast. Ich hab keine Sekunde daran gezweifelt. Jetzt haben wir alle die erste Prüfung hinter uns!“, rief das Mädchen von vorhin glücklich. Das sie leicht aus der Nase blutete, schien sie gar nicht weiter zu stören. Der Junge, von dem ich glaubte, er sei ein Vampir, störte sich aber gewaltig daran. „Blut …“ „Was?“ Das Mädchen blickte ihn überrascht an, begriff dann aber schnell. „Oh, stimmt. Tut mir Leid Milan. Hey Seth, reich mir mal eines deiner Bandagen!“ „Wie oft soll ich euch noch sagen, dass ich kein Verbandskasten bin?!“, entgegnete Seth wütend und seine grünen Augen leuchteten dabei. „Mal was ganz anderes. Was geschieht jetzt eigentlich mit ihm?“, fragte Zuko und zeigte dabei auf mich. Erstmals blickten mich alle Anwesenden an. Im Mittelpunkt zu stehen, empfand ich als kein großes Problem, aber jetzt, wo mich allerlei Monstern anstarrten, da war es selbst mir unangenehm. „Nanu. Wer ist das?“, fragte das Mädchen, kam auf mich zu und schnüffelte mit ihrer Nase an mir. „Ein Mensch und ich bin mir da zu 99,7 Prozent sicher.“, antwortete die Vogelscheuche ihr. „Und was ist mit den restlichen 0,3 Prozent?“, fragte Seth. „Es besteht die geringe Möglichkeit, dass er ein Oger sein könnte…“, antwortete die Vogelscheuche ihm, woraufhin ich ihn verwundert ansah. „Hm … ich rieche Blut.“, meinte das Mädchen. „Das bist du Ava!“, rief der Vampir ihr zu. „Würdest du dir das Blut bitte endlich abwischen. Ich hab keine Lust rückfällig zu werden.“ „Aber jetzt mal im Ernst. Was geschieht nun mit dem Jungen, Koda?“, fragte Zuko seinen Freund und Koda sah sich gezwungen, etwas Licht ins Dunkeln zu bringen. „Der Junge heißt Billie und wird ab sofort bei uns leben. Das war die Bedingung, die der Magistrat mir gestellt hat, wenn meine erste Prüfung als bestanden angesehen werden sollte.“ „Was?! Ein Mensch, hier, unter uns?!“, stieß der Vampir entsetzt aus. „Wollen die mich vergiften?!“ „Hm, was denkt sich der Magistrat nur dabei?“, fragte Zuko und grübelte nach. „Das ist doch sonnenklar.“, sagte die Stimme, die zur sechsten dazugekommenen Person gehörte und sich bislang im Hintergrund bedeckt hielt. Alle Köpfe wandten sich zu ihr um, nur Koda hatte sie schon fast die ganze Zeit über angesehen, als wäre sie etwas Besonderes. „Nachdem was in der Vergangenheit vorgefallen ist, will der Magistrat kein Risiko mehr eingehen. Den Jungen in seine Welt zurückzuschicken, wäre eine große Gefahr, denn er könnte sich trotz Vergessenszauber irgendwann an uns erinnern und allen von uns erzählen. Diese Gefahr wurde somit gebannt. Zudem fehlt euch seit jüngster Zeit das achte Clubmitglied. Um alle Prüfungen bestehen zu können, müsst ihr aber zu Acht sein, da auch Prüfungen im Zweierteam auf euch warten.“ „Moment. Soll das etwa heißen, dass der Mensch mit uns an den nächsten Prüfungen teilnehmen muss?!“, fragte der Vampir überrascht und entsetzt. Auch ich war nicht minder entsetzt. Ich hatte nicht vor, hier an irgendwelchen Prüfungen mitzumachen. Ich blickte das Mädchen mit den dunklen roten Haaren an. Sie wirkte ein wenig älter als alle anderen hier und auch reifer. Koda und die anderen Wesen hingegen sahen wie Jugendliche aus … und benahmen sich größtenteils auch so. „Jetzt keine voreiligen Schlüsse.“, sagte die Vogelscheuche. „So wie ich das sehe …“ Das er überhaupt was sieht, wunderte mich schon, da sein Kürbiskopf von innen ausgehöhlt war und er keine wirklichen Augen besaß. Jedoch schien eine kleine Flamme in seinem Kürbiskopfinneren zu lodern. „So wie ich das sehe, hat Koda den Menschen in unsere Welt gebracht, also wird auch er mit ihm an den nächsten Prüfungen teilnehmen müssen. Uns andere betrifft das nicht und da bin ich mir zu 92,3 Prozent sicher.“ „Hey Koda, redet der immer so daher?“, fragte ich nun das Gespenst, als ich mich leicht zu ihm rüber beugte und auf die Vogelscheuche zeigte. „Ja, Mason hält sich für den Allerklügsten, auch wenn er es gar nicht ist.“, antwortete Koda mir frei heraus, während sich die anderen Wesen untereinander unterhielten. „Und wer sind all die anderen?“, fragte ich nun neugierig. Schließlich musste ich auch wissen, mit wem ich es in der nächsten Zeit zu tun haben würde. „Naja, Seth und Zuko kennst du ja bereits und wie du unschwer erkennen kannst, ist Seth eine Mumie und Zuko ein Zombie. Der nervös aussehende Junge dahinten ist Milan und er ist ein Vampir. Das quirlige Mädchen, das mir vorhin um den Hals fallen wollte ist Ava. Sie ist … nun ja … sie ist ein Werwolf. Deshalb sieht sie von uns allen auch gerade am normalsten aus. Sie verwandelt sich nämlich nur an Vollmond. An solch einem Abend solltest du lieber Abstand von ihr halten, denn wenn sie sich verwandelt hat, ist sie nicht mehr wiederzuerkennen.“ „Und das andere Mädchen, das mit den dunklen roten Haaren?“, fragte ich weiter und fand es immer interessanter, mehr über all die Wesen hier in Erfahrung zu bringen. „Das ist Viola.“, antwortete Koda mir. „Sie ist eine Hexe und die Leiterin unseres Clubs. An unserer ‚Monster Academy‘ gibt es nämlich mehrere verschiedene Clubs musst du wissen und jeder Club wird von einer Hexe geleitet, die uns direkt von der Hexenschule zugeteilt werden.“ „Eine Hexenschule? Sowas wie Hogwarts?“, fragte ich lächelnd. Koda blickte mich ahnungslos an. „Hogwarts?“ „Ach nicht so wichtig. Erzähl weiter.“, bat ich ihn. „Später vielleicht. Jetzt erstmal müssen wir uns darum kümmern, dass du ein Zimmer erhältst, wo du wohnen und schlafen kannst. Du kannst schließlich nicht jede Nacht bei Zuko unterkommen. Ramón unser achtes Clubmitglied wird heute sicherlich nach Hause kommen und wäre nicht sehr erfreut, einen Menschen in seinem Bett vorzufinden.“ „Ich schlaf auf keinen Fall in deinem staubigen Bett!“, stellte ich von vornherein klar. „Ist klar …, ich werde Viola wohl darum bitten müssen, etwas Schönes für dich zu zaubern, aber erwarte besser nicht zu viel, denn sie ist ein wenig tollpatschig. Außerdem kann sie mich auf den Tod nicht ausstehen, weil ich sie ständig in irgendwelche Schwierigkeiten manövriere, die sie am Ende ausbaden darf.“ Koda marschierte zu der Hexe und redete mit ihr. Ich stand ein wenig abseits von all den Wesen, die sich angeregt miteinander unterhielten und sich offensichtlich trotz ihrer Unterschiede recht gut verstanden. Ich sah ihnen gerne dabei zu und beobachtete ihre Verhaltensweisen. Für eine Welt voller Monster, vor denen so viele Menschen Angst hatten, ging es hier recht heiter und lustig zu.
„Ich habe Professor Bigbang gefragt, ob er uns ein weiteres Zimmer für Billie bereitstellt, aber er war der Meinung, dass einer von euch sein Zimmer mit Billie teilen müsste.“, erklärte Viola mir und Koda, während wir den Gang entlangliefen, auf dem ich bereits gestern Abend vor Koda zu flüchten versuchte. „Jedem Club werden fünf Zimmer zugeteilt. Vier für die Clubmitglieder und eins für die Leiterin, also mich. Er kann für uns keine Ausnahme machen.“ „Na dann teil du doch dein Zimmer mit ihm.“, meinte Koda unverfroren zu ihr. „Vergiss es. Mein Zimmer ist tabu. Zumal sich dort all meine Zutaten für meine Hexereien befinden und wo wir gerade davon sprechen, wenn du dich noch einmal unerlaubt an meinem Schlafpulver vergreifst, dann press ich jegliches Ektoplasma aus dir heraus!“ Die Hexe funkelte Koda böse an, der sich erstmals ängstlich zeigte und selbst ich bekam es ein wenig mit der Angst zu tun. Sie war richtig furchteinflößend! „Pah, zuerst hab ich das Schlafpulver mit Pfeffer verwechselt. Du solltest deine Zutaten mal kennzeichnen. Das ist sonst lebensgefährlich!“, entgegnete Koda kurz darauf wieder unverschämt. „Und was machen wir nun mit unserem Zimmerproblem? Er kann ja mein Bett haben, aber das möchte er nicht.“ „Ich will euch echt keine Umstände machen …“, sagte ich nun leicht verlegen. „Du uns Umstände machen? Warst du es denn, der dich hierher entführt hat?“, fragte Viola mich und ein Lächeln huschte ihr übers Gesicht, als sie mich dabei ansah. Ja, sie hatte eine Abneigung gegenüber Koda, aber mir schien sie freundlich gesinnt zu sein. „Ich hab mich um das Zimmerproblem bereits gekümmert. Ich hab einen Hexenzauber ausgesprochen, um Kodas Zimmer ein wenig auf Vordermann zu bringen. Seht es euch am besten selbst an.“ Wir waren an Kodas Zimmer angekommen, Viola öffnete die Tür und ich trat ein. Koda hingegen schwebte einfach durch die Wand und blieb neben mir stehen. Uns fiel gleichzeitig die Kinnlade herunter, denn Kodas verstaubtes Zimmer war nicht wiederzuerkennen. Das Zimmer war blitzblank, man könnte sogar vom Boden essen. Außerdem war es jetzt viel geräumiger und gemütlicher, da Viola dem Zimmer ein paar neue Möbel und sogar eine Pflanze hinzugefügt hat. „Ein Staubwedel hätte hier nichts mehr genützt.“, meinte sie. „Ich hab das Zimmer von Grund auf desinfiziert. Nicht einmal Ava würde hier noch irgendein Ungeziefer erschnüffeln. Hier war einfach mal die Hand einer Frau nötig.“ „Wow, ich weiß gar nicht was ich sagen soll.“ Koda war sprachlos? Das war neu. „Ein Danke wäre ganz nett.“, meinte Viola hoffnungsvoll. „Darauf kannst du lange warten. Du hast mein Zimmer verunstaltet du dumme Kuh!“, entgegnete Koda, woraufhin ich ihn entsetzt mit großen Augen ansah. „Wo ist Henry, mein Zimmergenosse?“ „Henry?“, fragte ich irritiert. „Meine Spinne. Acht Beine, hört gerne Jazz, frisst Fliegen, du weißt schon …“, erklärte Koda. „Heiliger Hexenzirkel, dir ist echt nicht mehr zu helfen.“, sagte Viola. „Ich gehe jetzt und wenn ich morgen nach dem Rechten sehe, dann wäre es sehr schön, wenn der eine noch immer lebendig und der andere noch immer tot ist. Gute Nacht!“ „Sie hat so eine charmante Ausdrucksweise, findest du nicht auch?“, fragte Koda mich mit einem sarkastischen Unterton, kaum hatte Viola die Tür hinter sich zugemacht. „Hey, sie hat uns sogar zwei Betten bereitgestellt. Also ich mag sie.“, meinte ich erfreut. „Wozu? Ich schlafe nie!“, entgegnete Koda. „Ja, aber wenigstens muss ich dann keine Angst haben, dass du doch irgendwann mal in meinem Bett landest …“ Kaum hatte ich diesen Satz ausgesprochen, bereute ich ihn zugleich wieder. „DAS ist deine größte Angst?!“, stieß Koda laut aus, während ich mein Bett zum Schlafengehen vorbereitete. „Du wurdest gestern von dem gruseligsten Gespenst aller Zeiten in eine Welt voller Monster entführt und gruselst dich davor, mit mir in einem Bett zu schlafen?!“ „Müssen wir das ausdiskutieren, oder darf ich dich einfach ignorieren?“, fragte ich verlegen. Koda sah mich stumm an, dann fing er an zu grinsen, woraufhin ich ebenfalls grinsen musste. „Okay, andere Frage. Wieso hast du dich dazu bereiterklärt, in unserer Welt zu bleiben? Ich meine, ich bin dir sehr dankbar gar keine Frage …, aber wieso? Du gibst eine Menge auf!“ Ich musste kurz über diese Frage nachdenken. Als der Magistrat mir die Entscheidung überließ, ob ich wieder zu mir nach Hause zurückkehren oder hier bleiben möchte, stellte ich mir dieselbe Frage. „Ich hasse mein Leben.“, sagte ich, ohne Koda dabei in die Augen zu sehen. „Bitte versteh mich nicht falsch. Ich liebe meine Familie, allen voran meine kleine Schwester, aber hin und wieder fühl ich mich wie das schwarze Schaf der Familie. Und dann ist da noch …“ Ich musste an meinen Ex-Freund Riley denken, der erst gestern mit mir Schluss gemacht hatte. War das wirklich erst gestern? In der Zwischenzeit war so viel geschehen, dass es sich wie eine Ewigkeit anfühlte, als der Bastard mir den Laufpass gab. „Wer? Wer ist da noch?“, fragte Koda mich nun eindringlich. „Ach nicht so wichtig.“, antwortete ich, denn ich hielt es für besser, Koda und den anderen hier nichts von meinen Neigungen zu erzählen. Wussten diese Wesen überhaupt über Homosexualität Bescheid? Zu Seths Lebzeiten hat man sich darüber bestimmt noch keine Gedanken gemacht. Wie alt Koda war, konnte ich nicht so genau sagen, aber er hatte so einen leichten indianischen Touch. „Außerdem kann ich ja jederzeit nach Hause zurückkehren. Ich dachte mir, ich tu dir einen Gefallen und bleibe so lange hier, bis du diese Prüfungen bestanden hast.“ „Dein Ernst?“ Koda sah mich ungläubig, gar schockiert an. „Billie …, dir ist anscheinend gar nicht klar, was du dem Magistrat versprochen hast?“ „Versprochen? Ich hab ihm gar nichts versprochen …“, äußerte ich verwirrt. „Jein, der Magistrat hat dich gefragt und du hast ihm zugesagt, in unserer Welt zu bleiben. Damit hast du quasi einen Vertrag unterzeichnet. Versteh du? Du kannst nie mehr zu dir nach Hause!“ Koda betonte jedes Wort extra laut, um mir begreiflich zu machen, welche Entscheidung ich getroffen hatte. Mir war es bisher gar nicht klar … bis jetzt. „Ich sehe meine Familie nie mehr wieder?“, schlussfolgerte ich, als ich endlich verstand, was Koda mir damit sagen wollte. Auf einmal hatte ich das Gefühl, dass unter mir eine Glasscheibe zu Bruch ging und ich in ein endlos tiefes schwarzes Loch stürzte, aus dem es kein Entrinnen mehr gab.
Ab heute gibt es auch eine Rollenliste zu dieser Geschichte! Ihr findet sie aber nicht vor, sondern erst NACH dem jeweiligen Kapitel. Das hat einen einzigen Grund: In der Rollenliste werden auch immer schon Charaktere vorkommen, die in dem aktuellen Kapitel das erste Mal erscheinen werden. Um euch also nicht schon vorweg zu spoilern, gibt es die Rollenliste erst nach dem Kapitel. Natürlich steht es euch frei zur Verfügung, die Rollenliste dennoch schon vorher oder zwischendrin zu begutachten, aber ich hab euch gewarnt! Es werden auch nur heute alle bisher aufgetretenen oder erwähnten Charaktere in der Rollenliste erscheinen. Ab Kapitel 6 werde ich dann immer nur die Rollen listen, die auch im jeweiligen Kapitel erschienen oder erwähnt worden sind.
Es war die zweite Nacht in der Welt der Monster. Kaum zu glauben, aber auch Monster schienen in der Nacht zu schlafen. Das war nicht nur ungewöhnlich, es widersprach auch allen Geschichten und Legenden über Vampire, Werwölfe und allen anderen magischen Wesen. Richtig seltsam wurde es aber, dass alles tief und fest zu schlafen schien, nur ich nicht. Der einzige Mensch in dieser fremden Welt – und er war hellwach! Ich hatte mich ins Bett gelegt und wollte schnell einschlafen, aber es wollte mir einfach nicht gelingen. Mein Gehirn verarbeitete noch immer alle Informationen, die sich über den Tag hinweg angesammelt haben und meine Gedanken kreisten um meine Familie, die ich womöglich nie wieder sah. Egal wie viel Stress ich mit meinen Eltern auch oftmals hatte, sie nie wieder zu sehen, nahm mich emotional mehr mit als gedacht. Ich hatte nicht einmal die Gelegenheit mich von ihnen zu verabschieden. „Billie, schläfst du?!“, hörte ich Koda mir zuflüstern. Ganz vergessen. Koda war ein Gespenst und jene Wesen schliefen nicht. Ich blinzelte leicht zu ihm hinüber. Das Mondlicht schien durch das offene Fenster und ich konnte erkennen, dass Koda wie ein steifes Brett über sein Bett schwebte und in einem Buch las. „Ja.“, grummelte ich ihm zu. „Ah, dann sprichst du wohl im Schlaf.“, schmunzelte Koda und sah zu mir herüber. „Ich kann nicht schlafen.“, sagte ich schließlich und konnte die Traurigkeit in meiner Stimme nicht ganz verbergen. Koda klappte das Buch zu und ließ es durch sich hindurch auf sein Bett fallen. Dann schwebte er zur mir rüber, und legte sich so hin, als würde er direkt neben mir schlafen wollen. „Tut mir Leid, dass du deine Familie nie wieder siehst. Glaub mir, ich weiß wie du dich fühlst …“ Ich hätte jetzt sagen können, dass das allein seine Schuld war und jeder Richter hätte mir Recht gegeben, aber war ich nicht erpicht darauf einen sinnlosen Streit mit einem Gespenst anzufangen. Weder er noch ich konnte jetzt noch was daran ändern, denn Koda ließ mich vorm Schlafengehen noch einmal wissen, dass die Gesetze des Magistrats nicht gebrochen werden dürfen. Sollte man es dennoch tun, könnte das schlimme Folgen haben. Koda war die Ausnahme wie es schien, allerdings wurde ich jetzt quasi für sein Handeln bestraft. „Lass mich bitte einfach in Ruhe.“ „Wenn es irgendetwas gibt, was ich für dich tun kann, dann lass es mich wissen.“. flüsterte Koda mir zu. Damit brachte er mich auf einen Gedanken.
# 5
„Guten Morgen Schlafmütze, aufstehen, die Sonne lacht!“, rief Koda mir gutgelaunt zu und ich versuchte meine müden Augen zu öffnen. Hätte ich sie mal lieber geschlossen gehalten, denn als ich sie offen hatte und mich vergewisserte nicht zu träumen, stieß ich einen Schrei aus. „Wieso zur Hölle liegst du auf mir drauf?!“ Koda lächelte mich vergnügt an. „Du sahst so süß aus beim Schlafen, dass wollte ich mir aus nächster Nähe anschauen.“ „Sicher, dass du ein Gespenst und nicht die Pest bist?“, fragte ich. „Komisches Gefühl … ich spür dich überhaupt nicht.“ Kodas Augen weiteten sich und er schwebte in die Höhe, bis er an der Decke ankam. „Ja, das will ich doch auch hoffen, dass du mich nicht spürst!“ Ich wurde rot im Gesicht. „Du Idiot! Ich hab doch gemeint, weil du nichts wiegst, weil du ja ein Gespenst bist!“ „Gut erkannt und jetzt hör auf mit mir zu flirten und sieh dir an, was ich dir als Frühstück mitgebracht habe.“, sagte Koda, der zu seinem Bett schwebte und mir einen großen Korb präsentierte. Ich setzte mich in meinem Bett auf und war gespannt darauf, was mich gleich erwartete. „Also …“ Koda griff in den Korb hinein und zog ein Gegenstand nach dem anderen heraus. „Als Frühstück gibt es einen schönen roten Apfel – nicht vergiftet möchte ich betonen – und einen magisch leckeren Joghurt, frisch in Violas Hexenküche zubereitet. Sie ist zwar meine größte Qual, aber kochen und backen kann sie.“ Koda warf mir den Apfel zu, der mir zugleich gegen die Birne flog, weil ich noch immer nicht ganz ausgeschlafen war. Daraufhin zog ich es vor den Joghurt lieber abzuholen, bevor es auch da ein Unglück gab, bei dem nur ich den Schmerzen ausgesetzt war. „Gut, für deinen Magen wäre gesorgt. Kommen wir nun zum seelischen Teil. „Es war nicht ganz leicht, aber ich hab mir die größte Mühe gegeben, dir alles mitzubringen, was du mir aufgeschrieben hast. Ach übrigens, schnarcht dein Dad immer so laut, dass man meinen könnte, er sägt einen ganzen Wald um?“ Ich lächelte, wurde zugleich aber wieder traurig bei dem Gedanken an meinen Vater. „Oookay hier ist dein iPad und deine Kopfhörer, damit du auch mal Musik hören kannst und nicht immer meine nervige Stimme ertragen musst. Übrigens, das WLAN-Passwort ändert sich hier jede Woche. Diese Woche lautet es ‚Bloody Mary‘, aber tipp das bloß nicht dreimal hintereinander ein, das bringt Unglück. Gut, dann hab ich hier dein Schmusekissen, oh und deine Topfpflanze Berta. Warum eigentlich Berta? Ich hätte ja Kunibert oder Hannelore besser gefunden, aber jeder nach seinem Geschmack. Okay, was habe ich noch hier im Korb? Zahnbürste, Kamm, Hosen, T-Shirts, Pullover, Socken und äh … Unterwäsche …“ „Jetzt gib schon her.“, sagte ich genervt und mit knallrotem Kopf, weil Koda mit einer Unterhose von mir herumwedelte, weshalb ich ihm den Korb entriss. Ich sah in den Korb und war überrascht, denn Koda hatte tatsächlich alles besorgt, was ich ihm aufgetragen habe. Ich griff in den Korb und zog mein Tagebuch heraus. Ich öffnete die erste Seite und ein Foto flog mir entgegen. Auf dem Bild war ich mit meinen Eltern und meiner Schwester zu sehen. Ich betrachtete es für einen längeren Augenblick, während Koda ausnahmsweise stillschweigend neben mir saß. Danach legte ich das Foto wieder zurück ins Tagebuch und klappte es zu. „Danke.“ „Keine Ursache.“, sagte Koda und lächelte mich an. Die angenehme Ruhe am Morgen nahm aber jäh ein Ende, als es stark gegen die Tür klopfte. Koda stand auf und benutzte ausnahmsweise mal seine Beine, um zur Tür zu gelangen. Ein völlig verzweifelter Zuko stand vor unserer Zimmertür. „Gut Koda, ihr seid wach.“ „Dein Hämmern gegen die Tür hätte sogar Tote zum Leben erweckt.“, erwiderte Koda vergnügt. „Warum schiebst du so eine Panik, Zuko?“ „Ramón ist auch diese Nacht nicht nach Hause gekommen und allmählich mache ich mir wirklich große Sorgen. Er ist sonst nie solange draußen unterwegs.“, erklärte Zuko ihm. „Was wenn ihm etwas zugestoßen ist? Er könnte ausgeraubt worden sein und jetzt völlig hilflos in einer Gosse liegen!“ „Du redest aber schon über unseren Ramón oder? Denn was du da von dir gibst, ergibt alles überhaupt keinen Sinn, in Bezug auf ihn.“, sagte Koda. „Jetzt lass die blöden Albernheiten und hilf mir suchen.“, klagte Zuko. „Heute Nachmittag wird verkündet, was die zweite Prüfung beinhaltet und es herrscht Anwesenheitspflicht. Wenn wir Ramón nicht finden und er heute nicht auftaucht, dann wird er der Academy verwiesen und ich muss dir wohl nicht erklären, was es für unseren Club bedeutet, wenn wir schon wieder ein Mitglied verlieren!“ Schon wieder? Was meinte Zuko damit? „Wieso frägst du Ava nicht um Hilfe?“, fragte Koda verständnislos. „Sie riecht Ramóns Alkoholfahne doch sonst immer schon von weitem.“ „Ava hat sich gestern wohl eine Erkältung eingefangen. Sie riecht heute gar nichts mehr.“, erklärte Zuko, woraufhin auch Koda die Ausreden ausgingen und er sich widerwillig dazu bereiterklärte, Zuko bei der Suche nach Ramón zu unterstützen. „Ich begleite euch.“, sagte ich ohne lange zu überlegen. „Sicher? Du bist das erste Mal da draußen …“, meinte Koda unsicher. „Ja, das wird sicher lustig.“, antwortete ich unbeirrt. „Ha, du gefällst mir, aber du hast deinen Apfel noch nicht gegessen.“, stellte Koda fest, als er zwar den leeren Joghurtbecher, aber auch den unangerührten Apfel betrachtete. „Gut so. Den hat Viola vergiftet, weil sie dachte, der ist für dich.“, sagt Zuko frei heraus und sah dabei Koda an, der wiederrum ganz bleich im Gesicht wurde.
Es war das erste Mal, dass ich die Academy verließ, in die Koda mich vor zwei Tagen verschleppt hat. Ich war sehr gespannt darauf, was mich draußen alles erwartete. Eine fremde Welt, voller eigenartiger Wesen. Und auf diesen Ramón war ich auch sehr gespannt. Was er wohl für ein Wesen war. Ich hab Koda absichtlich nicht gefragt, denn irgendwie fand ich es spannender, es selbst herauszufinden. Vielleicht ein Troll? Oder eine Art Minotaurus? Das wäre cool! Auf dem Weg nach draußen, begegnete ich auch erstmals all den anderen Wesen in der „Monster Academy“. Unter ihnen befanden sich viele Gespenster, Vampire und Hexen, aber es gab auch ausgefallenere Wesen wie Gremlins, Satyrn und Banshees, wie Professorin Crybaby eine war, und alle starrten mich mit großen Augen an, als sie mich sahen. Ein paar erschraken fürchterlich, als sie mich entdeckten, andere tuschelten miteinander und ein paar von ihnen warfen mir böse Blicke zu. Ich fühlte mich aber in keinster Weise bedroht und verspürte Angst, schließlich war ich mit einem Zombie und einem Gespenst unterwegs. Auch ganz interessant war der Weg aus der Academy heraus an sich, denn es gab schlichtweg nichts zu entdecken. Keine Ritterrüstungen, die sich bewegten, oder Gemälde die ihr eigenes Leben führten, wie in „Harry Potter“. Der Gang war schlicht mit einem roten Teppich ausgelegt und die Wände waren kahl. „Der Teppich war früher übrigens mal weiß …“, murmelte Koda mir nach einer Weile zu. „Echt? Warum ist er jetzt rot?“, fragte ich, doch hätte ich mir diese genauso gut schenken können. „Na rate mal.“, antwortete Koda, doch ließ ich das lieber bleiben. Auf einmal fühlte ich mich ganz unbehaglich, auf dem roten Teppich weiter entlang zu marschieren und ich war heilfroh, als wir das Gebäude verließen und endlich an der frischen Luft waren. Ich folgte Koda und Zuko wortlos hintendrein, während sie über den grünen Rasen schlenderten. Ich sah mich um und erkannte erstmals, den riesigen Umfang der Academy, die wie ein Hufeisen um den Rasen empor ragte. Schließlich kamen wir auch an dem weißen Baum vorbei, der mir bereits vorletzte Nacht an Halloween ins Auge stach. Aus nächster Nähe sah er noch beeindruckender aus. Die magische Aura die von ihm ausging war enorm und es hätte mich nicht gewundert, wenn der Baum ein Geheimnis barg. Da Koda und Zuko aber mit der Suche nach ihrem Freund beschäftigt waren, wollte ich sie nicht mit Fragen durchlöchern. Stattdessen ließ ich lieber alles auf mich einwirken. Je weiter wir uns von der Academy entfernten, desto besser konnte ich erkennen, dass sich hinter der Academy ein Meer aus Bäumen befand. Ein Wald, wie mir schien. Doch was vor uns lag, war auch nicht ganz uninteressant, denn offenbar gab es hier sogar ein kleines Städtchen im Barockstil. Die Straßen waren mit Pflastersteinen ausgelegt, aber das war nicht groß von Belang, denn Autos gab es in dieser Welt offenbar keine. Dafür bekam ich allerdings einen waschechten Zentauren zu sehen, der gerade eine Ladung Mehlsäcke an uns vorbei chauffierte. Der Zentaur war mindestens zwei Meter groß, seine Arme und Beine wirkten kräftig. Auf einmal fühlte ich mich klein und mickrig. Der Zentaur sah mich etwas mürrisch an, beachtete mich aber sonst nicht weiter und zog weiter. Ich hingegen war ein wenig zurückgeblieben und als ich zu den anderen beiden wieder aufschloss, sagte Koda zu mir: „Pass auf, dass du nicht verloren gehst. Es reicht wenn wir einen suchen müssen. Wobei … dich würden wir recht schnell wiederfinden – tot auf den Pflastersteinen.“ „Lasst uns mal als erstes in Ramóns Lieblingskneipe nachsehen. Vielleicht ist er ja dort, oder es hat ihn zumindest einer gesehen.“, meinte Zuko, der links in eine Seitenstraße abbog. Und ehe ich mich versah, fand ich mich in einer dreckigen Spelunke wieder, in der mich wirklich jeder eines bösen Blickes würdigte. „Ich glaube, wir beeilen uns besser.“, stellte Zuko fest, als auch er die finsteren Blicke der Gäste, darunter Gespenster, Gnome und sogar Zyklopen, bemerkte. „Ich übernehme das.“, meinte Koda, der aber statt zum Wirt, erst einmal furchtlos zur Jukebox schwebte. Er gab einen Song ein und kurze Zeit später erklang die Stimme von Fontella Bass. Zuko und ich starrten ihn nur verständnislos an, aber Koda setzte ein breites Grinsen auf. „Was denn? Musik hebt die Stimmung.“, erklärte Koda uns vergnügt. Anschließend wandte er sich dem Wirt zu, der hinter der Theke ein paar Gläser polierte. „Entschuldigen Sie, aber wir suchen einen Freund von uns. Vielleicht haben Sie ihn ja schon einmal gesehen und können uns sagen, wo er gerade steckt.“ „Äh …“ Ich wusste gar nicht wen ich anstarren sollte. Koda oder den Wirt. „Dir ist aber schon aufgefallen, dass der Wirt keinen Kopf hat?“, fragte Zuko Koda schließlich. In der Tat besaß der Wirt keinen Kopf, sondern lediglich einen Oberkörper mit Armen und Beinen. „Er wird dir nicht antworten und ich glaube kaum, dass er ihn gesehen hat …“ „Hm … das wird schwieriger als gedacht.“, meinte Koda betrübt. „Ihr sucht euren Freund?“ Ein kleiner Gnom torkelte auf uns zu. Ich musste mich beherrschen, nicht zu lachen, denn er reichte mir gerade einmal bis zu den Knien. „Vielleicht kann ich euch ja weiter helfen – gegen eine Goldmünze versteht sich.“ Gold? Woher sollten wir bitte … „Hier!“ Zuko warf dem Gnom eine Goldmünze zu. Der Gnom musterte die Goldmünze eingehend und biss sogar drauf, um eine Fälschung auszuschließen. Ich staunte nicht schlecht. In dieser Welt wurde also mit Gold bezahlt? „Unser Freund heißt Ramón und er geht hier öfters ein und aus. An ihm ist nicht viel dran, aber saufen kann er bis zum Umfallen. Und jetzt sprich, du kleiner grüner Wicht.“ „Kleiner blauer Wicht trifft es eher, so betrunken wie der ist.“, murmelte Koda mir ins Ohr, sodass nur ich ihn hören konnte. „Also schön. Ich hab euren Freund tatsächlich noch vor einer halben Stunde gesehen. Er war hier und ist dann raus getorkelt. Ich kann euch sagen, wohin er gegangen ist, aber das kostet euch eine weitere Goldmünze.“ Der Gnom leckte sich gierig das Maul nach dem Gold. Koda verfluchte den Gnom innerlich und ich konnte es ihm sogar nachfühlen. Zuko jedoch überreichte ihm eine weitere Goldmünze. „Er wollte zum ‚A.I. Memorial‘, aber ob er dort in seinem Zustand auch tatsächlich angekommen ist, kann ich euch nicht versprechen.“ „Wehe dir, wenn du gelogen haben solltest.“, sagte Zuko, der dem Gnom nun einen drohenden Blick zuwarf. „Dann fresse ich dich bei lebendigem Leibe auf Herz und Nieren auf.“ Ich sah den Zombie irritiert an. „Aber Zuko, ich dachte du bist Vega …“ „Okay, wir sollten gehen!“, rief Koda schnell dazwischen. „Schönen Tag euch allen noch und sauft recht schön. Bis dann und auf nimmer wiedersehen!“ „Der ‚A.I. Memorial‘ liegt nicht allzu weit von hier entfernt. Wenn wir uns beeilen, sind wir in zehn Minuten dort.“, meinte Zuko, als wir die Kneipe verlassen hatten. „Ach und Billie …, die Leute hier mögen Menschen nicht sonderlich. Mach dich also nicht auch noch bei uns unbeliebt.“ „Tut mir Leid, aber das ist alles so überwältigend …“, entschuldigte ich mich. „Schon okay, lasst uns losgehen.“, sagte Zuko und lächelte mich an. „In weniger als sechs Stunden wird die zweite Prüfung bekannt gegeben und sollte Ramón wirklich betrunken sein – wovon auszugehen ist – dann müssen wir ihn bis dahin irgendwie nüchtern kriegen.“ „Was ist der ‚A.I. Memorial‘?“, fragte ich die beiden Jungs, als wir losmarschierten und dem Stadtrand immer näher kamen. „Das wirst du gleich sehen. Noch eine Straße und wir sind da.“, antwortete Koda mir. Recht hatte er. Als wir an unserem Ziel ankamen, erstreckte sich vor meinen Augen ein gewaltig großer Friedhof, am Fuße eines Berges. Solch einen großen Friedhof hatte ich in meinem ganzen Leben noch nicht gesehen, vor allem aber keinen so atemberaubenden. Jeder Grabstein schien etwas Besonderes an sich zu haben. Einige Grabsteine waren eckig, andere rund. Ein paar waren so groß wie Türen und andere beanstandeten gleich ein ganzes Mausoleum für sich allein. „Jetzt weißt du, was der ‚A.I. Memorial‘ ist und ‚A.I.‘ steht für ‚ad infinitum‘, was übersetzt ‚für immer‘ bedeutet. „Ah und warum wollte Ramón ausgerechnet hierher?“, fragte ich, denn bei mir lösten Friedhöfe immer ein deprimierendes und unbehagliches Gefühl aus. „Ich kann mir schon denken warum, aber lasst uns ihn erst einmal suchen, dann sehen wir weiter.“, meinte Zuko, der unentwegt Ausschau nach seinem Zimmergenossen hielt. Wir schlichen über den Friedhof, denn es war heiliger Boden, doch irgendwann musste ich mir eingestehen, dass meine Aufmerksamkeit mehr den Grabsteinen, als der Suche nach Ramón galt. Ein paar der Verstorbenen waren bereits vor über hundert Jahren verschieden und ich stellte mir die Frage, ob auch Kodas Grab hier auf dem Friedhof zu finden war. Besaß er überhaupt ein Grab? Ich war so von den Gräbern gefesselt, dass ich unaufmerksam wurde und über etwas stolperte, was mitten im Weg lag. Ich fiel über das Besagte drüber und landete auf allen Vieren im hohen Gras. „Was zum …?“ Ich sah mich um und als ich erkannte, worüber ich gestolpert war, stieß ich einen lauten Schrei aus. Koda und Zuko kamen augenblicklich angerannt, während meine Knie vor Angst schlotterten. Mitten im Gras, zwischen all den Gräbern, lag ein Skelett herum. „Ich will ja nicht pietätlos erscheinen, aber gehört dieses …, dieses Ding nicht unter die Erde?!“ Koda gluckste. „Wohl kaum …, denn das ist Ramón!“
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Ava: Ein Werwolfmädchen 4- / Milan: Ein Vampir mit einer Blut-Phobie 2- / Seth: Eine Mumie 4- / Mason: Eine Vogelscheuche mit einem Kürbiskopf; hält sich für den Klügsten, was er aber nicht ist 5- / Ramón: Ein Skelett mit Alkoholproblemen 3- / Zuko: Ein Zombie, welcher Innereien verabscheut und vegan lebt 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3- / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer 3- / Professorin Gingerbread: Eine Hexe; unterrichtet die Monster-Studenten 3+4 / Professor Spot: Ein Zombie; unterrichtet die Monster-Studenten 3+4 / Professor Bigbang: Ein Gnom; unterrichtet die Monster-Studenten 3+4 / Professorin Crybaby: Eine Banshee; unterrichtet die Monster-Studenten
Familie & Freunde: 1 / William „Bill“ Books: Billies Vater 1 / Madison „Maddy“ Books: Billies Mutter 1 / Constanze „Conny“ Books: Billies kleine sechsjährige Schwester 1 / Zara Darling: Billies beste Freundin Riley Sanders: Billies Ex-Freund
„DAS, das ist Ramón?!“, stieß ich leicht entsetzt und über alle Maßen überrascht aus. „Wer hat den bitteschön so zugerichtet?“, fragte ich und konnte meinen Blick nicht von dem Skelett zu meinen Füßen abwenden. Er bestand nur noch aus Knochen. Keine Haut, keine Augen, kein Herz – nur Knochen! „Niemand hat ihn so zugerichtet. Er sieht schon seit vielen Jahrhunderten so aus.“, antwortete Zuko mir, der nun näher an das Skelett herantrat und ihn leicht am Schlüsselbein schüttelte. „Hey Ramón, aufwachen alter Junge. Jetzt wird nicht mehr länger gepennt!“ „Sicher, dass ihr ihn aufwecken wollt?“, fragte ich unsicher. Gespenster und Zombies waren eine Sache. Die hatten wenigstens noch Haut und Haare, aber ein Skelett … „Ooooh, hat da etwa jemand Angst vor ein paar Knochen?“, fragte Koda und grinste mich an. „Überhaupt nicht.“, log ich und dachte mir schnell was aus. „Hunde mögen Knochen und der Hund ist der beste Freund des Menschen, ergo mag ich auch Knochen …, ich liebe Knochen!“ „Gut zu wissen. Dann gibt es morgen Knochen zum Frühstück für dich.“, sagte Koda, der mich weiterhin angrinste und sich einen Spaß mit mir erlaubte. „Der will nicht aufwachen.“, stellte Zuko schließlich fest. „Aber ich kenn da einen Trick.“ Zuko beugte sich zu dem Skelett hinunter und flüsterte ins Schläfenbein, dort wo sich für gewöhnlich die Ohren eines Menschen befanden: „Zukooo.“, lispelte er mit süßlicher Stimme. „Wach auf, wach auf, ich hab hier etwas für dich. Einen frischgebrannten Cognac, ganz für dich allein!“ Wie vom Blitz getroffen, setzte sich das Skelett senkrecht hin. Das kam so unerwartet, dass ich erneut erschrak und rücklings nach hinten fiel. „Cognac? Wo? Gib her, ich brauch was zwischen meine trockenen Knochen!“, rief das Skelet mit rauchiger Stimme. Es war also wahr. Ramón war ein Skelett. Ein lebendiges Skelett.
# 6
„Du solltest echt langsam mal damit anfangen, dich nicht immer zu besaufen.“, riet Zuko seinem knochigen Kumpel zu, als wir uns auf den Rückweg zur Academy machten. „I wo, an einer Alkoholvergiftung kann ich ohnehin nicht mehr krepieren.“, meinte Ramón, dessen Knochengerüst bei jeder kleinsten Bewegung klapperte. Ich lief hinter ihm und konnte durch sein Gerippe hindurch sehen, was irgendwie aberwitzig und unheimlich zugleich war. „Dann melde dich das nächste Mal wenigstens bei mir. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, weil du nicht wieder aufgetaucht bist.“, entgegnete Zuko. „Jetzt mach hier nicht auf besorgten Bruder …, Bruder. Du weißt doch genau, warum ich nicht heim gekommen bin. Ich musste den ‚Día de los Muertos‘ doch gebürtig feiern.“, erklärte Ramón seinem Zimmerkollegen. „Das war in meiner Familie Tradition und die möchte ich nicht brechen, nur weil ich nicht mehr unter den Lebenden weile.“ Ich sah zu Koda, denn der ‚Día de los Muertos‘ sagte mir so gar nichts. „Ein mexikanischer Feiertag.“, erklärte Koda mir zugleich, als er meinen verwirrten Gesichtsausdruck bemerkte. „Du kennst ihn vielleicht auch unter den ‚Tag der Toten‘. Er wird vom 31.Oktober bis zum 2.Noember gefeiert.“ „Hey Koda!“, rief Ramón nach hinten, ohne sich dabei umzudrehen. „Wer ist denn dieser wandelnde Fleischhaufen da an der Seite? Sag bloß, du hast dir endlich ein neues Haustier zugelegt. Dir hat wohl Ava als Schoßhündchen nicht gereicht?!“ „Das ist Billie und er ist ein Mensch.“, entgegnete Koda etwas mürrisch. Offenbar hatte Ramón etwas gesagt, was ihm missfiel. Vielleicht die Andeutung auf Ava? „Oh ein Mensch. Hätte ich jetzt gar nicht erkannt. Hab schließlich keine Augen im Kopf.“, entgegnete Ramón im sarkastischen Unterton. Vielleicht war es nur Einbildung, aber ich hatte das ungute Gefühl, als konnten sich Koda und Ramón nicht sonderlich gut ausstehen. „Ich bin echt froh, dass wir dich noch rechtzeitig gefunden haben.“, sagte Zuko, den es nicht groß zu stören schien, wie die anderen beiden sich gegenseitig angifteten. „Dass wir dich auf dem ‚A.I. Memorial‘ finden würden, hätte ich mir auch gleich denken können. Dann hätte ich mir die zwei Goldmünzen gespart, die dieser elende Gnom mir abgeluchst hat.“ „Hey Koda, warum war das klar, was meint er damit?“, fragte ich das Gespenst leise, denn irgendwie war mir das Skelett unsympathisch, weshalb ich mich nicht traute, ihn zu fragen. Koda blickte zu Ramón, dann antwortete er mir ebenfalls leise: „Am ‚Tag der Toten‘ besuchen die Verstorbenen die Lebenden. Gemeinsam feiern sie ihr Wiedersehen mit Musik, Tanz und gutem Essen. Außerdem hinterlassen die Lebenden Totenblumen auf den Gräbern der Toten. Ich denke Ramón hat seine Nachkommen besucht und mit ihnen diesen Tag gefeiert.“ „Das heißt … es existiert ein Portal von eurer Welt zu meiner Welt auf dem Friedhof?“, fragte ich, denn ich war mir nicht sicher, ob ich mit meiner Schlussfolgerung richtig lag. „Bist du auch auf dem Friedhof gewesen, als du zu mir nach Hause gekommen bist, um mich hierher zu verschleppen?“ „Nein, nein, das ist alles viel komplizierter …“, antwortete Koda mir, als wir in die Monster Academy zurückkehrten. Doch leider ging Koda nicht expliziter darauf ein, was mich zu der Annahme brachte, dass hier Geheimnisse im Umlauf waren, die ein Mensch nicht erfahren durfte. „Wir sollten uns jetzt alle noch etwas ausruhen und eine Kleinigkeit zu uns nehmen, bevor wir uns alle im Auditorium versammeln müssen.“, meinte Zuko, als wir den Gang betraten, in dem sich unsere Zimmer befanden. „Gute Idee. Zuerst ein kleiner Verdauungsschnaps und dann ein Schläfchen in meinem kuscheligen, warmen Bett. Der Boden draußen ist doch etwas hart und kalt zu dieser Jahreszeit.“, meinte Ramón frischvergnügt und offenbar schon wieder durstig nach etwas Hochprozentigen. „Nichts da! Du kriegst höchstens eine heiße Dusche Wasser, damit du in zwei Stunden fit bist.“, setzte Zuko entgegen. Ramón blickte seinen Zimmergenossen traurig an. „Du brauchst gar nicht erst so zu gucken. Die Masche zieht bei mir nicht. Ich hab kein Herz mehr, schon vergessen?“ „Nein … und du offensichtlich auch nicht.“, meinte Ramón, während Zuko ihr Zimmer betrat. Bevor Ramón ihm folgte, beugte er sich noch leicht zu mir rüber und sagte: „Er war lustiger und lockerer, als er sich noch nicht vegan ernährte. Wenn ich dich also mal auf seine Speisekarte setzen könnte, dann wäre ich dir zu größtem Dank verpflichtet.“ Ich blickte Ramón erschrocken an. Meinte er das ernst, oder war das nur ein irrer Joke von ihm? Ich tat mich schwer jemanden einzuschätzen, der nur aus Haut und … ach halt … nur aus Knochen bestand. Doch überraschenderweise stellte sich Koda schützend vor mich. „Finger weg, du knorriges Etwas. Der Junge ist mein Eigentum. Entführ doch selber einen Menschen, wenn du einen haben möchtest.“ Es waren nicht die Worte, die bei mir Eindruck schindeten – ganz im Gegenteil sogar – es war die Art und Weise wie sich Koda vor mich stellte und seine Arme schützend vor mich ausbreitete, damit mir kein Haar gekrümmt wurde, die mich beeindruckte. „Jaja, war doch nicht ernst gemeint.“, winkte Ramón locker ab und verbog sich die Armgelenke dabei so, dass mir beim Zuschauen schon die eigenen Knochen schmerzten. „Du weißt doch, dass ich einem Menschen friedlich gesonnen bin. Also bis später!“ Ramón schlug die Tür hinter sich zu und Koda und ich begaben uns zurück auf unser Zimmer. „Wow …, erst mein zweiter Tag hier und ich find´s hier total irre!“ „Weil es irre ist, oder weil wir alle irre sind?“, harkte Koda schmunzelnd nach. „Sowohl als auch, denke ich.“, antwortete ich ehrlich.
Zwei Stunden später trafen Koda und ich uns mit seinen anderen Freunden im Auditorium der Academy. Gegen meine Erwartung war Ramón noch nüchtern, aber das hatte er sicherlich Zuko zu verdanken, die anscheinend ein enges freundschaftliches Verhältnis miteinander verband. Auch Seth, Milan und Mason schienen sich blendend zu verstehen und ich fragte mich, ob es jemanden in Kodas Leben gab, den er, oder der ihn besonders gern mochte. Als hätte sie meine Gedanken gelesen, schmiegte sich plötzlich Ava ganz sachte von hinten an Koda heran. „Kodi, was glaubst du, wird die zweite Prüfung beinhalten? Wenn es etwas Gefährliches ist, wirst du mich dann unter Einsatz deines Lebens beschützen?“ „Kann ich machen. Tot bin ich ja schon.“, antwortete Koda ihr gelangweilt. Ava himmelte ihn an und suchte immerzu seine Nähe, aber er schien das gar nicht zu bemerken, oder aber es störte ihn nicht. „Worum geht es eigentlich bei diesen Prüfungen?“, fragte ich nun, da mir diese Frage schon länger auf der Zunge lag. „Geht es hierbei um euren Schulabschluss?“ Warum Tote überhaupt einen Schulabschluss benötigten, erschloss sich mir zwar nicht, aber das war eine ganz andere Frage. „So in etwa, ja.“, sagte Koda, während Ava seinen Nacken mit ihrer Zunge ableckte. „Damit wir alle als vollwertige Monster anerkannt werden, müssen wir die Academy besuchen und neun Prüfungen bestehen. Jede Prüfung unterscheidet sich von der anderen und wechselt von Jahr zu Jahr, sodass sich nicht genau sagen lässt, was uns alles erwartet.“ „Eine Legende besagt, dass vor vielen Jahren die Monster-Studenten einen Leviathan töten mussten, um eine Prüfung zu bestehen, aber alle daran gescheitert sind.“, erzählte Ava schnell dazwischen. „Sie sollen alle vom Leviathan aufgefressen worden sein, aber das besagt nur eine Legende …“ „Gespenster, Skelette und Hexen waren für mich auch lange Zeit nur Legenden und jetzt sind sie alle wahr geworden …“, merkte ich leicht verängstigt an. „Den Leviathan gibt es nicht. Glaub mir, DAS ist eine Legende!“, sagte Koda fest überzeugt. „Nett von dir, dass du dem Jungen keine Angst einjagen willst, aber den Leviathan gibt es genauso sehr wie den Kopflosen Reiter und den sagenumwobenen Schneemenschen.“, mischte sich Seth nun in unsere Unterhaltung mit ein. „Ach, bist du all denen etwa schon begegnet?“, fragte Koda argwöhnisch nach. „Nein, aber von uns allen hier, existiere ich schon am längsten und ich hab schon viele Geschichten über den Leviathan gehört.“, antwortete Seth ihm. „Eben. Es sind Geschichten, nichts weiter.“, sagte Koda unbeeindruckt. „Ich muss Koda beipflichten.“, sagte Mason, dessen riesiger Kürbiskopf auf seinem kleinen Hals etwas ins Wackeln geriet. „Die Wahrscheinlichkeit, dass es den Leviathan wirklich gibt, liegt bei gerade mal 4,8 Prozent. Damit unterbietet er sogar noch das Ergebnis des Kopflosen Reiters mit 6,3 Prozent.“ Seth fand die Prozentzahlen von Mason stumpfsinnig und so entbrannte ein erbitterter Streit, wer Recht behielt. Koda wurde der Diskussion überdrüssig und wandte sich wieder mir zu. „Wie auch immer. Die Studenten der Monster Academy werden in verschiedene Gruppen eingeteilt. In jeder Gruppe darf es nur ein Wesen seiner Art geben, deshalb sind wir auch alle so unterschiedlich. Insgesamt muss eine Gruppe aus acht Mitgliedern und einer Leiterin bestehen. Die Leiterin besteht aber zu 100 Prozent aus einer Hexe, die ihr Examen auf der Hexen-Academy erhalten hat. Oh Schreck, jetzt rede ich schon wie Mason …“ Koda blickte fassungslos zu seinen Freunden, die sich inzwischen regelrecht darum stritten, wer Recht behielt. Dann drehte er sich wieder zu mir und fuhr fort: „Viola ist die Leiterin unserer Gruppe und wir selber bezeichnen uns als den ‚Monster Teen Club‘. Cooler Name oder?“ „Naja geht so …“, antwortete ich ehrlich, was wohl ein Fehler war, weil Koda daraufhin beleidigt in die Knie ging und traurig mit seinem Finger Kreise zog. „Den Clubnamen hab ich ausgewählt.“, jammerte er mir elendig vor. „Herrje, bist du ein Jammerlappengespenst.“, sagte ich und versuchte dabei nicht in Gelächter auszubrechen. „Euer Clubname ist schon ganz in Ordnung, aber nicht so schön wie dein Name …“ Ich versuchte Koda wieder aufzumuntern – mit großem Erfolg. Koda sprang auf uns sah mich begeistert an. „Du findest meinen Namen toll? Wirklich? Oh, das ist ja süß von dir!“ „Jaja, schon gut. Erzähl bitte weiter.“, sagte ich verlegen. „Da gibt es nicht mehr viel zu erzählen. Die Prüfungen werden vom Magistrat bestimmt und verkündet und bestehen sowohl als Einzelaufgaben, als auch als Zweier- oder Gruppenaufgaben. Die erste Prüfung war eine Einzelaufgabe, in der wir den Professoren Angst einjagen sollten.“ „Aaaah, jetzt verstehe ich das Ganze …, aber warte …, sehe ich etwa so angsteinflößend aus?“, fragte ich, als ich zu der schockierenden Erkenntnis gelangte, warum ich eigentlich hier war. „Nope, gar nicht. Du warst einfach der Erstbeste, der mir in den Sinn kam.“, erklärte Koda, doch seine Antwort war nicht zufriedenstellend. Jedoch konnte ich nicht weiter darüber nachdenken oder nachfragen, denn die tiefe Stimme des Magistrats hallte plötzlich im ganzen Auditorium wieder. „Liebe Studenten der Monster Academy!“, rief er von einem Podest am anderen Ende des Auditoriums. Seine Stimme erklang laut und deutlich. Er benutzte kein Mikrofon, also musste er über eine besondere Gabe besitzen, die seine Stimme dermaßen laut erklingen ließ. Zu seiner linken stand die Professorin Gingerbread, deren optische Erscheinung sehr im Kontrast zum Magistrat stand. „Herzlich Willkommen zur Bekanntgabe der zweiten Prüfungsaufgabe. Vorher möchte ich euch nur noch kurz mitteilen, dass alle Studenten unserer Academy die erste Prüfung bestanden haben.“ Ein heftiger Applaus ging durchs Auditorium. Die Studenten der Monster Academy applaudierten und beglückwünschten sich selber, doch der Magistrat schien das nur wenig zu erfreuen. „Genug!“, rief er laut. „Die erste Prüfung war nur die Aufwärmphase für das, was euch nun bevorsteht. Ich will euch die Aufgabe der zweiten Prüfung nicht weiter vorenthalten. Die Prüfung lautet …“ Der Magistrat hielt kurz inne und die Anspannung der Monster-Studenten nahm unermesslich zu. Auch Koda, der neben mir stand, schien sichtlich angespannt zu sein. „Die zweite Prüfung lautet: ‚Das Nebellabyrinth‘!“ Ein Raunen ging durch das Auditorium. Hinter mir konnte ich ein „Oha“ von Seth vernehmen. „Also damit hab ich jetzt zu 0,0 Prozent gerechnet.“, gab Mason verdattert von sich. „Das Nebellabyrinth als zweite Prüfungsaufgabe? Warum gleich so etwas Schweres? Wollen die uns alle loswerden?!“, fragte Milan ganz panisch, aber keiner antwortete ihm. „Was ist das Nebellabyrinth?“, fragte ich an Koda gewandt, der sich jedoch keinen Millimeter rührte und starr zum Magistrat blickte. „Bitte beruhigt euch!“, rief der Magistrat laut, um die überaus besorgten Studenten seiner Academy zum Schweigen zu bringen. „Das Nebellabyrinth war schon einmal ein Teil unserer Prüfungen. Damals jedoch mussten die Studenten alleine antreten. Heute machen wir es euch ein wenig leichter, denn ihr werdet in Zweierteams in diese Prüfung gehen. Ihr selbst dürft wählen, mit wem ihr die Prüfung antreten werdet, aber bedenkt, dass dieser aus eurer eigenen Gruppe sein muss.“ Mein Mund stand leicht offen, denn allmählich dämmerte es mir, was mein Sinn und Zweck in dieser Welt war. „Hab ich das richtig verstanden? ICH bin euer achtes Gruppenmitglied?“ Ich wandte mich erneut an Koda, der nun endlich zu mir sah und sein Blick sagte mehr als tausend Worte.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Ava: Ein Werwolfmädchen, die ein Faible für Koda zu haben scheint 4- / Milan: Ein Vampir mit einer Blut-Phobie 2- / Seth: Eine Mumie 4- / Mason: Eine Vogelscheuche mit einem Kürbiskopf; hält sich für den Klügsten, was er aber nicht ist 5- / Ramón: Ein Skelett mit Alkoholproblemen 3- / Zuko: Ein Zombie, welcher Innereien verabscheut und vegan lebt 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3- / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer 3- / Professorin Gingerbread: Eine Hexe; unterrichtet die Monster-Studenten
Das heutige Kapitel nimmt mal etwas Tempo aus der Geschichte raus. In den ersten sechs Kapitel sind ja allerlei Informationen auf euch eingeprasselt. Auch auf Billie, der all diese Informationen nun in seinem Tagebuch niederschreibt.
Der Magistrat duldete für gewöhnlich keine Menschen in seiner Welt. Bei mir jedoch hatte er eine Ausnahme gemacht und mir war bislang nicht klar wieso eigentlich. Allmählich kam Licht ins Dunkeln … „Ich bin euer achtes Gruppenmitglied.“, sagte ich in die Runde, bestehend aus Koda und seinen Freunden. „Soll das heißen, ich muss auch an dieser Prüfung teilnehmen und einer von euch muss mit mir in dieses …, dieses Nebeldingsda?!“ „Du hast es zu 100 Prozent erfasst, Billie.“, antwortete Mason mir. „Ooooh, Kodi und ich werden ein umwerfendes Paar abgeben!“, rief Ava augenblicklich, als hätte sie die Entscheidungsgewalt, mit wem sie zu der Prüfung antreten will. „Die Prüfung startet morgen im Morgengrauen!“, rief der Magistrat noch einmal ganz laut durchs Auditorium. „Bis dahin könnt ihr jegliche Vorbereitungen treffen, die ihr meint, treffen zu müssen. Auf gutes Gelingen …!“ „Wieso hab ich das Gefühl, als ob der das nicht wirklich so meint, wie er es sagt?“, fragte ich. Es herrschte ein turbulentes Durcheinander im Auditorium. Jeder war erpicht darauf, sich schnell den bestmöglichen Partner für diese Prüfung auszusuchen. Einigen konnte es gar nicht schnell genug gehen, aus dem Auditorium rauszukommen und sich auf den morgigen Tag vorzubereiten. Professor Gingerbread bahnte sich ihren Weg zu uns durch und blieb vor Koda stehen. „Der Magistrat wünscht, dass ich dir eine Nachricht übermittle.“ Die Hexe grinste boshaft und ich hatte ein ungutes Gefühl in der Magengrube. „Er verpflichtet dich dazu, dich mit dem Menschen zu paaren …“ Koda blickte die Professorin irritiert an. „Paaren? Übertreibt der Magistrat da nicht etwas …?“ „Was ich meine ist, dass der Magistrat dich dazu verpflichtet, die morgige Prüfung mit dem Menschen und keinem anderen anzutreten. Wohl gelingen.“ Professorin Gingerbread lächelte heimtückisch, wohingegen Ava nun ganz enttäuscht zu sein schien. Ich hingegen konnte mich nicht beklagen, wobei ich zugeben muss, dass mir Seth oder Zuko sogar lieber gewesen wären, weil die einen stärkeren und intelligenteren Eindruck erwecken, aber wenigstens musste ich nicht mit Ramón in ein Team. Doch Kodas Blick verunsicherte mich ein wenig, denn er sah alles andere als glücklich aus.
# 7
„Liebes Tagebuch. Tut mir Leid, dass ich dir gestern nicht schreiben konnte, aber mir ist etwas Unglaubliches passiert. Vermutlich wirst du mir gar nicht glauben, wenn ich dir das erzähle, allerdings bleibt dir gar keine andere Wahl, als mein Erlebtes in dir abzuspeichern. Also von Anfang an: Alles begann an Halloween, kurz nachdem ich dich zugeklappt und wieder unter mein Kopfkissen legte. Mein Dad brach zu einem Bowlingturnier auf und meine Mutter zog zusammen mit meiner kleinen Schwester Conny um die Häuser. Ich war allein zu Haus. Jedenfalls bis zu dem Moment, in dem Zara mich mit ihrem Besuch überraschte, um den schrecklichen Tag doch noch etwas Gutes abzugewinnen (Du erinnerst dich? An jenem Tag hat Riley der Bastard mit mir Schluss gemacht!).Folglich hatte ich doch noch einen ganz netten Abend. Zara und ich haben uns in Schale geworfen und zu abgefunkter Jazz-Musik getanzt. Das war irre spaßig! Nachdem Zara nach Hause gegangen war, passierte jedoch etwas Ungewöhnliches. Ein mir unbekannter Junge stand plötzlich vor der Haustür und meinte ‚er wolle mich‘. Schräg oder? Ich schlug ihm einfach die Tür wieder vor der Nase zu, aber seltsamerweise gelang ihm der Zutritt in unser Haus, denn kurz darauf lag er auf unserer Couch im Wohnzimmer. Ehe ich mich versah, wurde ich das grausame Opfer eines Pfeffer-Schlafpulvers (Mir brennen jetzt noch leicht die Augen). Doch das Seltsamste kommt erst noch: Als ich nämlich wieder zu mir kam, war ich an einem mir unbekannten Ort, an dem Hexen, Mumien, Gespenster und andere Gruselgestalten wahrhaftig existieren! Du glaubst mir nicht? Dann sieh dich mal um!“ Ich legte den Stift zur Seite und zeigte meinem aufgeschlagenen Tagebuch das Zimmer, welches ich nun bewohnte, und Koda, der faul über seinem Bett schwebte und in einem Buch las. Koda bemerkte meine Handlung und fand dies sehr merkwürdig. „Und da soll noch einer sagen, ICH sei der größte Spinner auf Erden. Du zeigst deinem Tagebuch unser Zimmer, als hätte es Augen und eine eigene Seele. Du kannst von Glück reden, dass ich nicht gerade nackt rumrenne, sonst wären die Seiten jetzt rot und du könntest deine eigene krakelige Schrift nicht mehr lesen.“ Ich sah Koda grimmig an und legte mein Tagebuch wieder auf mein Bett, um weiter schreiben zu können. „Ja, das ist Koda und er ist ein Gruselgespenst! Wobei das einzig gruselige an ihm sein nervtötendes Auftreten ist. Bislang konnte ich noch keine positive Eigenschaft an ihm feststellen. Er ist arrogant, unlustig und alles andere als attraktiv. Okay, streich den letzten Punkt wieder … Kommen wir lieber zu seinen Freunden, die alle irgendwie einen leichten Hau haben. Zuerst lernte ich Seth kennen. Er ist eine Mumie und sein größtes Problem bislang war, dass ihm auf der Toilette das Klopapier ausgegangen ist. Offenbar hat er keine Ahnung, in was er eingewickelt ist, aber egal. Den nächsten den ich kennenlernen durfte war Zuko, ein vegan lebender Zombie. Ja du hast richtig gelesen. Er ernährt sich vegan! Ein Zombie! Paradox oder? Gestern lernte ich dann noch weitere Freunde von Koda kennen. Da wäre zunächst einmal das Werwolfsmädchen Ava, die sich allem Anschein nach zu Koda hingezogen fühlt. Dieser scheint ihre Gefühle aber nicht zu erwidern, keine Ahnung. Dann gibt es da noch Milan den Vampir, über den ich aber noch nicht allzu viel weiß und Mason die Vogelscheuche. Sein Kopf besteht aus einem von innen ausgehüllten Kürbis und er selber hält sich offenbar für den Allerklügsten. Bislang finde ich ihn aber einfach nur anstrengend. Zu guter Letzt hab ich noch Ramón kennengelernt – ein Skelett, der dem Alkohol verfallen ist! Er und Koda scheinen sich nicht so gut zu verstehen. Alle von mir so eben genannten Personen bilden eine Gruppe an der sogenannten ‚Monster Academy‘ und bezeichnen sich selber als den ‚Monster Teen Club‘. Treffender hätten sie den Namen nicht aussuchen können, denn in der Tat benehmen sich alle wie Teenager, obwohl einige von ihnen schon mindestens über hundert Jahre alt sein dürften. Angeführt wird diese kunterbunte Truppe von einer Hexe namens Viola, die ihr Examen an einer Hexen-Academy erarbeitet hat. Ich mag sie jetzt schon, denn auch sie scheint von Koda des Öfteren genervt zu sein.“ „Komisch …“, sagte Koda auf einmal im anderen Bett. „Es fühlt sich so an, als ob gerade jemand an mich denkt. Entweder Ava oder Viola …, die Ladys stehen auf den Kodachamp.“ „Hab ich schon erwähnt, dass er auch selbstverliebt ist? Nein? Nun gut, eigentlich ist er ja auch ganz in Ordnung …, was ich von dem Leiter dieser Academy nicht unbedingt behaupten kann. Der ist mir irgendwie suspekt und unheimlich. Koda hat mich hierher verschleppt, um eine Prüfung zu bestehen und der Magistrat, so nennen sie hier den Leiter der Academy, hatte nichts bessere zu tun, als mich ständig mit seinen finsteren Augen anzuglotzen. Das war creepy, sag ich dir. Am Ende hat Koda seine Prüfung bestanden, aber nur, weil ich mich dazu verpflichtet habe, hier in seiner Welt zu bleiben. Ich hatte ja keine Ahnung, dass der Magistrat damit meinte, FÜR IMMER hier zu bleiben. Das hat mich zugegebenermaßen ganz schön in Panik versetzt. Nach außen hin, hab ich das aber nicht so sehr gezeigt. Allgemein hab ich versucht, auf alle tapfer und mutig zu wirken. Keine Ahnung ob´s funktioniert hat, aber ich bin froh, dass ich meine wahren Gefühle endlich offen niederschreiben kann. Dir kann ich einfach alles anvertrauen! Ich vermiss Conny … und meine Eltern auch ein wenig, gebe ich zu. Sie müssen vor Sorge um mich umkommen. Hm … ob sie dann als Gespenster mir hier wieder erscheinen? Nein, nein, nein, blöder Gedanke. Ich hoffe es geht ihnen gut.“ Ich schrieb unentwegt weiter in mein Tagebuch und sah kein einziges Mal auf. Jedoch konnte ich aus den Augenwinkeln heraus erkennen, dass Koda mich hin und wieder beobachtete. Vermutlich war er neugierig, was ich mir so alles ins Tagebuch schrieb, aber sollte er es jemals wagen es zu lesen, dann würde ich alles daran setzen ihn irgendwie wieder zu beleben, nur um ihn dann eigenhändig umzubringen! „Tut mir Leid. Mein Eintrag ist heute wirklich sehr lang. Ich bin auch schon fast am Ende angekommen. Wie sich nämlich herausgestellt hat, gab es noch einen ganz anderen Grund, warum der Magistrat darauf bestand, dass ich hier in dieser Monsterwelt bleibe. Die Gruppe um Koda sollte ursprünglich aus acht Mitgliedern und der Leiterin bestehen, aber sie waren nur zu siebt (Koda, Seth, Zuko, Ava, Milan, Mason & Ramon). Die große Frage also: Was ist aus dem achten Mitglied ihrer Gemeinschaft geworden oder gab es nie eins? Da auf die Studenten der Monster Academy noch weitere Prüfungen warten, darunter auch welche die zu zweit oder mehr ausgeführt werden müssen, darf ich nun als achtes Mitglied herhalten. Ich – ein Mensch! Ich hab nicht die leiseste Ahnung, was sich der Magistrat dabei gedacht hat, aber allein beim Gedanken an ihn, bekomme ich eine Gänsehaut. Die zweite Prüfung nennt sich ‚Das Nebellabyrinth‘ und muss in Zweiergruppen angetreten werden. Nun zeigten sich die wahren Absichten des Magistrats, denn er zwang Koda dazu, mit mir ein Team zu bilden. Seine Freunde schienen darüber heilfroh zu sein, da natürlich keiner mit mir die Prüfung bestreiten wollte. Lediglich Ava war traurig gestimmt, wollte sie unbedingt mit Koda ein Team bilden. Nun wurde sie gezwungenermaßen mit Mason in ein Team gesteckt. Seth arbeitet mit Milan zusammen und Zuko und Ramón, die ohnehin gut miteinander konnten, bildeten das vierte Team. Ach genau …, nicht nur Ava war unglücklich über den Partnerwechsel, auch Koda schien darüber nur sehr wenig erfreut zu sein – allerdings hatte das bei ihm rein gar nichts mit Ava zu tun. Wie ich schon schrieb: Keiner von ihnen wollte mit einem Menschen seine nächste Prüfung bestreiten. Jetzt ließ es sich nicht mehr ändern und morgen früh ging es los. Kein Plan was mich erwartet … und ehrlich gesagt hab ich ein wenig Angst …, nun gut ich hab große Angst. Mein Bauchgefühl sagt mir jedoch, dass Koda schon auf mich Acht geben wird, auch wenn er nicht darüber erfreut ist, mit mir ein Team bilden zu müssen. Harte Schale, weicher Kern, du weißt schon. Sollte ich die morgige Prüfung jedenfalls überleben – was ich schwer hoffe – dann werde ich dir einen ausführlichen Bericht erstatten!“ Ich klappte das Tagebuch zu und lächelte. Es fühlte sich wie ein Befreiungsschlag an, all meine Gedanken und Gefühle dort hinein zu schreiben. Ich legte das Tagebuch wieder unter mein Kopfkissen, stand auf und schlich mich ins Badezimmer, um mir die Zähne zu putzen, bevor ich zu Bett ging. Koda las unterdessen unentwegt weiter in seinem Buch, was ein echt fetter Wälzer war. Ich hatte jedoch noch nicht die Gelegenheit dazu, ihn nach dem Titel des Buches zu fragen. Als ich mit Zähne putzen fertig war, ging ich unverzüglich ins Bett und schaltete bei mir die Tischlampe auf dem Nachtkästchen aus. Ich schloss meine Augen und konnte hören, wie Koda im Hintergrund noch ein bis zwei Seiten seines Buches umblätterte, ehe er es zuschlug und sein Licht ebenfalls ausmachte. Danach hörte ich nichts mehr von ihm, da Gespenster allerdings keinen Schlaf benötigten, ging ich davon aus, dass er wie schon in den Nächten zuvor mit offenen Augen über seinem Bett schwebte und allen möglichen Gedanken nachging. Ehrlich gesagt ging es mir nicht viel anders. Egal wie sehr ich mich auch anstrengte einzuschlafen, die Gedanken um den morgigen Tag hielten mich wach. Was war dieses „Nebellabyrinth“ und was würde uns darin erwarten? Koda und die anderen konnten es mir nicht sagen, da sie wie ich keine Ahnung hatten. Sie haben nur Geschichten darüber gehört, dass sich in dem Nebellabyrinth schon so einige verlaufen haben und noch heute darin umherirren. Andere behaupten es gäbe gar keinen Ausgang und der Magistrat und die Professoren wollen nur austesten, wie weit ihre Studenten an ihre Grenzen gehen, um die Prüfung zu bestehen. Mich kümmerte das nicht. Ich war nicht versessen darauf, diese Prüfung zu bestehen, denn schließlich war ich kein Student dieser Academy. Ich war wegen Koda hier und eben jener musste jetzt damit leben, mich in diesem Labyrinth an seiner Seite zu haben. Vielleicht lauerten darin tödliche Kreaturen. Was wenn ich in dem Labyrinth ein tödliches Ende fand? Ich kniff meine Augen enger zusammen und legte meine Arme um mich. Die Angst packte mich erneut. Wie um Himmels Willen sollte ich das alles überleben? Ich bin ein Mensch! Ich …, ich will wieder nach Hause. „Hab keine Angst. Ich pass morgen gut auf dich auf. Wir beide packen das schon irgendwie.“, hörte ich Koda auf einmal zu mir sagen. Ich öffnete meine Augen und drehte mich abrupt um. Koda war wie in der Nacht zuvor zu mir herübergeschwebt. Hat er gesehen, wie ich unter meiner Bettdecke zu Zittern anfing? Hat er meine Angst gespürt? „Ich hab keine Angst.“, entgegnete ich, was aber eigentlich dumm statt tapfer war. Koda sah mich überrascht an. „Ach nicht? Und ich dachte du hättest großen Schiss vor dem morgigen Tag und würdest dir ins Höschen machen. Dann hätte ich Seth darum bitten müssen, uns etwas Klopapier von sich abzutreten, damit wir morgen gut ausgestattet sind.“ „Du bist ein Trottel, hat dir das schon mal jemand gesagt?!“, rief ich und warf Koda ein Kissen entgegen, welches aber natürlich durch ihn hindurch flog und auf dem Boden landete. Koda lächelte breit und schwebte zurück zu seinem Bett. Ich drehte mich wieder um, damit er nicht sehen konnte, wie sich ein Lächeln in meinem Gesicht bildete. Er hatte es geschafft, mir meine Angst für einen kurzen Moment zu nehmen. Ob er das beabsichtigt hatte? Jedoch folgte noch etwas nach, womit ich am allerwenigsten gerechnet hatte. „Und du musst nicht jedermann beweisen, wie furchtlos und mutig du bist. Ich weiß, dass du es bist, aber auch das du nur ein Junge bist und Gefühle hast, die wir nicht mehr nachempfinden können. Ich werde dich morgen sicher durch das Nebellabyrinth bringen, das schwöre ich dir hoch und heilig!“ Kodas Worte waren wie Balsam für meine Seele. Die Angst wich nun komplett aus meinem Körper und ich wusste, dass ich jetzt beruhigt einschlafen konnte. „Natürlich ändert das aber nichts daran, dass ich viel lieber mit einem meiner Freunde anstatt mit dir ein Team gebildet hätte …“ Ich rollte mit den Augen und schnaufte. Koda hat den schönen Moment mit seinem letzten Satz wieder zunichte gemacht. Dafür wäre ich ihm am liebsten an die Gurgel gegangen. Doch dazu kam ich nicht mehr, denn ich war so müde, dass ich kurz darauf einschlief.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Ava: Ein Werwolfmädchen, die ein Faible für Koda zu haben scheint 4- / Milan: Ein Vampir mit einer Blut-Phobie 2- / Seth: Eine Mumie 4- / Mason: Eine Vogelscheuche mit einem Kürbiskopf; hält sich für den Klügsten, was er aber nicht ist 5- / Ramón: Ein Skelett mit Alkoholproblemen 3- / Zuko: Ein Zombie, welcher Innereien verabscheut und vegan lebt 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3- / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer 3- / Professorin Gingerbread: Eine Hexe; unterrichtet die Monster-Studenten
Familie & Freunde: 1 / William „Bill“ Books: Billies Vater 1 / Madison „Maddy“ Books: Billies Mutter 1 / Constanze „Conny“ Books: Billies kleine sechsjährige Schwester 1 / Zara Darling: Billies beste Freundin Riley Sanders: Billies Ex-Freund
Schönen Sonntag wünsche ich! Heute gibt es das 8.Kapitel meiner Fantasy-Story. Billie, Koda und all die anderen Gruselgestalten müssen die zweite Prüfung absolvieren. Die nennt sich "Das Nebellabyrinth" und das wird in den nächsten Kapitel ein irre spannendes Abenteuer, das verspreche ich euch. :)
Nur gut, dass ich am Abend zuvor noch früh genug einschlief, denn Koda warf mich bereits um sechs Uhr morgens aus meinem Bett. „Die Prüfung beginnt um sieben Uhr. Ich dachte mir, du wärst froh, wenn du davor noch etwas frühstücken, dich waschen und vorbereiten kannst.“ „Dankeee.“, sagte ich und gähnte dabei. „Heute wieder einen vergifteten Apfel zum Frühstück?“ „Nein. Heute hab ich was anderes für dich auf der Speisekarte.“, meinte Koda und überreichte mir grinsend mein Frühstück auf einem Silbertablett. „Cornflakes mit Milch. Da sind ganz viele Cerealien drin und ist gesund. Einen frischen Obstsalat – aus dem Supermarkt – und zum krönenden Abschluss: Ein Energieriegel! Der spendet dir die nötige Kraft für den heutigen Tag.“ „Also ich finde es ja echt nett von dir, dass du mir jeden Morgen mein Frühstück ans Bett bringst, vor allem weil du selber nichts zu dir nimmst, aber das nächste Mal fertige ich dir eine Einkaufsliste an, bevor du mir fertiggeschnippeltes Obst aus dem Supermarkt bringst. Und überhaupt, wo gibt es hier einen Supermarkt?“ „Och, wir haben da so unsere Connections.“, meinte Koda etwas abwehrend. „Jetzt iss und sei nicht so undankbar. Du kannst dir gar nicht vorstellen, was ich darum geben würde, den Geschmack von frischen oder nicht so frischen Obst auf meiner Zunge zergehen zu lassen.“ Ich tat wie mir befohlen und aß alles auf. Koda hatte schon Recht. Ich sollte ein wenig dankbarer sein. Ein wenig Leid tat er mir auch. Nicht schlafen und essen zu können, muss auf Dauer deprimierend sein, vor allem wenn man sich ein Zimmer mit jemand teilt, der all das eben kann. Als ich mich gewaschen und umgezogen hatte, konnte es losgehen. „Wo müssen wir jetzt eigentlich hin?“ „Zu Viola. Die Hexen bringen ihre Gruppen zu dem Nebellabyrinth, welches sich hinter den Bergen an einem See und einem angrenzenden Waldgebiet befindet.“ „Haben wir denn alle auf ihrem Besen Platz?“, fragte ich erstaunt. „Oh Mann nein, sie zaubert uns alle dorthin, du ahnungsloser Mensch.“, antwortete Koda, während ich es nun war, der breit lächelte. Koda sah mich an. „Du hast dir einen Scherz mit mir erlaubt. Tse …, dreht der den Spieß einfach um. Los gehen wir. Wir sollten Viola nicht warten lassen, das könnte ungemütlich werden.“
# 8
Es war das erste Mal, dass ich Violas Zimmer betrat. Im Vergleich zu dem unseren und dem von Zuko und Ramón war es erheblich größer. Ein Bett konnte ich nicht ausfindig machen, dafür standen allerlei andere Möbelstücke und Gegenstände herum. Mehrere Regale waren mit allerlei farbigen Tinkturen und Kräutergewürzen verfrachtet. In der Mitte des Zimmers stand ein großer Kupferkessel aus Messing und in einer Ecke – wie könnte es auch groß anders sein – stand ein Besen. „Man, ihr lasst aber auch echt gar kein Klischee aus, was?“, stieß ich wenig überrascht aus. „Koda, sag deinem kleinen Freund er soll besser seinen Mund halten, oder ich verwandle ihn in eine hässliche Kröte.“, sagte Viola daraufhin, ohne mich anzusehen. Sie war damit beschäftigt, in ihrem Kessel etwas anzurühren, was nach miefigen Käsefüßen roch. Ich war nicht erpicht darauf, mich demnächst als Kröte wiedervorzufinden, also hielt ich meine Klappe und schaute mich weiter im Zimmer um. In der Zwischenzeit trafen auch alle anderen ein. Ramón torkelte leicht beim Gehen. Ob er sich für die heutige Prüfung Mut angetrunken hat? Nach einer Weile entdeckte ich einen Griff an der Wand und ich kam zu dem Entschluss, dass Viola offenbar ein Schrankbett besaß, welches sich jederzeit ausziehen ließ. Ich fand diese Betten ja nie sonderlich reizvoll. Was wenn sich das Bett wieder einzieht, während man gerade schläft? „Sind alle da?“, fragte Viola nach einiger Zeit. „Wir sind zu 100 Prozent alle anwesend.“, antwortete Mason ihr. „Gut. Zunächst einmal bekommt ihr alle ein kleines Fläschchen mit dieser Zaubermixtur.“, sagte Viola, die mehrere kleine Fläschchen mit dieser miefigen Brühe füllte. „Es ist nicht viel, aber es wird euch in eurer größten Not im Nebellabyrinth weiter helfen. Benutzt es mit Bedacht, denn es kann erheblichen Schaden anrichten. Es kann aber auch Wunder vollbringen!“ Viola überreichte jedem Zweiergespann zwei Fläschchen. Ich nahm die zwei Fläschchen entgegen und legte sie behutsam in die Beuteltasche, welche auch jedes Zweierteam besaß. Darin befanden sich ein paar Vorräte für unterwegs. Keiner konnte mir sagen, wie lange die Prüfung andauern würde, da aber allem Anschein nach noch immer Studenten von früher in dem Labyrinth umherirrten, sehr lange. „Okay, stellt euch in einen Kreis auf und wartet ab.“, sagte Viola schließlich und ich gehorchte ihr ohne zu fragen. „Gebt euch die Hände.“, meinte sie anschließend, woraufhin ich etwas skeptisch nach links und rechts sah. Rechts von mir stand Ramón, dessen Knochenhand mir bei der erstbesten Berührung eine Gänsehaut bescherte. Links von mir stand Koda und ich konnte mir nicht vorstellen, wie ich seine Hand halten sollte, wo er doch ein Gespenst war. Ich zögerte, doch Koda griff nach meiner Hand und völlig unerwartet konnte ich seine Hand spüren. Wie war das möglich? Er fühlte sich kalt an. Sehr kalt. Doch die Überraschung darüber wurde gebrochen, als ich Viola das erste Mal beim Hexen zusah. Viola stand in der Mitte des Kreises, den wir bildeten und hielt ein kleines Säckchen in ihren Händen. Sie schloss ihre Augen und fing an, etwas vor sich hinzumurmeln, bis sie immer lauter wurde: „Non qui, non là, portaci in un posto lontano. Veloce come il vento, portaci nel labirinto della nebbia. Teletrasporto!“ Kaum hatte sie das letzte Wort gesprochen, nahm Viola eine Handvoll Pulver aus ihrem Säckchen und warf es hoch in die Luft, von wo aus es wie Sternenstaub auf uns herabfiel. Ich hatte nur einmal geblinzelt, als ich mich plötzlich an einen mir völlig fremden Ort wiederfand. Unter meinen Füßen war grünes Gras, welches vom Morgentau noch ganz feucht war. Hinter uns ragte ein großer Wald, dessen Bäume so hoch wie gewöhnliche Häuer waren, links von uns befand sich ein See, dessen Schönheit mir jedoch im Nebel verborgen blieb und vor uns lag es – das gefürchtete Nebellabyrinth! Insgesamt konnte ich vier Eingänge erkennen, aber das war auch schon alles was ich erkennen konnte, da die Hecken so hoch waren, das der Rest vor meinen Augen im Verborgenen blieb. Der Nebel vom See bedeckte zudem auch das Labyrinth, aber seinen Namen hatte er sicherlich nicht von ungefähr. „Bitte versammelt euch hier! Alle hierher wenn ich bitten darf!“ rief Professor Bigbang, dessen piepsige Gnomstimme bei den Studenten jedoch nur wenig Gehör fand. Doch Professorin Crybaby kam ihm mit ihrer „lieblichen“ Stimme zu Hilfe, in dem sie einen ohrenbetäubenden Schrei losließ, der alle bis ins Mark und Bein erschütterte. Professor Bigbang störte sich nicht an dem Geschrei und grinste schadenfroh. „Danke sehr Professorin Crybaby. So liebe Studenten. Hab ich jetzt euer Gehör?“ „Nein, denn jetzt haben wir gar kein Gehör mehr, nach diesem Schrei.“, sagte Koda, der ungeniert mit dem Zeigefinger seiner rechten Hand in seinem rechten Ohr rumpuhlte. „Dann versammelt euch bitte Gruppenweise und wartet, bis ihr aufgerufen werdet!“, rief Professor Bigbang unbeirrt weiter. Ich beugte mich zu Koda rüber. „Was geschieht jetzt?“ „Sie werden uns gruppenweise ins Nebellabyrinth schicken, damit wir nicht alle gleichzeitig reinstürmen.“, erklärte Koda mir. Ich musste zugeben, dass das alles sehr spannend war. Meine Angst war zwar noch immer da, aber ich glaubte sie im Griff zu haben. Meine ganze Aufmerksamkeit galt nun dem Magistrat, der eine letzte Rede vor unserem Eintritt ins Nebellabyrinth hielt. „Liebe Studenten und Studentinnen der ‚Monster Academy‘. In wenigen Augenblicken wird Professor Spot das Startzeichen für die zweite Prüfung geben. Lasst mich euch davor noch die Regeln erklären.“ Die Augen aller waren auf den Magistrat gerichtet, dem es stets gelang, alle in seinen Bann zu ziehen. Alle hörten ihm aufmerksam zu, auch ich, denn jeder Hinweis konnte dazu beitragen, in dem Labyrinth nicht umzukommen. „Die erste und wichtigste Regel von allen lautet.“ Der Magistrat hielte eine kurze spannungserzeugende Pause. „Es gibt keine Regeln!“ Mit dieser Aussage brach nun das wilde Geschnatter unter den Monstern aus. Auch Kodas Freunde unterhielten sich, bis die Stimme des Magistrats sich vom Neuen erhob: „Hört alle gut zu! Es gibt keine Regeln. Im Nebellabyrinth ist alles erlaubt. Ihr seid auf euch allein gestellt, aber ihr könnt euch gerne miteinander verbrüdern, solltet ihr der Meinung sein, dass es euch was nützt. Bedenkt jedoch eins: Wer einmal eurer Freund war, könnte schon bald euer größter Feind werden. Das Nebellabyrinth ist voller Gefahren. In ihm lauert eine uralte Magie, die wir nicht unter Kontrolle haben. Selbst ich, der größte Magier aller Zeiten, kenne nicht alle Geheimnisse des Nebellabyrinths. Seid also immer auf der Hut. Viel Glück und auf das ihr das Licht der Sonne wieder sehen werdet.“ Der Magistrat hatte seine Ansprache beendet, die allerdings wenig aufbauend war, wie ich fand. Professor Gingerbread brachte die erste Gruppe zu den vier Eingängen des Nebellabyrinths und ich konnte in einigen von ihnen die Furcht in ihren Augen erkennen. Auch in unserer Gruppe waren nicht alle sorgenfrei. Milan zitterte am ganzen Körper und Zuko gab einen pessimistischen Spruch nach den anderen von sich. „Wird schon schiefgehen. Hals- und Beinbruch.“ „Ich zittere nicht vor Angst. Es ist nur schweinekalt.“, erklärte Milan Seth, als dieser ihn auf sein Zittern ansprach. Das war natürlich gelogen. Kein Vampir würde zugeben, Angst zu haben. „Und bei dir alles in Ordnung?“, fragte Koda mich. „Noch schon …“, antwortete ich wahrheitsgetreu. „Wir packen das … irgendwie …“, versuchte Koda mich aufzumuntern, mit mäßigen Erfolg. „Okay Leute. Hört mal alle kurz her.“, sagte Viola, die den Monster Teen Club zu sich rief. „Ich habe gerade mit Professor Bigbang gesprochen. Er hat mir mitgeteilt, dass ihr die dreizehnte Gruppe seid, die das Labyrinth betreten wird. Seid also bitte jederzeit startklar.“ „Die dreizehnte? Na wenn das mal kein Unglück bringt …“, gab Zuko skeptisch von sich. „Dein Pessimismus ist gerade unerwünscht Zuko!“, blaffte Ava ihn nun an. „Aber er hat doch Recht.“, mischte sich Mason nun mit ein. „Die Zahl Dreizehn wird schon seit Urzeiten als Unglückszahl angesehen. Die Prozentzahl, dass uns allen also viel Pech widerfährt, liegt also bei etwa …“ „Halt die Klappe Mason!“ Ich drehte mich überraschend um. Derjenige der Mason zum Verstummen brachte, waren weder Viola noch Ava. Es war Koda, der seinen Freund mit böse funkelnden Augen ansah. Ein ungewohnter und etwas beängstigender Blick bei ihm. Bislang hatte ich diesen Ausdruck bei ihm nur gesehen, als ich meine Faust gegen ihn richtete. Da ertönte ein lauter Schuss. Erschrocken drehte ich mich vom Neuen um und konnte sehen, wie Professor Spot zu Boden fiel. Er hatte sich selbst mit einer Waffe in den Kopf geschossen, woraufhin die erste Gruppe losrannte und das Nebellabyrinth betrat. „Zum Teufel noch eins. Diese Nummer bringt er immer wieder und jedes Mal erschrick ich fast zu Tode.“, beschwerte sich Ava. Ich sah, wie sich Professor Spot von dem Kopfschuss wieder erholte und langsam wieder auf die Beine kam. „Macht er das jetzt bei allen so?“, fragte ich kritisch. „Professor Spot ist leicht … naja du weißt schon.“, antwortete Zuko mir und wedelte dabei mit seiner Hand vor seinem Gesicht rum, um mir bildlich aufzuzeigen, dass der Professor nicht ganz dicht war. „Aber er ist mein großes Vorbild!“, fügte Zuko ganz stolz hinzu. Ich zog meine Augenbrauen hoch. „Also wenn du mich fragst, dann seid ihr alle ein wenig plemplem.“ Nach dem ersten Startschuss mussten wir zunächst einmal warten, bis wir in der Reihe waren. Je mehr Zeit verstrich, desto unruhiger wurde ich wieder. Also versuchte ich mich mit einer Unterhaltung mit Koda abzulenken. Ich hatte es mir auf einem großen Felsen bequem gemacht, während er lässig an einem Baum lehnte. „Wie kommt es eigentlich, dass du vorhin meine Hand gehalten hast?“ „Jetzt sag bloß nicht, du hast Berührungsängste.“, meinte Koda daraufhin. „Das meine ich nicht. Ich meine wie es kommt, dass du mich berühren kannst, obwohl du ein Gespenst bist.“, erklärte ich. „Gespenster können ihre Gestalt manifestieren. Weißt du, was ‚manifestieren‘ bedeutet?“ Ich überlegte kurz, schüttelte dann jedoch den Kopf. Also erklärte Koda mir das Ganze etwas genauer. „Ich bin dazu in der Lage meinen Körper der Umgebung anzupassen. Menschen können Gespenster für gewöhnlich nicht sehen oder berühren, sofern das Gespenst es nicht von sich aus zulässt. Manifestieren bedeutet also nichts anderen, als sich zu erkennen geben. Als ich nach deiner Hand gegriffen habe, müsstest du jedoch gespürt haben, dass mein Körper nur eine leblose Hülle ist.“ „Kälte. Ich hab Kälte gespürt.“, sagte ich zu ihm. Koda nickte. „Wenn du stirbst, dann weicht jegliche Wärme aus deinem Körper. Du spürst nichts mehr. Das ist zum Teil ein befreiendes, aber auch ein leeres Gefühl.“ „Klingt in meinen Ohren weniger schön. Eher … naja traurig.“, meinte ich betrübt. Koda lächelte kurz. „Ja, da hast du vermutlich auch Recht.“ Ich blickte zum Nebellabyrinth, welches von außen betrachtet einen ruhigen und sehr harmlosen Eindruck machte. Doch ich war nicht so naiv zu glauben, dass es drinnen genauso war. Ich blickte zu einem der vier Eingänge. Dunkelheit. Kälte. Das Nebellabyrinth verbarg etwas Unheimliches!
Es dauerte fast eine Stunde, bis Viola uns darauf hinwies, dass es jetzt für uns losging. Wir stellten uns also in Zweierteams vor den vier Eingängen zum Labyrinth auf, die vom nahen noch viel größer und unheimlicher rüberkamen. „Viel Glück Kodiii!“, rief Ava ihrem Lieblingsspukgespenst zu, ehe sie sich von ihm trennte und sich Mason, ihrem Teampartner, anschloss. „Passt auf euch auf.“, sagte Viola zum Abschied, ehe auch sie Abstand von uns nahm. Wir alle warteten auf das Startzeichen von Professor Spot, der gerade noch dabei war, seine Waffe nachzuladen. Inzwischen hatte sich eine andere Person hinter mich und Koda geschlichen. „Tod. Ich sehe den Tod.“, flüsterte Professorin Crybaby, die wie ein Schatten plötzlich hinter uns stand und selbst Koda einen Schrecken versetzte. „Das Nebellabyrinth birgt den Tod.“ Ein Schuss. Professor Spot gab das Startzeichen. Ich konnte sehen, wie die anderen sechs losrannten. Koda und ich verharrten noch an derselben Stelle. Professorin Crybabys unerwarteten Worte brachten uns leicht aus der Fassung. Doch dann packte mich Koda am Arm, rannte los und zerrte mich in das Labyrinth. Ehe ich mich versah, wurden wir vom Nebel verschlungen.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Ava: Ein Werwolfmädchen, die ein Faible für Koda zu haben scheint 4- / Milan: Ein Vampir mit einer Blut-Phobie 2- / Seth: Eine Mumie 4- / Mason: Eine Vogelscheuche mit einem Kürbiskopf; hält sich für den Klügsten, was er aber nicht ist 5- / Ramón: Ein Skelett mit Alkoholproblemen 3- / Zuko: Ein Zombie, welcher Innereien verabscheut und vegan lebt 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3- / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer 3- / Professorin Gingerbread: Eine Hexe; unterrichtet die Monster-Studenten 3- / Professor Spot: Ein Zombie; unterrichtet die Monster-Studenten 3- / Professor Bigbang: Ein Gnom; unterrichtet die Monster-Studenten 3- / Professorin Crybaby: Eine Banshee; unterrichtet die Monster-Studenten
Dieses Forum ist eine tolle Idee von dir, Sky. Und schön gestaltet und aufgebaut ist es auch. War eher Zufall, dass ich das hier entdeckt habe. Freut mich, dass du genug Motivation finden konntest, diese schöne Geschichte weiterzuschreiben. :-) Was ich sonst für Gedanken zum aktuellen Kapitel habe, habe ich dir ja schon "drüben" wissen lassen :-)
Hey Cyberfox, schön das du hierher gefunden hast. Freu mich über jedes Mitglied. Hier hab ich die Möglichkeiten, meine Geschichten jederzeit zu bearbeiten, wenn mir oder anderen Fehlern auffallen.
Koda und ich rannten durch die unzähligen Wege des Labyrinths. Um uns herum nichts als Nebel, der uns die Sicht auf das was vor und hinter uns lag versperrte. Während wir rannten, ließ Koda meine Hand nicht einmal los. Erst als wir in einer Sackgasse landeten, löste er seinen Griff von mir. „Haben wir uns verlaufen?“, fragte ich. „Sieht ganz so aus. War aber zu erwarten.“, antwortete Koda mir, ohne die Miene zu verziehen. „Kannst du eigentlich nicht einfach durch diese Hecken hindurch schweben?“, fragte ich neugierig. „Vermutlich, aber dann müsste ich dich hier lassen.“, antwortete Koda mir. „Das hat der Magistrat sich auch gedacht und mich deshalb mit dir in ein Team gesteckt.“ Von dem überhasteten Start und der Rennerei im Irrgarten, war ich leicht außer Atem. „Sollen wir eine Pause machen? Ich hab vergessen, wie es ist, außer Atem zu kommen.“ „Schon okay, geht gleich wieder.“, winkte ich locker ab. „Die viel interessantere Frage ist doch, was hatte das mit Professorin Crybaby zu bedeuten?“ Koda sah mich überlegt an. „Tja … ich fürchte unsere gute alte Professorin Crybaby hatte eine dunkle Vorahnung.“ „Eine Vorahnung?“, fragte ich. „Professorin Crybaby ist eine Banshee und die sind die Vorboten des Todes.“ Ich blickte Koda ängstlich an. Denn nun war klar, was er mir damit sagen wollte. „Sie hat den Tod einer oder mehrerer Personen vorhergesehen. Nur sind wir schon alle tot … naja fast alle.“ Ich schluckte und wurde ganz bleich im Gesicht. „Sie hat meinen Tod vorhergesehen?“
# 9
Koda und ich kehrten zurück zu der Kreuzung, nachdem der erste Weg uns in eine Sackgasse geführt hatte. Koda blickte sich um. Es standen noch zwei Wege zur Auswahl, denn einer der vier Wege war die Richtung aus der wir gekommen waren. „Sehen beide nicht besonders einladend aus.“, meinte Koda, als er die Wege ergiebig musterte. In beiden Richtungen lag dichter Nebel, sodass man kaum die Hand vor Augen sehen konnte. „Was soll´s. Ich gehe hier ja eh drauf.“, gab ich schwarzseherisch von mir. „Jetzt reiß dich mal zusammen. Jeder muss irgendwann einmal sterben.“, sagte Koda, der mir nicht gerade enorm viel Mitgefühl entgegenbrachte, dafür dass Professorin Crybaby gerade meinen Tod vorausgesagt hat. „Danke für deine Anteilnahme. Weiß ich sehr zu schätzen.“, erwiderte ich deshalb im sarkastischen Unterton. Danach jedoch konnte ich meine Sorge und meine Angst nicht länger hinter einer Schutzmauer verbergen. Koda schien das auch zu begreifen und sagte: „Hey …, du wirst hier nicht sterben. Das lasse ich nicht zu!“ „Das sagst du doch jetzt nur um mich aufzumuntern.“, grummelte ich niedergeschlagen vor mich hin. „Ja …, aber auch, weil die Todesvorhersagen unserer geschätzten Professorin Crybaby nicht immer zutreffen müssen.“, meinte Koda. „Oder um es in Mason-Manier zu sagen: Die Chance, dass Professorin Crybabys Vorhersage eintrifft, liegt gerade einmal bei 50 Prozent.“ „Das ist immerhin die Hälfte.“, gab ich wenig hoffnungslos von mir. „Das ist NUR die Hälfte.“, korrigierte Koda mich und lächelte mich an, was zur Folge hatte, dass auch mir ein Lächeln übers Gesicht huschte und ich meine Angst kurzzeitig vergessen konnte. „Also. Willst du hier weiterhin Trübsal blasen, oder der Gefahr ins Auge sehen und mit mir kommen? Ihr entfliehen kannst du ohnehin nicht mehr.“ Ich musste nicht lange überlegen, denn Koda leistete volle Überzeugungsarbeit. „Ich komme mit dir …, schließlich bestehst du die Prüfung nur, wenn wir beide aus diesem elenden und düsteren Labyrinth rauskommen.“ „Ooooh, dass sagst du doch jetzt nur, weil du Schiss hast und du dich bei mir sicherer fühlst.“, entgegnete Koda, der mich nun über beide Ohren angrinste. „Hör auf so blöd zu grinsen und such dir endlich einen Weg aus!“, schrie ich ihn an, nachdem ich selber merkte, dass ich rot im Gesicht wurde. Koda gehorchte und suchte sich unseren nächsten Weg aus, der dieses Mal hoffentlich in keiner Sackgasse endete. „Wie viel Nahrung tragen wir eigentlich bei uns, um zu überleben?“, fragte ich nach einer Weile – jede Minute fühlte sich wie eine Stunde an und jede Hecke sah in meinen Augen gleich aus. „Also wie lange reicht unser Vorrat, bis wir, oder besser gesagt ich, hier elendiglich krepiere?“ „Ein Tag? Vielleicht auch etwas länger?!“, antwortete Koda mir wenig überzeugend. „Das ist ja unser Dilemma fürchte ich. Im Grunde sollten an diesen Prüfungen nur die Untoten teilnehmen. Sprich Gespenster, Zombies, Mumien und was du sonst noch so in den letzten Tagen kennenlernen durftest. Ein Mensch ist für sowas eigentlich nicht geeignet, aber sieh es mal von der positiven Seite. Sollten wir den Ausgang nicht finden, wirst du hier an Hungertod sterben und deine Seele wird in den Himmel wandern. Ich hingegen werde hier für immer gefangen sein und das ist so ziemlich das Traurigste und Einsamste, was einem widerfahren kann.“ „Mit anderen Worten: Wir sind beide am Arsch, wenn wir den Ausgang nicht finden.“, sagte ich und mein Kummer übertrug sich nun auch auf Koda, der mir jetzt schon Leid tat, sollten wir den Ausgang tatsächlich nicht finden. „Würdest du bitte aufhören, so negativ eingestellt zu sein, ja?!“ Koda sah mich nun ernst an. „Zuko ist der Pessimist in unserem Club. Zur Abwechslung wäre mal ein Optimist ganz nett …“ „Ich dachte diesen Part übernimmst bereits du.“, schmunzelte ich, als wir an einer Gabelung nach rechts abbogen. Koda streckte seinen linken Arm aus, um mich am Weitergehen zu hindern. „Was ist los?“ Ich wartete, doch Koda antwortete mir nicht. „Hast du was gesehen oder was gehört?“ „Ich bin mir nicht sicher.“, sagte Koda schließlich leise, als plötzlich das Wiehern eines Pferdes zu hören war. „Bestimmt nur ein liebes, nettes Einhorn ... oder?“, fragte ich hoffnungsvoll, egal wie unrealistisch der Gedanke auch gewesen sein mag. „Warte hier.“, sagte Koda, der nun alleine weiter ging und bereits nach wenigen Metern im dichten Nebel verschwand. Es dauerte nur wenige Sekunden, da kehrte meine Angst wieder zu mir zurück. „Ko-Koda?!“, rief ich leise in den Nebel hinein, doch Koda reagierte nicht. Ich wartete. Meine Knie zitterten, mein Körper fühlte sich kalt an und schlimmer als die Angst zu sterben, war die Angst hier zurückgelassen zu werden. Dann vernahm ich ein Geräusch. Doch kam jenes nicht aus der Richtung, in die Koda gegangen war. Es kam aus der Richtung, aus der wir gekommen waren! „Koda, bist du das?“ Vielleicht war jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, optimistisch zu denken, denn es war so gut wie ausgeschlossen, dass Koda auf einmal hinter mir war. Möglich wäre es aber, dass wir einer anderen Gruppe aus der Academy begegneten. Erneut hörte ich das Geräusch. Es hörte sich wie Rascheln im Gebüsch an. „Hallo, wer ist da?!“, rief ich zaghaft. „Wer auch immer da ist, ich bin bewaffnet.“ Das war natürlich eine Lüge, aber sie machte mir wenigstens ein bisschen Mut. Ich sah mich nach einer möglichen Waffe wie einem Stock um, aber der Boden war so trist wie alles im Labyrinth. „I-Ich hab ein Gespenst als Waffe und werde von ihm Gebrauch machen, wenn es sein muss!“, rief ich nun mutiger. Immerhin konnte ich hier noch auf meinen Einfallsreichtum zählen, dachte ich mir. Dann auf einmal hörte ich schnelle Schritte. Dieses Mal aus der Richtung, in die Koda gegangen war. Ich drehte mich erneut um. Die Schritte wurden lauter. Irgendwer beschleunigte seinen Gang rapide und ehe ich mich versah, kam Koda aus dem Nebel heraus auf mich zugestürmt. „Runter! In Deckung!“ Koda sprang regelrecht auf mich und warf mich zu Boden. Gerade noch rechtzeitig, bevor mich die Klinge eines im grünen Feuer gehüllten Schwertes mir den Kopf abschlug. Mit großen Augen starrte ich auf das, was wie der Wind an uns vorbeizog. Es war ein schwarzes Pferd, dessen Augen ebenfalls wie grünes Feuer loderten. Die Muskulatur des Pferdes war monströs und furchteinflößend. Nicht weniger sah auch der Reiter des Pferdes aus, der einen schwarzen Schatten nach sich zog und eine schwarze, eiserne Rüstung trug. Nur eines besaß der Reiter nicht: Einen Kopf! „Verdamm mich! Das ist der Kopflose Reiter! Er existiert also doch.“, sagte Koda laut, während er mich an der Hand packte und etwas grob wieder auf die Beine zerrte. Wir begannen loszurennen, in die Richtung, aus der der Kopflose Reiter gekommen war. Hinter uns waren die schnellen Tritte des Pferdes zu hören, welches uns unaufhaltsam näher kam. Doch dieses Mal kam uns der Irrsinn des Irrgartens zu Gute. Unser Weg gabelte sich mit nicht weniger als sieben weiteren Wegen. Koda bog in die zweite von links ein und zerrte mich mit sich. Während wir versuchten vor dem Kopflosen Reiter davonzurennen, ließ er meine Hand nicht ein einziges Mal los. Schlussendlich schien es uns tatsächlich gelungen zu sein, dem Kopflosen Reiter zu entfliehen. Das Traben des Pferdes war nur noch ein Geräusch in der Ferne. Sein Wiehern jedoch war noch immer laut und ging durch Mark und Bein. Koda und ich verkrochen uns zwischen zweier Hecken, die enger beieinander lagen als die anderen und ich bekam die Gelegenheit, kurz zu verschnaufen. „Seth hatte also Recht und Mason Unrecht.“, sagte Koda. „Von wegen, die Aussicht dass der Kopflose Reiter existiere läge nur bei 6,3 Prozent. Warte nur, dem werde ich was verzählen, wenn wir hier wieder draußen sind.“ „Wenn wir hier überhaupt rauskommen.“, meinte ich und schnaufte wie wild. „Der hätte mir beinahe den Kopf abgeschlagen, hättest du mich nicht rechtzeitig zu Boden geworfen. Danke!“ Koda sah mich an. Ein überraschender Ausdruck lag in seinem Gesicht. Etwa weil ich mich bei ihm bedankt habe? Er erwiderte darauf jedoch nichts und ließ mich in Ruhe wieder zu Atem kommen. „Okay, wir können wieder.“, sagte ich nach etwa einer halben Minute und stand auf. „Je eher wir weitergehen, desto weiter sind wir von diesem Ding entfernt – hoffe ich jedenfalls.“ „Hier wird es uns nicht finden. Dieser Weg ist deutlich enger als die, in der wir bisher waren. Das Pferd kommt hier nicht durch.“, meinte Koda zuversichtlich. „Da hast du Recht, aber wir dürfen nicht ausschließen, dass unser Weg und der Weg, den der Kopflose Reiter genommen hat, sich später wieder kreuzen.“, sagte ich und beschloss dahingehend, besser auf der Hut zu sein. „Welcher Irre hat dieses Wesen hierher verschleppt? Der Magistrat?“ „Ich hab keine Ahnung. Über den Magistrat ist fast noch weniger bekannt, als über den Kopflosen Reiter. Der ist ein genauso großes Mysterium.“, antwortete Koda mir, während wir vorsichtig unseren Weg fortsetzten. Wir mussten hintereinander gehen, weil der Weg zunehmend schmaler wurde. Koda bildete die Vorhut und ich die Nachhut. „Ihr wisst nichts über den Magistrat? Wer er ist? Was für Zauberkräfte er besitzt?“, fragte ich überrascht. „Ich meine, er ist angeblich das mächtigste Zauberwesen in eurer Welt, leitete eure Academy und ihr wisst rein gar nichts über ihn?!“ „Er ist unser aller Mentor. Mehr hat uns nicht zu interessieren.“, meinte Koda daraufhin. „Das ist nicht zufriedenstellend, wenn du mich fragst …“ Ich blicke mich um und sah, wie der Weg hinter uns langsam verschwand. „Koda …“ „Was?“ „Lauf. Lauf so schnell du kannst! LOS!“ Ich musste Koda regelrecht anbrüllen, damit er seine Beine endlich in Bewegung brachte. Zu spät hatte ich bemerkt, wie der Weg hinter uns allmählich verschwand. Die Hecken, durch die wir uns durchbewegten, kamen von Sekunde zu Sekunde näher, als würden sie sich gegenseitig anziehen und uns irgendwann hier einsperren. Koda war das Rennen leid und schwebte nun regelrecht hindurch. Ich hingegen musste mich auf die Kraft und die Ausdauer meines Körpers verlassen und rannte so schnell wie meine Beine mich tragen konnten. Die Hecken kamen unaufhaltsam näher. Ich spürte die ersten Zweige und Blätter an meinen Armen und schrie auf. Erst ein Stich, dann tausend Stiche. Das Gefühl, in ein Meer aus Disteln gefallen zu sein, überkam mich und ich schrie so laut, dass ich glaubte, meine Kehle würde gleich platzen. Ich versuchte so gut es mir möglich war, meine Arme eng an meinen Oberkörper zu pressen, aber die Hecken rückten unaufhaltsam näher und die Schmerzen wurden größer und schlimmer. Wann war der Weg endlich zu Ende? Nur noch wenige Millimeter und ich war nicht mehr. Dann endlich war das Ende des Weges in Sichtweite. Koda schwebte regelrecht hindurch. Ihm konnten die brennenden Hecken schließlich nichts ausmachen. Ich hingegen wurde regelrecht „gebissen“ und „verbrannt“ und als mein Körper zu explodieren drohte, nahm ich einen großen Satz und sprang aus der tödlichen Falle heraus. Der Weg, den wir genommen hatten, verschwand. Wir waren gerade noch einmal mit dem Leben davon gekommen, aber ich musste mit einem teuren Preis bezahlen. Meine Arme waren übersät mit roten Bläschen, die wie Höllenfeuer brannten. Ich schrie und krümmte mich vor Schmerzen, als Koda mich packte und mich aufsetzte. „Beweg dich nicht. Ich werde versuchen, dir zu helfen.“, sagte er. Ich hätte ihn am liebsten ausgelacht und gleichzeitig eine gescheuert, denn die Schmerzen waren so extrem, dass es mir schwer fiel, mich nicht zu bewegen, Am liebsten wäre ich jetzt in den See gesprungen, den ich bei unserer Ankunft hier entdecken konnte. Tränen flossen mir aus den Augen, während die Brandblasen ihre Wirkung entfalteten und mir die größten Qualen meines Lebens bereiteten. Koda durchwühlte inzwischen fieberhaft unsere Beuteltasche und schien fündig zu werden. Er zog eins der beiden Fläschchen heraus, welches Viola uns mitgegeben hat. Ich erinnerte mich an ihre Worte: „Benutzt es mit Bedacht, denn es kann erheblichen Schaden anrichten. Es kann aber auch Wunder vollbringen! „Hier, trink das Billie.“, sagte Koda, nachdem er den Deckel des Fläschchens abgeschraubt hatte und mir die Öffnung an den Mund hielt. Doch mein Mund blieb verschlossen. Sollte dieses Gebräu mir etwa helfen? Ich glaubte irgendwie nicht daran. Am Ende machte es alles nur noch schlimmer. „Verdammt seist du, du Mensch!“, fluchte Koda und starrte mich wütend an. „Jetzt trink schon.“ Ich gehorchte nicht. „BILLIE!“ Ich öffnete meinen Mund und Koda flößte mir ohne lange zu überlegen die Mixtur ein. Ich war überrascht, denn es schmeckte überraschend erfrischend und lecker. Ich schluckte alles herunter und bereits nach kurzer Zeit kam es zu Veränderungen an meinem Körper. Die Bläschen auf meiner Haut verschwanden nach und nach. Meine Arme waren zwar noch immer rot, als hätte ich den schlimmsten Sonnenbrand meines Lebens und ich fühlte mich noch immer innerlich warm, als hätte ich würde ich auf der Sonnenbank sitzen, aber die Schmerzen waren deutlich milder, als hätte man mich leicht betäubt. „Besser?“, fragte Koda mich mit besorgtem Gesichtsausdruck. War das tatsächlich Sorge um mich? Ich nickte leicht. „Besser. Mein Körper … er fühlt sich so warm an.“ Ich versuchte ohne viele Worte meinen Zustand zu erläutern. Ich war erschöpft und fühlte mich müde. Da spürte ich plötzlich etwas Kaltes auf meiner Haut. Ich hatte nur für einen kurzen Moment meine Augen geschlossen und als ich sie wieder öffnete, lag Koda mit abgestützten Armen auf mir drauf. Ich war starr vor Schreck. Woher nahm dieses Gespenst die Frechheit, sich einfach auf mich draufzulegen. Das … das ist doch … das ist eine Wohltat! Kodas kalter Körper, nahm mir die überdrüssige Wärme, wodurch mir das Atmen auch wieder leichter fiel. Ich konnte Kodas Gesicht nicht erkennen, aber dafür bemerkte ich, dass die brennenden Hecken auch bei Koda Spuren hinterlassen haben. Es war nicht so schlimm wie bei mir, aber auch Kodas Arme waren rot. Wie war das möglich? War er als Gespenst nicht unverwundbar. „Koda … du …“ „Sag jetzt nichts. Schon dich ein wenig.“ Koda beugte sich nach hinten und kroch langsam wieder von mir herunter. „Ich denke, dass sollte genügen. Dein Körper soll sich meinetwegen ja auch nicht verkühlen. Ich möchte nicht für eine nachfolgende Infektion verantwortlich sein.“ Koda stand auf und sah sich um. Ich hatte keine Ahnung in welchem Teil des Labyrinths wir uns befanden und Koda vermutlich auch nicht. Es war auch unerheblich, solange wir gerade keiner Gefahr ausgesetzt waren. „Hör zu. Ich werde mich hier mal ein wenig umsehen. Ich gehe nicht weit weg, versprochen, aber wir müssen sicherstellen, dass hier nicht noch irgendeine heimtückische Falle lauert, die uns gefährlich werden könnte. Bleib hier liegen und ruh dich aus, hörst du. Geh nicht weg!“ „Sehe ich etwa so aus, als könnte ich mich gerade bewegen?“, entgegnete ich lediglich. Ich wollte nicht, dass Koda geht, aber leider hatte er Recht. Es war wirklich das Beste, wenn er sich hier ein wenig umsah. Der Nebel war zwar nicht mehr ganz so dicht, aber Gefahren konnten hinter jeder Hecke lauern. „Bis gleich.“, sagte Koda schließlich und ehe ich mich versah, verschwand er hinter der nächsten Abbiegung. Ich wollte die mir gegebene Zeit nutzen und mich noch ein wenig ausruhen. Mein Körper fühlte sich noch immer sehr warm an, aber dank Koda ging es mir jetzt schon sehr viel besser. Ich schloss meine Augen. Was für ein irrer Tag. Dann schlief ich ein.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 2- / Seth: Eine Mumie 4- / Mason: Eine Vogelscheuche mit einem Kürbiskopf; hält sich für den Klügsten, was er aber nicht ist 3- / Zuko: Ein Zombie, welcher Innereien verabscheut und vegan lebt 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3-7 / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer 3-7 / Professorin Crybaby: Eine Banshee; unterrichtet die Monster-Studenten
Nebellabyrinth: 9- / Der Kopflose Reiter: Ein Reiter ohne Kopf, dessen Schwert wie grünes Feuer lodert.
Als ich wieder erwachte war ich allein. Von Koda fehlte jede Spur. Ich rieb mir den Sand aus meinen Augen und sah mich um, ohne vom Boden aufzustehen. Der Nebel war wieder dichter geworden und es war still. Kein Geräusch war zu hören, außer meinem eigenen Atem. „Koda?!“ Keine Reaktion. Wie spät war es eigentlich? Wie lange waren wir jetzt schon im Labyrinth und wie lange hatte ich geschlafen? Ich blickte zum Himmel empor. Grau in Grau, aber das war es schon den ganzen Tag über. Nur hatte es den Anschein, als wäre es noch dunkler geworden. Mein Herz klopfte auf einmal viel schneller. Hatte ich etwa mehrere Stunden gepennt? Nein, unmöglich. Wo war Koda? Ich versuchte mich vom Boden zu erheben, der sich inzwischen recht kalt anfühlte. Meine Arme waren nicht mehr ganz so rot. Offenbar erholte sich mein Körper recht schnell von den Verbrennungen, was ich sicherlich auch Violas Tinktur zu verdanken hatte, die wahrlich Wunder vollbracht hat. Dennoch schmerzte jeder Muskel, als ich versuchte, mich vom Boden zu erheben und als ich aufrecht stand, taumelte ich leicht. Mir war nicht wohl bei dem Gedanken allein zu sein, aber noch mehr beschäftigte mich die Frage, wo Koda abgeblieben war. Wie aufs Stichwort hörte ich Schritte im Nebel. „Ko-Koda?“ Ich hatte ein Déjà-vu. Das war doch hoffentlich nicht schon wieder dieser Reiter ohne Kopf. Wenn er es war, dann sahen meine Chancen dieses Mal schlecht aus, da ich äußerst wackelig auf den Beinen war. Und tatsächlich hörte ich das Geklapper von Pferdehufen. Ich fluchte innerlich. Ich hatte nicht die Kraft wegzurennen, allein schon aufgrund der Angst, die mich von neuem erstarren ließ. Schließlich konnte ich im Nebel den Unterkörper eines Pferdes erkenne. Der Kopflose Reiter – mir blieb auch gar nichts erspart. Doch als das Wesen aus dem Nebel heraustrat und sich vor mich aufbäumte, da fiel mir ein Stein vom Herzen. Denn es war nicht der Kopflose Reiter. Es war ein Zentaur!
# 10
Ich hatte bereits die Gelegenheit, einen waschechten Zentaur aus nächster Nähe zu sehen. Als ich mit Zuko und Koda nach Ramón suchte, war ich einem dieser Halbpferd-Halbmensch-Wesen in der Stadt begegnet, die von allerlei mystischen Wesen bevölkert war. Der Zentaur von damals war sehr stattlich und von kräftiger Statur, aber jener hier wirkte auf mich eher schmächtig und jung. Das änderte aber nichts an meiner misslichen Lage, dass ich dem Zentaur schutzlos ausgeliefert war. Der Zentaur bewegte seine Vorderbeine und trabte langsam auf mich zu. Unter seinem langen dunklen Haar konnte ich ein schmales Gesicht erkennen, deren Augen mich ängstlich anstarrten. Moment. Ängstlich? „D-Du bist ein Mensch.“, sprach der Zentaur mit zittriger Stimme schließlich zu mir. „J-Ja?!“, gab ich mit ebenfalls zittriger Stimme zurück. „Aber wie kommt denn ein Mensch in das Nebellabyrinth?“, fragte der Zentaur mich. „Nun ja …, das ist eine etwas längere Geschichte …“, antwortete ich ihm lediglich. Der Zentaur sah sich um. Wollte er sicherstellen, ob ich alleine war? „Wie ist dein Name, Mensch?“ „Billie.“, stellte ich mich ihm ohne zu Zögern vor. Ich wollte ihm dieselbe Frage stellen, aber wusste nicht so recht, ob das überhaupt wichtig war. Wollte mich der Zentaur nun umbringen oder nicht? „Sei gegrüßt Billie. Mein Name ist Mantao und ich bin, wie du unschwer erkennen kannst, ein Zentaur.“ Was sollte das denn jetzt? Kam der Zentaur etwas auf einen kleinen Plausch bei mir vorbei? Erwartete er jetzt von mir, dass ich ihm Tee und Gebäck servierte? „Bist du allein?“ Ich überlegte jetzt haargenau, was ich dem Zentaur antworten wollte. Wenn ich ihm antwortete, dass ich allein wäre, dann würde er mich vielleicht auf der Stelle umbringen, weil er dann weiß, dass von mir keine Gefahr ausging, aber wenn ich ihm verklickerte, dass ich mit einem mächtigen Monster unterwegs war, dann würde er vielleicht Kehrt machen und mich in Ruhe lassen. „Ich bin mit einem Leviathan unterwegs.“, log ich und bereute es zugleich. Die dümmste Lüge ever. „Einem Leviathan? Unmöglich! Es gibt keine Leviathans!“, entgegnete der Zentaur Mantao, wenngleich er auch etwas bleicher im Gesicht wurde. Es hatte fast den Anschein, als hätte er mehr Angst vor mir, als umgekehrt. „Hör mal, ich will wirklich keinen Stress. Ich will einfach nur aus diesem Irrgarten heraus, das ist alles.“, versuchte ich behutsam ihm zu erklären. „Das möchte ich auch.“, sagte Mantao, der sich zu meiner großen Überraschung nun hinlegte, indem er zuerst seine Vorder- und dann seine Hinterbeine nach unten drückte. „Seit drei Jahren irre ich nun schon in diesem elenden Labyrinth umher.“ „Wie bitte? Seit drei Jahren?!“ Ich war entsetzt, dass es ein Wesen gab, welches es solange in diesem Labyrinth aushalten konnte, ohne den Verstand zu verlieren. „Moment mal …, bist du etwa auch ein Student der Monster Academy. Gehörst du zu denen, die den Ausgang nie gefunden haben?“ „Für einen Menschen weißt du ausgesprochen viel über uns und über unsere Welt.“, meinte Mantao daraufhin. „Ja, ich gehöre zu denen, die schon sehr lange hier umherirren, weil es eine Prüfung von uns abverlangte. Ich nehme an, dass du nun an derselben Prüfung teilnimmst?“ „Ja …, ich und mein Freund Koda.“, antwortete ich und da Mantao auf mich einen netten und harmlosen Eindruck vermittelte, beschloss ich, ihn nicht mehr länger anzulügen. „Koda? Seltsamer Name für einen Leviathan.“, sagte Mantao und schmunzelte. „Er ist ein Gespenst.“, stellte ich nun klar. „Oje, einer dieser armen verlorenen Seelen, die nur noch auf dieser Erde weilen, weil irgendetwas oder irgendjemand sie hier festhält?“, fragte Mantao, erwartete darauf aber keine Antwort. Ich blickte Mantao an und dachte über Koda nach. Im Grunde genommen wusste ich gar nichts über ihn. Weder wie er gestorben war, noch wie er vor seinem Tod gelebt hat. Auch nicht, was er für ein Mensch damals war. Gehörte er zu den Guten, oder hat er gar etwas Schlimmes getan, dass er so früh sterben musste? Auf einmal beschäftigten mich unzählige Fragen über Koda, die zunächst einmal aber warten mussten. Es gab Dringlicheres. „Wir müssen fort von hier.“ „Da gebe ich dir vollkommen Recht.“, pflichtete Mantao mir bei. „Ich will hier nicht weg, denn hier fühl ich mich sicher, aber wir müssen aus diesem Labyrinth raus. Doch zuvor muss ich Koda finden. Da er nicht zurückgekehrt ist, muss ihm etwas zugestoßen sein.“, schlussfolgerte ich. „Du willst dein Leben riskieren, um einen Toten zu retten? Das ist ziemlich bescheuert – selbst für einen Menschen.“, erwiderte Mantao daraufhin, woraufhin ich ihn böse anblickte. Dann sagte Mantao jedoch etwas gänzlich Unerwartetes: „Los steig auf!“ Ich starrte den Zentaur unsicher, vor allem aber überrascht an. „Ich werde dir das Angebot nicht noch einmal unterbreiten. Für gewöhnlich lasse ich niemanden auf mir reiten. Das wird als Schande für einen Zentauren angesehen, aber ich sehe doch, dass du dich kaum auf den Beinen halten kannst, also los jetzt!“ Keine Ahnung, ob ich Mantao vertrauen konnte oder nicht, aber im Moment war er meine einzige Chance, hier überhaupt weiterzukommen. Also stieg ich behutsam auf seinen Rücken. „Ich nehme mal an, hier gibt es keine Gurte oder ähnliches?“ Mantao drehte seinen Kopf und lächelte mich an. „Halt dich an meinen Haaren fest, aber zerr nicht daran, sonst werfe ich dich schneller runter, als du den Namen deines Lieblings ‚Koda‘ sagen kannst.“ „Er ist nicht mein Liebling!“, entgegnete ich sofort. „Schon gut. Halt dich fest. Es geht los!“ Trotz Vorwarnung, war ich überrascht, als Mantao wie ein Pferd losgaloppierte. Bequem war anders, aber dafür war er geschwind, wodurch wir uns schnell durchs Labyrinth fortbewegen konnten. „Ach und eins noch!“, rief er nach ein paar Minuten zu mir nach hinten. „Im Nebellabyrinth gibt es keinen sicheren Ort. Früher oder später hätte dich etwas dort gefunden, wo du dich verkrochen hast. Ich hab dich schließlich auch gefunden.“ „Mich wundert es sowieso, dass wir bislang kaum jemanden begegnet sind.“, sagte ich. „Das ist ganz und gar nicht verwunderlich. Hast du eine Ahnung wie groß das Nebellabyrinth ist? Ich bin mir nicht sicher, ob jemals alle Winkel dieses höllischen Ortes erkundet worden sind. Das liegt auch daran, dass das Nebellabyrinth eine eigene Seele hat und sich selbst fortbewegt. Es kann seine Hecken beliebig fortbewegen. Deshalb ist es auch so schwer, den Ausgang zu finden.“ „Ist das der Grund, warum du seit drei Jahren hier umherirrst?“, fragte ich neugierig. „Auch …, aber vor allem weil ich ein großer Feigling bin und mich wie du lange Zeit immer nur versteckt habe.“, antwortete Mantao mir, der nun etwas langsamer galoppierte und leicht melancholisch wurde. „Nur gut, dass ich mich pflanzlich ernähre. Die Blätter des Nebellabyrinths schmecken zwar etwas bitter, aber die Verdauung ist prima!“ Aus den Augenwinkeln heraus konnte ich erkennen, wie Mantao lächelte. Ich war mir nicht sicher, ob das der richtige Ort und der richtige Zeitpunkt für Späße waren, aber dafür war ich mir inzwischen sicherer, dass Mantao kein übler Kerl war. Unerwartet blieb er jedoch stehen. Als hätte die Ampel von Grün auf Rot umgeschaltet, die ihn zum Stehen zwang. Ich fragte mich was los sei. Als ich einen Blick nach vorne riskierte, erhielt ich meine Antwort. Der Kopflose Reiter! Er stand etwa zwanzig Meter von uns entfernt und versperrte uns den Weg. „Ich denke, wir sollten besser umkehren.“, meinte Mantao. Doch als er sich umdrehte, verschwand der Weg, von dem wir gekommen waren. Das Nebellabyrinth hatte offensichtlich etwas anderes mit uns vor. „Tja …, dann müssen wir uns wohl oder übel der Gefahr stellen.“ Ich schluckte. „Bist du sicher? Ich will nicht so aussehen, wie er am Ende …“ „Es bleibt uns leider nichts anderes übrig. Ich bin dem Bastard auch lange Zeit davongelaufen, aber er findet dich immer wieder. Als hätte er ein Gespür dafür, wo du dich versteckst.“, erklärte Mantao mir, der sein rechtes Vorderbein in die Erde schlug. „Wir können ihn nicht besiegen, aber vielleicht können wir ihn überlisten und dann entkommen.“ Ich schluckte noch einmal. Ich konnte spüren, wie mein Körper zitterte. Ich versuchte meine Angst unter Kontrolle zu halten, denn ich wollte Mantao keinesfalls zur Last fallen. Ich wollte schon absteigen, als er zu mir sagte: „Halt dich gut fest!“ Als hätte er seinen Mut gefunden, rannte Mantao auf den Kopflosen Reiter zu, dessen Pferd wild zu wiehern anfing, ehe es ebenfalls losstürmte. „Auge um Auge. Zahn um Zahn.“, sagte Mantao, während er selber seine Zähne eng zusammenbiss. „Heute wird sich zeigen, was das Schicksal für mich geplant hat. Ich werde nicht mehr weglaufen. Ich werde kämpfen und diesen Jungen hier mit meinem Leben beschützen!“ Mantaos Worte überraschten mich positiv und erstmals konnte ich selber daran glauben, dass wir gegen den Kopflosen Reiter eine Chance hatten. Mantao stürmte auf ihn zu und als der Kopflose Reiter seine feurige Klinge zog, schrie Mantao: „Duck dich!“ Ich gehorchte sofort und duckte mich, ebenso wie Mantao, der der Klinge des Kopflosen Reiters damit gerade noch einmal entronnen war. Dabei verlor ich jedoch kurz mein Gleichgewicht und drohte von ihm runterzufallen. Ich hielt mich noch fester an seinen Haaren fest und hoffte, dass Mantao mir das nicht übel nahm. Mit aller Kraft gelang es mir nämlich, auf ihm sitzen zu bleiben. Der Kopflose Reiter ritt an uns vorbei, doch Mantao ritt unaufhaltsam weiter, als hätte ihn die Angst doch wieder gepackt. Doch auf einmal blieb er stehen. „Steig von mir herab!“ „Was hast du vor?“, fragte ich, wenngleich ich seinem Befehl auch Gehorsam schenkte. „Ich werde mich dem Kopflosen Reiter alleine stellen.“, erklärte Mantao mir. „Mantao nicht. Lass uns einfach ganz schnell von hier verschwinden, bitte!“, flehte ich ihn nun an. „Nein.“ In den Augen des Zentauren konnte ich Entschlossenheit sehen. Ich hoffte das Beste und das ihn diese Entschlossenheit nicht zu Fall brachte. „Ich habe mit ansehen müssen, wie der Kopflose Reiter einen nach den anderen meiner Freunde wie Vieh abschlachtete, während ich mich feige versteckte und auf ein Wunder gewartet habe. Drei Jahre …, drei Jahre hab ich mich immerzu nur verkrochen, bis ich dich getroffen habe. Ein gewöhnlicher Mensch, von Angst erfüllt, aber dennoch so mutig wie ein Löwe. Du hast dich in das Nebellabyrinth gewagt, um deinen Freund zu unterstützen. Dafür habe ich großen Respekt und noch mehr Ehrfurcht. Ich werde nicht zulassen, dass dir etwas passiert und wenn ich dafür mit meinem Leben bezahle, dann sei es so. Ich danke dir Billie. Du hast mir die Augen geöffnet. Leb wohl und pass gut auf dich auf!“ „Nein warte!“, schrie ich, doch Mantao ritt dem Kopflosen Reiter bereits entgegen. Er hatte keine Chance. Mantao war unbewaffnet. Was sollte ich tun? Ich konnte doch nicht tatenlos mitansehen, wie der Zentaur sein Leben für mich opferte. Doch Mantao war nicht so dumm, dem Kopflosen Reiter direkt ins Messer zu laufen. Bevor er ihm zu nahe kam, stoppte Mantao seitwärts, so dass die Erde unter seinen Beinen aufgewühlt wurde. Staubkörner flogen dem Pferd des Kopflosen Reiters in die Augen, was ihn zum Stehenbleiben zwang. Diese Gelegenheit nutzte Mantao aus. Er schlug mit seinen Vorderbeinen auf das schwarze Pferd des Kopflosen Reiters ein, woraufhin dieses sein Gleichgewicht verlor und umkippte. Bevor das schwarze Pferd seinen Reiter unter sich begrub, sprang dieser jedoch ab und landete wohlbehalten auf beiden Füßen. Der Kopflose Reiter hatte zwar keinen Kopf, dennoch konnte ich ein Schnaufen seinerseits hören. Mantao hatte ihn wütend gemacht. Der Kopflose Reiter zögerte nicht eine Sekunde und schlug mit seinem Schwert aus. Zuerst traf er Mantao an der Brust und danach am Sprunggelenk, damit er ihm nicht mehr entkommen konnte. Mantao schrie vor Schmerz auf und stürzte ebenfalls zu Boden. Er war dem Kopflosen Reiter hilflos ausgeliefert. Ich musste etwas tun. Ich musste … nur was? Es traf mich wie ein Geistesblitz. Ich zog meine Beuteltasche heran und kramte nach dem zweiten Fläschchen, welches Viola uns mitgegeben hatte. Es war vielleicht zu früh, bereits die zweite Mixtur aufzubrauchen, aber wenn uns jetzt noch etwas helfen konnte, dann war es ein Wunder. Ich fand das Fläschchen und zog den Stöpsel. „Hey du Hirnloser Reiter!“, schrie ich provokant. Der Körper des Kopflosen Reiters drehte sich zu mir um. Auch ohne Augen, die einen böse anstarrten, wirkte er bedrohlich. „Willst du dir tatsächlich die Hauptspeise vor der Vorspeise schnappen? Ich bin nur ein kleiner Imbiss für dich. Also töte mich zuerst, oder traust du dich nicht? Ich bin ein Mensch und die können sehr gemein sein!“ „Billie … was tust du denn da? Lauf weg!“, rief Mantao mir zu, während er blutend am Boden lag. Ich hatte ehrlich gesagt keine Ahnung was ich tat, denn inwiefern sollte uns Violas Mixtur hier weiterhelfen? Aber ich wollte an ein Wunder glauben. Der Kopflose Reiter fiel auf meine Provokation rein, ließ Mantao links liegen und näherte sich mir mit langsamen Schritten. Er schwang seine scharfe Klinge hin und her, die sich bereits freute, meinen Kopf von meinem Rumpf zu trennen. Der Kopflose Reiter war nur noch fünf Meter von mir entfernt. Jetzt oder nie. Ich holte aus und warf das Fläschchen auf den Kopflosen Reiter. Es prallte jedoch an dessen Klinge ab. Ich fluchte und glaubte verloren zu sein, als eine kleine Explosion das Nebellabyrinth kurz zum Erleuchten brachte. Die Druckwelle der Explosion traf auch mich überraschend und so wurde ich rücklings nach hinten geschleudert, wo ich unsanft auf dem Boden wieder aufprallte und regungslos liegen blieb.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Nebellabyrinth: 9- / Der Kopflose Reiter: Ein Reiter ohne Kopf, dessen Schwert wie grünes Feuer lodert. 10- / Mantao: Ein ängstlicher Zentaur, welcher im Nebellabyrinth lebt
An Ohnmächtig werden war gar nicht zu denken, denn ein Piepsgeräusch wie bei einem Tinnitus hielt mich bei Bewusstsein. Dennoch tat mir alles weh. Jeder Knöchel meines Körpers schmerzte und ich glaubte, mich nie wieder bewegen zu können. Ich öffnete nur sehr langsam meine Augen und stellte mit Erschrecken fest, dass das Nebellabyrinth in Flammen stand. Die Detonation der Explosion hatte gewaltige Auswirkungen auf das Labyrinth und ich konnte nur beten, dass Mantao ausreichend Abstand davon hatte und ihm nichts Schlimmes widerfahren ist. Das Feuer verdeckte mir die Sicht zu ihm. Nicht aber zum Kopflosen Reiter …, der zu meinem Bedauern die Explosion überlebt hatte. Unglaublich, aber er war schließlich schon tot … Trotzdem ergab sich eine letzte Chance, ihn ein für alle Mal zu besiegen. Der Kopflose Reiter hatte durch die Druckwelle sein Schwert verloren, welches nun unweit vor mir auf der Erde lag. Nur wenige Meter und ich war dem Kopflosen Reiter zumindest nicht mehr schutzlos ausgeliefert. Ich fühlte mich nicht in der Lage aufzustehen, also kroch ich auf allen vieren zum Schwert. Doch ich musste mich beeilen, denn der Kopflose Reiter wollte sein Schwert ebenfalls wieder haben. Ich sammelte all meine Kraftreserven und bündelte sie zu einem letzten Gegenzug. Schlussendlich gelang mir das schier Unmögliche: Ich gelangte vor meinem Gegner zum Schwert. Ich packte die Klinge am Griff und versuchte sie anzuheben. Das Schwert war schwerer als gedacht, aber mein Wille zum Sieg war stärker und so konnte ich den Kopflose Reiter mit seiner eigenen Waffe schlagen. Die Klinge durchbohrte seinen Körper. Der Kopflose Reiter stieß einen Schrei aus, ähnlich der einer Banshee, ehe er sich langsam in schwarzen Rauch auflöste und nur noch ein Stäubchen Asche zurückließ.
# 11
Erschöpft, aber stolz auf mich, sackte ich mit dem Schwert zu Boden. Das Feuer hatte mich inzwischen eingeschlossen. Eine Flucht war zwecklos. Wie dumm ich doch die ganze Zeit über gewesen bin. Ich war schließlich nur ein Mensch und hatte hier im Grunde genommen nichts zu suchen. Was hatte ich mir nur dabei gedacht, in dieser Welt zu bleiben und dann auch noch bei diesen mordsgefährlichen Prüfungen mitzumachen. Ich musste von allen Sinnen sein … Ich hatte mich bereits mit meinem Tod abgefunden und schloss zufrieden meine Augen, da sah ich ihn. Koda. „Billie, was tust du denn da? Du darfst jetzt nicht einschlafen und aufgeben. Reiß dich zusammen und steh auf. Wenn du stirbst, was wird dann aus deiner Familie? Steh wieder auf Billie! Na los, STEH AUF!“ Ich riss meine Augen auf und sah mich um. Koda war nicht hier, aber das Feuer kam immer näher. Jede meiner Bewegungen schmerzte, dennoch versuchte ich aufzustehen. Vergebens. Ich sackte erneut zu Boden. Der Kampf mit dem Kopflosen Reiter hatte meinem Körper schwer zugesetzt. Ich war schließlich nur ein Mensch und nicht unverwundbar. Als ich aber sah, dass das Schwert des Kopflosen Reiters noch immer vor mir lag, packte ich es fest am Griff, stieß die Klinge in den Boden und hielt mich daran fest, um wieder auf die Beine zu kommen. Das Feuer breitete sich immer weiter aus. Ich konnte die Flammen bereits auf meiner Haut spüren. Leider waren Violas Mixturen allesamt aufgebraucht. Ein weiteres Wunder würde es nicht geben … Irren war menschlich! Plötzlich sprang eine massive Gestalt durch eine Wand aus Flammen und landete neben mir. „Los, steig schnell auf!“, rief Mantao mir zu, reichte mir die Hand, die ich ohne Zögern packte und stieg auf seinen Rücken. Es verging keine Sekunde, da galoppierte Mantao los und sprang erneut über das Feuer, dem wir nur so entkommen konnten. Der Sprung gelang, doch Mantao rannte weiter, bis wir wirklich außer Gefahr waren. Erst nach etwa zehn Minuten blieb er wieder stehen und sah zu mir nach hinten. „Das war wirklich sehr töricht von dir …, aber auch mutig!“ „Danke.“, erwiderte ich leise und erschöpft. „Kann ich nur zurückgeben.“ Ich betrachtete Mantaos Wunden am Körper. Es hatte aufgehört zu bluten, aber ich konnte mir vorstellen, dass der Zentaur dennoch Schmerzen hatte. Jetzt durfte er mich auch noch herumschleppen. „Bleib sitzen.“, sagte Mantao, als hätte er meine Gedanken gelesen. „Ich werde weitergehen und nicht stehen bleiben, ehe wir diesen beschissenen Ausgang aus diesem Nebellabyrinth gefunden haben.“ „Okay …, aber ich kann nicht ohne Koda gehen.“, sagte ich. „Schon klar. Wir suchen deinen Freund – und den Ausgang!“, entgegnete Mantao lächelnd und setzte seinen Weg fortan etwas gemächlicher fort. „Mantao …, warum hast du dein Leben für mich riskiert?“, fragte ich ihn nach einer Weile, in der wir beide zwar die Stille genossen, es aber immer noch Fragen zu klären gab. „Alle in meiner Familie sind Zentauren gewesen.“, sagte Mantao, der begann mir seine Geschichte zu erzählen. „Mein Vater war der stärkste Zentaur den ich kannte und meine Mutter war so anmutig und schön wie eine Mischung aus einem Engel und einem Pegasus. Sie waren meine großen Vorbilder und haben mich alles gelehrt, was sie glaubten, wissen zu müssen. Sie erzählten mir auch von euch Menschen, dass ihr eine ziemlich naive Rasse seid, die aus Angst viele Dummheiten begehen. Doch wie bei so vielen Rassen gäbe es auch bei den Menschen sowohl Böse als auch Gute. Sie erzählten mir, dass die Guten freundlich sind und fähig zu lieben. Als ich dich getroffen habe, erinnerte ich mich an ihre Worte und ich muss sagen, sie hatten vollkommen Recht.“ Ich lächelte und schmiegte mich an Mantaos Körper. „Deine Eltern scheinen mir sehr weise zu sein. Ich würde sie gerne einmal kennenlernen.“ „Sie sind tot.“, sagte Mantao und auf einmal verschwand jegliche Wärme in seiner Stimme und aus seinem Körper. „Ein mächtiger schwarzer Magier hat sie vor vielen Jahrhunderten bei lebendigem Leibe verbrannt. Ich war noch ein Kind und konnte nur tatenlos mitansehen, als es geschah.“ „Das ist schrecklich. Wer tut so etwas Grausames?“ fragte ich schockiert. „Unsere Welt ist eurer ähnlicher als du vielleicht glauben magst.“, sagte Mantao, in dessen Augen sich die Bilder seiner Vergangenheit widerspiegelten. „Wie ich schon sagte, gibt es in allen Rassen sowohl Gute, als auch Böse. Unsere Welt wurde damals von einem grausamen Herrscher reagiert. Er war der schwarzen Magie verfallen und hielt sich für das mächtigste Wesen im ganzen Universum. Doch selbst das mächtigste Wesen weiß, was Angst zu haben bedeutet. Seine größte Angst war es, dass eines Tages jemand auftauchen könnte, der noch mächtiger war als er. Deshalb hat er jeden verhaften lassen, von dem er glaubte, er könne eine Gefahr für ihn darstellen. Irgendwann lehnte sich das Volk gegen ihn auf, was nur noch schlimmere Folgen hatte. Es kam zu Hinrichtungen, bei denen alle zusehen mussten, damit sie wussten, was ihnen blühte, wenn sie sich gegen den schwarzen Magier auflehnten. Damals war jeder Tag so schwarz wie die Nacht und unsere Welt war dem Untergang nahe. Bis zu jenem Tag, als der Magistrat erschien. Er tauchte wie durch ein Wunder auf und besiegte den schwarzen Magier, dessen Leiche jedoch nie gefunden wurde. Viele von uns glaubten, dass der schwarze Magier noch immer lebt und seine Rache plant, aber das ist nun schon so lange her, dass niemand mehr daran glaubt. Wir haben den Magistrat gefeiert und konnten ihm gar nicht genug für unsere Rettung danken. Also haben wir ihn zu unserem Herrscher gemacht. Er beschützt uns, machte uns aber auch klar, dass nur der Stärkste überleben kann. Die Prüfung hier mag dir hart erscheinen, aber der Magistrat will nur, dass wir stark genug werden, um uns und unsere Familien und Rassen zu beschützen. Damit, sollte es jemals wieder einen schwarzen Magier geben, wir uns besser verteidigen können.“ „Dann … wurden deine Eltern also von diesem schwarzen Magier umgebracht?“, fragte ich. Mantaos Geschichte stimmte mich traurig, aber wenigstens konnte ich jetzt den Sinn hinter dieser Prüfung verstehen, wenngleich ich auch noch immer nicht verstand, warum es gleich so rabiat sein muss. „Ja, sie lehnten sich damals gegen ihn auf und wurden daraufhin mit Pfeilen durchbohrt und verbrannt.“, antwortete Mantao mir betrübt. „Moment mal … vor Jahrhunderten fand das alles statt, sagst du? Wie alt bist du denn?“ „422.“, antwortete Mantao mir ungeniert. Zentauren können bis zu 2000 Jahre alt werden, musst du wissen.“ „Wow … also das hätte ich nicht gedacht, aber ich sollte lernen umzudenken, denn hier tickt die Zeit ein wenig anders.“, sagte ich, als wir gerade wieder einmal in einer Sackgasse landeten und zum Umkehren gezwungen waren. „Also dieser Irrgarten regt mich auf.“ „Geduld mein Freund.“, meinte Mantao zuversichtlich. „Hey, ich lebe nicht so lange wie du, dass ich hier drei Jahre meines Lebens verplempern kann!“, rief ich laut, bereute es aber zugleich wieder, Mantao so anzuschreien. „Nichts für ungut.“ „Schon okay. Ich gebe zu, ich hatte mich aufgegeben, aber du hast mir neuen Mut und neue Kraft gegeben. Dafür danke ich dir von Herzen.“ Mantaos Worte schmeichelten mir und ich konnte es nicht verhindern, rot im Gesicht zu werden. „Ich hoffe du hast es bequem da oben?“ „Okay, Schluss jetzt ja?!“, schrie ich ungewollt laut, aber inzwischen war ich knallrot. Ich musst schon die ganze Zeit an eines denken: „Billie … du reitest einen jungen Hengst …!“ Mantao sah verwirrt zu mir hinter, sagte aber zum Glück kein Wort und ging einfach weiter. Es vergingen mehrere Minuten, in der keiner von uns ein Wort sagte. Die Stille war angsteinflößend, denn nun glaubte ich etwas zu hören, was gar nicht existierte. Das Nebellabyrinth spielte meinen Ohren einen Streich. Ich glaubte einen Schrei zu hören, konnte aber niemanden sehen. „Hast du das auch gehört?“, fragte ich Mantao besorgt und zugegebenermaßen leicht verängstigt. „Ja hab ich. Dein Magen knurrt.“, antwortete Mantao, woraufhin ich ihn verwirrt ansah. Hatte er den Schrei nicht gehört? Was das tatsächlich nur eine Einbildung von mir? Wie auch immer. Mein Magen knurrte tatsächlich. „Sollen wir eine kleine Pause einlegen?“ „Wegen mir nicht. Mein Hunger hält sich in Grenzen, ich …“ Mit einem Mal hielt ich inne. Mir kam in den Sinn, dass Mantao selber vielleicht ziemlich erschöpft war. Schließlich musste er mich schon die ganze Zeit herumtragen und das, wo er vermutlich selber noch ziemlich angeschlagen war, nach dem Kampf mit dem Kopflosen Reiter. „Ja gut, lass uns eine Pause einlegen.“ Mantao stoppte an einer passenden Stelle und ich stieg sachte von ihm herunter. Anschließend setzte ich mich auf den Boden, lehnte mich an die Hecke und wühlte in der Tasche nach ein paar Snacks. „Ähm … möchtest du auch was haben?“, fragte ich Mantao unsicher. Nicht weil ich ihm nichts abgeben hätte wollen, sondern weil ich nicht wusste, was Zentauren eigentlich so zu sich nahmen. Aßen sie nur rohes Gemüse. Vegane Zentauren sozusagen. „Schon in Ordnung Billie.“, sagte Mantao, der seine Beine anzog und es sich ebenfalls auf dem Boden bequem machte. „Ich brauch nichts danke. Wenn ich mich ein wenig ausruhen kann, genügt das schon.“ Ich blickte Mantao bedenklich an, akzeptierte seine Antwort jedoch. „Woher kommst du Billie? Ich meine aus welcher Stadt stammst du?“, fragte Mantao mich, nachdem ich mehrere Schlucke Wasser aus einer Feldflasche trank und mir danach den Mund mit dem Handrücken abwischte. „Ich komme aus New Orleans. Ich lebe dort zusammen mit meinen Eltern und meiner jüngeren Schwester.“, antwortete ich ihm. „Vermisst du deine Familie?“, fragte Mantao weiter. „Naja … ich will nicht lügen. Ich genieße die elternfreie Zeit, aber meine kleine Schwester vermisse ich schon sehr. Sie ist ein Engel!“ „Ein Engel? Ich wusste gar nicht, dass sie unter Menschen leben. Dann ist deine Mutter oder dein Vater auch einer?“, fragte Mantao verblüfft. Ich sah den Zentaur komisch an. „Einer was?“ „Ein Engel.“, wiederholte Mantao nicht minder erstaunt. „Ähm … ich weiß nicht wie ich die Frage verstehen soll, aber wenn schon, dann ist meine Mum eine Hexe und kein Engel und … warte mal …, willst du mir gerade weißmachen, dass auch Engel in eurer Welt existieren?!“ Mantao schluckte, ehe er sich zu einer Antwort durchrang. „Ich glaube, ich hab schon viel zu viel gesagt. Wie sieht es aus, können wir weiter gehen?“ Ich wurde mit einer halbgaren Antwort abgefertigt, aber in diesem Moment war mir klar, dass ich aus Mantao nicht mehr herausbringen würde, also nickte ich. „Wir können, aber um es dir ein wenig leichter zu machen, werde ich zu Fuß neben dir hergehen.“ „Wenn du meinst. Dann los!“, entgegnete Mantao und wir setzten unseren Weg fort. Während wir die verschlungenen Pfade des Nebellabyrinths entlang marschierten, ereilte mich auf die Dauer ein beklemmendes Gefühl. Die Hecken des Labyrinths waren immens und die Angst, für immer hier gefangen zu sein, wurde immer größer. Außerdem konnte ich nicht damit aufhören, mir Sorgen um Koda zu machen. Was ihm wohl zugestoßen sein mag? Völlig unerwartet streckte Mantao seinen linken Arm weit aus, um mich zum Stillstand zu zwingen. „Was ist lo …?“ Mantao sah mich an und hielt sich einen Finger vor den Mund. Er schüttelte den Kopf und bedeutete mir still zu sein. Er musste etwas gesehen oder gehört haben. Meine neugierigen Augen sahen sich reihum, doch der Nebel war zu dicht, als das ich was hätte erkennen können. Doch dafür beschlich mich ein eigenartiges Gefühl. Die Erde unter meinen Füßen schien zu vibrieren. Auch Mantao war dies nicht entgangen. Ich spitzte meine Lauscher noch kräftiger und glaubte zu hören, wie etwas zerbröckelte. „Steig auf!“, befahl Mantao und beugte sich zugleich hinunter, um mir das Aufsteigen zu erleichtern. „Schnell, sonst ist es zu spät!“ „Was geht hier vor sich Mantao?“, fragte ich und klammerte mich an seiner langen Haarmähne, um nicht herunterzufallen. „Ist das ein Erdbeben?“ „So etwas in der Art. Halt dich gut fest!“, rief Mantao mir laut zu, denn das Geräusch wurde immer lauter und die Vibration unter seinen Füßen immer spürbarer. Mantao galoppierte los. Genau zur rechten Zeit, denn als ich mich noch einmal umdrehte, brach die Erde ein, an der wir bis gerade eben noch verweilt haben. Der Boden verschwand in ein tiefes schwarzes Loch, doch die Hecken um uns herum blieben stehen. „Noch so eine teuflische Todesfalle!“, fluchte Mantao, während er unermüdlich weiterrannte und die Erde hinter uns nach und nach absackte. „Übertreiben die nicht ein bisschen mit der Prüfung?!“, fragte ich besorgt und hoffte, dass Mantao schnell genug war, dieser teuflischen Falle zu entgehen. Mantao schwieg, während er sich im rasanten Eiltempo fortbewegte. „Das schaffen wir nicht!“, schrie ich, als ich den Boden unter Mantaos Hinterfüßen bereits absacken sah. „Doch wir schaffen das!“, rief Mantao mir hoffnungsvoll zu. „Glaub daran und du wirst es schaffen! Wenn ich sage spring, dann springst du von meinem Rücken runter. Hast du mich verstanden?“ Ich starrte Mantao verängstigt an. Ich konnte spüren, wie er den Boden unter seinen Füßen verlor. Mantao setzte zum Sprung an. Es war der gewaltigste Sprung, den ich je in meinem Leben gesehen habe. Unter uns befand sich nur noch ein schwarzes Loch, denn die Erde war gänzlich verschwunden. Jedoch gab es einen Hoffnungsschimmer: Der vor uns liegende Platz war noch immer stabil, als wäre nur dieser Pfad von dieser tödlichen Gefahr betroffen. Mantao flog regelrecht über das unter uns liegende schwarze Loch. Doch würden wir es schaffen? „Okay spring Billie, SPRING!“, rief der junge Zentaur mir ganz laut zu und ich sprang von seinem Rücken herunter, so gut ich konnte. Ich flog im hohen Bogen über ihn und das schwarze Loch hinweg und landete exakt auf der Kante des befestigten Platzes. Die Erde war zu fein und ich rutschte ab, doch mit letzter Kraft hielt ich mich mit beiden Händen an der Kante fest, um nicht in das schwarze Loch abzustürzen. Ich blickte besorgniserregend nach unten und konnte gerade noch sehen, wie Mantao ins schwarze Loch stürzte und verschwand. Ein Schrei durchzuckte meine Kehle, Tränen schossen mir ins Gesicht, doch musste ich meine ganze Kraft aufsparen, um mich an der Kante hochzuziehen. Ich probierte es mindestens dreimal, aber rutschte immer wieder ab. Meine Kraft ließ mich allmählich im Stich und ich glaubte schon, dass Mantaos Opfer vergebens war. Da packten mich zwei Hände und zogen mich nach oben.
To be continued
ROLLENLISTE: 1- / Balthasar „Billie“ Kenneth Books: Billie findet Halloween einfach nur öde und unsinnig. Eines Tages taucht ein seltsamer Junge auf und entführt ihn in das Land der Monster
Monster Teen Club: 1- / Koda: Ein Spukgespenst; welcher aber nicht sonderlich furchteinflößend ist 4- / Viola: Eine junge Hexe und die Leiterin des Monster Teen Clubs.
Monster Academy: 3-7 / Magistrat: Der Leiter der „Monster Academy“ und ein großer Zauberer
Nebellabyrinth: 9-11 / Der Kopflose Reiter: Ein Reiter ohne Kopf, dessen Schwert wie grünes Feuer lodert. 10+11 / Mantao: Ein ängstlicher Zentaur, welcher im Nebellabyrinth lebt
Hey Sky, habe drüben gelesen, dass du dich dort abgemeldet hast und die Geschichte eingestampft hast. Finde ich persönlich sehr schade. Wirst du denn irgendwann wieder weiterschreiben und bleibt uns wenigstens dein Forum hier erhalten, damit wir dich erreichen können? Wäre sehr toll. :) Wäre sehr schade, wenn du plötzlich einfach so "weg" wärst.